RN/11

10.07

Bundesminister für Finanzen Dr. Markus Marterbauer: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke für eine intensive Debatte – zunächst in der Runde der Klubobleute – zum Budget, das wir gestern dem Hohen Haus vorgelegt haben. Ich denke, es ist immer gut, diese Debatte auf Basis von Fakten und Daten zu führen. Das ist auch der Zugang gewesen, den wir für die Erstellung des Budgets gewählt haben und den wir hier in dieser Debatte auch einbringen wollen. 

Zur Ausgangssituation: Ich habe gestern schon versucht, das umfassend zu beschreiben. Wir übernehmen das Budget in einer extrem ernsten Lage. Das Budgetdefizit – ich wiederhole das, was ich gestern ausgeführt habe – wäre ohne Sanierungsmaßnahmen im heurigen Jahr für den Gesamtstaat bei 5,8 Prozent des BIP gelegen, das sind fast 29 Milliarden Euro. Der mittelfristige Ausblick, den die Beamtinnen und Beamten des Finanzministeriums auf Basis der vorliegenden Wirtschaftsprognosen erstellt haben, war, dass das Budgetdefizit bis zum Ende der Legislaturperiode kaum unter diese 6-Prozent-des-BIP-Marke sinkt. Das hätte impliziert, dass die Staatsschuldenquote bis 2029 auf 96,6 Prozent des BIP gestiegen wäre. Das sind Dimensionen, in denen Österreich nie war. In Relation zu diesem Szenario muss man die Konsolidierungsanstrengungen dieser Koalition, die wirklich umfassend sind, die große Sparpakete sind und erfolgreiche Sparpakete sein werden –, sehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Gasser [NEOS].)

Vor diesem Hintergrund möchte ich auch sagen, dass wir schnell sanieren. Dieses Budgetpaket ist ein front-loaded Budgetpaket, am Anfang kommen die stärksten Dinge. Es wird uns deshalb gelingen, von diesen 5,8 Prozent des BIP, die für das heurige Jahr an Budgetdefizit vorhergesagt werden, schon heuer auf 4,5 Prozent herunterzukommen. Das ist ein gewaltiges Sparpaket, eines, das es in dieser Größenordnung noch nie gab.

Wir werden im nächsten Jahr einen kleinen weiteren Schritt auf 4,2 Prozent des BIP machen. Damit sind wir noch nicht dort, wo wir hin wollen, das ist völlig klar. Wir werden aber innerhalb dieser Legislaturperiode noch das Ziel erreichen, unter die 3-Prozent-Maastrichtgrenze zu kommen, und es wird uns mit diesen Maßnahmen gelingen, die Staatsschulden zumindest zu stabilisieren. Auch das ist nicht ausreichend, wir wollen weiter herunter, aber das ist das, was in dieser mittleren Frist und angesichts dieser enormen Herausforderungen möglich ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich habe es gestern gesagt und meine das ernst: Es wird niemanden geben, der nicht zu diesem Sparpaket beitragen kann. Es geht gar nicht anders. Ich kann nicht 7 Milliarden heuer und 10 Milliarden im nächsten Jahr, wenn ich die Finanzierung der Offensivmaßnahmen dazurechne, einsparen, ohne dass das die Bevölkerung merkt. Das geht nicht. (Abg. Kogler [Grüne]: Ja eh, aber wer wie viel?)

Ich glaube, Herr Klubobmann Kogler, dass es tatsächlich so ist, dass zwei Drittel auf der Ausgabenseite saniert werden, weil die Abschaffung des Klimabonus natürlich eine ausgabenseitige Maßnahme ist, das ist ja finanzwissenschaftlich vollkommen klar. (Abg. Kogler [Grüne]: Ja eh, am Papier!)

Wir bringen mit diesen Maßnahmen Österreich budgetär wieder auf Kurs, und das ist in ganz vielen Bereichen der Fall. Das betrifft nicht nur den Klimabonus, das betrifft auch umfangreiche Einsparungen bei den Förderungen. Ich möchte noch einmal darauf aufmerksam machen, dass wir schon im heurigen Jahr die Förderungen um 1,3 Milliarden Euro kürzen, im Übrigen auch im folgenden Jahr. Gleichzeitig setzen wir diese Fördertaskforce ein, die bis zum Ende der Legislaturperiode noch einmal 800 Millionen Euro pro Jahr bringen wird. Das muss erst mit Leben erfüllt werden, in die Realität umgesetzt werden, aber tatsächlich tun wir in ganz vielen anderen Ausgabenbereichen Ähnliches.

Und ich komme jetzt noch einmal zu den Familienleistungen: Es ist tatsächlich so, dass das schmerzhafte Maßnahmen sind, wenn wir die Familienleistungen nicht an die Inflation anpassen, also um ungefähr 3 Prozent im kommenden Jahr nicht erhöhen und im Jahr 2027 vielleicht in der gleichen Größenordnung – wir kennen die Inflation noch nicht. Doch mir ist es wichtiger, diese sehr breit streuenden Maßnahmen der Valorisierung der Familienleistungen zwar nicht zu setzen, gleichzeitig aber die sozialen Dienste gerade für Familien und Kinder massiv auszubauen, was natürlich vor allem jenen Kindern hilft, die aus unteren Einkommensschichten kommen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS. Zwischenruf der Abg. Zadić [Grüne].)

Wir sorgen für das zweite verpflichtende Kindergartenjahr. Wir bauen die psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen aus, wir fördern im Bildungsbereich, gerade in jenen Bereichen, in denen die Kinder, die es nicht so leicht haben, unterstützt werden, wenn ich an den Chancenbonus und Ähnliches denke. Das sind massive Verbesserungen, die wir trotz dieses Sparpakets umsetzten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Vielleicht auch noch ein paar Worte zu den Pensionen, weil die hier sehr kritisch angesprochen wurden: Das österreichische Pensionssystem ist ein besonders gutes, und wir wollen es erhalten. Erhalten bedeutet aber auch, die Finanzierbarkeit zu erhalten, und das ist schon ganz entscheidend (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS): Wenn man ein gutes Pensionssystem will, dann muss man laufend auf die Herausforderungen reagieren. Wir wissen, was die Herausforderungen für die Finanzierbarkeit des Pensionssystems sind: im Wesentlichen die Beschäftigungsquote und die Einkommen – wenn es gelingt, dass beide hoch sind, dann sind die Pensionen ganz gut finanzierbar. Wichtig sind eine hohe Beschäftigungsquote und gute Einkommen gerade auch bei den Älteren, also bei den 60- bis 64-Jährigen. Das ist der Anspruch der Bundesregierung. Wir setzen eine Reihe von Maßnahmen, die das effektive Antrittsalter erhöhen werden, wir setzen eine Reihe von Maßnahmen, die gerade den älteren Beschäftigten zugutekommen, gerade jenen, die wenig qualifiziert sind, damit sie länger im Erwerbsleben bleiben können. Das sind die Voraussetzungen für die Finanzierbarkeit des Pensionssystems und das sind vielleicht nicht die ganz einfachen Dinge, die wir hier machen, aber es sind die notwendigen Dinge.

Ein dritter Punkt in dem Zusammenhang noch: Ich glaube, um das noch einmal allgemein zu sagen – vielleicht ist es ein bissel pathetisch, aber ich meine es so, wie ich es jetzt sage –: Der Sozialstaat ist neben der Demokratie die größte Errungenschaft des 20. Jahrhunderts in diesem Land (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS), und wir sorgen dafür, dass dieser Sozialstaat langfristig finanzierbar bleibt, indem wir ihn an die Herausforderungen anpassen, indem wir Beschäftigungspolitik betreiben, indem wir da und dort redimensionieren, zusätzliche Leistungen einführen und ausbauen, die gerade denen helfen, die sich nicht so leichttun. (Beifall bei der SPÖ.)

Trotz dieser sehr schwierigen Lage gelingt es uns, bei knappen Kassen in einer Reihe von Bereichen Offensivmaßnahmen zu setzen – und das ist mir schon ganz wichtig: dass wir in den Standort investieren, in die Beschäftigung investieren, in soziale Dienste investieren, in die Gesundheit investieren und vor allem auch Investitionen in die Bildung vornehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Ich möchte deshalb sagen: Im Mittelpunkt unserer Budgetpolitik steht zunächst die Sanierung. Das ist nicht der angenehmste Teil der Wirtschafts- und Budgetpolitik, aber wir sanieren, um Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die großen Krisen dieser Zeit bewältigt werden: Das ist die Wirtschaftskrise, in der wir uns immer noch befinden, das ist die Ungleichheitskrise die Lebensbedingungen der Menschen betreffend, und das ist die Klimakrise, und ich glaube, wir können für uns in Anspruch nehmen, dass wir zwar mit anderen Mitteln als in der Vergangenheit, aber mit dem gleichen Ziel diese Krisen bekämpfen.

Ich möchte sagen: Bei der Wirtschaftskrise ist das Entscheidende wirklich diese Ausrichtung der Politik der Bundesregierung in Richtung Zusammenarbeit und Kompromiss. Wir sind drei unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichsten Vorstellungen, und ich finde das gut, weil das die Debatte und die Auseinandersetzung belebt. Wenn man unterschiedliche Argumente vorbringt, wird man in der Zusammenschau dann gescheiter und bringt vielleicht den Kompromiss besser zustande. Wir haben aber gestern im Zuge der Budgetrede darauf hingewiesen, dass es nicht reicht, wenn der Kompromiss innerhalb der Bundesregierung gefunden wird, sondern wir sind darum bemüht, die Oppositionsparteien einzubinden, und ich nehme das Gesprächsangebot sehr gerne an, die Gebietskörperschaften einzubinden, die Sozialpartner einzubinden und alle einzubinden, die guten Willens sind. Dieses Angebot steht. Nur gemeinsam werden wir diese Wirtschaftskrise überwinden können und damit auch das Vertrauen schaffen können. Es sind alle Voraussetzungen da, dass die Konsument:innen wieder mehr ausgeben und weniger sparen, dass die Unternehmen wieder mehr investieren und weniger auf ihrer Liquidität sitzen bleiben. Die Voraussetzung ist aber der Kompromiss, die Zusammenarbeit, die Stabilität, der Pragmatismus, die diese Bundesregierung vorlebt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Die zweite Krise ist die Ungleichheitskrise. Gerade in der Frage der Verteilungspolitik gibt es große Unterschiede, die wir in den letzten zehn Wochen intensiv diskutiert haben und in den nächsten Wochen und Monaten weiter intensiv diskutieren werden. Es sind aber in diesem Budget eine Reihe von Ansatzpunkten vorhanden, die die zu großen Unterschiede in den Lebensbedingungen der Menschen ansprechen. Ich möchte darauf hinweisen – und mir ist das ein persönliches Anliegen –, dass eben in der Budgetsanierung ein Drittel über die Einnahmenseite kommt. Nur durch diese einnahmenseitigen Maßnahmen ist es möglich, auch die großen Konzerne und die Spitzenverdiener:innen in diese Budgetpolitik einzubeziehen. Ich nenne die Bankenabgabe, den Energiekrisenbeitrag der Energiewirtschaft, ich nenne die Erhöhung der Grunderwerbssteuer bei den Share-Deals, ich nenne die Umwidmungsabgaben, ich nenne den Spitzensteuersatz, ich nenne die Stiftungen und so weiter. Man könnte das immer weiter fortführen. Die Einnahmenseite ist im Budget notwendig, nicht nur, weil sie kurzfristig Aufkommen bringt, sondern auch, weil sie für Gerechtigkeit sorgt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Letzter Punkt: Eine der größten Krisen, vor der wir stehen, ist die Klimakrise. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer [NEOS].) Ich denke durchaus, dass die letzte Bundesregierung große Anstrengungen unternommen hat (Abg. Doppelbauer [NEOS]: Nein!), um gegen die Klimakrise zu arbeiten (Abg. Doppelbauer [NEOS]: Auf dem ..., wo wir jetzt sind ...!), und ich erkenne das auch an. Wir sind aber jetzt in einer Budgetsituation, in der ich leider sagen muss, dass wir uns Förderungen dieses Ausmaßes und ohne ausreichende Zielgerichtetheit nicht mehr leisten können. Das Geld ist nicht mehr da! Deshalb, weil das Geld nicht mehr da ist, müssen wir neue Formen in der Klimapolitik finden. Und wieder: Ich bin zu jedem Diskurs und zu jedem Versuch, gemeinsam diese Ziele zu erreichen, bereit, aber die Botschaft ist klar: Wir haben das Geld für die umfangreichen Förderungen und Subventionen nicht mehr. Wir werden stärker auf budgetneutrale Regulierungen setzen müssen. Wir werden da und dort weiterhin Förderungen zur Verfügung stellen: Die Mittel des Klien sind verringert worden, aber es gibt ihn nach wie vor und wir werden ihn zielgerichtet einsetzen. Im Infrastrukturbereich werden wir die Bahn zielgerichtet weiter ausbauen, das Klimaticket ist weiter da. Wir versuchen also weiterhin, auf die konkreten Maßnahmen zu setzen, aber vielleicht etwas zielgerichteter, gescheiter, wenn ich das so sagen darf, und ökonomisch effizienter. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, das ist auch das, was das gesamte Budget prägt: Wir versuchen, nüchtern von der Ausgangssituation auszugehen: Wo starten wir, wohin wollen wir? Wir versuchen, die ökonomisch effizientesten und sozial gerechtesten Maßnahmen zu finden, um die Ziele zu erreichen, und wir versuchen, das mit Pragmatismus und Kompromiss zu erreichen. Ich glaube, dieser Dreierpack ist es, warum diese Budgetsanierung zum Schluss erfolgreich sein wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

10.18

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Danke, Herr Bundesminister. 

Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Schiefer. Eingemeldete Redezeit: 7 Minuten.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.