Plenarsitzung
des Bundesrates
964. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Donnerstag, 14. März 2024
Bundesratssaal
Stenographisches Protokoll
964. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Donnerstag, 14. März 2024
Dauer der Sitzung
Donnerstag, 14. März 2024: 9.04 – 19.32 Uhr
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Tagesordnung
1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird
2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom und das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger sowie das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden
3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden
4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird
5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird
6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird
7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (Berufskrankheiten-Modernisierungs-Gesetz)
8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz, das Apothekerkammergesetz 2001 und das Gehaltskassengesetz 2002 geändert werden
9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitsreformmaßnahmen-Finanzierungsgesetz geändert wird
10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Tiergesundheitsgesetz 2024 erlassen wird sowie das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Tierarzneimittelgesetz, das Tierärztegesetz und das Kontroll- und Digitalisierungs-Durchführungsgesetz geändert wird (Veterinärrechtsnovelle 2024)
11. Punkt: Bundesgesetz über die Führung der Bezeichnung „Sozialarbeiterin“ oder „Sozialarbeiter“ oder „Sozialarbeiter:in“ sowie der Bezeichnung „Sozialpädagogin“ oder „Sozialpädagoge“ oder „Sozialpädagog:in“ (Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz 2024 – SozBezG 2024)
12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz geändert wird
13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird
14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird
15. Punkt: Bericht betreffend EU-Jahresvorschau 2024 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG
16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Heimarbeitsgesetz 1960 und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden
17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird
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Inhalt
Bundesrat
Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung betreffend die Abwesenheit von Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc:
Korinna Schumann ................................................................................................ 18, 19
Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ...................................................................................... 18
Personalien
Verhinderungen ........................................................................................................... 17
Aktuelle Stunde (113.)
Thema: „Generation Zuversicht: aktuelle Lage der Jugend“ ................................ 17
Redner:innen:
Elisabeth Wolff, BA ....................................................................................................... 20
Korinna Schumann ....................................................................................................... 25
Mag. Isabella Theuermann ........................................................................................... 29
Simone Jagl ................................................................................................................... 32
Staatssekretärin Claudia Plakolm ........................................................................ 37, 56
Viktoria Hutter ......................................................................................................... .... 42
Mag. Daniela Gruber-Pruner .................................................................................. .... 45
Markus Leinfellner ................................................................................................... .... 48
Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................ .... 50
MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ............................................................................ 53
Bundesregierung
Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ...................................... 59
Vertretungsschreiben ................................................................................................. 60
Nationalrat
Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ........................................................................ 60
Ausschüsse
Zuweisungen ...................................................................................................... 56, 320
Dringliche Anfrage
der Bundesrät:innen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Versagen der grünen Ministerin auf allen Ebenen“ (4163/J-BR/2024) ..................................................................................................... 229
Begründung: Andreas Arthur Spanring .................................................................... 229
Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................... 250
Debatte:
Markus Leinfellner ................................................................................................... .. 266
Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................. .. 271
Mag. Daniela Gruber-Pruner .................................................................................. .. 276
MMag. Elisabeth Kittl, BA ....................................................................................... .. 283
MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... .. 287
Klemens Kofler ......................................................................................................... .. 290
Mag. Harald Himmer ............................................................................................... .. 292
Stefan Schennach .................................................................................................... .. 295
Mag. Isabella Theuermann ...................................................................................... .. 301
Michael Bernard ....................................................................................................... .. 305
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erschwernisgrund: Missbrauch des Gastrechts“ – Ablehnung 268, 311
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „jugendliche Straftäter: Gewalt verhindern und Opfer wirksam schützen – Täterkarrieren stoppen!“ – Ablehnung ..................................... 280, 312
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Klemens Kofler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umfassender und wirksamer Schutz gegen Kinderkriminalität“ – Ablehnung 290, 312
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Mag. Isabella Theuermann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verantwortung der Justizministerin für die erschreckend hohe Zahl der Fluchtversuche von Häftlingen und durch die Flüchtenden verletzte Justizwachebeamte“ – Ablehnung ........................................................................................................ 304, 312
Verhandlungen
Gemeinsame Beratung über
1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (3815/A und 2457 d.B. sowie 11437/BR d.B.) ............................................................................................................ 61
Berichterstatterin: Bernadette Geieregger, BA ......................................................... 62
2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom und das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile
Energieträger sowie das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (3824/A und 2458 d.B. sowie 11438/BR d.B.) ......................................... 61
Berichterstatterin: Bernadette Geieregger, BA ......................................................... 62
Redner:innen:
Mag. Sascha Obrecht ............................................................................................ 63, 84
Sandra Lassnig ......................................................................................................... .... 65
Michael Bernard ....................................................................................................... .... 68
Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ .... 73
Barbara Prügl ................................................................................................................ 74
Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................................................. 76
Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. ....................................................... 79, 85
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verdoppelung des amtlichen Kilometergeldes“ – Ablehnung .. 72, 87
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 1, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................... 86
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................... 87
3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (3869/A und 2459 d.B. sowie 11439/BR d.B.) ............................................................................................................................... 87
Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................... 87
Redner:innen:
Michael Wanner ...................................................................................................... .... 88
Barbara Prügl ................................................................................................................ 91
Andrea Michaela Schartel ............................................................................................ 94
Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ...................................................................................... .... 97
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ .... 98
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 100
Gemeinsame Beratung über
4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (3865/A und 2437 d.B. sowie 11418/BR d.B. und 11423/BR d.B.) .......................................................................................................... 100
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 101
5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (3867/A und 2438 d.B. sowie 11419/BR d.B. und 11424/BR d.B.) .......................................... 100
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 101
6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (3794/A und 2442 d.B. sowie 11425/BR d.B.) ............................................................................. 100
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 101
7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (Berufskrankheiten-Modernisierungs-Gesetz) (3870/A und 2443 d.B. sowie 11426/BR d.B.) ........ 100
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 101
Redner:innen:
Günter Kovacs .......................................................................................................... .. 102
Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ .. 108
Horst Schachner ...................................................................................................... .. 110
Sandra Böhmwalder ................................................................................................ .. 113
Klemens Kofler ......................................................................................................... .. 115
Markus Steinmaurer ................................................................................................ .. 116
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ .. 120
Andreas Babler, MSc ............................................................................................... .. 123
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen betreffend „das Versprechen der Patientenmilliarde für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung durch Umsetzung der Termingarantie endlich einlösen“ – Ablehnung ............... 104, 127
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Markus Steinmaurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Gesundheitsreform statt Verschlimmbesserung der Strukturen und der Versorgung im österreichischen Gesundheitswesen jetzt!“ – Ablehnung 117, 126
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 126
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 126
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 126
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 7, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 127
8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz, das Apothekerkammergesetz 2001 und das Gehaltskassengesetz 2002 geändert werden (3868/A und 2439 d.B. sowie 11427/BR d.B.) ............................................................................................................................. 127
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 128
Redner:innen:
Marco Schreuder ...................................................................................................... .. 128
Günther Ruprecht .................................................................................................... .. 130
Christian Fischer ...................................................................................................... .. 132
Günter Pröller ........................................................................................................... .. 134
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ .. 137
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket zur Beseitigung der Medikamentenengpässe“ – Ablehnung 136, 140
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 140
9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitsreformmaßnahmen-Finanzierungsgesetz geändert wird (3813/A und 2441 d.B. sowie 11420/BR d.B. und 11428/BR d.B.) .......................................... 141
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 141
Redner:innen:
Günter Pröller ........................................................................................................... .. 141
Marco Schreuder ...................................................................................................... .. 144
Ferdinand Tiefnig ..................................................................................................... .. 147
Mag.a Claudia Arpa .................................................................................................... 148
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ .. 150
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 152
10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Tiergesundheitsgesetz 2024 erlassen wird sowie das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Tierarzneimittelgesetz, das Tierärztegesetz und das Kontroll- und Digitalisierungs-Durchführungsgesetz geändert wird (Veterinärrechtsnovelle 2024) (2433 und Zu 2433 d.B. und 2445 d.B. sowie 11429/BR d.B.) ..................................... 152
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 152
Redner:innen:
Marlies Doppler ........................................................................................................ .. 153
Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ .. 154
Johanna Miesenberger ............................................................................................... 155
Mag. Bettina Lancaster .............................................................................................. 160
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Tierwohl und Tierhaltungskennzeichnung als Chance für die österreichische Landwirtschaft“ – Ablehnung ........................................................................ 163, 165
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 164
11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz über die Führung der Bezeichnung „Sozialarbeiterin“ oder „Sozialarbeiter“ oder „Sozialarbeiter:in“ sowie der Bezeichnung „Sozialpädagogin“ oder „Sozialpädagoge“ oder „Sozialpädagog:in“ (Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz 2024 – SozBezG 2024) (3814/A und 2448 d.B. sowie 11430/BR d.B.) ............................................................................. 165
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 165
Redner:innen:
Simone Jagl .............................................................................................................. .. 166
Mag. Christine Schwarz-Fuchs ............................................................................... .. 168
Mag. Daniela Gruber-Pruner .................................................................................. .. 170
Günter Pröller ........................................................................................................... .. 172
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ .. 174
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 176
Gemeinsame Beratung über
12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz geändert wird (3816/A und 2449 d.B. sowie 11421/BR d.B. und 11431/BR d.B.) ....................................................................... 176
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 176
13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird (2451 d.B. sowie 11432/BR d.B.) ............................................................................................................................. 176
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 176
Redner:innen:
Mag.a Claudia Arpa .................................................................................................... 177
MMag. Elisabeth Kittl, BA ....................................................................................... .. 179
Philipp Kohl .............................................................................................................. .. 181
Marlies Doppler ........................................................................................................ .. 183
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................... 184
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 185
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................................................................................................................. 186
14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (3866/A und 2452 d.B. sowie 11422/BR d.B. und 11433/BR d.B.) ....................................................................... 187
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 187
Redner:innen:
Dr. Manfred Mertel .................................................................................................. .. 187
Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ .. 190
Günter Pröller ........................................................................................................... .. 192
Silvester Gfrerer ....................................................................................................... .. 193
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................................................... 196
15. Punkt: Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2024 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-838-BR/2024 d.B. sowie 11434/BR d.B.) ....................... 196
Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................. 196
Redner:innen:
Andrea Michaela Schartel ....................................................................................... .. 197
Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................ .. 198
Klara Neurauter ....................................................................................................... .. 201
Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... .. 203
Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................ .. 207
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-838-BR/2024 d.B. zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................................. 212
Gemeinsame Beratung über
16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Heimarbeitsgesetz 1960 und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden (3871/A und 2453 d.B. sowie 11435/BR d.B.) ...................... 212
Berichterstatter: Günther Ruprecht ......................................................................... 212
17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (2454 d.B. sowie 11436/BR d.B.) ...................................................................................................................................... 212
Berichterstatter: Günther Ruprecht ......................................................................... 212
Redner:innen:
Mag. Sascha Obrecht ....................................................................................... 213, 316
Heike Eder, BSc MBA ............................................................................................... .. 222
Andrea Michaela Schartel ....................................................................................... .. 225
Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ............................................................................... 227, 313
Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................... 314
Antrag der Bundesrät:innen Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Hausgehilfen- und
Hausangestelltengesetz, das Heimarbeitsgesetz 1960 und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden, gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR einen Einspruch zu erheben – Ablehnung 214, 319
Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wochengeldfalle“ – Ablehnung .................................. 315, 320
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 319
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................... 320
Eingebracht wurden
Anträge der Bundesrät:innen
Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit Sozialbetrug und Scheinfirmen-Unwesen in Österreich – Schluss mit dem Tricksen, Tarnen und Täuschen von BMAW und BMSGPK (408/A(E)-BR/2024)
Klemens Kofler, Kolleginnen und Kollegen betreffend 2. österreichischer Männergesundheitsbericht (409/A(E)-BR/2024)
Mag. Isabella Theuermann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einrichtung eines Primärversorgungszentrums in Wolfsberg (K) (410/A(E)-BR/2024)
Anfragen der Bundesrät:innen
Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Folgeanfrage: Nicht veranlasste Strafverfolgung von Eltern, Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vormunden bei Beschneidung von Mädchen und jungen Frauen (FGM/C) (4158/J-BR/2024)
Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Neubau der Polizeiinspektion Trieben (4159/J-BR/2024)
Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ominöse Post AG-Immobilienverkäufe (4160/J-BR/2024)
Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Einsatz von Bundesheerangehörigen gegen Schlepperei an der Grenze (4161/J-BR/2024)
Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Was tun Sie gegen Schlepperkriminalität, Herr Innenminister? (Folgeanfrage) (4162/J-BR/2024)
Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Versagen der grünen Ministerin auf allen Ebenen (4163/J-BR/2024)
Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend ominöse ÖBB-Immobilienverkäufe (4164/J-BR/2024)
Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Grazer Schutzzonen (4165/J-BR/2024)
Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Patientenaufnahmestopp bei steirischen Kassenärzten (4166/J-BR/2024)
Anfragebeantwortungen
des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln in Österreich (3836/AB-BR/2024 zu 4141/J-BR/2023)
der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesrät:innen Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen betreffend übertragbares Klimaticket für Gemeinden und Vereine (3837/AB-BR/2024 zu 4142/J-BR/2023)
Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr
Vorsitzende: Präsidentin Margit Göll, Vizepräsident Dominik Reisinger, Vizepräsident Mag. Franz Ebner.
Präsidentin Margit Göll: Einen wunderschönen guten Morgen! Somit darf ich die 964. Sitzung des Bundesrates eröffnen.
Das Amtliche Protokoll der 963. Sitzung des Bundesrates vom 15. Februar 2024 ist aufgelegen und wurde nicht beanstandet.
Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Ernest Schwindsackl und Christoph Steiner.
Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema
„Generation Zuversicht: aktuelle Lage der Jugend“
mit Herrn Bundeskanzler Karl Nehammer, der seine Angelegenheiten im Bundesrat gemäß Art. 78 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm wahrnehmen lässt.
Ich darf Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm sehr herzlich willkommen heißen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Bundesrätin Schumann hebt die Hand.)
Ich darf nun Frau Bundesrätin Korinna Schumann das Wort erteilen. – Bitte.
*****
9.05
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Zur Geschäftsbehandlung: Bei uns entsteht der Eindruck, dass der Bundeskanzler den Bundesrat nicht wirklich wertschätzt. Es ist sehr lange angekündigt gewesen, dass es heute eine Aktuelle Stunde mit dem Bundeskanzler gibt. Natürlich wissen wir, dass er sich vertreten lassen kann, das ist selbstverständlich, natürlich diskutieren wir sehr gerne auch über die Angelegenheiten der Jugend in Österreich, aber es hat sich einfach dieser Eindruck erhärtet, denn das letzte Mal, dass der Bundeskanzler im Bundesrat anwesend war, war im Februar 2022 – das ist sehr lange her. Er hat sich oftmals vertreten lassen, auch bei Dringlichen Anfragen.
Ich würde darum ersuchen, dass die Frau Präsidentin das Gespräch sucht und vielleicht darauf einwirken kann, dass der Herr Bundeskanzler noch im Laufe dieser Gesetzgebungsperiode den Bundesrat besucht. Es ist ganz wichtig, da der Bundesrat die Länderkammer ist. Es ist ganz wichtig für unsere Demokratie, dass der Kanzler auch dem Bundesrat seine Anwesenheit schenkt. – Vielen Dank. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ, Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
9.06
Präsidentin Margit Göll: Weiters zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte.
Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Einen schönen guten Morgen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich möchte nur kurz auf die Aussage von Frau Bundesrätin Schumann replizieren: Wir haben rechtzeitig kommuniziert – und zwar schon vor 14 Tagen –, dass sich der Herr Bundeskanzler von der Frau
Staatssekretärin vertreten lässt. (Bundesrätin Grimling: Wurscht! Seit zwei Jahren! – Bundesrat Schennach: Seit zwei Jahren!)
Es geht um den Jugendbericht, das ist ein sehr aktuelles Thema, das hier diskutiert wird, und ich glaube, es steht dem Bundesrat auch zu, dass wir uns speziell um die Anliegen der Jugendlichen kümmern. Ich bin sehr froh, dass die Frau Staatssekretärin bei uns ist, sie ist eine sehr kompetente Frau (Bundesrätin Grimling: Darum geht es nicht! Themenverfehlung!), das wertet den Bundesrat auf. Ich sehe diese Problematik nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
9.07
Präsidentin Margit Göll: Frau Bundesrätin Schumann zur Geschäftsbehandlung. – Bitte.
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Noch einmal zur Geschäftsbehandlung: Natürlich wird die Frage der Kompetenz der Staatssekretärin in keiner Weise angegriffen. Natürlich ist uns klar, dass sich der Bundeskanzler vertreten lassen kann, das ist ja gar keine Frage. Natürlich ist es wichtig, dass wir die Jugendagenden diskutieren, auch das ist keine Frage.
Fakt ist aber, dass der Herr Bundeskanzler das letzte Mal im Februar 2022 im Bundesrat war und sich oftmals vertreten ließ. (Bundesrätin Grimling: Richtig!) Wir bitten nur, dass es möglich ist, dass der Herr Bundeskanzler vor Ablauf dieser Gesetzgebungsperiode noch einmal eine Aktuelle Stunde im Bundesrat übernimmt, denn es wäre auch möglich, zu tauschen und somit dem Kanzler die Möglichkeit zu geben, auch im Bundesrat zu erscheinen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
9.08
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Präsidentin Margit Göll: In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je eine Rednerin, ein Redner pro
Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Staatssekretärin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je eine Rednerin, ein Redner der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktionszugehörigkeit mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Staatssekretärin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.
Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. Ich erteile ihr das Wort und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt.
Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen sowie Zuseherinnen und Zuseher! „Ich will mir selbst beweisen, dass ich im Leben erfolgreich sein kann“ – das ist ein Statement aus dem aktuellen Jugendbericht. Rund 73 Prozent der Jugendlichen in Österreich identifizieren sich mit diesem Statement. Ich freue mich daher sehr, zu dem Thema der heutigen Aktuellen Stunde, „Generation Zuversicht: aktuelle Lage der Jugend“, sprechen zu können.
Erst kürzlich wurde der aktuelle Jugendbericht im Nationalrat debattiert, und es ist klar ersichtlich: Während die Zukunft der Jugend und der Generation Z oft als pessimistisch und krisengeprägt beschrieben wird, sehen das die Jugendlichen selbst oft ganz anders. Das bestätigt auch der rund 300 Seiten lange Jugendbericht, und darauf möchte ich auch kurz eingehen.
Das bedeutet jetzt nicht, dass ich all die Probleme, die wir – und zwar alle in der Gesellschaft, auch die Jugendlichen – haben, kleinreden möchte. Ja, wir haben Jahre der Krisen hinter uns – ob das jetzt die Pandemie war, die Umweltkrise, die Kriege oder die Teuerung –, aber über 80 Prozent der Jugendlichen im Alter von 16 bis 29 Jahren gaben an, mit ihrem Leben zufrieden zu sein. Es handelt sich bei
der Generation Z also nicht um die Generation Krise, sondern vielmehr um die Generation Zuversicht.
Klar ist, die Generation Z ist eine Generation des Wandels, des Fortschritts und der Zukunftsvisionen, geboren in eine schnelllebige Welt, in der wir zu jeder Tages- und Nachtzeit über alle Grenzen hinweg vernetzt sind. Rund 99,9 Prozent der Jugendlichen haben Zugang zum Internet und 97 Prozent nutzen dieses auch täglich, vor allem für soziale Medien und Kommunikation. Dieser Wert liegt drastisch über dem Wert der über 30-Jährigen, von denen rund 77 Prozent das Internet täglich nutzen.
Natürlich bringt diese Vernetzung eine massive Vereinfachung in unser aller Leben – das ist uns, glaube ich, allen bewusst. Ich denke etwa an die Generation meiner Eltern: Die mussten daheim noch darauf warten, dass eine Leitung im Telefonnetz frei wurde, damit sie mit ihren Freunden oder mit ihrer Familie telefonieren konnten. Ich musste in meiner Jugend zum Beispiel am Stand-PC einen Platz erringen, um mit Freunden chatten zu können. Das ist heutzutage alles ganz anders, man ist jederzeit erreichbar, man kann jederzeit miteinander kommunizieren.
Es gibt aber auch negative Aspekte: Wir bekommen auch jederzeit Bilder von negativen Informationen, wie zum Beispiel von den Kriegen, die in der Ukraine oder im Nahen Osten stattfinden, in die eigenen vier Wände.
All das hat sich verändert und führt zu einer anderen Lebensrealität für die junge Generation. Es geht aber nicht nur um eine schnelllebige Zeit und Vereinfachung durch Vernetzung, wie im Jugendbericht, sondern auch – erst kürzlich habe ich hier im Parlament meine Rede dazu halten dürfen – um künstliche Intelligenz, eine Entwicklung, die unser aller Leben vollkommen verändern wird. Es wird gesagt, dass sie die größte Errungenschaft seit dem Buchdruck sei. Auch von dieser wird die Generation Z in ihrem Lebensalltag besonders betroffen sein.
Dass kein Missbrauch betrieben werden kann, dafür haben wir in Österreich – als EU-weit eines der ersten Länder – bereits gesorgt. Wir haben vor wenigen Wochen eine KI-Servicestelle implementiert. Diese soll sicherstellen, dass künstliche Intelligenz auch richtig genutzt werden kann. Unsere Staatssekretärin für Jugend wird nun auch die Agenden für Digitalisierung übernehmen und somit den erfolgreichen Weg von Florian Tursky fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)
Neben all den Zahlen, Daten und Fakten werden im Jugendbericht pro Regierungsperiode – seit den Achtzigerjahren – auch die unterschiedlichen Lebensbereiche der Jugendlichen analysiert. Es wird in die Bereiche Familie, Freizeit, Ausbildung, Arbeit, Freunde, Politik und Religion untergliedert. Dabei ist herausgekommen, dass den Jugendlichen die Familie besonders wichtig ist.
Eine Mehrheit der Jugendlichen wohnt auch noch zu Hause bei den Eltern, vor allem die Jugendlichen bis 25 Jahre. Ein Großteil der jungen Österreicherinnen und Österreicher möchte sich aber auch eigene vier Wände schaffen. Diese dienen als ein gewisser Rückzugsort und bieten ebenso die Möglichkeit der Entfaltung. Sie bieten eine gewisse Sicherheit bis ins hohe Alter und liefern den Ansporn, etwas zu erreichen.
Doch die hohen Immobilienpreise führen oft dazu, dass dieser Wunsch einfach nicht in Erfüllung gehen kann. Es ist also die Aufgabe der Politik, dabei Perspektiven zu schaffen. Mit der Wohnoffensive, die wir erst kürzlich – vor rund zwei Wochen – präsentiert haben, konnten Erleichterungen geschaffen werden. So werden 2,2 Milliarden Euro investiert, um rund 50 000 Wohnungen in Österreich für leistbaren Wohnraum in Eigentum und in Miete zu schaffen. Ebenso werden zwei von drei Gebühren für den Kauf eines Eigenheims gestrichen. Es geht also vor allem darum, junge Menschen beim Kauf eines Eigenheimes zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)
Ein weiterer positiver Punkt ist, dass die Zahl der Ausbildungsabbrecherinnen und -abbrecher in Österreich rückläufig ist. Die Rate lag 2021 bei einem Wert von 8 Prozent und damit deutlich unter dem EU-Schnitt von 9,7 Prozent
und dem Zielwert der EU-Strategie 2030 von 9 Prozent. Außerdem erreichten im Schuljahr 2020/2021 rund 42 600 Personen einen Lehrabschluss.
Ist die Ausbildung beendet, dann ist es den Jugendlichen besonders wichtig, sich am Arbeitsplatz selbst zu verwirklichen. Es ist im Jugendbericht auch erkennbar, dass Jugendliche glücklicher sind, wenn sie in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis stehen. Das ist irgendwie auch ganz logisch, weil sie doch geraume Zeit – meist acht Stunden täglich – dort verbringen. Es geht dabei also nicht nur darum, Arbeit oder Ausbildung zu absolvieren, sondern es hat auch einen sehr wichtigen sozialen Aspekt neben der Familie.
Ebenso klar aus dem Jugendbericht ersichtlich ist, dass wir weiterhin die Rolle der Frau stärken müssen. Der aktuelle Jugendbericht hat ergeben, dass Frauen auch bei der jungen Generation in den verschiedenen Lebensbereichen immer noch benachteiligt sind. So sind Frauen und Mädchen vor allem in den Mint-Berufen unterrepräsentiert. Im Hinblick auf die ökonomische Selbstbestimmung und die individuelle Berufswahl ist es daher besonders wichtig, junge Frauen und Mädchen bei der Bildungs- und Berufswahl zu unterstützen.
Durch das Sichtbarmachen moderner Rollenbilder und vielfältiger Berufsbilder sollen junge Frauen ermutigt werden, ihren Beruf mit echter Wahlfreiheit zu wählen, was in weiterer Folge zu mehr Einkommensgerechtigkeit führt. Dazu zählt ebenso die Stärkung von Frauen in Führungspositionen. Der Vorbildcharakter spielt dabei eine ganz wichtige Rolle.
Ebenso herausgekommen ist, dass junge Menschen immer später Kinder bekommen, Tendenz steigend. Das liegt daran, dass die berufliche Ausbildung vor allem durch den Besuch einer Universität immer später beendet wird. Mit einem Durchschnittsalter von 31,5 Jahren bei der Geburt des ersten Kindes wollen sich Paare meist zuerst eine Existenz aufbauen und ihre berufliche Position festigen, bevor das Abenteuer Kinder startet. Die Verwirklichung im Beruf steht also dem Kinderwunsch von Paaren leider immer noch oft entgegen. Durch die Schwangerschaft und Betreuungspflichten besteht die
Befürchtung von sozialem Abstieg, Einkommensverlusten oder gar dem Verlust der beruflichen Position, die man sich erarbeitet hat. In diesem Zusammenhang gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die unser Bundeskanzler Karl Nehammer (Ruf bei der SPÖ: Der nicht da ist!) in seinem Österreichplan unter den Aspekten Familie, Leistung und Sicherheit präsentiert hat und für die wir uns auch als ÖVP weiterhin einsetzen werden. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Wie heißt er? – Bundesrätin Grimling: Schmäh-hammer!)
Drei konkrete Punkte dazu: erstens der Vollzeitbonus von 1 000 Euro – ebenso unter Berücksichtigung von Betreuungspflichten –; zweitens der flächendeckende Ausbau von Kinderbetreuung; drittens ein automatisches Pensionssplitting ab der Geburt eines Kindes, und zwar bis zum zehnten Lebensjahr. (Rufe bei der SPÖ: Ja, genau! – Bundesrätin Schumann: Genau, das wird helfen! Das hilft am besten!) Dadurch wird die Verantwortung der Paare gerecht geteilt und weniger Frauen leiden unter Altersarmut. (Bundesrätin Grossmann: Dann sind alle zwei arm!)
Ich könnte jetzt wahrscheinlich noch stundenlang über die unterschiedlichen Lebensbereiche der Jugend und den rund 300 Seiten langen Jugendbericht reden, eines ist jedoch klar ersichtlich: Der Bericht bestätigt, dass die Jugendpolitik in Österreich auf einem guten Weg ist. Das ist vor allem dem konsequenten Weg unserer Staatssekretärin Claudia Plakolm und unseres Bundeskanzlers Karl Nehammer zu verdanken. (Beifall bei der ÖVP.)
Das haben wir in der Vergangenheit bewiesen und dafür werden wir uns auch zukünftig einsetzen, sodass die Generation Z voller Zuversicht sagen kann: Ich habe mir selbst bewiesen, dass ich im Leben erfolgreich bin. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)
9.19
Präsidentin Margit Göll: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte.
9.19
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Zuseher:innen und Zuhörer:innen! Wie geht es denn der Jugend in Österreich? Ich glaube, diese Frage muss sich die Politik permanent stellen. Wie geht es denn der Jugend auf allen Ebenen, und zwar allen Jugendlichen: den Jugendlichen am Land, den Jugendlichen in der Stadt, den Jugendlichen, die in einer Lehrausbildung sind, den Jugendlichen, die in schulischer Ausbildung sind, den Jugendlichen, die eine Universität besuchen werden? Der Gesamtblick ist wichtig – nicht nur der einseitige Blick, der Blick dorthin, wo es einem mehr bringt oder wo es einem besser gefällt.
Ja, die Jugend, für die wir jetzt einstehen müssen, steht unter höchsten Belastungen. Es ist die Generation Krise. Sie hat permanent Krisen erlebt, eine nach der anderen. Es ist die Generation der großen Wandelprozesse, sei es der Wandel in der Frage des Klimaschutzes oder der Wandel in der Frage der Digitalisierung und der Ausbau der künstlichen Intelligenz. Die jungen Menschen sind in vielen, vielen Bereichen unglaublich gefordert.
Es ist die Generation, die von der Teuerung ganz, ganz stark betroffen ist, weil Teuerung junge Menschen besonders hart trifft. Sie betrifft sie in ihren Lebensrealitäten und sie betrifft sie in dem Umstand, dass es meist die jungen Menschen sind, die am Anfang ihrer Berufslaufbahn sehr wenig verdienen. Da haben wir halt das Problem, dass die Regierung völlig – und wirklich völlig – an der Inflationsbekämpfung gescheitert ist. (Beifall bei der SPÖ.) Die Teuerung trifft junge Menschen hart, das ist eindeutig.
Es ist auch die Generation der Flexibilität. Selten war eine Generation so früh schon selbstständig, erwachsen und extrem flexibel. Wir werden jetzt eine Generation erleben, die nicht an einem Arbeitsplatz bleibt, sondern ihre Arbeitsplätze sehr oft wechseln wird. Wir werden eine Generation erleben, die auch neue Formen der Führung in den Unternehmen fordert. Es beginnt also eine ganz, ganz neue Zeit.
Es ist die Sehnsucht – aus dem Erleben der Krisen, natürlich – nach Stabilität, nach dem familiären Umfeld und nach einer Work-Life-Balance da. Da ist ganz genau hinzusehen, zu schauen: Wie kann man jungen Menschen die Chance geben, Beruf und Familie gut vereinbaren zu können?
Die jungen Menschen fordern von der Politik Loyalität und Solidarität, kein Auseinanderdividieren, sie fordern von der Politik Taten statt Worte – das sollten sich viele, die jetzt im politischen Geschehen agieren, bitte ins Stammbuch schreiben. Sie fordern auch das Recht darauf, ihren eigenen Weg zu gehen. Das ist für junge Menschen jetzt extrem schwierig.
Die Frage des Wohnens – Wohnen als Menschenrecht – ist für sie ganz, ganz schwierig. Wie viele junge Menschen würden gerne einen eigenen Haushalt gründen und können es nicht, weil es aufgrund der finanziellen Lage einfach nicht möglich ist? – Ich darf Ihnen eine Zahl sagen: Fast 50 Prozent des Monatseinkommens von jungen Menschen wird für Wohnen ausgegeben. Da muss einem schon einmal klar werden, was das heißt, 50 Prozent des Einkommens für Wohnen auszugeben. Sie leiden auch unter den befristeten Mietverhältnissen. Wir wissen, auch da ist die Regierung gescheitert: keine Mietpreisbremse, kein Mietpreisdeckel, der das erleichtert hätte, besonders für junge Menschen. Natürlich haben viele junge Menschen Sehnsucht nach einem Eigenheim, das ist unbestritten, aber leisten können sie es sich nicht. Das ist auch Faktum. Wie soll denn das gehen? (Beifall bei der SPÖ.)
Schön, wenn die Regierung jetzt ein bisschen das Füllhorn ausschüttet. Fakt ist aber, dass Immobilien für junge Menschen mit ihrem Verdienst jetzt nicht leistbar sind. So ist es. Schauen Sie sich die Immobilienpreise an, schauen Sie sich die Preise für den Hausbau an, schauen Sie sich die Preise für Wohnungen in den Städten an! Es ist nicht leistbar. Sehnsüchte zu schüren und dann nicht erfüllen zu können, auch das ist nicht besonders anständig.
Das ist die Generation, die wie schon gesagt von der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz extrem betroffen sein wird – wie wir alle jetzt bereits, das
ist ja alles da, sie aber werden noch einige Schritte weiter gehen. Umso wichtiger ist es, dass man sie in ihrem Selbstbewusstsein stärkt, dass man sie in ihrem kritischen Geist stärkt. Es wird nicht mehr die Einheitsmeinung geben, die über Medien verbreitet wird und bei der man darauf hofft, dass das jetzt alle so mitnehmen. Die Medienlandschaft wird noch vielfältiger werden. Die Informationslandschaft wird noch vielfältiger werden. Da muss man jungen Menschen die Chance geben, kritisch zu denken. Man muss ihnen die Chance geben, zu fragen: Was ist richtig? Was ist falsch? Wo hinterfrage ich? Woher kommt die Information?
Außerdem müssen wir den jungen Menschen noch mehr und deutlicher die Bedeutung der Demokratie nahebringen. Das ist ganz, ganz wichtig, weil die Demokratie gerade in Zeiten der Unsicherheit besonders gefährdet ist.
Ich darf auch noch auf die Jugend und die Arbeitswelt zu sprechen kommen. Was mir da besonders am Herzen liegt: junge Menschen, die eine Lehrausbildung machen. Diesbezüglich schaut es nicht so gut aus, wie man es gerne haben möchte. 2023 waren 108 000 Lehrlinge in Ausbildung. Vor zehn Jahren waren es noch 10 000 Lehrlinge mehr und vor zehn Jahren waren es noch 10 000 ausbildende Betriebe mehr. Das heißt, da gehen die Zahlen zurück. Wenn man immer ruft: Facharbeiter und Facharbeiterinnen brauchen wir jetzt ganz, ganz dringend!, dann sage ich: Bitte bilden wir sie auch aus! Bitte bilden wir sie qualitätsvoll aus! (Beifall bei der SPÖ.)
Es ist wichtig, dass man die Förderung für Lehrausbildung an Qualitätskriterien bindet. Das ist wichtig. Wir hören vom Lehrlingsmonitor, dass junge Menschen – gerade in den Branchen, in denen besonders nach Arbeitskräften gesucht wird: in den Branchen der Hotellerie, der Gastronomie, im Konditoreigewerbe – sagen: Die Arbeitsbedingungen sind nicht ideal und ich möchte den Beruf gerne verlassen. – Das kann nicht zukunftsweisend sein, sondern da muss man schauen, was man tun kann, damit die Lehrausbildung so ist, dass sie dann auch gerne in dem Job bleiben, und auch die Arbeitsbedingungen so sind, dass sie
sagen: Ich mache die Ausbildung und bleibe dann auch in dem Job! – Da ist noch eine Menge zu tun, da ist wirklich eine Menge zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)
Die Jugendarbeitslosigkeit steigt, und zwar in einem erschreckenden Ausmaß. Einen traurigen Rekord, den ich hier nennen darf, verzeichnet Oberösterreich. Mit Jänner gab es 10 000 jugendliche Arbeitslose. Das ist für ein Land wie Oberösterreich – ein Industrieland – eine wirklich, wirklich besorgniserregende Zahl. Da ist hinzuschauen und da sind Maßnahmen zu setzen, nicht nur zu sagen: Wir suchen eh ganz dringend Fachkräfte!, aber mit dem Ausbilden und mit den Arbeitsplätzen funktioniert es nicht. – So kann man damit nicht umgehen. Auch da ist hinzuschauen!
Ich möchte noch ein Thema mitgeben, weil wir auch über den Tellerrand schauen müssen. Wir können nicht sagen, es ist uns ganz egal, was woanders passiert. Nein, uns als Sozialdemokratie ist es nicht egal. Es ist wirklich ganz, ganz schlimm, dass es Österreich nicht geschafft hat, dem EU-Lieferkettengesetz zuzustimmen. Da geht es um Kinderarbeit, da geht es um Arbeitsbedingungen, da geht es um Zwangsarbeit. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich kann nicht in Österreich sagen: Ich möchte das Beste für die jungen Leute tun! – das wollen wir alle –, aber was woanders ist, ist mir egal. Dort sollen Kinderhände Dinge schaffen. – Das wollen wir nicht. Das ist unerträglich – menschenrechtlich unerträglich und auch unerträglich in der Frage des Standorts, denn ganz ehrlich: Sie gefährden damit den Standort Österreich! Wenn man nämlich solche Arbeitsmethoden zulässt – wenn man zulässt, dass Kinderhände Dinge schaffen –, dann kann sehr viel billiger produziert werden. Das ist eine Konkurrenz zu unseren Produktionen, die fair und gut und ohne Kinderarbeit ablaufen. Wer da wegschaut und wer einer entsprechenden Regelung nicht zustimmt, der macht sich auch mitschuldig daran, dass Kinderarbeit auf der Welt stattfindet. Das wollen wir alle nicht. Wir wollen ein gutes Leben für alle jungen Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir wollen ein gutes Leben für die jungen Menschen in Österreich, wir wollen, dass sie ihren Job gut machen können, dass sie gut ausgebildet werden, dass sie Beruf und Familie gut vereinbaren können. Wir denken aber über den Tellerrand hinaus. Wir wollen auch für Europa – das ist wichtig – gute Arbeitsbedingungen. Wir wollen das aber auch für die Länder außerhalb Europas, weil Kinderarbeit unerträglich ist. Dagegen werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns immer wehren. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)
9.28
Präsidentin Margit Göll: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Isabella Theuermann. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Beim Thema der heutigen Aktuellen Stunde muss man sich wirklich fragen, ob die Volkspartei davon ausgeht, dass die österreichische Bevölkerung ein ähnlich schwaches Erinnerungsvermögen hat wie diverse ÖVP-Auskunftspersonen in den Untersuchungsausschüssen oder dann später vor Gericht et cetera. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Himmer: Aber Hauptsache, der Goldgruber! Der Goldgruber ist ja die großartigste Auskunftsperson! Goldgruber! – Ruf bei der ÖVP: Ihr erscheint gar nicht!)
„Generation Zuversicht: die aktuelle Lage der Jugend“ – dazu kann ich Ihnen eines ganz klar vorweg sagen: Wir vergessen nicht, was Sie unserer Jugend in den letzten Jahren angetan haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Diese schwarz-grüne Chaosregierung hat der Jugend keine Zuversicht gegeben, ganz im Gegenteil. ÖVP und Grüne sind verantwortlich für eine jahrelange Vereinsamung und eine steigende Zukunftsangst unter den Jugendlichen in Österreich. Allein schon der Titel zeigt ja, dass diese Regierung völlig abgehoben sowie realitätsfremd ist und sich nicht im Geringsten mit den echten Problemen der Jugend auseinandersetzt. (Beifall bei der FPÖ.)
Das wird wohl damit zusammenhängen, dass diese wandelnde schwarz-grün eingefärbte Jugenddepression selbst verursacht ist. (Beifall bei der FPÖ.)
Herr Bundeskanzler Nehammer ist ja wieder einmal nicht da, da muss ich Kollegin Schumann mit ihrer Kritik an der ÖVP schon recht geben, aber wartet einmal: War es nicht die ÖVP selbst, die die Aktuelle Stunde an den Kanzler gerichtet hat? So sieht dann halt die echte Wertschätzung für den Bundesrat aus – Gratulation! (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Dann, sehr geehrte Frau Jugendstaatssekretärin, beleuchten wir doch einmal die aktuelle Lage der Jugend: Suizid ist auch in Österreich die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen, und die Tendenz ist stark steigend. Leider zeigen auch die Zahlen aus dem klinischen Bereich genau dieses Bild: Die Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen hat sich seit 2018 verdreifacht. Als Psychologin bin ich über diese eindeutigen Schilderungen aus den Krankenhäusern zutiefst schockiert, und man kann nur erahnen, was in einem Jugendlichen oder in einem Kind vorgehen muss, das sich das Leben nimmt, obwohl dieses Kind sein Leben doch eigentlich noch gar nicht gelebt hat.
Daher muss man sich einerseits mit den Maßnahmen auseinandersetzen, die jetzt notwendig sind, um die Versorgung in derartigen Krisen und Notsituationen sicherzustellen – es braucht mehr Betten, es braucht mehr Personal et cetera. Da zeigt sich das gleiche Problem wie im gesamten Gesundheitsbereich, der in den letzten Jahren so sehr unter Ihrer verfehlten Politik gelitten hat. (Beifall bei der FPÖ.)
Man muss sich aber auch ansehen, was die Ursachen dafür sind, dass es seit 2018 in Österreich bei suizidalen Gedanken und Handlungen von unter 18-Jährigen eine Steigerung um das Dreifache gibt. Ach ja, da war doch etwas: Die rot-schwarz-grün-pinke Einheitspartei hat unsere Kinder und Jugendlichen mit einer faktenwidrigen Coronapolitik über Jahre hinweg massiv geschädigt. (Beifall bei der FPÖ.)
Hunderttausende Kinder und Jugendliche wurden durch den Coronawahnsinn von Ihnen psychisch krank gemacht: Sie haben Schlafstörungen, sie haben Angstzustände bis hin zu Selbstmordgedanken und noch Schlimmeres. Das behaupte jetzt nicht ich, sondern das kann man offiziellen Elterninformationen entnehmen, die vom Berufsverband österreichischer Psychologen oder dem Österreichischen Berufsverband für Psychotherapie stammen. Darin geht es auch darum, dass psychische Symptome seit Beginn der Covid-19-Pandemie vor allem bei jungen Menschen in Österreich überhandgenommen haben.
Inhaltlich werden Sie sich mit einer Distanzierung oder Widerworten jetzt übrigens schwertun, denn diese Elterninformation wurde aus den Mitteln des Gesundheitsministeriums bezahlt. Bevor man sich dazu hinreißen lässt, zu meinen, dass diese Bundesregierung mit dieser Info doch einmal etwas Sinnvolles gemacht hat, muss man sich vor Augen führen, dass das eigentlich so ist, als würde man den Brandstifter loben, der den selbst gelegten Brand jetzt zu löschen versucht, indem er ein paar Tropfen Wasser in die Flammen gießt. (Beifall bei der FPÖ.)
Aktuelle Zahlen aus Wien von der Sucht- und Drogenkoordination Wien zeigen auf, dass es einen massiven Anstieg beim Gebrauch von sogenannten Benzos, also Beruhigungsmitteln, bei Kindern und Jugendlichen gibt. Diese werden dann oft noch mit Alkohol kombiniert. Bei diesem Konsum aller möglichen Substanzen zeigt sich ebenfalls, dass es seit der Coronapandemie zu diesem Verhalten gekommen ist: Die Jugend betäubt sich, um der Realität zu entfliehen, weil Sie ihr die Zuversicht genommen haben.
Die traurige Situation der Jugend, die vielfach keinerlei Zuversicht mehr hat, ist ein direktes Resultat der verfehlten Coronapolitik der letzten Jahre, für die vor allem die sogenannte Volkspartei verantwortlich ist, und jetzt wollen Sie über die Generation Zuversicht sprechen. Sieht schwarz-grüne Zuversicht wirklich so aus? Ist das die Perspektive, die Sie sich für unsere Jugend vorstellen? Sind das Fakten, die Sie dazu animieren, sich gegenseitig auf die Schultern zu klopfen
und sich abzufeiern? Zum Schluss wiederhole ich mich: Wir vergessen nicht, was Sie unserer Jugend angetan haben. (Beifall bei der FPÖ.)
Eines aber kann unserer Jugend tatsächlich Zuversicht geben: Schon bald können alle Staatsbürger ab 16 Jahren Ihnen die Rechnung dafür präsentieren, dass Schwarz-Grün-Rot-Pink ihnen über Jahre ebendiese Zuversicht gestohlen hat, und zwar in den Wahlkabinen bei der EU- und bei der Nationalratswahl. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
9.36
Präsidentin Margit Göll: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Besucher hier im Hohen Haus, willkommen bei uns! Zuallererst möchte ich schon festhalten, dass ich es durchaus sinnvoll finde, dass bei dem heutigen Thema der Aktuellen Stunde, bei dem es um Jugend geht, tatsächlich auch unsere Jugendstaatssekretärin anwesend ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Sie hätten eh beide kommen können!)
Es ist gut, dass es in der heutigen Aktuellen Stunde um die Jugend geht, auch wenn – das muss ich schon ehrlich zugeben – der Titel „Generation Zuversicht“ meiner Ansicht nach eine mittelgut gelungene Anspielung auf die Bezeichnung Generation Z ist. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Dass es heute um die Jugend geht, ist besonders deswegen gut, weil Jugendliche oft und gerade in letzter Zeit pauschal dafür kritisiert werden, dass sie entweder zu wenig Interesse an gesellschaftlicher Veränderung zeigen oder auf der anderen Seite zu engagiert und zu radikal sind. Dabei ist es ihr Recht, und seien wir uns ehrlich: Sie haben mittlerweile auch gar keine andere Wahl mehr, als zum
Beispiel freitags auf den Straßen für ihre Zukunft zu kämpfen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Bundesrät:innen Schartel und Spanring.)
Studien und Berichte zur aktuellen Situation von Jugendlichen, ihren Interessen, ihren Zukunftswünschen und -erwartungen gibt es zahlreiche. Wir haben schon vom Bericht zur Lage der Jugend in Österreich gehört, den das zuständige Regierungsmitglied einmal in jeder Legislaturperiode vorlegt.
Ein anderer Bericht ist zum Beispiel der YEP-Jugendbericht. YEP steht für youth, empowerment und participation. Das ist ein Verein, der zum Ziel hat, reale Möglichkeiten der Partizipation für Jugendliche, für junge Menschen zu schaffen und sie auch zu ermutigen, diese zu nutzen. Die YEP-Berichte stellen die Ergebnisse von partizipativen Studien dar. An der letzten haben über 1 000 junge Menschen teilgenommen. Bereits an der Ausarbeitung der Studien sind junge Menschen beteiligt. Schaut euch das an, das ist wirklich eine ganz tolle Sache.
Diese Studien und Berichte haben eines gemeinsam: Auch wenn man nicht von einer homogenen Gruppe sprechen kann und die Sorgen und Zukunftserwartungen von Jugendlichen so unterschiedlich sind wie ihre Lebenssituationen, so gibt es doch gewisse, bestimmte Themen, von denen grob gesagt alle Gruppen von Jugendlichen in ähnlichem Ausmaß betroffen sind und die diese beschäftigen.
Einer der letzten YEP-Berichte informiert zum Beispiel darüber, dass den jungen Menschen die Themen Gleichberechtigung, Klimaschutz und Bildung besonders wichtig sind – zum Thema Bildung komme ich dann noch. Der Bericht zur Lage der Jugend in Österreich zeigt auf, dass sich junge Menschen einerseits der Themen unserer Zeit bewusst sind und die vielfältigen Auswirkungen auch spüren.
Die jungen Menschen sind gleichzeitig so konservativ wie schon lange nicht mehr. Ihnen ist eine funktionierende Gemeinschaft wichtig, ihnen ist Familie
wichtig, Freunde sowie ein Leben in Ruhe, Ordnung und Sicherheit, so die Studie.
Das klingt möglicherweise im ersten Moment wie ein Widerspruch. Man kann die Aussagen der Studien und Berichte, wie man heute schon ganz deutlich gesehen hat, natürlich unterschiedlich interpretieren. Auch wenn ich der Meinung bin, leistbarer Wohnraum ist ganz, ganz essenziell für junge Menschen: Was ich nicht tun würde, ist, den Teil über konservative Wertvorstellungen dahin gehend auszulegen, dass wir jungen Menschen in erster Linie ein günstiges Eigenheim ermöglichen sollten, weil das ihr oberstes und wichtigstes Ziel ist. (Ruf bei der SPÖ: So ist es!)
Vielmehr zeigt der Trend zu konservativen Wertvorstellungen etwas, das auch in der Entwicklungspsychologie gut beschrieben ist, nämlich dass Menschen in Krisenzeiten dazu neigen, sich wieder dem Gewohnten, dem Sicheren zuzuwenden. Das sind bei jungen Menschen eben in erster Linie die Familie, die Herkunftsfamilie, die Freunde, das Zuhause, die bekannte, gewohnte Umgebung.
Gerade junge Menschen erleben die Welt der multiplen Krisen, die wir nun einmal vorfinden, Katastrophen und Zukunftssorgen besonders stark. Sie waren tatsächlich in einer besonderen Art von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Die Zeit der Pandemie hat wieder einmal deutlich gemacht, dass Bildung in Österreich nach wie vor vererbt wird und dass es wenig mit dem eigenen Ehrgeiz und Willen zu tun hat, wie junge Menschen sich für ihre Zukunft bestmöglich bilden können. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)
Die Jugendstudie zeigt den Einfluss der Bildung an den Zahlen und an der Herkunft von Studierenden. 2020 und 2021 kamen über 53 Prozent der Studierenden aus Akademikerhaushalten, während gleichzeitig weniger als 20 Prozent der Bevölkerung insgesamt einen Hochschulabschluss haben. Es kam während der Pandemie ganz stark auf den Hintergrund, auf den Bildungsgrad der Eltern an, wie gut die Kinder und Jugendlichen schulisch durch diese Zeit gekommen sind.
Der Jugendbericht zählt als weitere Sorgenthemen auch noch die Inflation, den Krieg in der Ukraine und – wieder – den Klimawandel auf. Die aktuelle Inflation ist eine zeitlich doch hoffentlich eingrenzbare Krise. Der Krieg in der Ukraine beschäftigt junge Menschen sehr und wirkt auch sehr bedrohlich; gleichzeitig sind sich junge Menschen durchaus dessen bewusst, dass die Bedrohung keine ist, die sie unmittelbar betrifft.
Bei der Klimakrise hingegen ist die Lage eine ganz andere: Jugendliche spüren ganz deutlich, dass es da um unumkehrbare Veränderungen geht – um Veränderungen, die sie ihr Leben lang begleiten werden, die ihr Leben lang einen Einfluss auf ihre Zukunft und auf die Zukunft ihrer Kinder haben werden.
Jugendliche wie unsere beiden jüngsten Söhne haben beispielsweise noch keinen einzigen Sommer erlebt, der nicht zu den heißesten und extremsten der Messgeschichte gezählt hat. Ihre älteren Geschwister erzählen ihnen von den Wintern der Zeit, als sie klein waren, als es tatsächlich noch ein- oder zweimal weiße Weihnachten gegeben hat, als die Februare klirrend kalt waren und als es tatsächlich verregnete Sommer gab, in denen sie nicht einmal ein einziges Mal schwimmen gehen konnten. (Bundesrat Spanring: ... auf der Welt waren!)
Die jungen Menschen spüren und wissen, dass die ausschlaggebenden Entscheidungen, die zentral dafür sind, wie ihr Leben verlaufen wird, jetzt getroffen werden – oder auch nicht –, und zwar meist von Menschen, die älter sind als sie. Sie erwarten von uns zu Recht, dass wir alles daransetzen, ihnen das Überleben zu ermöglichen. – So drastisch muss man das mittlerweile leider sagen.
In dieser Zukunft wird es nicht vordergründig darum gehen, ob sich jemand ein Eigenheim erarbeiten konnte. Der diesen Montag präsentierte Klimabericht der Europäischen Umweltagentur zeigt endlich in unerwartet drastischer Weise auf, auf welche Zukunft wir uns zubewegen, und zwar selbst wenn wir die Klimaziele erreichen. Er zeigt, dass sich der europäische Kontinent weltweit am schnellsten und am stärksten aufheizt und weiter aufheizen wird. 2023 war
wieder einmal – wir wissen es; wir werden schon müde, das immer zu wiederholen – das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen.
Die Umweltschäden durch Extremwetterereignisse nehmen ungekannte Ausmaße an. Die Schäden durch die Klimaerwärmung wurden zwischen 1980 und heute auf 650 Milliarden Euro geschätzt. Geschätzt 1 000 Milliarden Euro werden jährlich dazukommen – aufgrund von Ernteausfällen, der Verluste von Biodiversität und Boden. Steuereinnahmen werden aufgrund von Krankheiten zurückgehen, die bisher bei uns unbekannt waren, Schulden werden zunehmen und immer mehr Schäden werden zu beseitigen sein. All das zeigt der Klimabericht der Europäischen Umweltagentur ganz gut.
Die spontane Reaktion der EU-Kommission auf den Bericht wirkt ein bisschen wie die eines Schulkindes, das gerade erfahren hat, dass die Nachprüfung vorverlegt wurde: panisch, hektisch und ein bisschen unkoordiniert. Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz werden gefordert. Das ist selbstverständlich wichtig, doch: Hat man bereits aufgegeben, Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise einzufordern? Es wird nur noch versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben und Anpassung an immer lebenswidrigere Gegebenheiten vorzunehmen.
Junge Menschen wissen um die vielfältigen Folgewirkungen, und das gibt in Wahrheit wenig Anlass zur Zuversicht. Ich möchte zum Schluss kommen mit den Worten unseres Bundespräsidenten, damit, was er gesagt hat, als ihm der YEP-Bericht übergeben wurde. Er hat gesagt – ich zitiere –: „Ich möchte daran erinnern: junge Menschen sind nicht Zuschauer im Warteraum, sondern aktive Gestalter unserer Gesellschaft. Es ist unsere Pflicht und Verantwortung, ihre Ideen und Visionen ernst zu nehmen und in unsere politischen Entscheidungen einfließen zu lassen.“
In diesem Sinne: Geben wir unser Bestes für die Zukunft unserer Jugendlichen! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
9.46
Präsidentin Margit Göll: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich die Frau Staatssekretärin. Ich erteile ihr das Wort. Auch ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte sehr.
Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich sehr, heute hier zu sein – nicht nur als Vertretung , als verfassungsmäßig auch vorgeschriebene Vertretung des Bundeskanzlers im Parlament, sondern insbesondere als zuständige Jugendstaatssekretärin, weil ja der 8. Bericht zur Lage der Jugend in Österreich in meine Zuständigkeit, in mein Ressort fällt.
Es freut mich, dass wir diese Aktuelle Stunde ganz gezielt der Generation Z widmen, und in meinen Augen steht Generation Z tatsächlich für Generation Zuversicht. Die letzten Jahre waren von Krisen geprägt, das haben die Redebeiträge sehr deutlich gezeigt. Mit der Coronapandemie beginnend über das Thema Klimawandel sowie Kriege, die immer näher an unsere Landesgrenzen rücken, bis hin zur Teuerung sind auf junge Menschen viele Veränderungen zugekommen, die nachhaltige Auswirkungen haben, die natürlich auch etwas mit der Lebensperspektive der kommenden Generation machen.
Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir nach diesen schwierigen Zeiten den Blick gezielt auf die jungen Menschen richten. Ich bin überzeugt davon, dass es gerade in der Politik wichtig ist, seine eigenen Entscheidungen und Haltungen aufgrund von wissenschaftlichen Untersuchungen zu treffen beziehungsweise einzunehmen und sein Wissen laufend zu erweitern.
Der 8. Bericht zur Lage der Jugend wurde erst vor wenigen Tagen im Ausschuss für Familie und Jugend des Nationalrates behandelt. Er unterstreicht deutlich, dass es sich bei dieser Generation nicht um eine Lost Generation handelt und auch nicht um eine Last Generation, also nicht um eine letzte Generation und
auch nicht um eine verlorene Generation, sondern um eine Generation Zuversicht. Junge Menschen sind sich dessen bewusst, was es bedeutet, unsere Werte zu vertreten, Engagement zu zeigen, auch für Mitmenschen, und auch Leistung zu erbringen, und genau aus diesem Grund – und das zeigt der 8. Bericht zur Lage der Jugend wissenschaftlich auch sehr deutlich – wird die Bundesregierung, wird die Politik darauf weiterhin den vollen Fokus legen.
Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel im Jugendressort weitergebracht, auch parteiübergreifend. Uns ist es wichtig, dass wir uns für die jungen Menschen im Land einsetzen, und nicht nur das, sondern auch, dass wir Politik mit jungen Menschen machen. Ich pflege seit Beginn meiner Amtszeit eine sehr, sehr gute Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Jugendorganisationen, mit den unterschiedlichsten Interessenvertretungen der jungen Menschen. Da wird natürlich auch sehr viel diskutiert. Jugendpolitik ist eine Querschnittsmaterie, und aus diesem Grund haben wir auch in der Österreichischen Jugendstrategie viele Maßnahmen der unterschiedlichsten Ministerien und Ressorts gebündelt, die allesamt darauf abzielen, junge Menschen zu ermutigen.
Es ist viel weitergegangen, insbesondere auch gemeinsam mit den Jugendorganisationen – wenn ich an die Erhöhung der Bundesjugendförderung denke. Erstmals seit über 20 Jahren haben wir innerhalb von zwei Jahren die Bundesjugendförderung um über 20 Prozent erhöht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Es ist aber auch die Aufgabe der Jugendpolitik, jungen Menschen in Österreich bestmögliche Voraussetzungen zu bieten, eine positive Perspektive für ihr zukünftiges Leben.
Und ja, beim 8. Bericht zur Lage der Jugend in Österreich sprechen wir von jungen Menschen zwischen 16 und 29 Jahren. Das ist oftmals eine Lebensphase, die ohnehin von Haus aus schon von vielen Veränderungen geprägt ist, in der man den Übergang ins Erwachsenwerden bewältigt und auch wir als Politik alles daransetzen, jungen Menschen gute Rahmenbedingungen zu ermöglichen.
Was sehr positiv auffällt, ist der hohe Stellenwert der Familie, dieser wurde bereits angesprochen. Über 77 Prozent der jungen Mädchen halten Familie für sehr wichtig, bei den jungen Burschen sind es 67 Prozent. Sechs von zehn jungen Frauen sind die eigenen vier Wände für die persönliche Zukunft wichtig, bei den Männern sind es 39 Prozent – also auch da spannende Geschlechterunterschiede. Natürlich spielt bei den eigenen vier Wänden das Thema Eigentum und Eigenhaus eine große Rolle. Für knapp 50 Prozent ist der Traum der eigenen vier Wände entscheidend; politisch bedeutet das für uns, dass wir jungen Menschen, jungen Familien auch wieder eine Perspektive geben müssen – die Perspektive, dass es sich auszahlt, arbeiten zu gehen, die Aussicht, dass man sich damit auch etwas schaffen kann, so wie es den Generationen zuvor, den Eltern, den Großeltern, durch viel Fleiß, durch viel Einsatz, durch viel Arbeit, die geleistet werden musste, auch möglich war, damit Vorsorge zu treffen. (Beifall bei der ÖVP.)
Und ja, wenn jeder Zweite von den eigenen vier Wänden träumt, dann heißt das nicht automatisch, dass es möglich ist; dessen sind wir uns vollkommen bewusst. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben einen brandgefährlichen Dreiklang – unter dem möchte ich es zusammenfassen, was manche Mitglieder des Bundesrates schon angesprochen haben –: gestiegene Baukosten, extrem hohe Zinsen, die einfach die letzten Jahre nicht da gewesen sind (Bundesrat Spanring: Selbstanklage!), und Kreditrichtlinien, die es insbesondere für junge Familien schon fast unmöglich machen, überhaupt einen Wohnbaukredit aufzunehmen.
Genau aus diesem Grund hat die Bundesregierung erst vor wenigen Tagen – ich glaube, es sind mittlerweile zwei Wochen – im Ministerrat ein ordentliches Wohnbaupaket beschlossen und auf den Weg gebracht, das jetzt auch im Nationalrat behandelt wird, wo die Gesetze dann ihren Lauf nehmen werden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist ein ordentliches Wohnpaket mit einer großen Wohnbauoffensive. Ich werde, da hier offenbar einige Fragen im Raum stehen, auch auf die wichtigsten Punkte eingehen, damit man diese guten Dinge auch weitererzählen kann.
Der Bund finanziert 25 000 neue Wohnungen und stellt mit 1 Milliarde Euro sicher, dass 10 000 Eigentumswohnungen, 10 000 Mietwohnungen und 5 000 Wohnungen durch Sanierungen frisch auf dem Markt erhältlich sind. Das stärkt die Konjunktur in der Baubranche, ganz klar, aber das unterstützt natürlich auch den gemeinnützigen Sektor. Wir sorgen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten dafür, dass Wohnungen gebaut werden und dass es zu keinem zusätzlichen Mangel kommt. Mehr Angebot trägt natürlich auch etwas dazu bei, dass sich der Preis in Zukunft dementsprechend gut entwickelt.
Wir schaffen zwei von drei staatlichen Nebenkosten ab. Bisher musste man, wenn man sich Eigentum schaffen wollte, dreimal zusätzlich in die Tasche greifen: 3,5 Prozent Grunderwerbsteuer, 1,1 Prozent für die Eintragung ins Grundbuch und 1,2 Prozent für die Eintragung als Pfandrecht. Wir schaffen zwei dieser drei staatlichen Nebenkosten jetzt endlich ab. Man zahlt zukünftig die beiden Eintragungsgebühren nicht mehr. Das sind in Summe 2,3 Prozent. Und ja, wir wissen, was das bei heutigen Preisen bedeutet: Wenn man eine Eigentumswohnung um 400 000 Euro kauft – das ist der durchschnittliche Preis für eine 80-Quadratmeter-Wohnung in Österreich – und 400 000 Euro investiert, so spart man sich künftig 9 200 Euro, weil diese beiden Gebühren gestrichen werden. Das ist doch ein ordentlicher Betrag für viele junge Menschen, für viele junge Familien. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)
Der dritte Punkt: Der Kredit für die erste Wohnung oder für das erste Haus wird auch günstiger. Wir sind jetzt schon beim Thema Kredite, aber keine Sorge, das Wohnpaket ist noch nicht zu Ende. Wir werden über die Wohnbauförderungen der Bundesländer Kredite bis zu 200 000 Euro zur Verfügung stellen, fix verzinst mit 1,5 Prozent. Das erfolgt über die Länder beziehungsweise über die Landesbanken. Allein mit dieser Maßnahme werden sich auch wieder Familien, die beispielsweise ein Haus bauen oder eine Wohnung kaufen, auf die gesamte Kreditlaufzeit gerechnet, 100 000 Euro ersparen. (Beifall bei der ÖVP.)
Vom Thema Familie und Eigenheim noch zu weiteren Aspekten des Jugendberichts: Es ist auch eine Tatsache, dass junge Menschen bereit sind,
Verantwortung zu übernehmen, bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren – auch nach der Coronapandemie, als ja das gesellschaftliche Leben in den Vereinen leider nicht in der Art und Weise stattfinden konnte, wie wir es zuvor gewohnt waren. Die Ergebnisse der Erhebung zur Freiwilligentätigkeit 2022 zeigen, das sich 1,4 Millionen Jugendliche und junge Erwachsene engagieren – wir sprechen hier von 15- bis 29-Jährigen –; das ist rund die Hälfte. Also jeder Zweite unter 30 Jahren ist bereit, sich freiwillig zu engagieren, vielfach in Vereinen, wie das in Österreich gut gelebte Tradition ist.
Eine gute Nachricht ist auch, dass die Quote der frühen Schul- und Ausbildungsabbrecher zwischen 18 und 24 Jahren deutlich rückläufig ist. Sie liegt weiterhin mit einem Wert von unter 8 Prozent deutlich unter dem EU-Schnitt.
Auch durchaus positiv entwickelt sich die Lebenszufriedenheit – und da bin ich wieder beim Thema Perspektive – der jungen Menschen. Über 80 Prozent der jungen Menschen sind mit ihrem Leben zufrieden. Das bringt mich wieder zu dem Punkt, bei dem ich nochmals betonen möchte, dass junge Menschen eben nicht eine Lost Generation oder eine Letzte Generation sind, sondern junge Menschen sind sich der Themen unserer Zeit bewusst. Sie spüren die vielfältigen Auswirkungen. Gemeinsam sind wir hier, denke ich, auf einem sehr guten Weg, wenn wir diese Probleme miteinander angehen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)
Ich komme zum letzten Punkt. Die Bundesregierung hat in den letzten viereinhalb Jahren Verantwortung übernommen und auch durchgehend bewiesen. (Ruf bei der SPÖ: Ja, für die Teuerung!) Wir haben unsere Unabhängigkeit, wir haben den Frieden, wir haben den Wohlstand, wir haben die Versorgungssicherheit in unserem Land gesichert. (Bundesrat Schennach: Und die Teuerung!) Wir haben auch viele Entlastungsmaßnahmen, weil Sie die Teuerung ansprechen, eingeführt: von der ökosozialen Steuerreform beginnend, mit der Einkommensteuersätze gesenkt und die Tarifstufen angehoben werden beziehungsweise wurden, bis hin zur Abschaffung der kalten Progression – und die war uns parteiübergreifend immer wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)
Zur Abschaffung der kalten Progression – viele haben sie in ihren Wahlprogrammen gehabt, ich glaube, jede Partei, die hier im Bundesrat vertreten ist –: Wir haben es endlich umgesetzt, dass den Menschen, die tagtäglich arbeiten gehen, mehr im Börsl bleibt, dass die schleichende Steuererhöhung endlich beendet wird. (Bundesrätin Schumann: Ihr habt Lohnzurückhaltung gefordert!)
Das bedeutet nicht, dass wir uns zurücklehnen können, ganz im Gegenteil, aber das Ergebnis ist sehr eindeutig: Österreich ist und bleibt ein friedliches, sicheres und wohlhabendes Land, vor allem ein zukunftsreiches Land. Während andere versuchen, politisches Kleingeld zu schlagen, insbesondere in dieser Diskussion, übernehmen wir Verantwortung. (Ah-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Ja, genau! Genau! Alles klar!) Ich lade Sie auch in Zukunft ein, insbesondere wenn es um das Thema leistbares Wohnen geht, auch die Kollegen von Ihrer Fraktion im Nationalrat, zu beweisen (Bundesrätin Schumann: Das scheitert an der Teuerungsbekämpfung!), dass Sie auch dahinterstehen, dass wir es hier jungen Menschen, jungen Familien ermöglichen, leistbares Eigentum, leistbares Wohnen (Bundesrätin Schumann: Das scheitert an der Teuerungsbekämpfung!) auf den Weg zu bringen. – Vielen lieben Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrat Schennach: Das haben sie ja in Salzburg sehr gut ...! – Bundesrätin Schumann: Ja, genau!)
9.58
Präsidentin Margit Göll: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer:innen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Viktoria Hutter. Ich erteile ihr das Wort.
Bundesrätin Viktoria Hutter (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Meine lieben Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Zuseher hier im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Also ganz ehrlich, wenn ich mir das Gejammer und die Schwarzmalerei der Opposition hier herinnen so anhöre, kriege ich ja selber fast Depressionen. (Beifall bei der ÖVP. – Oh-Rufe bei der SPÖ.) Ohne Spaß! Ihr lebt in der Vergangenheit, das ist definitiv nicht unser Zugang. (Bundesrätin Schumann: An der Teuerungsbekämpfung gescheitert!) Wir gehen gemeinsam mit der Jugend mutig in die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn. – Bundesrat Spanring: Das glaub’ ich, dass ihr Corona vergessen wollt!)
Auch dir, liebe Claudia, herzlichen Dank, dass du heute zu uns kommst, dass wir so ein wichtiges Thema heute in der Aktuellen Stunde behandeln. Es ist wirklich niemand besser dafür geeignet als unsere Jugendstaatssekretärin. (Beifall bei der ÖVP.)
Die Jugend ist unsere Zukunft, die Jugend ist unser größter Schatz. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig. Das wird oft sehr wertschätzend gesagt. Und dann kommt leider allzu oft das große Aber – wir haben es heute schon gehört –: Die Jugend kennt keine Werte mehr. Die Jugend hat keine Vision. Sie ist faul, sie beschäftigt sich nur mit sich selbst. Und sie sucht sich nur die Zuckerl heraus. (Rufe bei der SPÖ: Wer sagt das?!)
Aber – und an dieser Stelle kommt mein großes Aber – da gibt es Gott sei Dank ganz viele Jugendvereine, ganz viele engagierte Persönlichkeiten, die so ziemlich genau das Gegenteil dessen repräsentieren, was so allgemein suggeriert wird.
Auch der kürzlich erschienene Jugendbericht zeigt, dass die Generation Z – und ich finde die Assoziation Generation Z mit Zuversicht schon sehr treffend – durchaus mit dem Leben zufrieden ist und auch zuversichtlich in die Zukunft geht. (Beifall bei der ÖVP.)
Ja, die Jugend hat Werte, die Jugend hat sogar sehr starke Werte. Familie, Tradition und Brauchtum (Bundesrätin Schumann: Brauchtum! Die Stadt vergessen wir ganz!) sind ganz wichtig für die Jugend. Sie wünscht sich Stabilität und
Sicherheit. Sie engagiert sich freiwillig, ehrenamtlich, und – wir haben es vorhin auch schon gehört – rund 50 Prozent der Jugendlichen sind auch bereit, in diesen Bereichen Verantwortung zu übernehmen. (Bundesrätin Schumann: Die ÖVP vergisst die Bevölkerung in der Stadt!) Das ist sehr bemerkenswert und dafür möchte ich mich auch sehr herzlich bedanken.
Die Jugend, und dazu zähle ich mich selbst auch noch, also wir wünschen uns eine sichere Zukunft. Wir wollen uns etwas aufbauen, wir wollen einen guten Job, eine gute Ausbildung und uns schlussendlich irgendwann auch unser eigenes Heim leisten können. (Bundesrätin Schumann: Genau!) Letzteres wird ja auch gerade durch ein umfassendes Wohnpaket inklusive Eigentumsoffensive umgesetzt und ermöglicht. (Beifall bei der ÖVP.)
Leistung, Familie, Sicherheit sind für die Jugend zentrale Themenfelder. Kommt Ihnen das bekannt vor? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Leistung, Familie, Sicherheit: Genau dafür stehen wir, dafür steht die Volkspartei (Bundesrätin Schumann: Und Teuerung! Und Teuerung!) und steht unser Bundeskanzler Karl Nehammer mit seinem Österreichplan. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Und Teuerung!)
Natürlich braucht die Jugend Unterstützung, natürlich müssen wir die Ängste und Sorgen der Jugend erst nehmen (Bundesrätin Schumann: Wahnsinn! Das glauben ... selber!) und bei der Problembewältigung helfen, damit die Jugend auch unsere Zukunft sein kann und selbst auch Zukunft hat.
Was sind die größten Ängste und Sorgen unserer Jugend? (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Was beschäftigt sie am meisten? – Die Generation Z ist eine krisengebeutelte Generation – das haben wir ja heute auch schon des Öfteren gehört. Teuerung (Rufe bei der SPÖ: Ah, doch?!), Inflation, Krieg vor den Toren Europas, eine Pandemie und der Klimawandel, das alles macht den Jugendlichen zu schaffen, genau da müssen wir unsere Jugend unterstützen (Ruf bei der SPÖ: Genau! Net jammern!) – und das machen wir auch.
In Niederösterreich beispielsweise hat das Land Niederösterreich einen eigenen Fonds mit rund 31 Millionen Euro eingerichtet, um Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen, die unter anderem durch die Pandemie entstanden sind, zu unterstützen und ihnen zu helfen.
Wir leben nach wie vor in herausfordernden Zeiten, und das wird sich vermutlich auch nicht so schnell ändern. Darum braucht es genau jetzt Menschen, die sich mit Mut und Zuversicht auf den Weg machen, um Lösungen zu suchen und Antworten zu finden. (Bundesrätin Schumann: Genau! Andi! Super!)
Da ist für mich ein wichtiges Zugpferd auf jeden Fall die Jugend, die oft ganz unbedarft an Herausforderungen herangeht und sich nicht gleich abschrecken lässt (Bundesrätin Hahn: Ja, Mut! Mut kann man sicher ...!), denn trotz Sorgen und Ängsten ist die Jugend zuversichtlich, sich selbst etwas aufzubauen, sich selbst eine Zukunft gestalten zu können, und das sollte auch uns Mut und Zuversicht geben.
Lasst uns gemeinsam die Jugend unterstützen, so wie es unsere Jugendstaatssekretärin tagtäglich tut: durch Maßnahmen, die schon gesetzt wurden, durch Maßnahmen, die noch gesetzt werden, mit dem Österreichplan unseres Bundeskanzlers Karl Nehammer. – Ich glaube an unsere Jugend, ich glaube an Österreich. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Super! – Bundesrätin Schumann: Ah!)
10.03
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Daniela Gruber-Pruner. – Bitte sehr.
Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher:innen und Gäste auch hier im Haus! Ja, Frau Staatssekretärin, prinzipiell teile ich Ihr Ansinnen in dieser Aktuellen Stunde, die junge Generation nicht als
Lost Generation oder Generation Krise zu verstehen und zu konnotieren, denn die aktuelle Generation junger Menschen – das ist übrigens nicht mehr nur die Generation Z (Bundesrätin Schumann: Genau!), sondern wir reden mittlerweile auch schon von der Generation Alpha, das sind die Teenager, und die sollten wir nicht vergessen (Bundesrätin Schumann: Genau!), die waren heute noch nicht Thema –, diese Generation ist eine der digitalisiertesten Generationen, wahrscheinlich auch eine der gebildetsten Generationen, die es jemals gab.
Da gibt es dieses riesige, unglaubliche Potenzial an jungen Menschen. Ich weiß nicht, wer von Ihnen allen in letzter Zeit in der Demokratiewerkstatt – übrigens eine Erfindung von Barbara Prammer (Bundesrätin Schumann: Ja!), die sehr gern nachgemacht wird – war und mit diesen jungen Menschen gesprochen hat, aber alle, die dort in diesen Austausch mit jungen Menschen treten, wissen, wie klug diese Generation ist, wie empathisch, wie neugierig sie an die Dinge herangeht – das muss man auch immer wieder betonen –, und darum auch dieser positive Blick auf die Generation. Das möchte ich unterstreichen.
Dennoch können wir bei dieser Generation, bei unserer Jugend, nie von einer Gruppe sprechen, von den Jugendlichen. Die gibt es nicht, im Gegenteil: Es sind ganz viele sehr verschiedene Gruppen mit sehr unterschiedlichen Lebensstilen, mit sehr unterschiedlichen Herausforderungen und Lebensbedingungen.
Fast kann man eher sagen: Die Lebensrealitäten gehen mehr und mehr auseinander. Das ist ein großes Thema für alle, die mit Jugendlichen arbeiten. Die ökonomischen Herausforderungen und Gegebenheiten, in denen Kinder und Jugendliche heute aufwachsen, gehen so stark auseinander, dass es schwer ist, allen gerecht zu werden, und da muss man ehrlicherweise sagen, Frau Staatssekretärin: Diesem Auseinanderdriften wird tatsächlich durch diese Regierung nicht effektiv gegengesteuert. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir reden bei der Jugend – ich meine jetzt die Null- bis 19-Jährigen – übrigens von 1,8 Millionen Menschen – das sind ganz schön viele –, und was diese Generation trotzdem gemeinsam hat, sind ganz viele Problemlagen. Selbst die
Vorrednerinnen der Regierungsfraktionen sind ja nach dem vielen Lob dann doch auch zu den Herausforderungen gekommen, und da geht es nicht darum, politisches Kleingeld zu schlagen, und da geht es nicht um ein Gejammer – ich möchte das wirklich von uns weisen –, sondern es geht darum, die Realität, die Lebensrealität unserer Jugend zu benennen. (Beifall bei der SPÖ.)
Bei allen Umfragen ist die Hauptangst dieser Jugend die drohende Klimakatastrophe – ganz zu Recht, denn es geht um die Existenz, es geht um das Überleben dieser Generation und auch ihrer Kinder. Diese Jugend weiß, dass unsere Generation, wir hier, die Verantwortung dafür tragen, ob wir da gegensteuern oder nicht, und mir fehlen die glaubhaften Antworten auch aus dem Jugendressort, Frau Staatssekretärin, um den Jugendlichen diese Angst zu nehmen und ihr glaubhaft entgegenzuwirken. (Beifall bei der SPÖ.)
Ein zweites Thema, das unsere Jugend betrifft – und da (Ausdrucke in die Höhe haltend) gibt es ganz aktuelle Zahlen vom Institut für Familienforschung –: Im Jahr 2022 waren in Österreich 20 Prozent der Null- bis 15-Jährigen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht – 20 Prozent! Das kann man nicht wegreden, das kann man nicht schönreden, das ist keine Schwarzmalerei, das sind Fakten. Da geht es darum, dass diese jungen Menschen abgenutzte Kleidung nicht ersetzen können, sich kein zweites Paar Schuhe leisten können und so weiter. Da ist vom Eigenheim und den Krediten, die Sie anbieten, keine Rede! Das ist Träumerei, die für diese jungen Menschen nicht infrage kommt.
Sie haben es zugegeben: Die Teuerung ist ein Thema, aber es wurde auch nicht gegengesteuert, so wie in vielen anderen europäischen Ländern, und da helfen Zinsen und Kredite tatsächlich einfach nicht. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir haben einige weitere Themen: Es geht um Gewalt an jungen Frauen, die zunimmt, es geht um den Medienkonsum, den man auch bei jungen Menschen wirklich sehr kritisch betrachten muss – was macht das mit der Entwicklung von jungen Menschen? –, es geht um die Angriffe auf die Demokratie und die Frage,
in welchem demokratischen System diese jungen Menschen in Zukunft leben werden.
Dabei schlägt diese Zuversicht, die wir wirklich allen jungen Menschen von ganzem Herzen wünschen, einfach ganz oft in psychisches Belastetsein um, und so, wie dieses Gesundheitssystem aktuell beschaffen ist und wie es auch zusammengespart wurde, kann es diesem psychischen Belastetsein der jungen Menschen nicht gerecht werden. Auch das ist eine Verantwortung, die diese Regierung zu tragen hat. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich komme schon zum Schluss: Frau Staatssekretärin, wir begehen heuer 35 Jahre UN-Kinderrechtskonvention, und die Kinderrechtskonvention ist nicht nur für Kinder, sondern auch für Jugendliche gedacht – sie ist also eine Kinder- und Jugendrechtskonvention. Darin ist in 45 Artikeln beschrieben, wie ein gutes Leben für alle jungen Menschen ausschauen könnte. Frau Staatssekretärin, es wäre eine gute Orientierung, eine gute Leitlinie, sich an dem abzuarbeiten und diese Kinderrechte und Jugendrechte endlich umzusetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
10.09
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Frau Staatssekretär! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörer! Liebe Österreicher! Es ist schon verwunderlich: Wir haben wieder eine Aktuelle Stunde mit dem Bundeskanzler – und ich sehe, der Herr Bundeskanzler ist sehr weiblich geworden. Das ist in der heutigen Zeit ja nichts Abnormales mehr, aber Sie schauen mir trotzdem nicht aus wie die Frau Nehammer, Frau Staatssekretärin. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)
Und es ist auch verwunderlich, wie es Kollegin Schumann gesagt hat: Seit zwei Jahren fehlt von diesem Bundeskanzler in diesem Haus jede Spur. Er scheut sprichwörtlich dieses Haus wie der Teufel das Weihwasser. Ja, da kann man schon vom teuersten Flüchtling Österreichs sprechen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)
Vermutlich ist ja auch das der Grund, warum er den Staatssekretär im Klimakommunismusministerium abgezogen hat und unserem Kanzler eine Staatssekretärin in seinem Ressort auf den Schoß gesetzt hat. Dass Sie jetzt all diesen Regierungswahnsinn ausbaden müssen, bei den Dringlichen Anfragen den Bundeskanzler hier in diesem Haus vertreten müssen, das ist ja nichts Neues, aber dass Sie jetzt auch noch in einer Aktuellen Stunde, die seit mehr als einem Jahr bekannt ist und bei der die ÖVP selbst das Thema vorgibt, den Bundeskanzler in diesem Haus vertreten müssen, das grenzt an Arbeitsverweigerung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn man sich dann anschaut, dass dieser Bundeskanzler rund 23 840 € 14 Mal im Jahr verdient, dann kann man hier sehr wohl vom teuersten Flüchtling Österreichs sprechen. (Bundesrat Gfrerer: Hast du zum Inhalt gar nichts zu sagen?) – Wohl, wohl, das wird noch kommen. Aber schau, die Frau Staatssekretärin hat ja auch relativ wenig über eine Generation Zuversicht zu sagen gehabt, aber das wundert mich nicht. Na ja, vielleicht passt sie zu diesem Thema auch besser hierher als der Bundeskanzler, denn der Bundeskanzler hätte ja nur über eine Generation Corona sprechen können, nämlich über eine Generation, die nicht mehr schwimmen gelernt hat, weil ihr nämlich Schwimmbäder zugesperrt habt, weil ihr es verunmöglicht habt, dass unsere Kinder schwimmen lernen, weil ihr eine Generation geschaffen habt, die mit Wörtern wie Lockdown, Homeoffice, Homeschooling, grünem Pass und vielem mehr aufgewachsen ist. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Diese schwarz-grüne Bundesregierung hat eine Generation geschaffen, die miterleben musste, dass gesunde Menschen jahrelang mit Maske herumrennen mussten und angezeigt worden sind, wenn sie sich im Freien mit Freunden
getroffen und keine Maske aufgehabt haben. Die schwarz-grüne Bundesregierung hat eine Generation geschaffen, die nicht einmal mehr in öffentliche Parks hineingehen durfte. Die Bundesregierung hat eine Generation geschaffen, die mit der Angst aufgewachsen ist, dass sie ihre Großeltern anstecken und gefährden könnte. Ja, diese schwarz-grüne Bundesregierung hat eine Generation geschaffen, die bereits im Kleinkindalter zwischen guten und bösen Kindern, zwischen guten und bösen Österreichern zu unterscheiden gelernt hat.
Der Gipfel des Ganzen war dann der Ninjapass, den ihr auch noch in den Schulen eingeführt habt. (Beifall bei der FPÖ.) Frau Staatssekretärin! Etwas Menschenverachtenderes als diesen Ninjapass hat es ja gar nicht geben können. Mit goldenen Stickern in diesem Ninjapass hat man gezeigt: Du bist ein gutes Kind!, und die anderen, die einen andersfarbigen Sticker bekommen haben, das waren dann die bösen Kinder. Ja, Frau Staatssekretärin, daraus ist keine Generation Zuversicht entstanden, sondern überfüllte Kinderpsychiatrien und eine Generation, die sich selbst die Letzte Generation nennt. (Beifall bei der FPÖ.)
Frau Staatssekretärin! Diese schwarz-grün-rot-rosarote Einheitspartei hat es in fünf Jahren geschafft, dass unsere Jugendlichen nicht mehr wissen, bei welcher Häusltür sie hineingehen sollen, und sie hat eine Generation geschaffen, die sich selbst auf Straßen festklebt.
Es braucht in diesem Land einen raschen Paradigmenwechsel, es braucht in diesem Land eine starke FPÖ und es braucht in diesem Land einen Volkskanzler Herbert Kickl. (Beifall bei der FPÖ.)
10.14
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatssekretärin! Die Jugend gibt es ja nicht –
das hat die Frau Kollegin ja vorhin schon gesagt –, sie ist divers, sie ist sogar sehr divers und hat extrem unterschiedliche Voraussetzungen in ihrem Erwachsenwerden.
Was sich aber in Umfragen klar zeigt, ist, dass die jungen Leute die großen Herausforderungen unserer Zeit und deren Implikationen sehr klar sehen. Nur ein Beispiel: Die große Jugendstudie von Ö3 im letzten Jahr, bei der über 39 000 junge Leute in Österreich sehr ausführlich befragt wurden, zeigt zum Beispiel Folgendes: 77 Prozent der Jugendlichen bereitet Krieg besondere Sorgen, gefolgt von der Sorge um zunehmende Ungerechtigkeit in der Gesellschaft – im Klartext geht es dabei um die Unterschiede zwischen Reich und Arm –, und dann kommt mit 61 Prozent der Klimawandel, der den jungen Leuten Sorgen und Ängste bereitet. Da ist es nicht immer leicht, zuversichtlich zu sein.
Die jungen Leute laufen aber deswegen natürlich nicht mit hängendem Kopf herum. Das wäre auch kein adäquater Lösungsansatz. Nein, es ist nicht immer einfach, jung zu sein, in einer Zeit, in der die Welt im Umbruch ist oder gar aus den Fugen geraten ist. Allein das nötigt mir großen Respekt vor den jungen Leuten ab. Stellen Sie sich einmal selber die Frage: Möchte ich noch einmal 20 sein?
Sie haben – auch das zeigen die Umfragen – sehr viele gute und wichtige Eigenschaften: Sie sind offen, sie sind Europäer:innen – ganz wichtig –, sie wollen etwas lernen, sie wissen, dass die großen Aufgaben nur gemeinsam gelöst werden können. Natürlich ist auch ihnen das direkte soziale Umfeld – das muss man auch nicht überinterpretieren –, Freunde, Familie, besonders wichtig. Ohne funktionierende Beziehungen und Familie, ohne Menschen, die Orientierung geben und vorbehaltlos hinter einem stehen, war es immer schon und ist es sehr schwierig.
Ich merke in meinen Kontakten, dass viele junge Leute sehr viel wissen, sich einsetzen und damit auch nicht mehr alles hinnehmen. Sie wissen, dass es um ihre Zukunft geht, die einem nicht von selber zufliegt. Sehr viele junge Leute
haben eine wohltuende Klarheit, Direktheit und Radikalität, wenn es sich um gesellschaftspolitische Fragestellungen dreht. Das geht ja vielen Entscheidungsträgern leider ab, weil sie Interessen von einflussreichen Klientelen befriedigen wollen oder selbst vom Status quo profitieren. Das ist mit ein zentraler Grund, warum wir die jungen Leute brauchen und auf sie hören sollten. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Wir brauchen junge Leute, die aktiv und aufmüpfig sind, die unbequem sind, junge Leute, die die Etablierten aufwecken und ein Stück weit vor sich hertreiben. Das ist wichtig, weil die aktuellen Krisen von denen gelöst werden müssen, die jetzt an den Hebeln sitzen. Im Klimaschutz zum Beispiel muss der Turn in den nächsten wenigen Jahren gelingen.
Ein besonderer Ort für die Demokratie – auch wenn es manche nicht gerne hören – ist die Straße: öffentlich zu sagen, was sie wollen, gemeinsam für etwas einzutreten, laut zu sein. Fridays for Future hat das besonders eindrucksvoll und wirkungsvoll gezeigt. Wie geht ihr Slogan? – „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut!“ Man kann es sich jetzt natürlich leicht machen und auf besonders sichtbare Aktivist:innen abfällig hinunterschauen, sie kriminalisieren, sie als nicht normal bezeichnen und absurderweise einsperren wollen – so, als ob sie das Problem wären. Dabei sind sie ein Sprachrohr, noch dazu ein konsequent gewaltfreies. Angebrachter wäre es, endlich hinzuhören, worum es ihnen geht, nämlich null Komma null um Selbstzweck, null Komma null um Eigeninteressen. Es macht ihnen keinen Spaß, beleidigt, angeschrien, an den Haaren von der Straße gezerrt zu werden. Nein – sie haben Sorgen. Das weiß ich aus Gesprächen mit ihnen. Sie fürchten um ihre Zukunftschancen. Sie haben Angst und sagen zu Recht, dass zu wenig geschieht. Und damit sind sie übrigens eins mit der Wissenschaft. Da braucht es natürlich weniger Mut, sich empört vor Kameras für den ach so bequemen Status quo einzusetzen.
Vorrangig ist es also der Job der jetzigen Entscheidungsträger der Politik, mithin auch unser Job, für Verhältnisse zu sorgen, in denen junge Leute zuversichtlich sein können, für eine sozial-ökologische Wende zu sorgen, nämlich eben mit
einem konsequenten Blick auf die nächste Generation. (Beifall bei den Grünen.)
Ich kann nur allen jungen Leuten sagen – das mache ich übrigens bei jeder sich bietenden Gelegenheit –: Bleibt dran! Wir brauchen euch! Wehrt euch! Ohne euch bewegt sich zu wenig, ohne euch schaffen wir es nicht! (Beifall bei den Grünen.)
10.20
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss natürlich gleich am Anfang das berichtigen, was einige meiner Vorredner:innen dazu gesagt haben, warum Sie, Frau Staatssekretärin, heute hier sitzen und nicht der Herr Bundeskanzler.
Da wurde nämlich die Kausalität verdreht. Es ist nicht so, dass als Erstes das Thema der Aktuellen Stunde festgestanden ist, nämlich über den Jugendbericht zu sprechen, und man sich dann gedacht hat: Na, da wäre es doch viel besser, wenn die Frau Staatssekretärin statt des Herrn Bundeskanzlers herkommt!, sondern natürlich war es andersherum: eine Aktuelle Stunde mit dem Bundeskanzler, der sich – es ist zwar verfassungsmäßig nicht vorgeschrieben, aber es ist natürlich verfassungsrechtlich zulässig – durch die Frau Staatssekretärin vertreten lassen kann. Das war die erste Entscheidung, die getroffen wurde: dass nicht der Herr Bundeskanzler herkommt, sondern sie – und dann nimmt man natürlich ein Thema, das in ihren Aufgabenbereich fällt. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)
Wenn wir schon bei Ihrem Aufgabenbereich sind: Sie haben seit Mitternacht einen Kollegen weniger, Herrn Staatssekretär Tursky, der – das muss man anerkennen –, wenn er als Bürgermeisterkandidat in Innsbruck kandidiert, den
richtigen Schritt gesetzt hat, dass er das nicht aus dem Amt als Staatssekretär heraus macht – Respekt dafür.
Das führt aber natürlich nicht dazu, dass Sie dann von einem Tag auf den anderen seine Agenden übernehmen – Sie sind ja auch einem anderen Bundesministerium zugeteilt. Es ist eine Entscheidung des Gesetzgebers, ob Sie überhaupt seine Kompetenzen übernehmen dürfen. Es benötigt, wie ich auch mit Ihrem Pressesprecher schon debattiert habe, eine Änderung des Bundesministeriengesetzes, und solch eine Änderung ist von den Regierungsparteien noch nicht einmal im Nationalrat eingebracht worden. Das heißt, der Zeitplan, bis Sie Agenden im Bereich der Digitalisierung bekommen können, ist voraussichtlich Ende April, und welche das sind, so lese ich, ist auch noch nicht einmal klar. (Beifall bei der SPÖ.)
Nun zum eigentlichen Thema, dem Jugendbericht: Natürlich, Kollegin Jagl hat es vorhin schon angesprochen, ist es ein bisschen ein Wortwitz, wenn man dann „Generation Zuversicht“ aus der Generation Z, aus der Gen Z macht. Sie als Vertreterin einer Regierungspartei hätten es tatsächlich in der Hand, für Generationengerechtigkeit zu sorgen und der Jugend wieder ein Aufstiegsversprechen zu geben.
Die großen Baustellen, die großen politischen Baustellen lassen Sie dabei aber völlig unangetastet. Ich fange nur einmal mit einer wirksamen Klimapolitik, die ein großes Anliegen der Jugend ist, an. Es gibt nach wie vor kein Klimaschutzgesetz, das insbesondere auch auf die Sektoren abstellt.
Die zweite riesige Baustelle, die der Jugend Sorgen bereitet, ist das Pensionssystem. In das staatliche Pensionssystem haben immer weniger junge Leute Vertrauen, das staatliche Pensionssystem ist immer mehr abhängig von Zuschüssen aus dem Budget. Was notwendig wäre, ist, darauf einzugehen, dass die Lebenserwartung gestiegen ist, dass die Anzahl der Jahre, während derer Pension bezogen wird, sich verdoppelt oder sogar verdreifacht hat und dass daher wirklich eine enkelfitte Pensionsreform notwendig ist.
Die dritte Baustelle, die der Jugend einen großen Rucksack auflastet, sind die steigenden Staatsschulden, die von den zukünftigen Generationen bezahlt werden müssen. Insbesondere der ÖVP ist das anzulasten. Eine Koste-es-was es-wolle-Politik geht nur auf Kosten der zukünftigen Generation. In diesem Zusammenhang muss man natürlich auch die hohe Steuerquote erwähnen. Eine Steuer- und Abgabenquote von 40 Prozent oder darunter wäre auch ein Zielwert, damit die Jugend sich wieder etwas aufbauen kann.
Fünfte Baustelle: ein Gesundheitssystem, das nicht nur durch eine Zusatzversicherung getragen werden kann. Da wir hier im Bundesrat sind: Kompetenzdschungel im Gesundheitssystem zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungsträgern, in denen die Sozialpartner sitzen. Sogar das rote Momentum-Institut ist draufgekommen, dass das nicht nachhaltig ist.
Schließlich, als sechste große Baustelle: mehr Europa statt einer europafeindlichen Politik, der sich die ÖVP immer mehr verschrieben hat. Man hat das beim europäischen Parteitag gesehen, bei dem die ÖVP aus dem gemeinsamen Programm der Europäischen Volkspartei ausgeschert ist und dem Manifest nicht zugestimmt hat.
Hier wäre das, was unser Spitzenkandidat Helmut Brandstätter gefordert hat, eine zukunftstaugliche Ansage, nämlich eine fünfte europäische Freiheit – die Bildungsfreiheit –, damit die Jugend tatsächlich Zuversicht haben kann. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
10.25
Präsidentin Margit Göll: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals die Frau Staatssekretärin zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr und darf bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten. – Bitte sehr.
10.25
Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Keine Sorge, Frau Präsidentin, ich werde die Redezeit nicht vollkommen ausschöpfen. – Vielen Dank für die gute Diskussion! Jugendpolitik ist natürlich nicht mit dem Jugendbericht abgeschlossen, und ich werde den Dialog einerseits mit Expertinnen und Experten sowie selbstverständlich mit jungen Menschen selbst fortsetzen.
Die Ergebnisse des Jugendberichtes sollen eine gute Grundlage, eine wissenschaftliche Grundlage für die Weiterentwicklung der österreichischen Jugendpolitik liefern, insbesondere für die Weiterentwicklung der Österreichischen Jugendstrategie. Ich freue mich, wenn Sie daran auch mitarbeiten.
Vielleicht erlauben Sie mir abschließend noch eine Bemerkung: Man hat, glaube ich, anhand der Rednerliste und auch, wenn man hier so in die Fraktionen blickt, sehr deutlich gesehen, wem Jugend etwas wert ist und wo die Jugend auch tatsächlich mitsprechen darf. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Jagl. – Bundesrätin Schumann: Danke schön! Danke!)
10.26
Präsidentin Margit Göll: Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.
Präsidentin Margit Göll: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebeantwortungen,
eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union
verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.
Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.
Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A. Eingelangt sind:
1. Anfragebeantwortungen
(Anlage 1) (siehe auch S. 15)
2. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union
Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesministerin EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler von 10. März bis 17. März 2024 in Portugal (Anlage 2)
B. Zuweisungen
1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates
(siehe Tagesordnung)
2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder
Bericht über die Situation und Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen der österreichischen Wirtschaft ("KMU im Fokus 2023"), vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft (III-848-BR/2024)
zugewiesen dem Wirtschaftsausschuss
*****
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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung
Präsidentin Margit Göll: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien MMag. Dr. Susanne Raab von 10. bis 15. März 2024 in den USA, bei gleichzeitiger Beauftragung von Herrn Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek gemäß Art. 73 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz mit ihrer Vertretung.
*****
Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jener Bericht, die beziehungsweise der Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.
Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.
Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.
Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.
Behandlung der Tagesordnung
Präsidentin Margit Göll: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 und 2, 4 bis 7, 12 und 13 sowie 16 und 17 jeweils unter einem zu verhandeln.
Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.
Ankündigung einer Dringlichen Anfrage
Präsidentin Margit Göll: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen der grünen Ministerin auf allen Ebenen“ an die Frau Bundesministerin für Justiz vorliegt.
Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, nicht aber über 16 Uhr hinaus.
*****
Sehr herzlich darf ich Herrn Bundesminister Magnus Brunner hier bei uns im Bundesratssaal begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Vizepräsident Reisinger übernimmt den Vorsitz.)
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (3815/A und 2457 d.B. sowie 11437/BR d.B.)
2. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom und das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger sowie das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (3824/A und 2458 d.B. sowie 11438/BR d.B.)
Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Berichterstatterin zu den Punkten 1 und 2 ist Frau Bundesrätin Bernadette Geieregger. – Ich bitte um die Berichte.
Berichterstatterin Bernadette Geieregger, BA: Ich darf Ihnen den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird, zur Kenntnis bringen.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:
Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Ich darf Ihnen ebenso den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Energiekostenbeitrag-Strom und das Bundesgesetz über den Energiekostenbeitrag-fossile Energieträger sowie das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden, zur Kenntnis bringen.
Der Bericht liegt Ihnen ebenso in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung:
Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Sascha Obrecht. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Sie haben jetzt in der Aktuellen Stunde ordentlich das Phrasenschwein geprügelt. Da war vieles dabei, das kann man gleich mitnehmen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Brunner.)
Bemerkenswert war ja: „Ich glaube an unsere Jugend, ich glaube an Österreich.“ – Das tue ich auch. Woran ich persönlich nicht glaube, ist diese österreichische Bundesregierung. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)
Was ich auch schön fand, war die Frage, ob mir das Credo „Leistung, Familie, Sicherheit“ bekannt vorkommt. – Ich habe mir gedacht, natürlich kommt mir das bekannt vor, das ist die Leistungsperformance dieser Bundesregierung: null Leistung – und das mit Sicherheit – und Geld nur für die Bussi-Bussi-Familie. Das wissen wir ja. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der FPÖ.)
Sie haben natürlich auf Bruno Kreisky angespielt. Da muss man aber dazusagen, Bruno Kreisky hat etwas anderes gesagt, er hat gesagt: Leistung, Aufstieg, Sicherheit. – Und es ist kein Wunder, dass die ÖVP den Aufstieg rausnimmt, aus dem Credo entfernt. Das ist nämlich genau der Punkt: Menschen, die wie ich aus dem Favoritner Gemeindebau kommen, die Arbeiterkinder sind und die Möglichkeit bekommen, Jus zu studieren – solche Aufstiegsgeschichten wollen Sie nicht. Sie wollen Ihre Eliten kleinhalten. Sie wollen, dass reiche Menschen reicher werden und Arme arm bleiben. Das ist Ihre Politik. (Beifall bei der SPÖ.)
Da überrascht es dann auch nicht, wenn genau der Aufstieg aus dem Zitat von Bruno Kreisky rausfliegt. Wenn man schon Kanzler Kreisky zitiert, dann bitte richtig!
Alles, was ich gesagt habe, lässt sich auch auf den Tagesordnungspunkt zurückführen; da geht es um die Energiepolitik der österreichischen Bundesregierung. Wir haben eines erlebt, nämlich: Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich kenne in meinem Bekanntenkreis niemanden, der nicht von seinen Rechnungen, von den Energiepreisen erschüttert war. (Ruf bei der SPÖ: Ja!) Die Bundesregierung hätte natürlich eingreifen können, aber sie wollte nicht. Nach Monaten, nach endlos langen Monaten, in denen wir das schon gefordert haben (Bundesrat Ebner: Wohnkosten ...!), kam dann endlich ein Vorschlag. Der Vorschlag war natürlich das absolute Minimum. Es gab eine europäische Verordnung, da kommt man nicht drumherum, deshalb war die Bundesregierung genötigt, das zu machen. Der Finanzminister ist rausgegangen und hat gesagt, dieser Beitrag, diese Übergewinnsteuer wird 2 bis 4 Milliarden Euro ins Budget treiben. – Bis jetzt sind es 255 Millionen Euro. Damit ist er der zweite ÖVP-Finanzminister, der eine Null vergessen hat. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Brunner.)
Das Bemerkenswerte daran ist ja, und darüber haben wir schon im Plenum gestritten, dass die Liberalen immer darauf bestehen, dass es ja keine Übergewinne, sondern Zufallsgewinne sind. – Der Punkt ist aber: Es sind keine Zufallsgewinne, es sind Übergewinne, und die sind auch nichts Gutes. Wenn jemand Milliarden an Gewinn macht, weil woanders auf der Welt Krieg ausbricht, dafür null Leistung gebracht hat und Betriebe und Haushalte dafür viel mehr zahlen müssen, dann ist das nichts Gutes, und solche Gewinne gehören abgeschöpft. (Beifall bei der SPÖ.)
Das haben Sie natürlich nicht gemacht, auch dieser Gesetzesvorschlag wird daran nichts ändern.
Eine Sache, die ich in diesem Zusammenhang noch mitgeben will – weil man ja nach wie vor etwas machen könnte, aber man will es weiterhin nicht abschöpfen –: Ich will über Normalität reden, weil der Bundeskanzler ja so gerne über Normalität redet. Wissen Sie, was nicht normal ist? – Dass der Verbund hergeht und sagt: Na ja, unsere Gewinne für 2024, die werden ein bisschen
niedriger sein, es werden nur 1,7 Milliarden Euro sein! – Ist es Aufgabe eines Energieversorgers, 1,7 Milliarden Euro an Gewinn zu machen? Ist das das Normal, das wir haben wollen? (Bundesrat Spanring: ... 2 Milliarden ...!)
Ich will das nicht. Ich will das definitiv nicht. Ich will ein neues Normal: dass es normal ist, dass eine Bundesregierung sich darum kümmert, dass Energiepreise niedrig und nicht die Dividenden hoch sind. (Beifall bei der SPÖ.) Ich will eine Bundesregierung, die sich um die Menschen und nicht um die Aktionäre kümmert. Im Grunde will ich damit also eines: Ich will eine neue Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ.)
10.36
Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Lassnig. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Sandra Lassnig (ÖVP, Kärnten): Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher und Zuhörer! Also jetzt kommen wir wieder einmal ein bisschen zur Realität und auch zum Thema zurück. (Beifall bei der ÖVP.)
Zu diesen zwei Tagesordnungspunkten haben wir schon ein bisschen eine andere Sichtweise. Es sind sehr positive Punkte, Tagesordnungspunkte, denn es geht auch wieder um Entlastungsmaßnahmen für die Österreicherinnen und Österreicher. Es geht um die Erhöhung der Absetzbarkeit des Kirchenbeitrages als Sonderausgabe von 400 auf 600 Euro (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ – Ruf bei der SPÖ: Super!) – ja, bravo; danke (Heiterkeit bei der ÖVP) –, es geht um die Änderung des Einkommensteuergesetzes, die eine Übergangsregelung für die Freigrenze der sonstigen Bezüge für 2024 schaffen soll, und es geht um die Verlängerung des Energiekrisenbeitrages und eben auch um Investitionsanreize für erneuerbare Energien; und darauf möchte ich jetzt auch näher eingehen.
Ja, es war so: Die stark steigenden Energiepreise infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine bescherten den Energieunternehmen hohe Zufallsgewinne, und deshalb war es für die Bundesregierung ganz klar, dass diese Unternehmen auch einen fairen Beitrag zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger leisten sollen. Deshalb wurden eben auf Basis der EU-Notfallmaßnahmenverordnung der Energiekrisenbeitrag-Strom und der Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger eingeführt. Dass diese Maßnahmen auch Wirkung gezeigt haben, sieht man, denn die Preissituation auf den Märkten hat sich seither entspannt. Wir wollen aber natürlich weiterhin diese Krisengewinne abschöpfen, präventiv gegen neuerliche Preissteigerungen wirken und gleichzeitig die Anreize für Investitionen in erneuerbare Energien erhöhen.
Auf die Änderungen möchte ich schon noch kurz eingehen: Beim Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger soll eben die Bemessungsgrundlage verbreitert werden, und Gewinne, sofern sie 5 Prozent – statt bisher 10 Prozent – über dem Durchschnitt der steuerpflichtigen Gewinne der Jahre 2018 bis 2021 liegen, können zu 40 Prozent abgeschöpft werden. Beim Energiekrisenbeitrag-Strom werden 90 Prozent von jenem Überschusserlös, der 120 Euro pro Megawattstunde übersteigt, abgeschöpft.
Ich komme zu den Investitionsanreizen: Begünstigte Investitionen können im Ausmaß von 75 Prozent statt bisher 50 Prozent der tatsächlichen Anschaffungskosten und Herstellungskosten abgesetzt werden. Der Zurechnungszeitraum für Investitionen wird zum einen bis 2027 verlängert und zum anderen können per verbundenen Unternehmen eben auch Investitionen eines anderen Beitragsschuldners zugerechnet werden. Diese Investitionsanreize sind notwendig und wichtig, um die Energiewende voranzutreiben und den österreichischen Strommarkt auch für die enormen Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.
Ich möchte schon auf die Rede von Kollegen Obrecht eingehen: Die Rede war von 2 bis 4 Milliarden Euro, das war eine Schätzung – und wir wissen auch, wie
es dazu gekommen ist: Von der EU-Kommissionspräsidentin wurde im September 2022 angekündigt, dass sie mit dieser Verordnung EU-weit 140 Milliarden Euro Krisengewinn abschöpfen will.
Wir haben diesen Wert entsprechend unserer Wirtschaftsleistung auf Österreich heruntergebrochen und so sind wir auf diese Schätzung gekommen. Die Energiemärkte haben sich in der Folge der Einführung dieser Energiekrisenbeiträge aber deutlich schneller entspannt als zunächst angenommen. Ich glaube, das muss man schon auch in einem Gesamtkontext der Zeiträume, der Entwicklung der Energiemärkte und eben auch der Investitionsziele der Maßnahmen sehen.
Was bedeutet ein niedrigeres Aufkommen? – Es bedeutet, dass dieses niedrigere Aufkommen beim Energiekrisenbeitrag auf jeden Fall mit niedrigeren Preisen und höheren Investitionen für erneuerbare Energie korrespondiert, und ist daher als absolut positives Resultat und wünschenswerte Entwicklung zu sehen.
Sehr geehrte Damen und Herren, was hat uns der russische Angriffskrieg auf die Ukraine allerdings noch mehr verdeutlicht? – Wie groß das Risiko einer Abhängigkeit von russischem Gas ist. Deshalb wurden von der Bundesregierung zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um die österreichische Gasversorgung unabhängiger und auch sicherer zu machen. Der Bundeskanzler und auch du, lieber Finanzminister, ihr habt letzte Woche im Ministerrat weitere Initiativen vorgestellt, die nicht russische Gasversorgung stärken und die Energiewende weiter beschleunigen sollen.
Sehr geehrte Damen und Herren, nach dem Wohnbaupaket werden hier weitere Ziele des Österreichplans unseres Bundeskanzlers Karl Nehammer in die Tat umgesetzt. Ja, es geht dabei um Entlastungsmaßnahmen, es werden Investitionsanreize geschaffen, um die Energiewende voranzutreiben. Deshalb bitte ich hier, dem zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)
10.42
Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Bernard. Ich erteile ihm dieses. – Bitte sehr.
Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Wenn man sich diese heute zum Beschluss stehende Gesetzesänderung ansieht, dann bestätigt das wieder: Von dieser Bundesregierung gibt es keine wirkungsorientierte Folgenabschätzung. Das heißt, diese Bundesregierung legt Gesetze zur Beschlussfassung vor, von denen sie überhaupt nicht weiß, was sie uns, die österreichische Bevölkerung, kosten oder was sie uns bringen.
Die heutige Novelle zum Einkommensteuergesetz zeigt auch ganz klar, dass die kalte Progression noch immer nicht zur Gänze abgeschafft wurde, wie es von Ihnen, Herr Finanzminister, immer wieder behauptet wird. (Ruf bei der ÖVP: Wieso nicht?)
Mit der heutigen Einkommensteuergesetznovelle wird auch die Höhe der Abzugsfähigkeit des Kirchenbeitrags als Sonderausgabe von 400 auf 600 Euro ab 2024 erhöht. (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.) Das begrüßen wir ausdrücklich, weil es seit 2012 keine entsprechende Erhöhung gegeben hat. Bedauerlicherweise gibt es aber noch viele Beträge im Einkommensteuergesetz, die nicht valorisiert wurden. Ich denke da an die Pendlerpauschale oder an das amtliche Kilometergeld. (Beifall bei der FPÖ.)
Auch da brauchen wir endlich eine Valorisierung. Die Pendlerpauschale wurde – abgesehen von einer Minierhöhung – seit 1.1.2011 nie erhöht. Beim amtlichen Kilometergeld ist es noch schlimmer: Es beträgt seit 1.7.2008 42 Cent; das heißt, es sind fast 16 Jahre, in denen das amtliche Kilometergeld nicht erhöht wurde. Würde man das hochrechnen, betrüge es derzeit mindestens 65 Cent – diesbezüglich werde ich am Schluss meines Redebeitrags einen Antrag einbringen.
Davor möchte ich mich aber noch kurz mit der Inkompetenz des Finanzministers befassen, darum wiederhole ich es noch einmal: Diese Bundesregierung legt Gesetze (Bundesrat Buchmann: ... der Einzige, der das glaubt!) zur Beschlussfassung vor, von denen sie überhaupt nicht weiß, was sie uns, die österreichische Bevölkerung, kosten oder was sie uns bringen.
Das beste Beispiel: Vom Herrn Finanzminister wurden 4 Milliarden Euro Gewinnabschöpfung mit dem vorliegenden Gesetz zum Energiekrisenbeitrag-Strom und -fossile Energieträger erwartet. 255 Millionen Euro sind es, Herr Finanzminister. Der vorige Finanzminister ist mit dem Laptop im Kinderwagen spazieren gefahren, den er auf die Reise geschickt hat, und hat Probleme mit den Nullen im Budget gehabt. Anscheinend dürften die Rechenkünste von Ihnen, Herr Minister, aber auch nicht viel besser sein. (Beifall bei der FPÖ. –Bundesminister Brunner: Das hat der Kollege schon gesagt!) – Ja, Herr Finanzminister, auch wenn es der Kollege vorher schon gesagt hat, wird es nicht besser. (Bundesrat Himmer: Das war aber seine Frau mit dem Kinderwagen, gell?!) – Ja, ja, kein Problem! (Bundesrat Himmer: ... Detail ...! – Bundesrätin Miesenberger: Kleines Detail!)
Das sind aber nicht nur meine Worte, Herr Finanzminister, sondern auch die Experten, die Sie uns in den Ausschuss geschickt haben, haben mir auf die Frage meinerseits bestätigt, dass diese Präsentation und auch die Berechnung nicht optimal waren. Das hat uns der Experte des Finanzministeriums im Bundesratsausschuss ebenfalls mitgeteilt, also können wir nicht so falsch liegen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Was ist jetzt, ÖVP?)
Liebe österreichische Bevölkerung, Sie können sich unsere Bundesratssitzungen maximal hier im Saal oder in den sozialen Medien ansehen, aber nicht über den ORF, denn der weigert sich ja, unsere Sitzungen zu übertragen. Mich rufen tagtäglich Personen an, deren Väter oder Mütter seit über drei, vier Jahren gestorben sind und von denen der ORF jetzt auch noch die Haushaltsabgabe haben will. Die ORF-Abgabe ist aber euer Kind, das ihr da geboren habt, liebe Bundesregierung.
Jetzt kommt aber die entscheidende Frage: Wer zahlt denn die 4 oder 5 Milliarden Euro Gewinn, die ihr abziehen wollt? Wer zahlt denn das, Herr Minister? – Alle Unternehmer und alle Haushalte werden da von Ihnen persönlich und Ihren Kollegen abgezockt.
Wie bereits angesprochen wäre es wichtig, die Bevölkerung wirklich zu entlasten; und das könnte man meiner Meinung nach, wenn man zum Beispiel die amtliche Pauschalabgeltung für alle Kosten, die durch die Verwendung eines privaten Kraftfahrzeugs für Fahrten entstehen, zum Beispiel im Zuge einer Dienstreise, die seit 2008 nicht mehr an die gestiegenen Preise angeglichen wurde, anpasst. Das Auto stellt – ich weiß, das ist euer ideologisches Problem – im ländlichen Raum ein wichtiges Fortbewegungsmittel für die Arbeitswelt dar und es gehört auf jeden Fall für die meisten zum Arbeitsalltag, damit man überhaupt zur Arbeitsstätte kommt. (Beifall bei der FPÖ.)
Liebe ÖVP, weil ihr auch immer wieder sagt: Es ist wichtig, dass wir etwas bezüglich Pflege und so weiter umsetzen (Bundesrätin Miesenberger: Ist leicht nix umgesetzt worden?), habe ich mir dieses Beispiel herausgenommen: Von den Pflegern, die unsere ältere Generation, die unser Land zu dem gemacht hat, was es ist, die alles aufgebaut hat und jetzt auf Pflege angewiesen ist, betreuen, brauchen viele auch ihr eigenes Privatauto und sind täglich darauf angewiesen. Das sind die vielen Heimhilfen, Pflegeassistent:innen, Diplomkrankenpfleger:innen und so weiter – und viele fahren wie gesagt auch mit ihren eigenen Fahrzeugen, weil sie keine Dienstautos haben. Unter den Beschäftigten sind viele Mütter oder Alleinerziehende, auch in Teilzeit, die von ihrem Gehalt auch noch die Mehrkosten, die vom derzeitigen Kilometergeld von 0,42 Cent nicht abgedeckt sind, bezahlen müssen. Das Kilometergeld ist für die kostendeckende Abgeltung von Treibstoff, Öl, Wartung, Reparatur, Zusatzausrüstungen, Steuern, Gebühren und auch Versicherung gedacht. Warum erwähne ich das so im Detail? – Ich komme nachher noch dazu.
Wie gesagt: 2008 war das Jahr, in dem die Spritpreise damals ihren Höchststand erreicht haben; 1,20 Euro zahlte man für 1 Liter Benzin. So war es gut, dass
damals am 6. Juni 2008 das Kilometergeld von 0,37 Cent auf 0,42 Cent erhöht wurde. Seitdem sind 16 Jahre vergangen – und, liebe Bundesregierung, seit 2022 haben sich die Spritpreise eine Zeit lang Richtung 2 Euro oder sogar drüber bewegt, verschuldet durch Ihre Handlungen und Ihre Gesetze.
Zusätzlich haben Sie noch, geprägt durch die Ideologie der Grünen, diese CO2-Steuer eingeführt, die auch ein Bestandteil des Spritpreises ist. Deshalb bekommen wir für unser Geld an der Zapfsäule weniger Sprit.
Da, wo das Geld vom Steuerzahler zu holen ist, ist diese Bundesregierung natürlich sehr schnell und konsequent. Die CO2-Abgabe wurde erst am 1. Oktober 2022 eingeführt und wurde ja nur wenige Monate später noch zusätzlich erhöht. Mittlerweile bezahlt man bei jedem Tankvorgang 13,5 Cent pro Liter Diesel und 10,2 Cent pro Liter Benzin für diese grüne ideologische Abgabe. Ab 2025 bezahlt man dann schon zusätzlich 16,5 Cent für Diesel und 12,5 Cent für Benzin.
Eine jährliche inflationsbedingte Preiserhöhung gibt es auch bei der Indexanpassung durch die Autoversicherungen. Eine weitere Erhöhung stellt auch die motorbezogene Versicherungssteuer dar. Diese wurde durch diese Bundesregierung am 1. Jänner 2022 auch wieder angepasst. Durch die Änderungen fällt die motorbezogene Steuer bei verbrauchs- und emissionsstarken Fahrzeugen höher aus als noch im Vorjahr. Die verschärfte Versicherungssteuer, die von dieser Bundesregierung eingeführt wurde, gilt für Neuzulassungen ab 1. Jänner 2023 – und zusätzlich zur Leistung des Verbrennermotors wird auch die CO2-Emission zur Berechnung dieser Kfz-Steuer herangezogen.
So, und warum habe ich das jetzt alles so detailliert erzählt? – Jetzt kommt es, bitte aufpassen: Für mich ist nicht nachvollziehbar, dass bei all den Teuerungen, die einen Arbeitnehmer mit seinem Auto betreffen, dieser fast dieselbe Summe bekommt wie ein Arbeitnehmer, der mit seinem Fahrrad fährt. Es gibt die motorbezogene Versicherungssteuer, die CO2-Steuer, all die Versicherungen und so weiter. Was hat das mit dem Fahrrad zu tun? Die, die mit dem
Fahrrad in die Arbeit fahren können, sind gesegnete Leute. Bei uns am Land draußen packt man die Kilometer nicht, auch mit dem E-Bike nicht. (Beifall bei der FPÖ.)
Es geht dabei um die Differenz von 38 Cent auf 42 Cent – oder ist das Ganze, wie vorhin schon gesagt, ideologisch geprägt von euch? Anhand all dieser nachweisbaren Teuerungen, die ich soeben aufgezählt habe, könnte ja diese Bundesregierung unsere Bevölkerung wirklich entlasten. Sie könnten mit der Zustimmung zu meinem Antrag heute die wirkliche Entlastung beschließen.
Da wir Freiheitliche die Interessen der österreichischen Bevölkerung – egal, ob es auf Gemeindeebene, auf Landesebene oder auf Bundesebene, hier im Bundesrat oder im Nationalrat ist – vertreten, bringe ich folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verdoppelung des amtlichen Kilometergeldes“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere den Herrn Bundesminister für Finanzen, aufzufordern, eine Verdoppelung des amtlichen Kilometergeldes sicherzustellen.“
*****
(Beifall bei der FPÖ.)
10.53
Vizepräsident Dominik Reisinger: Der von den Bundesräten Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Verdoppelung des amtlichen Kilometergeldes“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.
Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich habe Ihnen heute etwas mitgebracht (ein Exemplar der Zeitung „Kirchenbote“ in die Höhe haltend) – ich weiß nicht, ob man das gut sehen kann (Zwischenruf bei der SPÖ) –: Das ist der „Kirchenbote“ meiner evangelischen Pfarrgemeinde in Seewalchen. Wie Sie vielleicht wissen, leben die Evangelischen in Österreich in der Diaspora, mit einem Anteil von nur 2,9 Prozent an der Gesamtbevölkerung. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)
Umso erfreulicher ist natürlich für mich, dass es an meinem Wohnort eine sehr, sehr aktive evangelische Pfarre gibt, Lenzing-Kammer Seewalchen in der Rosenau. Dort finden tatsächlich zahlreiche Aktivitäten statt, die im Sinne der Gemeinschaft sehr, sehr wertvolle Dienste für das Gemeinwohl leisten: von der Jungschar über den Frauenkreis, den Chor, das Bildungswerk, und das alles neben den Gottesdiensten. Es ist eigentlich für jede und für jeden etwas dabei. Das meiste passiert in Wirklichkeit ehrenamtlich, aber die wenigen Angestellten, die es dort gibt, müssen entlohnt werden, und auch die Instandhaltung der Kirche und der weiteren Gebäude muss finanziell abgesichert werden. Es gibt nicht nur das Pfarrheim, in dem man für die Allgemeinheit einen Saal mieten kann, es gibt auch ein Wohnhaus für ältere Menschen.
Was ich nicht unerwähnt lassen möchte: Die Kirche hat vorbildlich letztes Jahr die alte Ölheizung rausgeschmissen und auf eine umweltfreundliche Alternative umgestellt; das war tatsächlich mit hohen Gesamtkosten von über 200 000 € verbunden. Auch die neue Orgel, die auch die Musikschule nutzt, war sehr teuer und ist in Verwendung. Viele dieser Investitionen müssen durch Spenden
gestützt werden, aber der wesentliche Bestandteil des Budgets ist der Kirchenbeitrag. Dieser Kirchenbeitrag beträgt 1 Prozent des steuerpflichtigen Einkommens der Mitglieder der Pfarrgemeinde. Interessant ist der Artikel, wegen dem ich heute den „Kirchenboten“ mitgebracht habe, der beschreibt, dass die meisten Beitragszahler:innen im Durchschnitt nur 0,5 Prozent ihres Einkommens an Kirchenbeitrag zahlen, weil nämlich die Berechnung auf Schätzungen beruht.
Um ein Gleichziehen zum tatsächlichen Einkommen zu erreichen, werden in diesem Jahr die Beitragsbescheide um 9,5 Prozent angepasst. Das heißt nicht, dass sich der Kirchenbeitrag erhöht, sondern man versucht einfach, diese 0,5 Prozent auf 1 Prozent zu bekommen. Deshalb halte ich es nun für gut, dass wir den Menschen die Möglichkeit geben, ihren Kirchenbeitrag bis zu einer Höhe von 600 Euro steuerlich abzusetzen. Warum? – Weil es nämlich auch ganz viele Menschen gibt, die durchaus bereit sind, freiwillig mehr zu zahlen als die derzeitigen 0,5 Prozent oder 1 Prozent; und das kann tatsächlich für die Arbeit für das Gemeinwohl gut verwendet werden.
Ein letzter Satz: Viele Kirchen sind wichtige Säulen der Gemeinschaft und unsere Kirchen leisten wertvolle Arbeit; das sollten wir nicht vergessen und dafür auch unseren Beitrag leisten. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
10.57
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Barbara Prügl. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.
Bundesrätin Barbara Prügl (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Gerade, wenn die Zeiten rauer und von Herausforderungen – vor allem unmittelbaren Unruhen – geprägt sind, suchen die Menschen geistigen Halt.
Gerade wenn ständige Veränderung und ungeplante Ereignisse auf sie einprasseln, suchen Menschen nach Traditionen und Beständigkeit. Gerade da sind es dann die Religionen und die Glaubensgemeinschaften, die den Menschen seit eh und je geistige Stütze und Identität geben.
Daher finde ich es einen wichtigen und richtigen Schritt – meine Vorrednerin hat es auch schon gesagt –, dass der Absetzbetrag des Kirchenbeitrages erhöht wird, und zwar von 400 auf 600 Euro. Das heißt, dass nun bis zu 200 Euro mehr vom Beitrag an Kirchen und Religionsgemeinschaften von der Steuer abgesetzt werden können. Der neue Absetzbetrag soll auch schon ab dem heurigen Jahr gelten.
Ja, meine Damen und Herren, damit nimmt der Staat jährlich für die Entlastung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler 10 Millionen Euro in die Hand. Das betrifft die breite Bevölkerung und nicht die Bussi-Bussi-Gesellschaft, wie der Kollege aus der SPÖ gemeint hat, aber vielleicht interessiert es euch gar nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Man sieht, der erfolgreiche Weg der gezielten Entlastungen setzt sich also fort. Die Regierung unter Bundeskanzler Karl Nehammer setzt sich mit ganzer Kraft für alle Menschen in Österreich ein.
Werfen wir nun einen Blick auf so ein allgemeines Kirchenjahr! Claudia hat da heute schon ein paar Dinge erwähnt. Ich möchte trotzdem auch ein Beispiel aus meiner Gemeinde im Innviertel in Oberösterreich erwähnen – es ist aber in ganz Österreich ähnlich –: Advent, Adventkranzsegen, Weihnachten mit Kinder- und Christmette, Ostern mit Speisenweihe, Ratschengehen der Ministranten, diverse kirchliche Veranstaltungen, bei denen auch die Vereine ein bissl eingebunden sind, Fronleichnamsprozession – oder auch Kranzltag, wie man bei uns sagt –, Erntedankfest, Christi Himmelfahrt mit Erstkommunion, Florianimesse. Auch unsere Vereine sind dabei: die Musikkapelle, die Feuerwehr, der Kameradschaftsbund, die Goldhauben und so weiter. (Ruf bei der SPÖ: Die Goldhauben ...!)
Ja, meine Damen und Herren, was ich damit meine, ist, dass das kirchliche Feste sind, die Österreichs Kultur und Traditionen widerspiegeln und auch ausmachen. Da tut sich etwas, da kommen die Leute zusammen, da werden Gemeinschaft und auch das soziale Miteinander von klein auf gelebt. Das ist bedeutsam und sehr wertvoll. Die Kirchen leisten neben der spirituellen Bereicherung auch einen wertvollen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt, wenn man es so zusammenfasst. Außerdem bieten sie viele soziale und gemeinnützige Dienste zugunsten der Bürgerinnen und Bürger an. Die Gesetzesänderung ist somit auch – das möchte ich auch betonen – eine Würdigung dieser wertvollen Dienste der Kirchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
Sehr geehrte Damen und Herren, die Anhebung der Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags von 400 auf bis zu 600 Euro ist wichtig und richtig, um Gläubige gerade in Zeiten der Teuerung hinsichtlich ihres Beitrags für Kirchen und Glaubensgemeinschaften zu entlasten, denn gerade in Krisenzeiten kann der Glaube eine wichtige Stütze sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
11.00
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.
Zu uns gekommen ist Bundesminister Rauch. Ich darf ihn recht herzlich im Namen des Bundesrates bei uns begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Adi Gross. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! (In Richtung Bundesminister Brunner und Bundesminister Rauch:) Werte Vorarlberger Minister! Mit den Energiekrisenbeiträgen für Strom und fossile Energieträger verlängern wir nun eine Maßnahme um ein
weiteres Jahr, die vor drei Jahren mehr oder weniger niemand für möglich gehalten hätte, handelt es sich dabei doch um einen veritablen Markteingriff. Weiterhin gilt also: Es werden hohe Gewinne durch den Verkauf von Energie abgeschöpft.
Das ist gut so, denn wir haben gesehen, dass in Krisenzeiten wie jetzt die Gewinne der Unternehmen massiv gestiegen sind, und das, ohne dass diese dafür etwas Besonderes geleistet hätten – und die Aktionäre und Aktionärinnen schon gar nicht.
Es geht bei dieser Maßnahme nicht nur um Symbolpolitik. Bei den betroffenen fossilen Unternehmen werden 40 Prozent allfälliger Mehrgewinne abgeschöpft. Das wird im Verhältnis zu einem Referenzzeitraum gemessen. Ich erinnere: Zu Beginn war die Schwelle bei 20 Prozent, dann bei 10 Prozent, und jetzt senken wir sie auf 5 Prozent. Also alle Gewinne, die um mehr als 5 Prozent höher als jene des Vergleichszeitraumes sind, werden durch dieses Gesetz zusätzlich abgeschöpft – zusätzlich heißt es deswegen, weil der Krisenbeitrag nicht KöSt-abzugsfähig ist, das kommt noch dazu –, mit 24 Prozent. Mit anderen Worten: Krisenbedingte Zufallsgewinne von fossilen Unternehmen werden mit 64 Prozent besteuert.
Beim Energiekrisenbeitrag für Strom werden weiterhin 90 Prozent der Übergewinne abgeschöpft, und zwar von Markterlösen durch den Stromverkauf, die über 12 Cent hinausgehen – das hat es bald einmal.
Herr Obrecht, Sie scheint der Wahlkampf schon etwas zu blenden. Es ist absolut nicht das Minimum, das die EU vorgibt, ganz im Gegenteil, und eine Reihe von EU-Staaten hat übrigens vollkommen damit aufgehört – und wir verlängern das!
Interessant ist auch, dass Sie beklagen, dass zu wenig Geld hereingekommen ist. Es ist nämlich deswegen zu wenig Geld hereingekommen, weil die Energiepreise gesunken sind. Das sollte Sie eigentlich freuen und nicht ärgern, wiewohl man
sich ja nicht recht auskennt, denn Ihrem Kollegen im Burgenland, Herrn Landeshauptmann Doskozil, ist das alles viel zu hoch. Er geht her und klagt jetzt den Bund wegen des hohen Energiekrisenbeitrags und hätte das Geld, das eingenommen wurde, gerne im Burgenland für seine Energiegesellschaft, die ja auch entsprechend Gewinne gemacht hat. Sie sollten sich einmal darauf verständigen, welche Position Sie in der Frage einnehmen. Dass Sie hier nicht zustimmen, verstehe ich jedenfalls nicht.
Geändert wird generell, das haben wir gehört, dass die Absetzbeträge auf 75 Prozent erhöht werden, wenn in den Ausbau Erneuerbarer investiert wird. Man kann nicht genug betonen, wie wichtig das ist: Der Ausbau heimischer erneuerbarer Energieträger macht uns unabhängiger, die Energieversorgung somit sicherer und stabilisiert die Preise. Wir haben ja jetzt wirklich hinlänglich gesehen, welch fatale Folgen der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine auf die Energiepreise hatte und welch inflationstreibende Wirkung das dann hervorgerufen hat.
Es ist ein imperialistischer Krieg, den Putin zu einem relevanten Teil mit den Einnahmen aus dem Export der Klimagifte Gas und Öl erzielt. Ich warne eindringlich davor, sich von den jetzt deutlich gesunkenen Energiepreisen täuschen zu lassen. Man muss es einfach deutlich sagen: Vor allem die Gasversorgung ist nicht sicher. Niemand kann garantieren, dass am 1. Jänner 2025 noch Gas aus Russland kommt. Zu sehr haben wir uns in den letzten Jahrzehnten in eine Abhängigkeit gestürzt, um da jetzt so schnell wie möglich wieder rauszukommen.
Ich habe schon angedeutet, der zweite zentrale Grund, Tschüss zu den Fossilen zu sagen, ist der Klimaschutz. Deswegen braucht es möglichst alle Hebel, um die Erneuerbaren voll auszubauen und um vollständig umzusteigen. Dazu wurden übrigens wirklich zahllose Maßnahmen gesetzt. Der Ausbau ist auf einem absoluten Rekordniveau. Bis 2027 wollen wir von russischem Gas unabhängig sein. Das wird uns allen noch einiges abverlangen. Bis 2030 soll die gesamte Stromversorgung umgestellt sein.
An uns liegt es jedenfalls nicht. Wir werden auch weiterhin dafür kämpfen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
11.06
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke schön.
Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Bundesminister Magnus Brunner. Ich erteile ihm das Wort.
Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Lieber Herr Kollege Rauch! Wir verbringen ja diese Woche viel Zeit miteinander – gerade eben noch gemeinsam beim Rat in Brüssel, heute gemeinsam im Bundesrat. Mich freut es auf jeden Fall.
Inhaltlich wurde bereits alles dargestellt, aber auf ein paar Dinge möchte ich schon noch gerne eingehen, weil sie etwas seltsam dargestellt worden sind, muss ich ganz ehrlich sagen. Herr Bundesrat Obrecht, Sie haben am Anfang auf Phrasen verwiesen, die anscheinend beim vorigen Tagesordnungspunkt verwendet worden sind. Da war ich nicht da, aber was ich jetzt von Ihnen gehört habe, das waren die klassischen Phrasen, und ich habe mir auch nichts anderes erwartet. Zum Beispiel die Vorschläge, die Sie immer machen, Markteingriffe, Preiseingriffe: Es hat ehrlich gesagt nirgends in Europa funktioniert. (Bundesrätin Schumann: Na geh, net! Net jetzt!)
Was ich mir gewünscht hätte, wäre ein europäisches Vorgehen gewesen (Bundesrätin Schumann: Geh bitte!) – vielleicht zuhören! (Bundesrätin Schumann: Ja, ist schon gut!) –, das hätte Sinn gemacht, ja. (Bundesrätin Schumann: Ja, geh bitte, das sind wir schon durch!) Dann hätte man in die Preise eingreifen können. Wir haben aber einen europäischen Markt, einen europäischen Energiemarkt. Man muss gewisse Dinge halt einfach zu Ende denken und vielleicht auch ein
bisschen den Hausverstand einschalten. (Bundesrätin Schumann: Ja, bei der Teuerung vor allen Dingen wäre es gescheit!) Also was funktioniert hat – ruhig bleiben! (Ah-Rufe bei der SPÖ – weiterer Ruf bei der SPÖ: Oberlehrer Brunner!) –, war das, was in Spanien, Portugal, auf der iberischen Halbinsel gemacht wurde. Die haben eine Ausnahmegenehmigung der Europäischen Kommission, die sogenannte Iberian Exception, bekommen und haben dort in die Preise eingegriffen.
Das geht, weil das ein abgeschlossener Markt ist. Wir sind in der Mitte Europas in einem gemeinsamen Energiemarkt. Hätten wir – mit österreichischem Steuergeld übrigens, Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – in die Preise eingegriffen, hätte das nichts genützt, weil natürlich der Strom und das Gas auch über die Grenzen fließen; wir können uns ja nicht abschotten, wie es manche wollen. (Ah-Rufe bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.)
Deswegen ist es ja wichtig, dass wir nicht mit österreichischem Steuergeld niedrigere Preise in Nachbarländern unterstützen. Also ja zu einer europäischen Vorgehensweise – das war aber nicht möglich, weil sich leider die deutsche Sozialdemokratie geweigert hat, mitzugehen. (Bundesrätin Schumann: Na geh, jetzt sind sie alle schuld an der Inflation! Geh!) – Ja, das ist halt leider so. (Bundesrätin Schumann: Geh, also! Klar, wie du glaubst!) Das kann man ja auch nachlesen. Also nicht alles, was auf den ersten Blick sinnvoll ist, ist auch auf den zweiten Blick sinnvoll. (Bundesrätin Schumann: Ja, genau!) Nicht alles, was beim ersten Daraufschauen populär ist, ist auf den zweiten Blick dann auch sinnvoll. Also Preiseingriffe: nein, Gott sei Dank.
Die Preiseingriffe, die man übrigens in der Vergangenheit gemacht hat – bei Benzin und Diesel in Deutschland, in Ungarn –, haben nicht funktioniert. Die Deutschen mussten das nach drei Monaten wieder aufheben. In Ungarn hat das zu einem Engpass geführt, der gewaltig war. Also man muss gewisse Dinge, glaube ich, schon zu Ende denken. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
Was mir bei den Phrasen aber gefehlt hat – darauf habe ich gewartet –, war das Meritordersystem. Jeder in der Republik ist mittlerweile ein Meritorderexperte geworden, mittlerweile auch noch ein KIM-Verordnungs-Experte. Das ist super. Auch das wäre nur auf europäischer Ebene möglich gewesen. Weil ich dann oft höre, Österreich hätte das Meritordersystem aussetzen müssen: Ehrlich gesagt, auch das eben bitte bis zum Ende durchdenken!
Was wir gemacht haben: Wir haben beispielsweise eine Strompreisbremse eingeführt. Das war natürlich wesentlich treffsicherer als ein allgemeiner Eingriff, es war eine wichtige Entlastungsmaßnahme und hatte den positiven Nebeneffekt, dass es auch noch um Energieeinsparungen gegangen ist. Also da hat man diese Dinge Gott sei Dank doch zu Ende gedacht.
Und jetzt: Ja, ich bin auf jeden Fall der Meinung, dass die Energieunternehmen einen fairen Beitrag leisten müssen, überhaupt keine Frage, weil – jetzt sind wir wieder beim Meritordersystem – dieses System natürlich dazu beigetragen hat, dass sie Gewinne erwirtschaften. Aber ich bleibe dabei, es sind keine Übergewinne, weil Gewinne in einem Wirtschaftsstaat an sich nichts Böses sind. Gott sei Dank gibt es Gewinne, Gott sei Dank gibt es Unternehmen, die Gewinne erwirtschaften, das ist im Sinn der Gesamtwirtschaft, aber es gibt natürlich Krisensituationen, Zufallssituationen, die solche Gewinne ermöglicht haben, und die bei allen europäischen Unternehmen abzuschöpfen war eine europäische Vorgabe.
Wie haben wir es umgesetzt? Man hat mich kritisiert, ich hätte da Zahlen verwechselt. – Natürlich sind keine Zahlen verwechselt worden, und der Kollege, der (in Richtung SPÖ) bei Ihnen im Ausschuss war, hat es natürlich auch richtig dargestellt – Sie haben es jetzt ein bisschen verkürzt dargestellt –, nämlich: dass es eine Einschätzung der Europäischen Kommission – Entschuldigung, da (seinen Blick in Richtung FPÖ wendend) muss ich dort hinschauen, ja, stimmt (Bundesrätin Schumann: Na wenn die Sozialdemokratie halt so interessant ist!), danke für den Hinweis – und natürlich auch Einschätzungen der Energieversorger gegeben hat. Das war viel zu hoch, und selbstverständlich ist dann weniger rausgekommen.
Aber in jedem Staat auf dem europäischen Kontinent ist weniger rausgekommen – no na! –, erstens weil die Einschätzungen zu hoch waren, zweitens weil die Preise Gott sei Dank nach unten gegangen sind. Übrigens hat der Verbund jetzt noch einmal eine Preissenkung angekündigt, die gewaltig ist – Gott sei Dank –, und ich hoffe, dass viele andere Energieversorger in Österreich diesen Weg auch gehen werden.
Also die Einschätzungen waren zu hoch, überhaupt keine Frage, aber eben aus positiven, durchaus positiven Gründen: weil die Energiepreise, die Strompreise auch entsprechend gesunken sind. Die Differenz in anderen Staaten – Deutschland, Spanien beispielsweise – ist wesentlich größer als in Österreich. Also ja, die 255 Millionen Euro sind jetzt rausgekommen, das hat aber nichts damit zu tun, dass man irgendwelche Zahlen verdreht oder verwechselt hat, oder gar mit Laptops oder Kinderwägen, die angesprochen worden sind (Heiterkeit bei der ÖVP), sondern es hat einfach mit der Realität und mit den Fakten zu tun, und auf die sollte man sich auch konzentrieren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Übrigens: Das, was Herr Bundesrat Adi Gross gesagt hat, ist schon wirklich interessant. Aus dem Burgenland wird wahrscheinlich eine Verfassungsklage auf uns zukommen, weil die Abschöpfung zu hoch war. Also was ist es jetzt? Ist es zu niedrig, zu hoch? – Für das Burgenland anscheinend zu hoch! (Bundesrätin Miesenberger: Burgenland ist anders!) Landeshauptmann Doskozil hat uns ausgerichtet – ich habe deswegen auch mit ihm telefoniert –, er findet das unfair. Er findet es unfair, dass man überhaupt abschöpft. Das finde ich nicht. Ich habe einen anderen Zugang, ich finde es okay, dass man abschöpft. Aber darüber müsst ihr euch vielleicht halt auch ein bisschen unterhalten.
Übrigens geht es auch um die Art und Weise, wie man abschöpft. Es geht schon auch um ein bisschen mehr Seriosität, anstatt nur einfach drüberzufahren und zu sagen, was alles super wäre. (Bundesrätin Schumann: Ja, für Sie auch, Herr Minister! Das gilt auch für Minister, die Seriosität! Absolut!)
Wie schöpft man ab? – Da gibt es unterschiedliche Zugänge. Unser Zugang war, dass wir natürlich die Investitionsfähigkeit für diese Energieunternehmen bewahren müssen, weil die Investition in erneuerbare Energien, in den Ausbau der Netze, die für die erneuerbaren Energien auch wichtig sind, dringend notwendig ist. Alleine der Verbund investiert in den nächsten zehn Jahren 10 Milliarden Euro in den Netzausbau, die Energieversorger insgesamt in Österreich 60 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren in den Ausbau der erneuerbaren Energien und in den Netzausbau. Das muss ja finanziert werden! Deswegen ist es sinnvoll, dass man diese Investitionen selbstverständlich abziehen kann, um dann am Ende des Tages abzuschöpfen.
Übrigens – auch das hat Kollege Gross erwähnt – wird ja auch noch eine Körperschaftsteuer bezahlt. Also die Steuereinnahmen bleiben ja auch für die Gewinne erhalten – und wie gesagt sind Gewinne auch in dem Zusammenhang nichts Böses. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
Dieses Erhalten der Investitionsfähigkeit ist total entscheidend, bitte vergessen Sie das nicht! Wir werden beneidet von anderen Staaten – jetzt komme ich wieder zum sozialdemokratisch geführten Deutschland –, die fragen, wie wir es gemacht haben. (Bundesrätin Schumann: Dass wir so eine hohe Inflation haben, oder was?!) Und: Sie haben es auslaufen lassen, wir haben es verlängert! Adi Gross hat es schon erwähnt, wir haben es bis Jahresende verlängert. Also auch das war ein Unterschied zu unserem sozialdemokratischen Nachbarn Deutschland.
10 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren – das sind gewaltige Summen, die aufgewendet werden müssen. Das können der Steuerzahler und die Steuerzahlerin nicht alleine tragen, das müssen natürlich die Unternehmen tragen, und diesen müssen wir diese Möglichkeit der Investitionen geben – im Sinne dessen, dass wir Dinge bis zum Ende durchdenken müssen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
11.14
Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.
Es liegt eine weitere Wortmeldung von Bundesrat Sascha Obrecht vor. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Ich wollte nur kurz etwas richtigstellen. Normalerweise hört mir der Finanzminister sehr aufmerksam zu, diesmal war er gar nicht so aufmerksam: Ich habe in meiner Rede tatsächlich nicht von Markteingriffen geredet. Also diese Phrase habe ich nicht verwendet, das kam nicht von mir. Ich glaube tatsächlich, dass es möglich gewesen wäre. Ich sehe das anders als Sie, ganz bewusst, aber ich habe das nicht gesagt. Insofern will ich das auch zurückweisen.
Was ich wirklich gesagt habe, ist, dass wir zu wenig Übergewinne abschöpfen. Dazu stehe ich auch. Ich finde, das ist fatal, was wir hier machen.
Der Minister sagt, die Investitionskraft der Unternehmen muss gewahrt bleiben. Wenn man sich anschaut, was der Verbund in den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 an Gewinn gemacht hat: Das waren 2 Milliarden Euro. Bezahlt hat er einen Energiekostenbeitrag in Höhe von 77 Millionen Euro – da bleibt genug an Investitionskraft! Da bleibt tatsächlich ein solch hoher Teil, dass man sich schon fragen muss, wem das Geld da eigentlich vorenthalten wird, wer diesen Betrag wirklich zahlt.
Reden wir auch über die OMV! Die OMV hat 18 Millionen Euro an Kostenbeitrag gezahlt. Allein in Rumänien – wenn man es vergleicht – ist eine halbe Milliarde Euro gezahlt worden.
Also man kann schon ein bisschen mehr abschöpfen, man kann für die österreichischen Steuerzahler:innen schon auch Geld zurückholen, wenn man nur will – nur die Bundesregierung will es einfach nicht. (Beifall bei der SPÖ.)
Abschließend mag ich etwas Versöhnliches sagen. Ich habe gesagt, ich wünsche mir eine neue Bundesregierung. Dabei bleibe ich auch, ich will aber positiv hervorheben, dass die beiden Herren Minister links und rechts von mir tatsächlich eigentlich immer im Bundesrat vertreten sind, wenn wir parlamentarische Debatten führen. Das ist vorbildhaft im Vergleich zu vielen anderen Ihrer Kolleginnen und Kollegen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Eder.)
11.16
Vizepräsident Dominik Reisinger: Zu einer weiteren Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. – Bitte.
Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich mache es ganz kurz: Also das mit den Markteingriffen nehme ich in dem Fall zurück, wenn Sie das nicht so in diesem Ausmaß gesagt haben, das tut mir leid, aber in der Vergangenheit haben es zumindest Kollegen oft gesagt. Nicht Sie? (Zwischenruf des Bundesrates Obrecht.) – Okay, wunderbar.
Vielleicht aber noch zwei Sätze zu den Größenordnungen. Also diese Investitionsnotwendigkeiten, die ich vorhin erwähnt habe, haben Sie jetzt beiseitegelassen. (Bundesrätin Schumann: Na ja, das war halt grad plakativ!) 10 Milliarden Euro in die Netze allein in den nächsten zehn Jahren – das ist gewaltig! Und da bin ich noch gar nicht beim Ausbau der Erneuerbaren, geschweige denn den Pumpspeicherkraftwerken, die gebaut werden müssen, um dann auch sozusagen die Batterie entsprechend zu haben. Also das sind gewaltige Investitionen. Und wie gesagt gibt es ja auf der Seite auch noch eine Körperschaftsteuer und Steuereinnahmen.
Die Umsetzung betreffend – man kann über alles diskutieren – glaube ich wie gesagt, dass wir einen Weg gegangen sind, der durchaus intelligent war, weil wir eben – was andere Staaten nicht gemacht haben – diese Investitionsfähigkeit gewahrt haben. Über Größenordnungen kann man diskutieren, aber wir haben
es auch angepasst, wir haben es beispielsweise auch verlängert – die meisten europäischen Staaten nicht.
Zu dem, was Sie am Schluss zu uns beiden gesagt haben: Ich liebe die Diskussion im Parlament. (Bundesrätin Schumann: Ma!) Ich finde es einfach super, wenn man sich – wenn man seriös und sachlich bleibt, und das tun wir ja – auch miteinander austauschen kann. (Bundesrätin Schumann: Oh, schön!) – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.
Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (3815/A und 2457 d.B. sowie 11437/BR d.B.).
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom und das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger sowie das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (3824/A und 2458 d.B. sowie 11438/BR d.B.).
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Verdoppelung des amtlichen Kilometergeldes“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (3869/A und 2459 d.B. sowie 11439/BR d.B.)
Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatterin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung:
Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Wanner. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und jene, die uns von zu Hause aus zuschauen! Jetzt ist der Finanzminister gegangen. Es war im Nationalrat und im Bundesrat alles im Finanzausschuss, weil das ja Finanzausschusstätigkeit ist, und jetzt auf einmal ist der Gesundheitsminister hier und übernimmt. Die erste Kritik, die wir gehabt haben – dass das im falschen Ausschuss ist –, trifft also jetzt zu. – Es freut mich aber, dass Sie hier sind, denn ich habe gerade erfahren, dass Sie sich im Gesundheitswesen besser als der Finanzminister auskennen. (Bundesrat Himmer: Das ist eine Querschnittsmaterie! Hast du das schon einmal mitgekriegt?)
So, dann schauen wir uns das an: Es geht um die Covid-Impfungen, einerseits um die Ermächtigung für Ärztinnen und Ärzte zur Durchführung der Impfung und den - - (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Na ja, das war ja euer Ding. Das war ja euer Nationalratspräsident, der es einfach falsch oder wirr zugeteilt hat. Da kenne ich mich ja nicht aus, ob er das im Griff hat oder nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Buchmann: Was redest du dann darüber, wenn du dich nicht auskennst?) Aber er wahrscheinlich noch weniger. – Ob er es im Griff hat, Herr Bundesrat – zuhören!
Einerseits geht es um die Zuwendungen und die Kostendeckung – 15 Euro –, was grundsätzlich auch wirklich okay ist. Es geht um die Gratisimpfung. (Bundesrat Buchmann: Er weiß es aber selber auch nicht!) Das Zweite ist dann die haushaltsrechtliche Ermächtigung, dass Covid-Impfstoffe und Materialien, die im Eigentum des Bundes sind, bis zum Jahr 2025 zur Verfügung gestellt werden, weil auch im Jahr 2025 noch Impfungen einlangen.
Beim ersten Punkt habe ich schon ein kleines Problem, denn es ist ja nur eine Übergangslösung bis Ende August. Wie es dann weitergeht, konnte man uns auch im Ausschuss nicht erklären. Im Sommer, wenn man kaum Impfungen hat, weil die Sensibilität der Bevölkerung sehr gering ist, weil es auch keine Erkrankungen gibt, macht man das gratis, und ab 31. August, wenn es dann in allen Bereichen, auch bei Covid, mehr Infektionen gibt, hat man noch keine Lösung. Man redet von einer Übergangslösung, und diese Übergangslösung wird dann aus irgendwelchen anderen Töpfen bezahlt. Warum hat man uns das im Ausschuss nicht erklären können, welche Töpfe da gemeint sind? (Beifall bei der SPÖ.)
Zur Zuweisung sage ich jetzt nichts mehr, denn es ist ja schon öfter passiert, dass man, nur damit es schnell geht, Zuweisungen an einen Ausschuss vornimmt und die Materie nicht in einem Fachausschuss – und das ist der Gesundheitsausschuss – diskutiert. Da fehlt die Expertise, aber vielleicht braucht die ÖVP das ja nicht.
Impfen ist ein Akt, der viele, viele Leben retten kann. Ich denke an die Masernimpfung, an so manche Grippeimpfung, an Zeckenimpfung, an Pockenimpfung und an viele andere Impfungen, unter anderen auch an die Covid-Impfung. Da könnt ihr mir erzählen, was ihr wollt, Freunde der Freiheitlichen: Auch da wurden Menschenleben gerettet, weil geimpft wurde. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
Die Bevölkerung wurde leider gerade von eurer Partei verunsichert und wirklich hinters Licht geführt. Wenn ich heute von Abgeordneten der Freiheitlichen
höre – und jetzt muss ich die Bundesregierung nicht verteidigen –, dass faktenwidrig informiert wurde, dann kann ich nur sagen (Bundesrat Schennach: Die Pferde!): Die FPÖ und ihr Herr Kickl haben das Ganze volksgefährdend kommuniziert, denn die Pferdeentwurmungsmittel haben überhaupt nichts gebracht, sie sind lebensgefährlich. Sie sind Volksgefährder mit dieser Ansage! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Das müsst ihr euch gefallen lassen. Wenn ihr so narrisch seid, dann macht das weiter! (Bundesrat Spanring: Bist du enttäuscht von der Salzburgwahl? Ich weiß nicht, was du hast! – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.)
Zurück zum Inhalt! – Was passiert jetzt ab 1. September? Das würde mich interessieren. (Bundesrat Spanring: Willst du noch was sagen?) – Ich habe sie (in Richtung FPÖ deutend) getroffen, ich habe sie getroffen, es geht weiter! (Beifall bei der SPÖ.) Aber ich kann auch noch warten. – Bitte (in Richtung FPÖ). Fertig? Passt schon. (Bundesrat Spanring: Ich weiß nicht, willst du was sagen? Sag einmal was Sinnvolles! Komm!) Volksgefährder, mit Pferdeentwurmungsmittel – ich hau mich ab! Nein, das ist traurig. (Bundesrat Spanring: Das ist ungebildet! Ungebildet, Herr Kollege!) Zum Schreien ist das, und die Leute zeigen es euch ja. (Bundesrat Spanring: Dann bist du ungebildet!) – Passt schon, passt schon. Einer geht noch, einer geht noch – zweites Wort zu mir. Einer geht noch! (Bundesrat Spanring: Ungebildet und dumm!) – Passt. (Bundesrat Himmer: Da haben wir heute wieder eine Partie!)
Gehen wir aber zum 1. September, Herr Minister! Was passiert dann? Woraus wird das bezahlt? Genau im Herbst wird es virulent werden, wenn die Infektionszahlen wieder steigen. Wir wollen nicht, dass zu diesem Zeitpunkt dann die Leute die Impfungen selber bezahlen müssen.
Allein die Aussage, dass für den Sommer ein Gesetz geplant ist, dass das dann regeln wird, ist mir zu wenig. Das könnten wir jetzt auch schon machen. Man hätte jetzt schon das Gesetz machen können, das den Herbst mitregelt. Ehrlicherweise: Viel Vertrauen habe ich in diese Regierung nicht, denn wir haben heute mit Punkt 6 auch einen Punkt auf der Tagesordnung, mit dem im Nachhinein
geregelt wird, dass die Apotheken die Abgabekosten im Nachhinein bekommen. Wenn man die Regelung im Sommer vergisst – und dann haben wir keine Nationalratssitzung mehr –, dann können wir im Herbst keine neue Regelung fürs Gratisimpfen treffen. Deswegen: Wenn Sie schon ein Gesetz haben, dann das bitte nicht, so wie bei manchem anderen Gesetz, vergessen.
Das Vertrauen in die Regierung und in das Gesundheitssystem ist nicht wirklich hoch. Da können aber nicht nur Sie etwas dafür, sondern ich bin wieder bei meinen Freunden von der FPÖ. (Bundesrat Spanring: Wir sind keine Freunde! – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.) – Ich weiß eh, Freundschaft kennt ihr nicht. Ich bin schon wieder bei euch, denn eure Vorgängerin Frau Hartinger-Klein, die Vorgängerin dieser Regierung, hat ja Wesentliches dazu beigetragen, dass das Gesundheitssystem in Österreich zerschlagen wird und auf wackligen Füßen steht. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Freundschaft, Genosse!) Also redet nicht immer so gescheit daher, eure Hartinger-Klein hat dieses Gesundheitssystem zerschlagen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: So viel reden und so wenig wissen!)
11.29
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Barbara Prügl. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Barbara Prügl (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Kollege von der SPÖ, ich habe schon damit gerechnet, dass wieder die zwei Punkte bezüglich Ausschusszuständigkeit – gut, darüber kann man diskutieren – oder auch der Frist kommen. Es hat im Ausschuss auch klar geheißen, warum: weil es eben ab Mitte des Jahres neue Regelungen geben wird.
Aber fangen wir jetzt einmal von vorne an! Worum geht es konkret? Wir haben es eh schon ungefähr mitbekommen, aber ich möchte es trotzdem auch noch einmal erwähnen: Im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen wurden Vorhaben der Gesundheitsreform im Rahmen der Zielsteuerung Gesundheit definiert. Es ist eine 15a-Vereinbarung, also eine Bund-Länder-Vereinbarung, und keine 15-Euro-Vereinbarung. Das möchte ich nur klarstellen. Es ist auch für den Bundesrat, für die Länderkammer, sehr wichtig zu wissen, was das ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. – Bundesrat Spanring: Der weiß es nicht! Das ist einfach so! – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.)
Es wurde in den Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und den Sozialversicherungen vereinbart, dass für die Dauer der Finanzausgleichsperiode für Maßnahmen, die mit dem Impfen zu tun haben, 450 Millionen Euro zweckgewidmet zur Verfügung stehen. Die Regelungen über Covid-Impfungen im niedergelassenen Bereich – das haben wir vorhin schon gehört – würden mit Ende März enden. Da die Umsetzung dieser FAG-Maßnahmen erst im Sommer geschehen wird, braucht es eben bis dahin eine zeitliche Überbrückung. Das ist wichtig, damit das Angebot für Covid-19-Impfungen, wohnortnah beim Hausarzt, durchgehend sichergestellt werden kann. Daher gibt es die Fristverlängerung bis 31. August 2024.
Außerdem liegt im vorliegenden Antrag die Fristverlängerung der haushaltsrechtlichen Ermächtigung des Gesundheitsministers über die Covid-19-Impfungen und über die Bedarfsmaterialien vor. Diese würde ebenso mit Ende Juni enden und soll um ein Jahr verlängert werden. – Das zu den inhaltlichen Dingen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte im Anschluss einen wichtigen Appell an Sie richten. Mich beschäftigt auch die aktuelle Entwicklung beim Thema Impfen. Schön langsam tagtäglich, im Februar und ganz kürzlich, gestern und heute, haben wir Berichte bezüglich Fällen von verstärktem Auftreten der Krankheiten Masern, Keuchhusten und so weiter gehört. Was hat das damit zu tun? – Die Ursachen dafür sind unter anderem sicher die Impfmüdigkeit oder
auch Impflücken. Es ist aber besonders die Impfmüdigkeit, und diese ist – Herr Kollege, da stimme ich dir sehr wohl zu – wirklich besorgniserregend.
Dagegen kann man etwas tun. Wir wissen aus der Geschichte, dass dank der ordentlichen Forschung und Entwicklung im medizinischen Bereich wirklich viele Leben haben gerettet werden können. Es ist eine schlechte Entwicklung, wenn man dahin gehend wirklich schlechte Stimmung macht und die Menschen auch verunsichert. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
Auf eine Impfung möchte ich in diesem Zusammenhang noch näher eingehen: 80 Prozent aller Frauen und Männer infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit HPV. 80 Prozent! In Österreich erkranken jährlich zwischen 400 und 500 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Damit verbunden ist ein wirklich schwieriger Lebens- und Leidensweg, und es ist leider sogar so, dass die Hälfte es nicht überlebt. Dank der großartigen medizinischen Entwicklung ist es gelungen, dass HPV präventiv bekämpfbar ist, und zwar mit der HPV-Impfung. Das ist die einzige Impfung gegen Krebs! Man muss sich vorstellen: Wie oft sagen wir: Gäbe es doch ein heilsames Mittel gegen Krebs!? Und das ist es!
Seit gut einem Jahr ist die Impfung für alle bis zum 21. Lebensjahr kostenlos. Das ist eine riesige Errungenschaft, und jetzt gibt es einen weiteren Schritt, der sehr zu begrüßen ist, und zwar haben sich Bund, Länder und Sozialversicherungen Anfang März geeinigt, die HPV-Impfung für Frauen und Männer bis zum 30. Lebensjahr kostenlos anzubieten.
Ich appelliere an alle Eltern, für ihre Jungs und Mädels, für ihre Töchter und Söhne, an alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen, diese Lebenschance zu nutzen. Ich habe es vorhin schon gesagt, aber noch einmal: Die HPV-Impfung ist die einzige Impfung gegen Krebs. Diese Impfung schützt vor Krebs!
Sehr geehrte Damen und Herren, ja, Impfen schützt – keine Frage. (Bundesrat Spanring: Aber nicht bei Corona!) Daher ist es wichtig, mit vorliegendem Antrag das Angebot für Covid-19-Impfungen durchgehend gewährleisten zu können.
Ich bitte daher um Ihre breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
11.34
Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Andrea Schartel. Ich erteile ihr das Wort.
Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Werte Kollegen! Lieber Herr Kollege Wanner, ich habe gar nicht gewusst, dass Sie Arzt sind. An und für sich, so wie Sie hier gesprochen haben, müsste man ja meinen, dass Sie medizinisch sehr versiert sind, denn Sie wissen ja alles, was in diesen Bereichen passiert. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Das Einzige, was Sie mehr oder minder machen: Sie sind diejenigen, die die Gesellschaft spalten, denn wir haben nur auf Wissenschaftler gehört. (Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Schreuder: Auf 0,5 Promille! Geh bitte, das ist ja ein Witz! Ihr habt auf Schwurbler gehört und nicht auf die Wissenschaft!) Wir haben auch kritische Mediziner angehört, und ihr seid diejenigen, die einfach blind in das hineinrennen. (Beifall bei der FPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.) – Ja, aber das ist typisch, das seid ihr! Es sind ja nämlich nur diejenigen Ärzte und Wissenschaftler, die richtig argumentieren, die die Sachen in eurem Sinne machen. Es gibt genug Mediziner, die die Dinge rund um Covid-19, die die Impfungen sehr, sehr kritisch betrachten. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Nein, nicht genug! Ein, zwei, auf die ihr hört! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Vizepräsident Dominik Reisinger: Entschuldigung, ich darf um etwas mehr Ruhe bitten!
Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (fortsetzend): Es gibt auch – und das erwähnen Sie alle nicht – sehr, sehr viele Menschen, die aufgrund der von Ihnen teilweise zwangsverordneten Covid-Impfung für ihr ganzes weiteres Leben
schwerste Schäden haben. Darüber wird immer geschwiegen, und das will keiner von euch hören. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Das stimmt nicht! Das ist die Unwahrheit!) – Nein, das ist nicht die Unwahrheit! Nein, lieber Herr Kollege Schreuder (Bundesrat Schreuder: Ich bin nicht Ihr lieber Herr Kollege!), soweit ich weiß, haben Sie zwei gesunde Augen und zwei gesunde Ohren (Bundesrat Schreuder: Nein, ich bin ziemlich schasaugert!), aber anscheinend wollen Sie diese beiden Sinnesorgane in diesem Bereich nicht benutzen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ. – Bundesrat Schreuder: Und deshalb soll ich Sie ...!)
Auch zu Ihrer Geschichte bezüglich Strukturreform der ÖGK mit den Zusammenlegungen (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Kovacs und Hahn): Es gibt einen Geschäftsbericht aus dem Jahr 2022 von der ÖGK selbst, da ist der Einleitungssatz: Die Strukturreform hat sehr viele Vorteile für die Versicherten gebracht. – Spannend, spannend! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Und wegen eurer Patientenmilliarde: Erstens einmal, liebe SPÖ, ich weiß genau, warum ihr Galle spuckt und so springt: weil die Strukturreform unter anderem euch Macht in den diversen Beiratsgremien weggenommen hat. (Beifall bei der FPÖ. – Ah-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Schreuder: Und deshalb schreddert man Unterlagen?) Das ist nämlich der Hauptgrund, das ist die Hauptursache, warum ihr so spuckt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ihr seid auch diejenigen, die in diesen Gremien dann verhindert haben, dass Strukturreformen ordnungsgemäß und rechtzeitig weitergehen. (Ruf bei der SPÖ: Ihr verratet die Hackler! – Bundesrätin Hahn: Die Einzigen, die stärker geworden sind, sind dann ...! Ihr habt eine Milliarde versenkt da drin! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
So, und jetzt gehen wir zum Inhalt des Tagesordnungspunktes. Wie gesagt ist es an und für sich eigentlich deshalb im Finanzausschuss gelandet, weil es ja um den Finanzausgleich geht, und da haben Sie, Herr Bundesminister, im Zuge des Finanzausgleiches eben mit den Bundesländern Vereinbarungen im Rahmen der Zielsteuerung Gesundheit und Gesundheitsreform getroffen.
Was mich natürlich bei der Verlängerung dieses Gesetzes sehr schreckt, ist, dass eigentlich für die Bundesregierung die Covid-19-Impfungen noch immer als Gesundheitsreform betrachtet werden. Wenn man aber zum Beispiel auch weiß und sieht, wie viele Impfdosen Sie eigentlich von der EU her noch abzunehmen und zur Verfügung zu stellen gezwungen sind, wird das wahrscheinlich damit zusammenhängen, dass Sie hoffen, wenn Sie den Ländern Geld zur Verfügung stellen, dass sozusagen die Impfmoral der Menschen einfach besser wird, damit Sie diese Impfung loswerden.
Dass das Gesundheitssystem zurzeit sehr, sehr viele Probleme hat, wissen wir alle. Teilweise werden Operationen verschoben, auf Facharzttermine muss man irrsinnig lange warten. Ein ganz wichtiger Bereich ist heute in der Aktuellen Stunde auch schon angesprochen worden: diese eklatante Unterversorgung, was die Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Kinder- und Jugendpsychologie betrifft. Meiner Meinung nach wäre es viel, viel vernünftiger gewesen, wenn man schon Zielsteuerungen für Gesundheit ausmacht, dass man vielleicht mit diesen 450 Millionen Euro, die in Summe jetzt davon betroffen sind, eher für diese Dinge den Ländern mehr oder minder den Auftrag erteilt und sie nicht schon wieder in diese Covid-19-Impfung hineinsteckt, die in Wirklichkeit von der Bevölkerung einfach nicht gewollt und nicht mehr angenommen wird. (Beifall bei der FPÖ.)
Natürlich ist klar, dass man in diesem Zusammenhang die Ermächtigung, wie Sie mit dem Eigentum der Republik Österreich umgehen, verlängern muss, weil wir die Impfdosen nach dem EU-Vertrag mehr oder minder abnehmen müssen. Wenn sie die Bevölkerung nicht annimmt und sie sich nicht verimpfen lässt, dann müssen natürlich Dosen, die abgelaufen sind, leider vernichtet werden. Dazu brauchen Sie einen offiziellen Auftrag, denn ansonsten, denke ich mir, wäre es ein strafrechtlicher Tatbestand, wenn Sie einfach Eigentum der Republik Österreich vernichten.
Unter anderem ist das für mich auch wieder ein wesentlicher Punkt, dass man sagt: Eigentlich wäre es höchste Zeit, dass diese Regierung zurücktritt, damit
endlich wieder im Sinne der Österreicher Entscheidungen und Maßnahmen getroffen werden und nicht immer gegen sie. (Beifall bei der FPÖ.)
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Maria Huber. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehende! Ich kann das jetzt hier sehr kurz machen, meine Vorredner:innen haben die wesentlichen Eckpunkte schon genannt. Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um die Verlängerung der kostenfreien Covid-19-Impfangebote.
Im Kern geht es darum, zwei Dinge sicherzustellen: Sowohl der Impfstoff als auch die Verabreichung der Impfungen sollen auch in Zukunft kostenlos bleiben. Wir beschließen heute eine Übergangslösung für die Finanzierung bis 31.8., das ist richtig, weil ab 1.9. die Finanzierung dann über eine andere Schiene als bisher erfolgen soll.
Im Rahmen des Finanzausgleichs – Kollegin Prügl hat das schon genannt – wurde ja eine neue Regelung vereinbart, bis diese neue Regelung Mitte des Jahres greift. Die Covid-19-Impfung soll dann in das nationale Impfprogramm überführt werden und dann auch über Bund, Länder und Sozialversicherungsträger drittelfinanziert werden.
Kurzum: Was ist das Wesentliche heute? – Für die Menschen in Österreich ändert sich dadurch nichts, da kann ich Kollegen Wanner beruhigen. Die Covid-19-Impfung ist selbstverständlich auch im Herbst/Winter weiterhin kostenlos verfügbar und bleibt das auch. Ich bitte daher um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
11.42
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.
Als Nächster ist Herr Bundesminister Johannes Rauch für eine Stellungnahme zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Vorsitzender! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Gleich anschließend zur Frage, die hier gestellt worden ist: Was passiert ab Herbst oder ab 1. September? – Sie haben die Vorsorge auch in diesem Gremium schon beschlossen, nämlich mit dem Finanzausgleich und mit den entsprechenden Gesetzen dazu.
Es ist nämlich so, dass im Zuge des Finanzausgleichs auch jährlich 90 Millionen Euro für den Ausbau eines öffentlichen Impfprogramms verhandelt worden sind. Covid, Influenza und HPV sind Teil dieses öffentlichen Impfprogramms. Das wird übergeführt und wird dann in der Bundes-Zielsteuerungskommission jedenfalls noch im ersten Halbjahr beschlossen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind also alle geschaffen, die finanzielle Vorsorge ist auch getroffen, und selbstverständlich bleibt im Herbst auch die Covid-Impfung gratis.
Wichtig ist mir auch noch, an die Debatte zum Thema Impfen insgesamt anzuknüpfen. Ich möchte schon auch darauf hinweisen: Es gibt aktuell einen aus Graz berichteten Fall, wo ein Neugeborenes an Keuchhusten verstorben ist. Die Empfehlung lautet, dass sich Schwangere im dritten Drittel der Schwangerschaft impfen lassen sollen. Wir haben in Österreich Masernfälle, die aufgrund von Impflücken auftreten.
Es hat offensichtlich einfach Platz gegriffen, sich nicht impfen zu lassen, weil Zweifel an der Wirksamkeit von Impfungen aufkommen. Das ist gesundheitsgefährdend, Sie haben es angesprochen. Ich bitte darum und ich ersuche alle Bürgerinnen und Bürger: Lassen Sie sich bitte von Ihrer Ärztin und von
Ihrem Arzt beraten! Vertrauen Sie nicht irgendwelchen schwachsinnigen Informationen auf Telegram-Kanälen! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Das könnte nämlich Ihre Gesundheit oder die Gesundheit Ihres Kindes gefährden – und das wollen wir nicht.
Die HPV-Impfung ist ein gutes Beispiel. Wir haben sie nicht umsonst zunächst bis zum 21. Lebensjahr aufgesetzt, in einer Nachholaktion jetzt dann auch bis 30 Jahre ausgeweitet. Und ich sage Ihnen, das wirkt auch. Australien hat es geschafft, dass der gesamte Kontinent HPV-frei ist. Es gibt dort kein HPV und keine Gebärmutterhalskrebserkrankung mehr, weil man die Durchimpfungsrate auf 90 Prozent hinaufbekommen hat.
Was Australien kann, können wir auch. Ich darf Ihnen berichten, dass sich, nachdem wir die Impfung bis 21 gratis eingeführt haben, 110 000 junge Menschen haben impfen lassen. Das ist die doppelte Zahl gegenüber dem Vorjahr; das heißt, das wirkt auch, und das wird sich, wenn es auf 30 Jahre ausgeweitet wird, noch verstärken.
Daher letztlich mein Appell: Wir haben jetzt im öffentlichen Impfprogramm die Mittel, die wir brauchen, im Zuge des Finanzausgleichs für die nächsten fünf Jahre zur Verfügung. In einem ersten Abdruck sind im Finanzausgleich die HPV-Impfung für das heurige Jahr und für das nächste Jahr die Covid-Impfung und die Influenza-Impfung drinnen.
Wie geht es weiter? – Die Ausweitung: Es ist ja berechtigterweise angeregt worden, weitere Impfungen dort aufzunehmen, beispielsweise die Herpes-zoster-Impfung, die auch teuer ist, und andere Impfungen mehr. Das wird in der Bundes-Zielsteuerungskommission entschieden werden. Da werden sich die Kurien, die dort drinnen sitzen, Sozialversicherung, Bund und Länder, darauf verständigen, in welchen Ausbauschritten weitere Impfungen aufgenommen werden. – Danke schön. (Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.
Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (3865/A und 2437 d.B. sowie 11418/BR d.B. und 11423/BR d.B.)
5. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (3867/A und 2438 d.B. sowie 11419/BR d.B. und 11424/BR d.B.)
6. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (3794/A und 2442 d.B. sowie 11425/BR d.B.)
7. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird
(Berufskrankheiten-Modernisierungs-Gesetz) (3870/A und 2443 d.B. sowie 11426/BR d.B.)
Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 4 bis 7, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Berichterstatterin zu den Punkten 4 bis 7 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichte.
Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:
Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben.
Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:
Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben.
Auch bringe ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird.
Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme gleich zur Antragstellung:
Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben.
Auch bringe ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (Berufskrankheiten-Modernisierungs-Gesetz).
Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme auch da gleich zur Antragstellung:
Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke für die Berichte.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich, bevor ich auf den Tagesordnungspunkt eingehe, doch noch einige Worte zur FPÖ, zur Kollegin Schartel – sie hat jetzt leider den Saal verlassen –, zur ÖGK und zur Zerschlagung der ÖGK, was da eigentlich in den letzten Jahren passiert ist, verlieren.
Was versprochen wurde, wissen wir ganz genau: 1 Milliarde Euro, die Patientenmilliarde wurde versprochen. Rausgekommen ist, glaube ich, so ungefähr minus 1 Milliarde Euro für die Gebietskrankenkassen. (Bundesrat Spanring: Das stimmt doch nicht!) Wenn man sich mit wirklichen Profis unterhält – das habe ich gestern mit einem Spitzenmanager der ÖGK getan –,
wird gesagt, dass da in den letzten Jahren extrem viele Fehler passiert sind. Die Selbstverwaltung liegt dann vor, wenn der Staat einen Teil seiner Verwaltung jenen Personen überträgt, die unmittelbares Interesse daran haben – und das wurde aufgegeben.
Ich sage es jetzt wirklich (in Richtung FPÖ) in eure Richtung: Ihr sagt immer, ihr seid für die Arbeitnehmer. – Da wart ihr ganz gegen die Arbeitnehmer. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Schreuder und Hauschildt-Buschberger.)
Und noch etwas: Wenn man hier steht und sagt – zum Kollegen Wanner vorhin –, dass sich Michael Wanner da als Virologe präsentieren würde, er das aber eigentlich nie erwähnt hat, und im gleichen Zug auch Kollege Spanring eindeutig sagt, was gut ist und was bei der Impfung schlecht ist: Jetzt ganz ehrlich, hast du die Kompetenz dazu? Ich frage dich: Hast du die Kompetenz dazu (Bundesrat Spanring: Ich habe mich informiert!), das zu beurteilen? Also da würde ich wirklich sehr (Bundesrat Spanring: ... das ist der Unterschied!), sehr aufpassen, denn das ist schon sehr, sehr kritisch zu sehen. (Beifall bei der SPÖ.)
Nun aber gleich zur Tagesordnung und den Tagesordnungspunkten 4, 5 und 6: Bei 4 und 5 werden wir zustimmen, das sind das Ärztegesetz und das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten. Beim Ärztegesetz ist es so: Das Fachgebiet Allgemeinmedizin wird auf Allgemeinmedizin und Familienmedizin erweitert. Es ist eine Verlängerung der Ausbildungsdauer vorgesehen, welche gestaffelt in Kraft treten soll. Durch diese Novelle wird die Allgemeinmedizin auch aufgewertet und attraktiver, was in der Folge zu mehr Nachfrage nach dieser Ausbildung führen kann. – Da sind wir also dabei.
Dann sind wir wie gesagt auch bei Punkt 5 dabei, das sehen wir auch als sehr sinnvoll. Da auch bei freiberuflich tätigen Therapeut:innen keine ärztliche Anwesenheit erforderlich ist, ja nicht einmal die jederzeitige Erreichbarkeit, erscheint diese Regelung durchaus sinnvoll.
Anders sehen wir es beim Tagesordnungspunkt 6, das wurde auch schon im Nationalrat gesagt. Die Regierungsparteien waren da nicht fähig, diesen Antrag so rechtzeitig einzubringen, dass eine Beschlussfassung noch vor dem Auslaufen der Regelung stattfinden konnte. Jetzt muss es rückwirkend saniert werden. Die Fristverlängerung ist eigentlich unzureichend, Tests werden auch später notwendig sein, und die Planlosigkeit der Regierung darf nicht auf dem Rücken der Patient:innen ausgetragen werden. – Das einmal zu diesen drei Punkten. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich darf auch einen Entschließungsantrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen betreffend „das Versprechen“ – das habe ich vorhin angesprochen – „der Patientenmilliarde für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung durch Umsetzung der Termingarantie endlich einlösen“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, umgehend geeignete und entsprechend finanzierte Maßnahmen zu setzen, die eine ausreichende ambulante Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherstellen. Insbesondere müssen die durch das SV-OG erfolgten finanziellen Belastungen rückgängig gemacht und die versprochene Patientenmilliarde endlich für Leistungsverbesserungen und der Umsetzung der Termingarantie zur Verfügung gestellt werden."
*****
Das zu diesen drei Tagesordnungspunkten. Es ist mir heute aber eines wichtig: Um uns das, was sich momentan abspielt, vielleicht wieder ein bisschen in Erinnerung zu rufen, habe ich einen Fall eines Bekannten von mir mitgebracht,
der mir Folgendes gesagt hat, Herr Gesundheitsminister: Er war im Oktober bei einem Facharzt und hat sich im Spital direkt beim Facharzt erkundigt – er hat massive Atemprobleme, er hat eine Septumdeviation, also eine Verkrümmung der Nasenscheidewand – und hat dort um einen OP-Termin gebeten, weil er bei der Arbeit Schwierigkeiten hat, weil er Schwierigkeiten in der Freizeit hat und natürlich beim Schlafen Schwierigkeiten hat, da er nicht gescheit Luft kriegt.
Das war im Oktober 2023. Er ruft mich an und sagt: Günter, ich habe einen Termin im November bekommen. – Ich habe mir gedacht: Na, das ist ja eh klass, im November, ja super! – Dann hat er gemeint: Der Plan ist, im November 2024!
So, der Plan ist: 2024. Eigentlich unfassbar! Jetzt muss dieser Mensch, der sich wie gesagt beim Arbeiten schwertut, da er nicht mehr ordentlich durchschlafen kann, der keinen Sport mehr ausüben kann, über ein Jahr warten.
Warum sage ich das heute? – Weil wir heute über Milliardenbeträge diskutieren, die irgendwo investiert werden. Wir sehen es bei der Cofag: 15 Milliarden Euro wurden da ordentlich verteilt, wir durften dort nicht einmal Einschau halten. Die Oppositionsparteien durften bei der ÖVP, bei den Grünen – die ja immer gesagt haben: wir wollen transparent sein! – nicht einmal einen Blick hineinwerfen. Viele Milliarden, 11 Milliarden Euro, meine Damen und Herren, müssen die Menschen neben den Sozialversicherungsbeiträgen, die sie in Österreich leisten, privat aufwenden, um eben ihre Gesundheitsleistungen zu finanzieren. 11 Milliarden!
Jetzt habe ich mir dann gedacht: Das ist ein Durchschnittsverdiener, der kann sich das nicht leisten. Der kann nicht, wie vielleicht viele hier im Saal, oder auch Sie, Herr Minister, sagen: Ich kann mir das leisten, meine Situation wirklich zu verbessern, damit ich eben wieder arbeiten kann, damit ich durchschlafen kann, damit ich Sport ausüben kann. Das muss man sich einmal vorstellen: Der zahlt seit 25 Jahren Sozialversicherungsbeiträge, Krankenversicherung, und bekommt
einen Termin, einen Plan für November 2024! – Das ist nicht in Ordnung. So weit sind wir gekommen!
Noch einmal zur Zerschlagung der Gebietskrankenkassen, zur Aufteilung, zur Versorgung: Es hat sich nichts verbessert. Sie können mir das glauben, ich war selbst bei der ÖGK, viele, viele Jahre, es ist immer nur schlechter geworden. Diese Versprechungen, die es gegeben hat, die Verbesserungen, die sieht keiner, die spürt keiner, die merkt keiner. Wir müssen an diese Menschen denken, nicht an uns hier herinnen, wir sind unseren Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet. (Beifall bei der SPÖ.)
Das möchte ich auch sagen, Herr Minister: Ich möchte Ihnen das Bemühen nicht einmal absprechen. Sie bemühen sich, das muss man wirklich sagen. Was macht man aber bei einem Vollbrand, wenn es brennt, wenn das Haus brennt, mit zwei Kübeln Wasser? Wie gesagt: Sie machen den Job gut, Sie machen den Job in Ordnung, aber natürlich ist es ein Problem, wenn so viele Baustellen da sind: Ärztemangel, Ärzteversorgung, Spital, die Krankenhäuser, die Termine, was ich gerade gesagt habe. Es gibt aber auch gute Beispiele, und natürlich – es wird Sie nicht wundern – ist das im Burgenland. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Im Burgenland haben wir es trotz Widerstand geschafft. Ich kann Ihnen sagen – ich war auch einige Jahre im Burgenländischen Landtag –, es war die ÖVP: Die ÖVP wollte damals im Burgenland von fünf Spitälern drei schließen. Drei! Das war damals die zuständige Landesrätin für Wirtschaft, die hat gesagt, drei sperren wir zu (Bundesrat Schennach: Na bum!) – das waren damals Güssing, Oberpullendorf und Kittsee – und nur zwei Standorte, Oberwart und Eisenstadt, sollen erhalten bleiben. Das müssen Sie sich vorstellen!
Gott sei Dank haben wir einen Landeshauptmann, der gesagt hat, das ist Chefsache. Gut, dass das in Länderhand ist, man sieht es: Oberwart wird nigelnagelneu im Juni eröffnet. Im Juni haben wir ein Spital, das sozusagen alle
medizinischen Stückerl spielt; alles, was in der Versorgung für die Burgenländerinnen und Burgenländer möglich ist, ist dort gewährleistet. Wir planen in Gols ein neues Spital. Also es wird ausgebaut, ausgebaut, ausgebaut, und das ist gut so.
Das gibt den Patienten Sicherheit, nicht in einer Notsituation ein Jahr warten zu müssen – und das ist genau der Fall, den ich vorhin beschrieben habe: Der hat eine Familie, der hat Kinder zu Hause, der braucht die Arbeit. Der hat eh schon ein Problem mit der Inflation, und dann wird ihm ausgerichtet, er muss ein Jahr – also nochmals zur Erinnerung – auf eine Operation, die ihm helfen könnte, warten. Das ist ja in Wahrheit kein Einzelfall, der hat mich halt kontaktiert und gesagt: Günter, ich habe ein Problem! – Das ist wirklich ein Wahnsinn, was da passiert.
Wie gesagt, da ist es wichtig, dass die Länder – in meinem Fall natürlich der Herr Landeshauptmann im Burgenland – sehr vieles gemacht haben. Sie wissen es, sie haben ja auch die Kompetenz – Länderangelegenheiten –, was die Pflege betrifft. 71 Pflegestützpunkte in meinem Heimatland sind bereits in der Umsetzung. Warum ist das alles gelungen? Warum haben wir im Burgenland alle Pflegeposten besetzt? Warum haben wir alle Ärzteposten im Burgenland besetzt? – Weil er gesagt hat: Leistung muss belohnt werden! (Beifall bei der SPÖ.)
Nicht wie damals, als wir – erinnern Sie sich, erinnern wir uns! – vor einigen Jahren gestanden sind und es geheißen hat: Na, jetzt applaudieren wir alle fest den Verkäufer:innen, den Kassierer:innen, den Pflegekräften, den Krankenschwestern! Alle sind gestanden und haben gesagt: Na, jetzt applaudieren wir! – Was ist passiert? Hat da irgendjemand in den Job reingedrängt? – Nein! Man muss Anreize schaffen, muss den Job attraktiv machen.
Ich nenne jetzt eine Zahl: Mindestlohn im Burgenland: 2 300 Euro netto, umgesetzt von Landeshauptmann Mag. Hans Peter Doskozil. Pflegekräfte Mindestgehalt, Einstiegsgehalt: 2 400 Euro netto, damit eben vom Einkommen
auch etwas übrig bleibt und man nicht die Schwierigkeiten hat, die die Regierung in den letzten Jahren ja verursacht hat. Frau Kollegin Schumann hat das heute schon ein paarmal erwähnt: Die Inflation ist nicht gottgegeben, die ist regierungsgegeben. Das haben Sie verursacht und dafür werden Sie auch die Quittung bezahlen.
In einem Punkt möchte ich der FPÖ – dem, was Frau Kollegin Schartel gesagt hat – recht geben: Hoffentlich gibt es bald Neuwahlen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
11.59
Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.
Der von den Bundesräten Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „das Versprechen der Patientenmilliarde für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung durch Umsetzung der Termingarantie endlich einlösen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja, wir haben es schon gehört: Die Tagesordnungspunkte 4 bis 7 werden unter einem diskutiert.
Ich möchte jetzt aber speziell auf die Novelle des Ärztegesetzes eingehen, weil es sich dabei doch um etwas ganz Neues, etwas Wichtiges und Wesentliches handelt. Mit der heute zu beschließenden Novelle des Ärztegesetzes entsteht ein weiteres und sehr wichtiges Teilstück der Gesundheitsreform. In intensiver Abstimmung mit den Ländern, der Sozialversicherung sowie der Ärztekammer werden nun die Voraussetzungen für die Ausbildung zur Fachärztin
beziehungsweise zum Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin geschaffen. Diese vertiefte Ausbildung soll die Rolle der Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin in der primären Gesundheitsversorgung weiter stärken. (Vizepräsident Ebner übernimmt den Vorsitz.)
Diese Ärztinnen und Ärzte sollen nämlich die erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten sein, sie sollen diese bei gesundheitlichen Fragestellungen begleiten, Krankheiten erkennen und behandeln und erst dann im Bedarfsfall die Weiterleitung in Richtung andere Gesundheitsberufe wie zu speziellen Fachärzten oder Physiotherapeuten vornehmen. Sie sollen verstärkt ihre Gatekeeperfunktion im Gesundheitssystem auf fachlicher Ebene wahrnehmen, indem sie die Versorgung vor Ort – das ist ganz wichtig – übernehmen und koordinieren, und erst durch sie sollen andere Kompetenzbereiche des Gesundheitssystems aktiviert werden.
Das soll unter anderem zu einer Entlastung der Ambulanzen der Krankenhäuser dadurch führen, dass das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in dieses konkret fachliche Kompetenzfeld des niedergelassenen Bereiches gestärkt wird. Die künftigen Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemein- und Familienmedizin werden den Gesundheitsprozess der einzelnen Patientinnen und Patienten noch wesentlich gezielter fachlich begleiten.
Um dieses Vorhaben umzusetzen, werden selbstverständlich auch die Ausbildungsvoraussetzungen angepasst. Um die Ausbildung zur Fachärztin beziehungsweise zum Facharzt zu absolvieren, sind ab Juni 2026 nach der Basisausbildung mindestens 51 Monate Ausbildungszeit vorgesehen, in welcher verschiedene Disziplinen wie zum Beispiel Allgemeinmedizin oder Innere Medizin durchlaufen werden. Ein Teil der Ausbildung findet bewusst im Rahmen einer Lehrpraxis statt, damit dieser praktische, patientennahe Aspekt der Tätigkeit der Hausärztinnen und Hausärzte gezielt vermittelt werden kann. Der Abschluss der Ausbildung erfolgt durch eine fachärztliche Prüfung.
Mit diesen geplanten Neuerungen trägt Österreich einer internationalen Entwicklung in diesem Fachbereich Rechnung, und es erfolgt dadurch auch eine Aufwertung des Berufsstandes, wodurch man sich einen höheren Anreiz für angehende Medizinerinnen und Mediziner erhofft, diese Spezialisierung im Bereich Allgemein- und Familienmedizin zu wählen, was hoffentlich auch eintreten wird.
Betonen möchte ich abschließend jetzt noch einmal die wichtige Rolle der Hausärztinnen und Hausärzte in der wohnortnahen Versorgung der Patientinnen und Patienten. Durch die fachärztliche Ausbildung werden diese Kompetenzen noch weiter gestärkt. Das ist wichtig, und ich ersuche um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
12.03
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Horst Schachner. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich rede heute zum Punkt 7, zur Berufskrankheitenliste.
Was hat sich in diesem Zusammenhang jetzt abgespielt? – Wir haben vier Punkte hineinbekommen, ein Punkt ist hinausgekommen. Das Thomasschlackenmehl ist jetzt draußen, weil es heute keine Bedeutung mehr hat. Ganz wichtig für uns ist auch, dass der weiße Hautkrebs jetzt hineingekommen ist. Das ist wirklich ein wichtiger Punkt gewesen, denn alle Bauarbeiter beziehungsweise alle, die draußen arbeiten, ob das der Dachdecker ist oder sonst irgendjemand, haben das große Problem, dass sie immerfort der UV-Strahlung ausgesetzt sind und dadurch viele Erkrankungen entstehen. Diese werden jetzt Gott
sei Dank auch als Berufskrankheiten anerkannt. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Dieser Änderung im ASVG werden wir selbstverständlich zustimmen. Klar ist für uns aber auch, dass mit dem jetzigen Gesetz, das hochtrabend Modernisierungsgesetz genannt wird, mehr möglich gewesen wäre, und ich sage euch, was wir im Ausschuss in diesem Zusammenhang gebracht haben: Ich habe im Ausschuss gefragt: Wie schaut es in Deutschland aus? – Es wurden hier immer wieder Vergleiche mit Deutschland gezogen und von Deutschland auch ein paar Punkte übernommen. Was aber ist mit dem Sachverständigenbeirat, den es in Deutschland gibt? Dort gibt es einen Beirat, in dem man sich monatlich beziehungsweise zwei- oder dreimonatlich zusammensetzt, über Berufskrankheiten redet und erörtert, was mit hineingenommen werden kann, damit es gar nicht oder weniger zu Berufskrankheiten kommen kann, wenn man schon präventiv etwas tut.
Das wäre eine tolle Geschichte gewesen. Als ich gefragt habe, warum es das nicht gibt, hat es geheißen: Das gibt es zwar in Deutschland, das gibt es aber bei uns nicht, und das ist auch nicht vorgesehen. – Ich meine, es ist sehr schade, dass das bei uns nicht vorgesehen ist! Es gibt im ASVG zwar eine Generalklausel, dass in Einzelfällen gewisse Krankheiten auch anzuerkennen sind, es ist aber ein mühsamer Weg für Beschäftigte beziehungsweise Menschen, die in Arbeit sind, dass sie diese Generalklausel tatsächlich in Anspruch nehmen können.
Konkreten Aufholbedarf haben wir ebenfalls. Die Liste umfasst jetzt 73 Positionen mit 73 Berufskrankheiten. Immer noch fehlt darin allerdings der Aspekt der Bewegung, der Bewegungs- und der Stützapparat. Dieser ist nämlich ganz, ganz wichtig. Er ist in Deutschland enthalten und bei uns nicht. Das bedeutet: Wenn bei uns jemand über Kreuzschmerzen klagt, dann ist er nicht ein Hypochonder oder sonst irgendetwas, sondern diese Schmerzen gibt es wirklich. Ich kann euch sagen, ich kenne viele Menschen, die arbeiten gehen und Hydal nehmen. Hydal ist ein morphiumhaltiges, starkes Medikament, diese Menschen gehen aber
trotzdem arbeiten, weil sie einfach Angst haben, dass sie sonst ihren Job verlieren. Deshalb ist es ganz wichtig, dass man so etwas auch als Berufskrankheit mit hineinnimmt. (Beifall bei der SPÖ.)
Als Nächstes müssen wir auch noch die psychischen Erkrankungen ansprechen. Was geschieht nämlich in der heutigen Zeit? – In der heutigen Zeit sind die Menschen nicht nur 8 Stunden im Dienst, sondern sie sind nachher auch noch übers Handy erreichbar und werden oft am Nachmittag oder am Abend angerufen, und diese Leute setzen sich dann trotzdem an ihren Laptop, um zu arbeiten. Sie kommen psychisch in Wirklichkeit einfach nicht mehr weg vom Betrieb, und das ist ein riesengroßes Problem. Oft wird dann allerdings so getan, als wollten diese Leute nicht arbeiten gehen. Es gibt aber psychische Erkrankungen, etwa Burn-outs, bei denen die Leute tatsächlich nicht mehr fähig sind, arbeiten zu gehen. Auch das muss bitte in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen werden!
Ein weiterer Punkt, den ich noch erwähnen möchte: Finanzierung der AUVA. Was habe ich schon früher gesagt? – Wichtig wäre es, dass ein Sachverständigenbeirat auch erkennen müsste, dass die AUVA unter Umständen für mehr Präventionsaufträge zuständig ist. Es wurde auch vorhin gerade eingebracht, dass man schon präventiv etwas tun kann, bevor es überhaupt zu solchen Erkrankungen kommt. Warum geschieht das aber nicht? – Es kommt immer wieder das große Schlagwort Lohnnebenkostensenkung. Was aber bedeutet das in Wirklichkeit? – Ich sage euch, was ich darunter verstehe und was die Menschen darunter verstehen:
Die Lohnnebenkosten zu senken bedeutet, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld zurückzunehmen. Es bedeutet in Wirklichkeit, bei den Krankenkassen weniger einzuzahlen und AUVA-Beiträge zurückzuschrauben. Und das wird mit uns in diesem Fall sicherlich nicht geschehen! (Beifall bei der SPÖ.)
12.08
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Böhmwalder. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Sandra Böhmwalder (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und zu Hause via Livestream! Wo gehen wir hin, wenn wir Schmerzen haben, wenn ein Verband gewechselt werden muss, wenn Infusionen und Injektionen verabreicht werden müssen oder das Kind eine Impfung braucht? – Wir gehen zu unserem Herrn Doktor, zu unserem Hausarzt oder zu unserer Hausärztin. Diese kennen uns und denen schenken wir Vertrauen.
Heute beschließen wir wieder einen nächsten wichtigen Schritt im Gesundheitswesen, in der Allgemeinmedizin. Wir haben ein durchaus komplexes Gesundheitssystem, und das führt tatsächlich zu Engpässen und zu Herausforderungen. Die gute Nachricht heute ist aber: Wir schaffen jetzt neue Möglichkeiten für die Studentinnen und Studenten, eine Ausbildung zum Facharzt der Allgemein-und Familienmedizin zu absolvieren. Es geht um eine Aufwertung des Allgemeinmediziners und um eine Ausbildung auf Augenhöhe mit den Fachärzten. Nach dieser Ausbildung können diese Ärzte und Ärztinnen viele Patienten selbst behandeln, ohne sie an weitere Fachärzte überweisen zu müssen. Viele Patienten müssen daher nicht mehr zu einem weiteren Arzt überwiesen werden. Die Anzahl der Arztbesuche wird verringert, und die Wartezeiten verkürzen sich.
Mit dieser Ausbildung wird aber auch ein breites psychosoziales Spektrum, eben das Fach der Familienmedizin, abgedeckt. Die Ärztinnen und Ärzte können die Menschen mitsamt ihrem familiären Umfeld wahrnehmen und gezielt helfen. Die Ausbildung wird verlängert, das Besondere daran ist aber, dass sie mit einer Lehrpraxis verlängert wird. Die Studentinnen und Studenten sind dann über viele Monate in einer Praxis tätig, in der sie das erlernen, was sie dann in ihrer
eigenen Praxis verwenden können. Dieses erlernte Wissen werden sie in ihrem Berufsleben brauchen, sie werden dann nah an allen Menschen sein, vom Kleinkind bis zu alten Menschen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat bereits gehandelt. Wir haben im vorigen Jahr einen Beschluss für eine Gesundheitsreform gefasst; aufgrund dessen werden beispielsweise zusätzliche Kassenarztstellen geschaffen und die Einrichtung der Primärversorgungszentren wurde erleichtert. Wir hier im Hohen Haus haben die Beschlüsse dazu gefasst, und wir wissen: Es braucht weitere Anstrengungen. Damit unser Gesundheitssystem weiterhin auf einem hohen Niveau für die Patientinnen und Patienten funktionieren kann, sind noch weitere Schritte und wichtige Maßnahmen notwendig. Im Österreichplan unseres Bundeskanzlers Karl Nehammer sind wichtige Maßnahmen definiert, damit die Qualität für die Patientinnen und Patienten weiter steigt. Wir wissen nämlich: Erstklassige medizinische Versorgung und Vorsorge sind der Schlüssel für mehr gesunde Lebensjahre. Liebe Österreicherinnen und Österreicher, dafür setzen wir uns ein! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Der heutige Beschluss ist die gesetzliche Grundlage für den Facharzt für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Auch wenn ich mich jetzt wiederhole: Gerade für uns im ländlichen Raum ist es wichtig, Ärztinnen und Ärzte als Partner zu haben, denen wir Vertrauen schenken, zumal es nicht um die Ecke einen entsprechenden Facharzt gibt. Deshalb freut es uns alle – etwa auch meinen Hausarzt in Hainfeld –, dass wir diesen eingeschlagenen Weg weitergehen, dass wir in diesem Zusammenhang in die richtige Richtung für die Allgemeinmedizin für uns alle in Österreich gehen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
12.13
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klemens Kofler. Ich erteile ihm dieses.
12.13
Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kollegen aus dem Bundesrat! Liebe Freunde hier und zu Hause! Grüß Gott! Das Grundproblem ist, dass die Kassenverträge der Ärzte nicht lukrativ genug sind. Ein Arzt könnte sein Einkommen auch nur verbessern, indem er eben mehr Patienten hätte. Ein Arzt braucht acht Patienten in der Stunde, um den gleichen Lohn wie ein Automechaniker zu haben. Ein Arzt kann aber nicht acht Patienten in der Stunde behandeln, das würde der Sache nicht guttun, da ginge Quantität vor Qualität.
Ein praktischer Arzt braucht auch noch eine Hausapotheke, damit er überhaupt wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Eine Hausapotheke zu betreiben ist selbstverständlich sinnvoll. Gerade auf dem Land brauchen wir diese Hausapotheken, das will ich nicht in Abrede stellen. Das Betreiben einer Hausapotheke bedeutet aber zusätzliche Arbeit, und man kann einen Arzt nicht quasi damit locken, dass er mit einer Hausapotheke mehr verdient, denn er muss ja gleichzeitig auch noch seine andere Arbeit machen. – Das kann man jetzt zusammenfassend so sagen.
Wir haben natürlich auch ein massives Problem mit der Abwanderung. Viele Ärzte arbeiten in anderen Ländern, in denen sie wesentlich besser bezahlt werden. Wir brauchen überhaupt mehr Ärzte, und deswegen sollten wir über die Aufnahmetests an unseren Universitäten nachdenken. (Beifall bei der FPÖ.)
Wir brauchen mehr Ärzte, also brauchen wir auch mehr Studenten. Natürlich ist all das eine finanzielle Frage, also eine Geldfrage. Ich möchte aber nicht, dass gerade bei der Gesundheit und bei der gesundheitlichen Vorsorge gespart wird.
In diesem Zusammenhang möchte ich einen Vergleich ziehen: Wenn man mit seinem Auto wegen des jährlichen Pickerls in eine Werkstätte fährt, dann wird das Auto von vorne bis hinten auf der Hebebühne mit modernster Technik ungefähr 1 Stunde lang ordentlich angeschaut, etwa ob da ein Rostfleck ist et
cetera. Wenn man hingegen als Mensch zu einem Arzt kommt, dann schaut dich dieser vielleicht 5 Minuten an und sagt dann: Der Nächste bitte! – Zack, weg bist du! So kann das nicht sein! (Beifall bei der FPÖ.)
Ich habe überhaupt nichts gegen Autos. Im Gegenteil: Ich mag Autos! Ich fahre auch Motorrad, und das sehr gerne. Ich möchte aber schon sagen: Ein Auto besteht in Wahrheit aus Blech und Plastik. Der Mensch aber ist das Maß aller Dinge. Der Mensch ist das Schönste, was dieser Planet jemals hervorgebracht hat. – In diesem Sinne: Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
12.16
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Vizepräsident! Herr Minister! Liebe Kollegen im Bundesratssaal! (Bundesrat Schreuder: Die vorige Rede ist nicht mehr zu toppen!) – Du sagst es. (Heiterkeit des Redners.) Sehr geehrte Zuseher zu Hause und hier im Bundesratssaal! Zu Punkt 4: Änderung des Ärztegesetzes 1998. Unter diesem TOP wurde die Facharztausbildung vom Medizinstudienplatz bis hin zum neuen MTD-Gesetz im Gesundheitsausschuss des Nationalrates verhandelt. Dabei ist vonseiten der Regierung auf die oppositionellen Forderungen eingegangen worden. Für das neue Sonderfach ist eine insgesamt fünfjährige Ausbildung, neun Monate Basisausbildung und 51 Monate fachärztliche Ausbildung, vorgesehen, mit der frühestens ab 1. Juli 2026 begonnen werden kann.
Die Vertreter aller Fraktionen zeigten sich einig darüber, dass damit ein wichtiger und richtiger Schritt in Richtung Stärkung des Berufsbildes sowie generell der Primärversorgung in Österreich gelungen ist. Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Familienmedizin soll die erste Anlaufstelle für
sämtliche gesundheitliche Anliegen sein. Man dürfe jedoch trotz dieser Änderungen nicht davon ausgehen, dass diese Gesetzesänderung ausreiche, um die Allgemeinmedizin aufrechtzuerhalten, denn es braucht auch eine deutliche Aufstockung der finanziellen Mittel.
Zweitens: Ein weiterer ganz wesentlicher Punkt ist die Personalsituation. Eine Evaluierung des Personalbedarfs ist zwingend notwendig. Drittens: Finanzielle Fairness gegenüber allen Mitarbeitern ist sicherzustellen. Viertens: Die Einbindung der Wahlärzte ins Kassensystem ist sinnvoll, wobei die Aufhebung des Doppelbeschäftigungsverbotes umgehend sicherzustellen ist. Fünftens: Eine Novelle des Berufsrechts der gehobenen medizinisch-technischen Dienste sei dringend notwendig, da das seit 30 Jahren geltende MTD-Gesetz nicht mehr den aktuellen Anforderungen der Berufe entspricht. Sechstens: Auch bei der unfallchirurgischen Versorgung wurde Gefahr im Verzug festgestellt.
Siebtens: In einem Brief warnt die diesbezügliche Fachgesellschaft davor, dass die Versorgung von Schwerverletzten vor dem Kollaps steht. Die Probleme reichen von drastischen Personalproblemen in den Spitälern bis zu den Ausbildungslücken im Sonderfach Orthopädie. Es gelte daher, die Forderungen der Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie betreffend entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Achtens: Der Ausbau der OP-Kapazität sowie eine Attraktivierung des Spitalarztberufes ist zwingend nötig.
Diese Gesetzesänderungen werden von uns unterstützt und als konstruktive Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg begrüßt.
Unsere Vorschläge darf ich daher wie folgt als Entschließungsantrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Markus Steinmaurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Gesundheitsreform statt Verschlimmbesserung der Strukturen und der Versorgung im österreichischen Gesundheitswesen jetzt!“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Maßnahmen im österreichischen Gesundheitswesen organisatorisch, personell und finanziell umfasst:
- Evaluierung des Personalbedarfs auf allen Ebenen des Gesundheitswesens
- Finanzielle Fairness gegenüber allen Mitarbeitern im Gesundheitswesen
- Entbürokratisierung und Kompetenzerweiterung in den Berufsfeldern des Gesundheitswesens
- Weiterbeschäftigung älterer Kassenärzte und Erweiterung der Ausbildung
- Bundesweit einheitliches Stipendiensystem bei der beruflichen Ausbildung
- Einbindung der Wahlärzte ins Kassensystem und Aufhebung des Doppelbeschäftigungsverbotes
- Erhalt der Möglichkeit für behandelnde Ärzte, auch weiterhin lege artis Behandlungen in den einzelnen Krankenanstalten an schwerkranken Patienten vorzunehmen, ohne dass ,Gesundheitsökonomen‘ in einem ,Superboard‘ über Medikationen und damit Leben und Tod entscheiden
- Anpassung des Arzneimittel-Spannensystems zu Gunsten der österreichischen Vertriebsebenen und Erweiterung des Notfallparagraphen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten“
*****
Zu TOP 5: Die Änderungen im Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten sind sinnvoll und werden in dieser Form von uns unterstützt.
Ansetzen könnte man unserer Meinung nach zusätzlich bei der Basisausbildung, die kürzer gestaltet werden könnte, sowie bei den Gehältern in den Lehrpraxen. (Beifall bei der FPÖ.) Das wäre ein guter Ansatz und würde Anreize für eine Ausbildung im Gesundheitssystem schaffen.
Zu Punkt 6: Grundsätzlich ist einmal mehr festzuhalten, dass diese Bundesregierung ständig Gesetzesvorlagen erstellt, die später, weil sie eben nicht gut vorbereitet sind, abgeändert werden müssen.
Unter TOP 6 geht es um eine Änderung in der Beamten-Kranken- und Unfallversicherung, die vor allem die Verlängerung der Bestimmungen zu Covid-Tests und die Abgabe von Heilmitteln zum Inhalt hat. Die Änderung ist verständlich und teilweise sinnvoll und wird daher unterstützt.
TOP 7: Änderung im Sozialversicherungsgesetz bezüglich Berufskrankheiten: Die ASVG-Novelle hatte eine Aktualisierung der Berufskrankheitenlisten zum Ziel. Bei den neu aufgenommenen Krankheiten handelt es sich durchwegs um eine nachvollziehbare Auflistung. Zu begrüßen ist auch die Aktualisierung der bisherigen Listen. Somit umfasst die künftige Liste 73 Krankheiten, die von Staublungenkrankheiten über durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit bis hin zu durch bestimmte chemische Stoffe wie Salpetersäure ausgelösten Erkrankungen reichen.
Damit eine Krankheit in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen werden kann, müssen zahlreiche Kriterien erfüllt werden. Eine ständige Aktualisierung ist notwendig und sinnvoll. Wir stimmen diesem Tagesordnungspunkt zu. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)
12.23
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Der von den Bundesräten Markus Steinmaurer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Echte Gesundheitsreform statt Verschlimmbesserung der Strukturen und der Versorgung im österreichischen Gesundheitswesen jetzt!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch. Ich erteile dieses. – Bitte.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Zunächst bedanke ich mich für die breite Zustimmung, die Einstimmigkeit, wenn es um den Facharzt für Allgemeinmedizin geht. Ich halte das für ein wichtiges Signal auch der Berufsgruppe gegenüber. Ich kann Ihnen sagen, es macht einen Unterschied, ob derartige Dinge einstimmig beschlossen werden oder nicht, weil mit der Einstimmigkeit einfach dokumentiert wird: Es stehen parteiübergreifend alle dahinter.
Was damit geschaffen wird, ist eine Aufwertung des Berufsbildes der Allgemeinmedizinerin, des Allgemeinmediziners. Die Ausbildungsdauer wird angepasst, beträgt insgesamt fünf Jahre. Die Ärzt:innen erhalten Einblick auch in andere Fächer, etwa in die Innere Medizin oder die Kinder- und Jugendheilkunde, und sammeln in Lehrpraxen wertvolle Erfahrung.
Der Abstimmungsprozess ist auch mit den Fachgesellschaften erfolgt, und die sind alle froh und glücklich, dass das jetzt so zustande kommt.
Ich bedanke mich jedenfalls für die Zustimmung.
Zur Gesundheitsreform vielleicht insgesamt noch ein paar Bemerkungen, weil sie angesprochen worden ist: Ja, wir haben, auch entlang der Einzelfälle, die geschildert worden sind, natürlich Probleme in unterschiedlichen Feldern. Die sind aber nicht vom Himmel gefallen, sondern in den letzten 15 Jahren entstanden und sozusagen auf der einen Seite auch Auswirkungen der Komplexität des österreichischen Gesundheitssystems, das ist unbestreitbar. Ich hätte auch gerne eine Finanzierung aus einer Hand, doch die ist nicht zu bekommen, jedenfalls aktuell nicht, weil es dafür keine Zweidrittelmehrheit gibt.
Es ist schon eine Herausforderung in dieser Aufstellung mit der Sozialversicherung, den neun Bundesländern und dem Bund, da überhaupt Verbesserungen hineinzubekommen. Ich darf aber schon sagen – weil auch immer wieder gesagt wird: Na ja, es sollte die Sozialversicherung die Ärzte besser bezahlen, die Verträge anders gestalten! –: Jetzt gibt es überhaupt erstmals in der Geschichte der Republik 300 Millionen Euro pro Jahr für die Sozialversicherung. Das ist neu. Dass damit Leistungen angeboten werden können, die bisher nicht angeboten worden sind, dass damit die Voraussetzung geschaffen worden ist, einen einheitlichen Leistungskatalog hinzubekommen, dass der Gesamtvertrag zwischen der Ärztekammer und der Sozialversicherung verhandelt wird, ist nur möglich, weil es dieses Geld gibt.
Jetzt kann man sagen, das sei zu wenig. Was man aber dazusagen muss – und die Kritik kommt immer wieder –: Die Sozialversicherung bekommt über diese 300 Millionen Euro hinaus weitere 250 Millionen Euro für diverse Leistungen, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, abgegolten. Das heißt, in Summe ist es eine halbe Milliarde Euro, die dort hineinfließt. Das ist viel Geld. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Betreffend den Entschließungsantrag, den die FPÖ eingebracht hat: Es gibt ein paar Dinge, die auf den Weg gebracht sind – das muss ich auch dazusagen. Also ich bitte schon, zur Kenntnis zu nehmen – ich sage das auch in Richtung der Sozialdemokratie –, dass im Zuge dieser Gesundheitsreform erstens 1 Milliarde Euro pro Jahr mehr ins System kommt. Das ist enorm viel Geld: fünf Jahre lang, 5 Milliarden Euro zusätzlich. Auch in die Pflege kommt zusätzliches Geld hinein, mit dem es einfach darum geht, die Grundvoraussetzungen in der Versorgung zu verbessern.
Können wir das von heute auf morgen schaffen? – Nein. Sind die Voraussetzungen geschaffen, dass es besser wird? – Ja, die sind geschaffen, weil es endlich gelingen wird, Fehlentwicklungen, die wir haben, entgegenzuwirken, nämlich
einer zu starken Fokussierung auf die Spitalsambulanzen, einem durchaus vorhandenen Zwang hin zu Wahlärztinnen und Wahlärzten, weil das Angebot im niedergelassenen Bereich nicht ausreicht. Dieses wollen wir nun ausweiten.
Der Schlüssel zu einer Verbesserung des Systems entlang der Devise, es muss mit der E-Card möglich sein, Leistungen in Anspruch zu nehmen, und nicht mit der Kreditkarte, ist der Ausbau des niedergelassenen Sektors. Dafür gibt es Geld, dafür ist die Initiative geschaffen, dafür gibt es die Voraussetzungen. Für die zusätzlichen Kassenarztstellen gibt es achtmal so viele Bewerbungen, wie wir Plätze haben.
Wichtig ist auch – und das ist eine Erfolgsgeschichte –: Wenn die Bedingungen angepasst werden – und das haben wir bei den Primärversorgungszentren getan –, dann schlägt das auch ein. Ich mache es Ihnen anhand eines Beispiels deutlich: Die Primärversorgungszentren haben immer darunter gelitten, dass sie mit einer Vetomöglichkeit der Ärztekammer behaftet waren. Bei meinem Amtsantritt waren es 30 PVEs, die wir hatten. Dann haben wir letztes Jahr im Sommer das Gesetz geändert. Jetzt sind es 60, 30 weitere sind in der Pipeline. Das ist eine Erfolgsgeschichte. Damit wird die Versorgung deutlich verbessert, weil die Primärversorgungseinrichtungen erstens interdisziplinär arbeiten und zweitens Öffnungszeiten haben, die sich nicht auf einzelne Wochentage beschränken, sondern durchgängig auch tageszeitlich ausgeweitet sind, mitunter bis 21 Uhr. Da gibt es also deutliche Verbesserungen.
Die Frage der Versorgung mit Medikamenten ist eine, die uns in den vergangenen Wochen und Monaten intensiv beschäftigt hat. Wir haben Vorsorge bezüglich der Wirkstoffbevorratung und bezüglich der Ausweitung der Kompetenzen von Apotheken, was die magistrale Zubereitung angeht, getroffen, und es ist auf der europäischen Ebene ein Legislativakt in Vorbereitung, der das europäisch löst, denn ich kann Ihnen sagen: Österreich hat mit seinen acht Komma irgendetwas Millionen Einwohner:innen gar nicht die nötige Verhandlungsmacht den Pharmakonzernen gegenüber, um eine Versorgung zustande zu bekommen. Das geht sich nicht aus.
Das wird europäisch gelöst, in einen gemeinsamen europäischen Beschaffungsvorgang auch eingepreist, sonst geht sich das nicht aus. Die Botschaft ist eine klare: Es ist in der Gesamtaufstellung insbesondere bei den teuren Medikamenten notwendig, eine gemeinsame Vorgangsweise zu finden und eine Verhandlungskompetenz zustande zu bekommen, sonst bekommen wir das nicht hin.
Insgesamt gilt: Die Gesundheitsreform ist nicht das Ende der Veranstaltung, aber die Grundvoraussetzungen für die nächsten fünf Jahre sind gelegt, und die Bundes-Zielsteuerungskommission wird Ende April – das ist ein Schlüsseldatum – den Zielsteuerungsvertrag verabschieden. Das ist die Umsetzung und das Auf-den-Weg-Bringen der Dinge, die jetzt beschlossen worden sind, sowohl finanziell als auch gesetzlich, um die Verbesserung der Situation zustande zu bekommen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
12.30
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesminister.
Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. (Rufe bei der SPÖ: Doch!)
Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte. (Oh-Rufe bei der ÖVP.)
Herr Kollege Bundesrat Andreas Babler hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Andreas Babler, MSc (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Wir haben im Gesundheitsbereich einen großen Kraftakt vor uns, das ist uns allen bewusst. Wir haben einen Ärztemangel, wir haben einen Pflegepersonalmangel, wir haben mittlerweile auch oftmals einen Medikamentenversorgungsmangel, nicht nur bei Kinderantibiotikasäften.
Ich möchte mich gar nicht lange aufhalten, und ich möchte es auch relativ emotionslos machen und wenig parteipolitisch sehen. Ich glaube, wir sind uns
alle in dem Attest einig, dass wir viele Aufgabenstellungen in einem sehr komplexen Gesundheitssystem miteinander zu lösen haben. Ich glaube, wir sind uns auch einig, dass einiges ganz einfach schiefgegangen ist. Dass die Patientenmilliarde nicht da ist, ist Fakt. Die brauchen wir ganz dringend im System. Wir brauchen einfach ein Mehr an Finanzierung, deswegen danke ich auch meinem Kollegen Kovacs für diesen Entschließungsantrag.
Wichtig ist aber, darüber nachzudenken, welche Ansprüche wir eigentlich – ganz direkt gesprochen – an ein Gesundheitssystem haben. Das betrifft uns alle, weil wir alle in der Familie, in unserem Bekanntenkreis unsere Erfahrungen gemacht haben. Wir wissen, es gibt große Überlegungen, was eine Gesundheitsreform bedeutet. In dem Moment aber, in dem wir selber Schmerzen haben, in dem wir selber krank sind, in dem unsere Kinder, unsere Eltern, unsere Bekannten krank sind, wollen wir, dass zwei Dinge funktionieren. Erstens wollen wir, dass jemand abhebt und wir nicht in der Warteschleife sind, wenn wir zum Telefon greifen. Zweitens wollen wir, wenn jemand abhebt, dass wir nicht irgendwann, sondern zeitnahe einen Termin kriegen, weil wir jetzt krank sind, wir jetzt Schmerzen haben, unsere Kinder nicht in ein paar Monaten, sondern jetzt Behandlung brauchen.
Zeitgleich ist es in unserem System so, dass es manchmal schon schneller geht, wenn man einen Aufpreis zahlt. Dann kriegt man frühere Operationstermine – wir alle kennen diese Geschichten. Ich glaube, da geht es um den Grundanspruch an ein Gesundheitssystem, der uns alle eint, weil wir alle aus diesen Realitäten kommen.
Wir – ich ganz persönlich und auch die Sozialdemokratie – beschäftigen uns viel mit Gesundheitsthemen, mit einem sehr komplexen System. Ich habe erst gestern wieder in einer Runde mit Expert:innen, die aus der Gesundheitsökonomie, aus dem Ärztebereich, aus dem Pflegebereich kommen, die direkt am Bett stehen und aus diesen Realitäten kommen, darüber gesprochen. Die zeigen mir, es gibt verschiedenste Vorschläge. Ich bin schon einverstanden, wenn die manchmal von Ihnen kritisiert werden und zu Recht kritisiert werden. Wir
alle miteinander werden es aushalten, dass wir unterschiedliche Zugänge haben. Wir werden uns aber beispielsweise auf eines einigen können – und da appelliere ich vor allem an die Kolleg:innen von den Regierungsfraktionen, von der ÖVP und den Grünen –, sodass wir diesen ganz konkreten Vorschlag miteinander umsetzen können – auch Karl Nehammer hat ihn mittlerweile schon übernommen –: Ich appelliere, dass wir endlich diejenigen Bewerberinnen und Bewerber für ein Medizinstudium vorreihen, die sich verpflichten, zumindest eine Zeit lang im öffentlichen System zu dienen und Menschen zu versorgen. (Beifall bei der SPÖ.)
Das haben wir überprüfen lassen. Da hat es auch Skepsis gegeben. Vor einigen Wochen haben wir das Gutachten von der Arbeiterkammer bekommen, erstellt von Univ.-Prof. Karl Stöger, der bestätigt hat, dass das rechtlich möglich ist.
Ich möchte heute ganz dezidiert, wirklich ohne Parteigeplänkel, dem Bundeskanzler die Hand reichen, das jetzt noch, in dieser Legislaturperiode, vor den Wahlen zu beschließen. Da haben wir einen Auftrag, jedem einzelnen Menschen auch für die Zukunft mittel- und langfristig zu garantieren, dass wir mehr Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Bereich haben. Vielen Dank an alle Fraktionen im Bundesrat, wenn Sie unseren Initiativen die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.
Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Steinmaurer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Echte Gesundheitsreform statt Verschlimmbesserung der Strukturen und der Versorgung im österreichischen Gesundheitswesen jetzt!“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu
erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „das Versprechen der Patientenmilliarde für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung durch Umsetzung der Termingarantie endlich einlösen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Berufskrankheiten-Modernisierungs-Gesetz.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz, das Apothekerkammergesetz 2001 und das Gehaltskassengesetz 2002 geändert werden (3868/A und 2439 d.B. sowie 11427/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den
Bericht.
Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz, das Apothekerkammergesetz 2001 und das Gehaltskassengesetz 2002 geändert werden.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung:
Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile dieses. – Bitte.
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Zuschauer und Zuschauerinnen! Das Gesundheitssystem, und wir haben heute schon sehr oft und sehr viel darüber gesprochen, hat sehr, sehr viele Playerinnen und Player, von der Medizin selbst, von den Ärztinnen und Ärzten – am besten natürlich mit Kassenvertrag, möchte ich dazusagen – über die Pflege und das Personal in der Pflege, die Sanitäterinnen und Sanitäter, die Rettung bis zum medizinisch-technischen Personal, der Verwaltung und den Sozialversicherungen, und einem Teilbereich dieser wichtigen Player:innen in diesem System helfen wir heute sehr. Sie sind vor allem für uns im Bundesrat, wo wir sehr oft über die Entwicklung des ländlichen Raums diskutieren, besonders wichtig: die Apotheken.
Wir sprechen heute über die Apotheken. Es ist mir immer eine Freude, wenn ich zu einem Tagesordnungspunkt als Erster sprechen darf, weil ich dann ein bisschen zusammenfassen kann, worum es geht. Es geht um fünf wichtige Punkte, die wir jetzt beschließen und mit denen wir den 9,16 Millionen Österreicherinnen und Österreicher wahrscheinlich doch sehr helfen werden.
Erstens: Mit dieser Novelle ermöglichen wir den Apotheken eine Medikationsanalyse. Da denkt man sich natürlich: Was ist denn das? – Es geht hier darum, dass, wenn man die Übersicht über die Medikation von einzelnen Patientinnen und Patienten hat, man natürlich auch das Management zu diesen Medikationen besser bewerkstelligen kann. Wenn man den Apotheken diese Übersicht ermöglicht, werden sie ihre Kundinnen und Kunden besser beraten können. Das erhöht die Sicherheit, das erhöht die Effektivität dieser Therapien, und das ist einer der wichtigsten Punkte in dieser Novelle, die wir heute beschließen.
Zweitens: Wir ermöglichen den Apotheken das Point-of-Care-Testing. – Was ist das denn nun schon wieder, Point-of-Care-Testing? – Gemeint ist die patientennahe Durchführung von Laboruntersuchungen mit einfach zu bedienenden Messsystemen. Die Ermächtigung beinhaltet auch die Vornahme dieser Tests zur Probengewinnung durch die Blutentnahme aus den Kapillaren sowie die Abstrichnahme aus dem Nasen-Rachen-Raum.
Apotheken werden aber freilich keine Diagnosen erstellen – ich glaube, es ist ganz wichtig, auch das zu sagen –, das bleibt natürlich eine medizinische Aufgabe, wie auch Therapien zu verschreiben. Das wird in Apotheken nicht passieren. Aber wir ermöglichen es ihnen hiermit, solche Testungen durchzuführen.
Drittens: Wir verbessern für die Kunden den Zugang zu Apotheken zu den Randzeiten und helfen damit Menschen mit wenig Zeit oder zum Beispiel Pendlerinnen und Pendlern. Künftig soll es Apotheken ermöglicht werden, nach eigenem Ermessen über die verpflichtenden Kernöffnungszeiten hinausgehend
an Werktagen von Montag bis Freitag von 6 Uhr bis 21 Uhr und an Samstagen von 6 Uhr bis 18 Uhr offenzuhalten, wenn sie das wollen.
Viertens: Wir helfen auch nicht mobilen Menschen. Die Zustellung von Arzneimitteln an immobile Menschen, etwa in Alten- und Pflegeheimen oder in sonstigen Betreuungseinrichtungen, wird jetzt auch unabhängig von der Dringlichkeit ermöglicht. Auch das ist ein ganz wesentlicher Bestandteil dieser Novelle, die wir heute beschließen.
Fünftens: Wir helfen vor allem auch der Bevölkerung im ländlichen Raum mit zwei Maßnahmen. Dort werden jetzt unter strengeren Auflagen Arzneimittel an ausgezeichneten gesonderten Abgabestellen außerhalb der Stammapotheke abholbar werden. Aber auch die Schaffung von Filialapotheken wird erleichtert. So darf der Inhaber einer öffentlichen Apotheke nun bis zu drei Filialapotheken betreiben. Das ist besonders in Tälern, die sehr langgestreckt sind, von erheblichem Vorteil, wenn es nicht nur im Hauptort eine Apotheke gibt, sondern auch kleinere Filialapotheken innerhalb dieser Region möglich sind.
Meine Damen und Herren, wir werden das wahrscheinlich einstimmig heute beschließen. Davon gehe ich aus. Es ist ein wichtiger und schöner Schritt, mit dem die Gesundheitsversorgung in Österreich verbessert wird. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
12.44
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.
Als Nächster ist Herr Bundesrat Günther Ruprecht zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
Bundesrat Günther Ruprecht (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Schreuder hat es eigentlich sehr gut angemerkt: Als Erstredner hat man gewisse Vorzüge. – Du hast die fünf Punkte sehr gut herausgestrichen.
Ich bin sehr froh, dass du manche Punkte, sage ich jetzt einmal, nicht unbedingt einfach erklärt hast, sodass ich einige Dinge ergänzen kann.
In diesem Sinne Danke an alle Fraktionen für diese Einhelligkeit. Ich glaube, es ist sehr wichtig, über alle Parteigrenzen hinweg anzuerkennen, wie wichtig dieses Thema ist. Es geht hier um die Versorgungssicherheit und um eine Erweiterung im Gesundheitsbereich für die Österreicherinnen und Österreicher.
Dein Punkt fünf ist für mich der wesentlichste. Es ist ein großer Tag für den ländlichen Raum, für unsere Regionen, denn damit wird den Apotheken im ländlichen Raum mehr Flexibilität, mehr Beratung, mehr Service, mehr Kompetenz gegeben, nämlich für eine bessere Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum.
Ein wesentlicher Punkt ist, glaube ich, die Ausweitung der Öffnungszeiten. Die wurden von 48 auf 72 Stunden erweitert. Kollege Schreuder hat die künftig möglichen Öffnungszeiten an den unterschiedlichen Wochentagen schon erwähnt, sodass ich nicht darauf einzugehen brauche.
Aber ein wesentlicher Punkt sind auch die Kernöffnungszeiten von 36 Stunden. Die bleiben in den Regionen zur Verwaltung quasi in den Bezirksverwaltungsbehörden. Da gilt unser großer Dank unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Kolleginnen und Kollegen in den Bezirksverwaltungsbehörden, im öffentlichen Dienst, die natürlich einen höheren Aufwand haben werden, die aber – und das gehört einmal gesagt – eine großartige Arbeit leisten. Ein großes Dankeschön an die Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der ÖVP.)
Ein großer Wurf ist die Erweiterung der Kompetenzen, etwa betreffend Gesundheitstests. Speziell in Richtung FPÖ darf ich eines sagen – denn das wurde nicht erwähnt –: Die Durchführung der Coronatests wird zum Dauerrecht. Das freut uns besonders, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wie schon erwähnt wird nun die Blutentnahme aus der Fingerkuppe sowie die Abstrichnahme aus Nase und Rachen in Apotheken ermöglicht. Die Abgabestellen wurden bereits erwähnt. Was aber auch ein wichtiger Punkt dabei ist: Deren Tätigkeit wird auf 10 Wochenstunden begrenzt. Was auch wichtig ist: Wenn es vor Ort in der Gemeinde eine Hausapotheke oder eine Apotheke gibt, ist das natürlich nicht gestattet. Auch die Erweiterung, dass es pro öffentliche Apotheke nunmehr bis zu drei Filialapotheken geben darf, wurde erwähnt.
Sehr wichtig für die Versorgung ist natürlich auch die Zustellung der Arzneimittel in die Senioren- beziehungsweise Pflegeheime – ich glaube, da gibt es eine große Flexibilität – und natürlich auch für Patientinnen und Patienten, die nicht mobil sind. Da kann in Zukunft zugestellt werden. Auch dafür ein großes Dankeschön!
Apotheken sind ein wichtiger Teil der regionalen Gesundheitsversorgung. Sie sind quasi medizinischer Nahversorger und Beratungsstelle für die Patientinnen und Patienten. Das wird in Zukunft noch leichter werden, noch flexibler werden, noch kompetenter werden. Deswegen auch ein großes Danke an alle Fraktionen, die hier zustimmen! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
12.48
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.
Als Nächster ist Herr Bundesrat Christian Fischer zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Christian Fischer (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Unsere Fraktion wird dem Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz, das Apothekerkammergesetz 2001 und das Gehaltskassengesetz 2002 geändert werden, zustimmen.
Dieser Beschluss sieht vor, wie meine Vorredner schon gesagt haben – aber ich muss es erwähnen, sonst wird meine Rede zu kurz (allgemeine Heiterkeit) –, dass die maximalen Öffnungszeiten der Apotheken von 48 Stunden auf 72 Stunden pro Woche angehoben werden können, sprich: über die verpflichtenden Kernzeiten hinaus. So werden Apotheken künftig an Werktagen zwischen 6 Uhr und 21 Uhr und an Samstagen zwischen 6 Uhr und 18 Uhr offenhalten dürfen. Das ist natürlich gerade im urbanen Bereich sehr attraktiv. Als Beispiel darf ich hier Standorte in großen Einkaufszentren anführen, die von der Verbesserung durch dieses Gesetz mit Sicherheit profitieren werden.
Zusätzlich sollen Apotheken künftig einfache Gesundheitstests wie etwa Blutdruck- und Blutzuckermessungen oder Analysen von Harnproben anbieten können. Das ist ein enormer Mehrwert, besonders für die Bevölkerung im ländlichen Raum, wo keine adäquate hausärztliche Versorgung gegeben ist.
All dies löst aber keinesfalls das große Problem des Ärztemangels in Österreich. Da sehe ich enormen Handlungsbedarf. Ich verweise auf meine letzte Rede im Bundesrat, in der ich thematisiert habe, dass im Bezirk Scheibbs seit bereits über zwölf Jahren eine offene Vertragsstelle für Allgemeinmedizin ausgeschrieben wird und dass es etwa in meinem Heimatbezirk Lilienfeld seit acht Jahren keinen Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde sowie keinen Facharzt für Urologie gibt.
Positiv hervorzuheben ist, dass es Apotheken zukünftig ermöglicht wird, Abgabestellen mit eingeschränktem Angebot und eingeschränkten Öffnungszeiten zu betreiben, wenn es in ihrem Versorgungsgebiet Ortschaften ohne eigene Apotheke oder ärztliche Hausapotheke gibt. Da wurde endlich eine entsprechende Lösung für unterversorgte Gemeinden gefunden. Meine Bundesratskollegin Bettina Lancaster wird diese Variante für ihre Gemeinde in Anspruch nehmen, und das ist gut so. (Beifall bei der SPÖ.)
In diesem Zusammenhang muss ich aber feststellen, dass die beste Abgabestelle für Medikamente nichts nutzen wird, wenn es immer wieder zu Medikamentenversorgungsengpässen kommt. Die Versorgung mit lebensnotwendigen Medikamenten ist zu wichtig, um sie dem Zufall oder China zu überlassen. Derzeit sind fiebersenkende Präparate für Kinder wieder Mangelware. Deshalb fordern wir die Garantie für eine entsprechende Versorgung. Dazu muss die Produktion wieder verstärkt nach Europa, bestenfalls nach Österreich verlagert werden. Nur so werden wir unabhängig vom chinesischen Markt. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
12.51
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.
Als Nächster ist Bundesrat Günter Pröller zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucher hier im Saal und vor den Bildschirmen! Meine Vorredner haben es bereits erwähnt: Es geht einerseits darum, die Öffnungszeiten für Apotheken auf 72 Stunden pro Woche auszuweiten, eben besonders an den Tagesrandzeiten, zum Wochenende hin. Damit – es ist schon angesprochen worden – unterstützen wir vor allem die Menschen im ländlichen Raum. Daher begrüßen auch wir diese Novelle, weil uns die Öffnungszeiten und auch die Zustellungsmöglichkeiten wichtig sind.
Gerade weil in diesem Bereich Onlineapotheken immer präsenter werden, ist es gut, dass man in Zukunft mehr auf regionale Apotheken setzt, denn einerseits weiß man in den Apotheken vor Ort am besten, was wir benötigen, und vor allem bieten sie Originalprodukte an.
Die Apotheken sind neben dem Hausarzt oft die ersten Ansprechpartner für den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen. Täglich sind es über 400 000 Kundinnen und Kunden, die die Apotheken besuchen. Damit leisten die Apotheken einen wesentlichen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten.
Zusätzlich werden die Apotheken künftig auch einfache Gesundheitstests wie etwa Blutdruck- oder Blutzuckermessungen oder Analysen von Harnproben und vieles mehr anbieten können. Das Gesamtpaket – auch wesentlich für uns – ist mit der Standesvertretung abgestimmt worden, daher unterstützen wir auch diesen Antrag. Ich würde aber dringend ersuchen, all das zu begleiten und zu evaluieren, um zu schauen, ob es sich auch tatsächlich so bewährt, wie man es sich jetzt vorstellt. (Beifall bei der FPÖ.)
Geschätzte Damen und Herren, Herr Minister, wir haben das auch von den Vorrednern gehört: Es gibt in Österreich eine ganze Reihe von weiteren Problemstellungen – Mangel an Ärzten, an Pflegepersonal, an Medikamenten – und es wird uns als Gesellschaft über kurz oder lang massiv treffen – teilweise ist es ja schon der Fall –, wenn sich nichts wesentlich ändert.
Die Bundespolitik läuft seit vielen Jahren einer Krise nach der anderen nach, die sie aber teilweise selbst verursacht hat. Vor allem die Coronamaßnahmen der Bundesregierung haben klar gezeigt, wie schlecht es um unser Gesundheitssystem tatsächlich bestellt ist, und die Auswirkungen betreffen, wie wir heute schon gehört haben, vor allem die Jugendlichen.
Experten sagen, dass es eigentlich eine Verdoppelung der stationären Betten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie braucht und dass man im vergangenen Jahr dreimal so viele Patienten wie vor der Pandemie nach Suizidversuchen versorgt hat. Wilhelm Marhold warnt mit drastischen Worten: „Es vergeht kein Tag, an dem nicht Mängel im österreichischen Spitalswesen in den Medien aufscheinen. […] Wenn wir so weitermachen wie bisher, fährt das System an die Wand.“ Oder der Geschäftsführer der SOS-Kinderdörfer: „Wir haben es aktuell mit einer
dramatischen Lage zu tun, in der es viel zu wenige Kassenplätze gibt [...]. Vor allem bei der psychosozialen Versorgung spitzt sich die Situation besonders zu!“
Das ist die Realität in unserem Gesundheitssystem, und da sind die Medikamentenengpässe noch gar nicht dabei. Leider werden aus Kostengründen die Medikamente, wie bereits erwähnt, nicht mehr in Europa, sondern in China oder Indien hergestellt. Daher leiden wir immer wieder an der mangelnden Versorgungssicherheit im Bereich der Medikamente.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Bundesräte Pröll und Kollegen daher nachstehenden Antrag:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket zur Beseitigung der Medikamentenengpässe“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgendes Maßnahmenpaket zur Beseitigung der Medikamentenengpässe beinhaltet:
1. Neuerstellung der Verordnung zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung.
2. Erleichtern der Abgabe- und Verrechnungsbestimmungen für Apotheken
a. Abgabeerlaubnis von gleichwertigen Arzneimitteln – notfalls auch in anderer Stärke und Stückzahl, sofern eine verordnete Therapie damit durchgeführt werden kann UND die verordneten Arzneimittel nicht verfügbar sind.
b. Erlaubnis der magistralen Rezeptur erweitern.
c. Sicherstellung der Kostenübernahme in den oben genannten Fällen durch die SV (wie in Deutschland seit 2020!)
3. Festlegung einer ‚Liste essenzieller Arzneimittel‘, wobei die Arzneimittel-Großhändler eine Lagerreichweite von drei Monaten haben müssen, sowie im Gegenzug Einführung einer Aufwandsentschädigung für den Großhandel und Einführung einer Belieferungspflicht an den vollsortierten Großhandel.
4. Evaluierung der österreichischen Arzneimittel-Preise und Arzneimittel-Spannen sowie eine automatische Aufhebung des Höchstpreises bei versorgungsrelevanten Lieferengpässen.
5. Schaffung eines Anreizsystems bei der Preisfestlegung von Arzneimitteln, in dem hohe europäische/österreichische Fertigungstiefe bei Arzneimitteln auch finanziell belohnt wird und dadurch Investitionsanreize für eine europäische Produktion gesetzt werden.“
*****
Werte Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie diesem Entschließungsantrag zu!
Zum Schluss möchte ich mich bei allen Apothekern für ihre ausgezeichneten Dienstleistungen bedanken. Bleiben Sie gesund! (Beifall bei der FPÖ.)
12.57
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Der von den Bundesräten Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Maßnahmenpaket zur Beseitigung der Medikamentenengpässe“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Bundesminister Johannes Rauch. Ich erteile ihm dieses.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte!
Zunächst auch hier wieder vielen Dank für die breite Zustimmung zu dieser Änderung des Apothekengesetzes!
Die Eckpunkte sind dargelegt worden, die beiden wichtigsten sind wohl die Möglichkeit der Ausweitung der Öffnungszeiten werktags zwischen 6 Uhr und 21 Uhr und samstags zwischen 6 Uhr und 18 Uhr. Das wird wirken, wie auch eben die Möglichkeit, im ländlichen Raum über Abgabestellen ein Angebot zu schaffen, wo es mit einer Vollapotheke nicht da ist. Das kann ausgeweitet werden, das wird auch helfen, meine ich, im ländlichen Raum das Angebot zu verbessern.
Da jetzt mehrfach auch die Versorgung mit Medikamenten und was denn da alles notwendig wäre, angesprochen wurde, vielleicht doch noch ein paar Ausführungen dazu:
Erstens, weil ja die Rede davon war, dass wir die Versorgung wieder nach Europa oder nach Österreich zurückholen sollten: Wir haben das Glück, in Kundl einen Hersteller zu haben, der europaweit am meisten Antibiotika herstellt und auch in Krisenzeiten in der Lage ist, die Versorgungsleistung aufrechtzuerhalten. Dass wir das wertschätzen, davon zeugt auch die Tatsache, dass die österreichische Bundesregierung für die Erweiterung dieses Werks 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat. (Bundesrat Schennach spricht mit Bundesrätin Grimling.) – Herrn Schennach interessiert es nicht? – Kann sein. Die österreichische Bundesregierung hat, wie gesagt, 50 Millionen Euro für die Erweiterung dieses Werks zur Verfügung gestellt. Das war notwendig, und jetzt in der Folge, nachdem das von der Europäischen Union freigegeben worden ist, ist das Unternehmen bereit, 500 Millionen Euro in diesen Standort zu investieren, und tut es auch. Das ist die beste Standortpolitik und Vorsorgepolitik, die wir machen können.
Was die Versorgung insgesamt in Europa angeht: Wir haben – auch das ist gesagt worden – die Bevorratungsverordnung abgeändert, nämlich dahin gehend,
dass dort Medikamente, die einem besonderen Mangel unterliegen, auch aufgelistet sind. Das ist eine Verordnung, die auch von der Europäischen Union jetzt sozusagen genehmigt werden muss. Die ist dort auf dem Weg.
Wir haben im Erstattungskodex auch Anpassungen vorgenommen, um die Situation bei den niedrigpreisigen Medikamenten zu verbessern. In der Preisgestaltung und der Rentabilität gibt es einen veritablen Unterschied zwischen niedrigpreisigen Medikamenten, wo wir ein Problem haben, weil die Spannen mittlerweile so gering geworden sind, dass sich die Produktion und der Vertrieb kaum mehr lohnen, und den hochpreisigen Medikamenten. Das muss, finde ich, auch unterschieden werden. Ich stehe nicht an, zu sagen, dass wir bei den niedrigpreisigen Medikamenten ein Thema haben.
Bei den hochpreisigen schaut es anders aus. Welche sind das? – Es sind insbesondere Medikamente, die für die Krebsbehandlung, für seltene Erkrankungen notwendig sind. Bei diesen ist die Preisdynamik eine unfassbar steile und hohe. Wir haben da in den letzten zehn Jahren Preissteigerungen von bis zu 5 000 Prozent zu verzeichnen. Das ist auch jenes Segment, wo die höchsten Gewinne zu Hause sind. Über die Gewinnspannen der Pharmaunternehmen mag ich mich jetzt nicht weiter auslassen, das würde nämlich zu weit führen.
Das ist aber der Grund – da möchte ich jetzt noch einen Einschub machen –, warum wir das Bewertungsboard installiert haben. Das Bewertungsboard, das jetzt eingeführt wird, ist keine Maßnahme, um zu verhindern, dass Menschen zu Medikamenten kommen. Die Letztentscheidung trifft immer der Arzt oder die Ärztin, alles andere ist eine Fehlinformation. Es gibt auch kein Weisungsrecht der Kommission gegenüber den Ärztinnen und Ärzten, nur ein bestimmtes Medikament verwenden zu dürfen, und die Einzigen, die ein Interesse daran haben, dass es dieses Bewertungsboard nicht gibt, sind die Pharmaunternehmen.
Alle anderen sollten das begrüßen. Warum? – Weil wir jetzt die Situation haben, dass jedes Landesspital für sich selber die Medikamentenbeschaffung für diese
Medikamente macht, und alle glauben, sie haben den besten Vertrag mit der Pharmaindustrie. Die Verträge sind nicht transparent, sie unterliegen der Geheimhaltung. In Zukunft wird das so gestaltet sein, dass wir wissen werden, welche Medikamente am Markt verfügbar sind und was sie kosten, und sie können vom Bodensee bis zum Neusiedler See angeboten werden. Das schafft Transparenz, das schafft Nachvollziehbarkeit und das ist der Sinn des Bewertungsboards, genau darum haben wir es geschaffen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesminister.
Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Maßnahmenpaket zur Beseitigung der Medikamentenengpässe“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.
9. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitsreformmaßnahmen-Finanzierungsgesetz geändert wird (3813/A und 2441 d.B. sowie 11420/BR d.B. und 11428/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitsreformmaßnahmen-Finanzierungsgesetz geändert wird.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:
Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile dieses.
Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Ich begrüße auch den Herrn Minister, oder soll ich sagen: Hallo Mäuse, hier ist der Gesundheitsminister eurer Träume!? Das ist ein
bekanntes Tiktok-Video (Bundesrätin Schumann: Was?) – ich glaube, es ist eh nicht mehr online –, in dem er darauf hinweist, den „Impfjuice“ zu „checken“, und vor „goofy Zecken“ warnt. – Ja, Sie haben es wahrscheinlich gut gemeint, aber schlecht gemacht. Die Medien bringen es auf den Punkt: fremdschämen oder peinlich. (Beifall bei der FPÖ.)
Das Thema Impfung ist eh schon sehr oft angesprochen worden. Ich kann es nachvollziehen: Sie wollen die Impfquote erhöhen. Es ist aber jedenfalls ein Ergebnis Ihrer Coronapolitik (Bundesrätin Schumann: Nein!), dass das Vertrauen vor allem in die Bundesregierung, aber teilweise auch in Impfungen gesunken ist. (Bundesrätin Schumann: Da habt ihr schon was dazu getan! – Bundesrat Schreuder: Es geht jetzt um die Prep!)
Obwohl es viele notwendige und sichere Impfstoffe gibt – einige sind angesprochen worden; ob jene gegen Masern, Kinderlähmung, auch gegen den tragischen Fall von Keuchhusten oder die HPV-Impfung (Bundesrat Schreuder: Es geht jetzt nicht um Impfungen in diesem Tagesordnungspunkt!) –, ist es jedenfalls so, wie wir schon gesagt haben: Vor allem die Kinder und Jugendlichen waren die Betroffenen der Maßnahmen und Versäumnisse des Gesundheitsministers.
Wie ich in der letzten Rede angesprochen habe, ist die Situation der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sehr alarmierend, daher sage ich: Bevor Sie solche Tiktok-Videos machen, kümmern Sie sich lieber um die betroffenen Jugendlichen und Kinder! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Grossmann.)
Zum Tagesordnungspunkt: Basierend auf internationalen Ergebnissen zum Nutzen der Medikamente, zu HIV-Präventionsmaßnahmen, zur Prophylaxe – kurz Prep genannt – soll zur finanziellen Entlastung betroffener Personen ein Zuschuss zu den antiviralen Medikamenten zur Prävention einer Infektion mit HIV gewährt werden. Der Bund leistet eine Finanzierung von 5 Millionen Euro an die Dachverbände, und diese Mittel werden durch den Dachverband an die Träger der Krankenversicherungen verteilt.
Arzneimittel zur Prophylaxe stellen keine Krankenbehandlung dar, da diese ja zu einem Zeitpunkt angewendet werden, zu dem die Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nicht besteht. Ich halte es für notwendig, dass dieser Zugang geschaffen wird, man sollte sich aber auch an Vereinbarungen halten. Krankenversicherte Personen werden ab 1. April einen Zuschuss von maximal 60 Euro zu den tatsächlichen Kosten erhalten. Insgesamt betroffen sind ungefähr 3 000 Menschen in Österreich, die von dieser Aktion profitieren würden.
Was wir jetzt aber bekommen, ist erstens eine Lösung, die nicht mit den Versicherungsträgern akkordiert wurde, und zweitens ist es so, dass die Finanzierung nicht aus dem Topf für die zusätzlichen Kassenstellen, sondern direkt aus Bundesmitten kommt. Daher die Frage: Wie erklären Sie, dass Sie die Kosten für dieses Medikament aus dem Bundesbudget übernehmen, die Patienten aber zum Beispiel die Vorsorge gegen Hepatitis, die genauso übertragbar ist, selbst bezahlen müssen?
Herr Minister, ich ersuche Sie: Nehmen Sie sich neben der Jugend vor allem auch der von den Coronamaßnahmen betroffenen und impfgeschädigten Österreicher an! Die Impfgeschädigten werden oftmals nicht ernst genommen, im Stich gelassen, und man glaubt ihnen schlicht und ergreifend nicht. (Beifall bei der FPÖ.)
Für uns, die FPÖ, ist klar: Die Odyssee der Impfgeschädigten muss endlich beendet werden. Die Betroffenen gehören endlich unterstützt.
Geschätzte Damen und Herren! Liebe Jugendliche! Am 9. Juni beziehungsweise bei der Nationalratswahl Ende September haben Sie die Möglichkeit, diese Bundesregierung abzuwählen. Die Regierung hat das Urvertrauen verspielt. Wählen Sie Zuversicht, Normalität und Sicherheit: die FPÖ und einen Volkskanzler Kickl! (Beifall bei der FPÖ.)
13.08
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile dieses.
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Herzlich willkommen im Bundesrat! Es gibt in Sachen Aids und HIV zwei wirkungsvolle Mittel, die schützen und helfen. Eines dieser Mittel, und auch das muss man bei aller Wertschätzung für Medikamente immer wieder betonen, ist und bleibt das Kondom. Ich kann allen Menschen nur raten, ein Kondom zu verwenden, wenn sie sich unsicher sind.
Zusätzlich gibt es aber eben ein zweites Mittel, nämlich ein Medikament, das eine prophylaktische Möglichkeit bietet, sich vor HIV und Aids zu schützen, und das ist die Prep. Herr Kollege Pröller, da es sich um ein prophylaktisches Medikament handelt, finanziert der Bund das den Krankenkassen, weil es ja tatsächlich so üblich ist, dass prophylaktische Medikamente nicht bezahlt werden, damit – und jetzt kommt der wesentliche Punkt – der Zugang zu diesem prophylaktischen Medikament keine Frage des Einkommens ist. Deswegen finde ich es sehr schade, dass Sie dagegenstimmen. Sie sind so gerne die Partei des kleinen Mannes, aber in diesem Fall wollen Sie, dass ärmere Menschen sich dieses Medikament nicht leisten können, und da bin ich vehement dagegen. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Eder.)
Da wir im Bundesrat sind, möchte ich natürlich auch meine Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass die Länder, in denen es eine eigene Sozialversicherung gibt – denken wir an die KFA Wien –, da mitziehen und auch ihren Versicherten die Möglichkeit geben werden, sich an diesen Maßnahmen zu beteiligen. Beim Finanzausgleich mit den Ländern sind diesen erhebliche Steuermittel zur Verfügung gestellt worden, da gibt es einen dicken, fetten Präventionstopf, und ich hoffe, dass zum Beispiel auch die Versicherten der KFA Wien demnächst eine Gratis-Prep bekommen.
Erlauben Sie mir aber auch, meine persönliche Freude zum Ausdruck zu bringen, denn als jemand, der in seiner Jugend, so in den späten Achtzigerjahren, sein Coming-out als schwuler Mann hatte, gehöre ich der Generation Aids an. Ich war als Jugendlicher zum Glück in einer sehr guten Schule mit einer sehr guten Aufklärungsstunde, was in den Achtzigerjahren nicht selbstverständlich war. In unserer Schule war das ganz toll. Ich möchte explizit die Tourismusschule Bad Ischl und den damaligen Direktor, der damals für alle Schülerinnen und Schüler Aufklärungsstunden machte, erwähnen.
Ich gehöre einer Generation an, die, noch bevor sie Sexualität erleben durfte, lernen musste, dass diese gefährlich ist, dass sie, wenn man nicht aufpasst, sogar tödlich sein kann. Das ist nicht sehr schön, so kommt man nicht gut ins Leben in seiner Pubertät.
Ich habe die Anfänge nicht ganz erlebt, dafür bin ich zu jung, und ein paar Jahre können da schon einen großen Unterschied machen. In dieser Zeit war aber auch eines interessant: Durch die Aids-Krise der Achtzigerjahre war die Politik zum allerersten Mal gezwungen, auch Leute aus der Community als Expertinnen und Experten wahrzunehmen und mit ihnen Gespräche aufzunehmen. Zum allerersten Mal gab es politische Partizipation.
Neu war, als ich 1988 nach Wien kam, auch – daran kann ich mich sehr gut erinnern –, dass man sich zum ersten Mal die Frage stellte: Wie ist das eigentlich, wenn du stirbst, wer erbt dann alles? Ich möchte daran erinnern, dass es damals gar keine Partnerschaftsregelungen gab, dass es ein Auskunftsverbot für Lebensgefährten gab, weil man im Gesetz in Österreich nicht existierte. Das kann man sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen. Da war man jahrzehntelang mit jemandem zusammen, und wenn dieser Mensch ins Spital kam, hat man null Auskunft bekommen, wenn man Pech hatte, durfte man ihn nicht einmal besuchen. Dadurch stellten sich eben solche rechtlichen Fragen, und so ist auch ein extremer Schub in der Diskussion, wie wir eine rechtliche Gleichstellung schaffen, entstanden.
Ich kam 1988 nach Wien. Mein Studentenjob war in der Community, ich habe in einem Lokal gearbeitet. Wenn ich mich daran zurückerinnere: Schwule Männer starben wie die Fliegen. Sie starben und starben und starben. Man konnte eigentlich jede Woche auf ein Begräbnis gehen. Ich kann noch viele beim Namen nennen und manche kann ich nicht einmal mehr beim Namen nennen, aber diese Erinnerung macht mich heute noch sehr betroffen.
Wir haben es der medizinischen Forschung – der vielgescholtenen Forschung, liebe FPÖ – zu verdanken, dass es seit 1996 eine Therapie gibt, die HIV-positiven Menschen ein Leben, ein gesundes Leben ermöglicht. Seit 1996 starben die Menschen nicht mehr. Meine Freunde und Freundinnen, die sich schon in den Achtzigerjahren angesteckt haben, leben heute noch und sie leben gesund. Ein Nachteil war natürlich, dass dann das Bewusstsein zu dieser Krankheit etwas abgenommen hat und sozusagen das Gefahrenpotenzial unterschätzt wurde.
Seit 2016 ist die Prep auch in der Europäischen Union zugelassen. Nur zur Erklärung: Was heißt Prep? – Prep ist eine Abkürzung für die Präexpositionsprophylaxe, also eine Prophylaxe für die HIV-Ansteckung. Ich bin übrigens einer der 3 000 Menschen, welche die Prep nehmen, ich kann mich hier ja mal outen. Ich kann dazu auch sagen, dass für alle, die in einer Partnerschaft leben, in der ein Partner HIV-positiv und der andere HIV-negativ ist, die heute zu beschließende Maßnahme ungeheuer erleichternd und entspannend ist, weil es keine Frage mehr ist, ob man es sich leisten kann oder nicht.
Ich musste ein Coming-out mit dem Wissen, dass Intimität gefährlich sein kann, erleben und ich würde mich freuen, wenn wir eine nächste Generation hätten, die Aids und HIV vielleicht nur noch aus den Geschichtsbüchern kennt. Die Prep ist eine Chance, sie kann wesentlich dazu beitragen. Das ist ein ganz, ganz wesentlicher Schritt. Ich kann alle Menschen, die sich bis heute die Prep nicht leisten konnten, nur bitten: Geht zu einem Experten, einer Expertin, geht zu eurem Arzt oder eurer Ärztin und lasst euch beraten!
Ich bin ja schon sehr lange mit diesem Thema beschäftigt, der Herr Minister und ich hatten ja diesbezüglich auch schon das eine oder andere Gespräch, und ich möchte mich bei allen, die das heute ermöglichen, wirklich ganz herzlich bedanken: bei allen NGOs, bei allen Aids-Hilfen in Österreich. Ich möchte auch ganz explizit meiner Kollegin Ewa Ernst-Dziedzic, die heute gesagt hat, dass sie nach der Wahl nicht mehr dabei sein wird, danken; sie hat sich sehr dafür eingesetzt. Ich möchte mich allerdings auch ganz herzlich bei Mario Lindner bedanken. Beide sind ja ehemalige Bundesräte, das ist also schon ein guter Ort hier.
Ich möchte mich bei allen und natürlich vor allem auch bei Bundesminister Rauch dafür bedanken, dass es nach all den Jahren und Forderungen heute passiert. Es ist ein erfreulicher Tag, aber es ist nichts zum Feiern, weil HIV, weil Aids noch in der Gesellschaft vorhanden ist. Es ist noch immer da. Das ist eine Möglichkeit, dass diese – Entschuldigung, dass ich das sage, aber ich habe so viele Freunde daran verloren – beschissene Krankheit verschwindet. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
13.17
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. Ich erteile dieses.
Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Mit dem heutigen Beschluss des Gesundheitsreformmaßnahmen-Finanzierungsgesetzes nehmen wir Geld in die Hand, um einer Krankheit vorzubeugen, die in den 1980er-Jahren zum ersten Mal erkannt wurde und die oft nur bekannt wurde, weil berühmte Persönlichkeiten an ihr, an Aids, erkrankt sind. Allein in Österreich sind zurzeit circa 8 000 Menschen an Aids erkrankt. Die Prophylaxe wird für 3 000 Menschen eingesetzt. Ich glaube, es ist eine sinnvolle Investition, um Menschenleben zu schützen.
Auf der anderen Seite wissen wir ganz genau, dass dadurch, dass Aids nicht mehr tödlich ist, die Leichtsinnigkeit bei den jungen Menschen wieder viel mehr in den Vordergrund gerückt ist. Daher ist es, wie schon mein Kollege gesagt hat, wichtig, dass man Maßnahmen ergreift, um sich selbst, aber auch den Partner zu schützen.
Ich bedanke mich auch bei unserer Fraktionsobfrau dafür, dass sie mich heute als Redner eingeteilt hat, denn ich habe über die Krankheit Aids vieles nachgelesen und darüber mehr erfahren, als ich vor meiner Rede wusste. In diesem Sinne: Wir werden diesem Gesetzesvorschlag zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
13.18
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Arpa. Ich erteile dieses.
Bundesrätin Mag.a Claudia Arpa (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zusehende! Geschätzter Herr Minister! Dieser Tagesordnungspunkt ist ja interessant, wir haben mittlerweile schon einen historischen Aufriss dazu, wie diese Krankheit sich in unserer Gesellschaft verbreitet hat, bekommen. Ich danke erst einmal meinen Vorrednern recht herzlich, weil es ja wichtig ist, dass wir uns dieses Themas annehmen. Es geht da um Vorsorge, es geht auch um Finanzierung, aber – darauf möchte ich später noch kurz eingehen – es geht ja auch um eine Ungleichbehandlung von Versicherten und aus meiner Sicht ein Stück weit um gesellschaftliche Verantwortung.
Eine der wegweisendsten Entwicklungen in der HIV-Prävention war ja die Einführung von Prep, das haben meine Vorredner ja bereits gesagt. Prep ist ja ein Medikament, das von Menschen, die kein HIV haben, eingenommen wird, um das Risiko zu reduzieren. Das betrifft eben Menschen mit erhöhtem Risiko – und
soweit ich das weiß, erkranken im Schnitt 400 Menschen im Jahr in Österreich an dieser Infektion. Die Übernahme dieser Kosten ist ein wichtiger Schritt für die Vorsorge, zudem bedeuten dieser kostenfreie Arzttermin und der dreimonatliche Check-up eine gute Versorgung, um auch andere sexuell übertragbare Krankheiten früh genug zu erkennen.
Mit Prep haben wir ein Medikament zur Verfügung, das nachweislich vor Ansteckung schützt. Das ist an sich sehr positiv, man hätte aber die Gratis-Prep aus unserer Sicht deutlich besser umsetzen können, denn Gesundheit und präventive Maßnahmen können ja nicht von der Brieftasche abhängen. Kollege Schreuder hat vorhin schon erklärt, es ist gratis. Ja, so könnte man das auch sagen, aber man muss die 60 Euro vorstrecken können – und manche vulnerablen Gruppen können das nicht.
Wie schaut die Finanzierung aus? – Das wurde vorhin auch schon ein Stück weit angesprochen. Der Bund stellt 5 Millionen Euro zur Verfügung. Der Zuschuss beträgt maximal 60 Euro für das Medikament und 25 Euro für die Beratung, und abgewickelt wird das Ganze von den Krankenkassen.
Nun sollte man aber meinen, dass alle Versicherten mitgemeint sind. Nein, das ist nicht der Fall! Leider sind 190 000 Versicherte von dieser Regelung ausgenommen. Das betrifft die KFA und die KFG – also Beamte, Gemeindebedienstete oder auch Landeslehrer. Im Sinne der Gleichstellung, sage ich, sollte dieser Gesetzentwurf so schnell wie möglich angepasst werden, damit all jene, die eine HIV-Prävention brauchen, auch eine bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)
Schließlich ist jede Erkrankung eine zu viel – und es kann nicht davon abhängen, welche Krankenkasse man hat. Es wurde vorhin schon gesagt: Wir sollten als Gesellschaft auch sicherstellen, dass die Prep für alle zugänglich ist, unabhängig von ihrem Einkommen, ihrer Herkunft, ihrem sozialen Status und eben den genannten Versicherungsträgern.
Abschließend möchte ich mich auch noch recht herzlich bei allen Beteiligten bedanken, vor allem bei den Kollegen im Nationalrat, die an der Umsetzung gearbeitet haben. Mein besonderer Dank gilt auch der Geschäftsführerin Andrea Brunner, die mit ihrer Expertise immer wieder gute Inputs gegeben hat; und natürlich sage ich auch ein Dankeschön an Herrn Minister Rauch, der das relativ schnell aufgegriffen und auch umgesetzt hat.
Mit dieser Maßnahme werden wir dem Ziel ein Stück weit näherkommen, die HIV-Ansteckungen in Österreich bis 2030 zu beenden. In diesem Sinne: Herzlichen Dank – und wir stimmen natürlich zu! (Beifall bei der SPÖ.)
13.22
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Johannes Rauch. Ich erteile ihm dieses.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Zum Thema selbst, finde ich, hat Bundesrat Marco Schreuder eigentlich alles gesagt, was zu sagen ist, und zwar sehr kompetent, sehr eindringlich und sehr nachvollziehbar. Wir machen damit einen Schritt Richtung Vorsorge, den ich für wichtig halte – und ich schließe mich dem Dank an. Das war eine Initiative, die wesentlich von Mario Lindner mitgetragen wurde – das muss man auch dazusagen, das habe ich auch im Nationalrat so gesagt. Dafür ist ihm zu danken.
Ich möchte jetzt aber auch die Gelegenheit nutzen, noch auf zwei Dinge einzugehen, die schon diskutiert worden sind. Zum Vorschlag des Bundesrates Andreas Babler, bestimmte Studienplätze für den öffentlichen Gesundheitsdienst zweckzubinden: Das ist bereits in der Bundes-Zielsteuerungskommissionssitzung im Dezember beschlossen worden. Ich möchte das noch ein bisschen ausführen,
weil das damals auch von Landeshauptmann Peter Kaiser ausdrücklich begrüßt worden ist.
Es gibt die Möglichkeit, insgesamt 85 Studienplätze, die auch nach dem Bevölkerungsschlüssel auf die Bundesländer aufgeteilt sind, damit da niemand zu kurz kommt, für den öffentlichen Gesundheitsdienst, die Polizei und auch das österreichische Bundesheer zweckzuwidmen – also das ist bereits auf dem Weg.
Der zweite Punkt, auf den ich gerne eingehen möchte, ist die Frage der Impfschäden. Das ist mir nämlich wichtig, weil da offensichtlich mit Zahlen oder mit Vermutungen operiert wird, die weit jenseits dessen sind, was der Realität entspricht. Es wurden in Österreich in Summe seit Beginn der Pandemie etwa 21 Millionen Covid-Impfungen verabreicht. Es wurden insgesamt 2 381 Anträge nach dem Impfschadengesetz eingebracht, und ich bin die dafür zuständige Stelle im Ministerium – 2 381 Anträge bei einer Gesamtzahl an Impfungen von 21 Millionen! Davon sind insgesamt 395 anerkannt worden. Das sind die wahren Zahlen, und ich bitte, endlich mit der Propaganda aufzuhören, dass die Covid-Impfung für Hunderttausende von Impfschäden oder gar für Tausende von Toten verantwortlich ist – und das macht Kollege Hauser im Nationalrat fortlaufend. Das ist schlicht und einfach falsch.
Ein Zitat, das in diesem Zusammenhang auch noch gut anzubringen ist: Das Wesen und der Zweck von Fehlinformation ist nicht die Lüge, es ist die Provokation; und das ist verantwortungslos. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesminister.
Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Tiergesundheitsgesetz 2024 erlassen wird sowie das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Tierarzneimittelgesetz, das Tierärztegesetz und das Kontroll- und Digitalisierungs-Durchführungsgesetz geändert wird (Veterinärrechtsnovelle 2024) (2433 und Zu 2433 d.B. und 2445 d.B. sowie 11429/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Tiergesundheitsgesetz 2024 erlassen wird sowie das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Tierarzneimittelgesetz, das Tierärztegesetz und das Kontroll- und Digitalisierungs-Durchführungsgesetz geändert wird.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:
Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Doppler. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Herr Vizepräsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Redebeitrag möchte ich unsere Ablehnung – seitens der Freiheitlichen – gegenüber dieser Veterinärrechtsnovelle zum Ausdruck bringen und möchte das auch ganz gern begründen. Dieser Gesetzentwurf, der wieder einmal mehrere Gesetze beinhaltet, wirft schon ernstliche Bedenken auf.
Ich meine, in einem Punkt sind wir uns ja alle einig: Die Förderung von Tiergesundheit ist zweifellos für uns alle von großer Bedeutung. Durch diese Novelle werden aber doch weitreichende Änderungen vorgeschlagen, die unverhältnismäßige Belastungen für Tierhalter, Landwirte und Tierärzte bringen. Wenn man sich das anschaut, sieht man, dass die Komplexität und der Umfang der vorgeschlagenen Änderungen Raum für Unsicherheiten lassen und letztlich zu erheblichen bürokratischen Hürden führen. Zudem ist zu befürchten, dass die vorgesehenen Anpassungen in den genannten Gesetzen zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand führen werden und nicht nur die Effizienz, sondern auch die Wirtschaftlichkeit im Tiergesundheitswesen beeinträchtigen werden. (Beifall bei der FPÖ.)
Daher schlagen wir vor, nochmals eine gründliche Überprüfung und eine Abwägung der vorgeschlagenen Maßnahmen durchzuführen – das ist wirklich dringend notwendig – und dann die angestrebten Ziele ohne unangemessene Belastungen für die betroffenen Gruppen zu erreichen. Es ist eigentlich von großer Wichtigkeit, dass das durchgeführt wird und im Sinne aller Beteiligten
positiv erledigt wird. In Anbetracht dieser Bedenken werden wir Freiheitliche diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)
13.29
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und vielleicht auch via Livestream! Das Tiergesundheitsgesetz dient der Umsetzung des Animal Health Law der EU und ersetzt das Tierseuchengesetz, das Bienenseuchengesetz und das bisherige Tiergesundheitsgesetz.
Worum geht es nun in diesem Tiergesundheitsgesetz? – Grundsätzlich ist das hier vorliegende Tiergesundheitsgesetz 2024 das dritte Gesetz einer Trilogie. Es gibt bereits das Tierarzneimittelgesetz, und dieses haben wir – vielleicht erinnert sich die eine oder der andere – im November hier im Bundesrat behandelt. Es regelt ganz allgemein die Zulassung, Inverkehrbringung und Anwendung von Tierarzneimitteln. Es gibt das Kontroll- und Digitalisierungs-Durchführungsgesetz und nun das Tiergesundheitsgesetz 2024. Diese drei Gesetze bilden in Summe ein gutes Dach, nämlich dahin gehend, dass wir – und das ist ganz wichtig – ohne mehr Bürokratie für Bäuerinnen und Bauern gut überprüfen können. (Präsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)
Wie steht es nun um die Tiergesundheit und folgernd auch um die menschliche Gesundheit in Österreich? – Beim Tierarzneimittelgesetz geht es auch ganz stark darum, wie zum Beispiel Antibiotika in der Tierhaltung in Österreich eingesetzt werden. Im Tierschutzbereich – und ich denke, davon können wir alle ausgehen – ist es von enormer Wichtigkeit, dass unsere Tiere nicht nur durch Antibiotika gesund gehalten werden, sondern auch die Haltungsbestimmungen so sein sollen, dass es ihnen gut geht.
Ganz wichtig ist, dass wir mit diesem Tiergesundheitsgesetz ein Dach über die Tiergesundheitsdienste der Bundesländer spannen. Dies geschieht mit dem Verein Tiergesundheit Österreich, und damit schaffen wir eine Vernetzung zwischen dem Bund und allen neun Bundesländern. So bieten wir in Zukunft eine noch bessere Basis, aber auch ein gutes Monitoring, um an der Tiergesundheit an den Höfen arbeiten zu können.
Ich sage es jetzt einfach noch einmal, weil es wichtig ist. Kollegin Doppler – ich sehe sie jetzt nicht, ich glaube, sie ist rausgegangen (Bundesrätin Doppler: Da bin ich!) –, es entsteht kein zusätzlicher Aufwand für die Betriebe. Die benötigten Daten werden bereits erfasst und eingemeldet – und in Zukunft werden sie zentral ausgewertet und verarbeitet.
Was wir aber für die Zukunft brauchen, ist ein Ausbau der Planstellen in den Ländern im Bereich der Amtstierärztinnen und Amtstierärzte, die gut mit den Betrieben vor Ort kooperieren können. Der Tiergesundheitsdienst muss seine Arbeit auch entsprechend verrichten, und wir brauchen Vertragstierärztinnen und -tierärzte, die mit den bäuerlichen Betrieben eine Partnerschaft eingehen.
Abschließend aus unserer Sicht: Danke an den Herrn Minister und sein gesamtes Team, dass man auch im Vollzug ein drittes Gesetz auf den Weg bringt, denn es wird das Monitoring verbessern. Das ist im Sinne eines One-Health-Characters und letztendlich auch die Umsetzung des Animal Health Laws, das wir zu beschließen haben – allein schon aufgrund der europäischen Vorschriften. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
13.33
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Bitte.
Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr
geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Bevor ich auf die Veterinärrechtsnovelle zu sprechen komme, möchte ich kurz auf den vorliegenden Entschließungsantrag der SPÖ eingehen, der den „Umbau der Ställe mit Vollspaltenboden-Haltung“ fordert.
Ich muss Sie schon erinnern, geschätzte Kollegen und Kolleginnen von der SPÖ: Wer war es, der die Kritik beim Verfassungsgerichtshof eingebracht hat? – Ich denke, Sie können sich erinnern: Es war die burgenländische Landesregierung, es war Ihr Landeshauptmann. Das hatte zur Folge, dass Übergangsfristen aufgehoben wurden, die in einem Tierschutzgesetz (Ruf bei der SPÖ: Aber sehr lange Übergangsfristen, extrem lange Übergangsfristen!) zur Rechtssicherheit und Planungssicherheit der Betriebe festgelegt waren, und hat Tausende Landwirte, Schweinehalterinnen und Schweinehalter in Österreich in Angst und Schrecken versetzt und vor den Kopf gestoßen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich muss Ihnen schon sagen: Wir von der ÖVP stehen auf der Seite der Landwirte. Wir lassen sie nicht im Regen stehen (Beifall bei der ÖVP) und wir stoßen sie mit solchen Maßnahmen nicht vor den Kopf. Wir wissen nämlich, dass unsere Betriebe Planungssicherheit und Rechtssicherheit brauchen. Das heißt, wir wollen nicht, dass für einen Landwirt, der investiert, einen Stall baut und somit einen gesetzlichen Standard erfüllt, in fünf Jahren, so wie Sie es in Ihrem Vorschlag drinhaben, alles obsolet ist. Das geht sich für unsere bäuerlichen Betriebe einfach nicht aus und ist eine Katastrophe für sie. (Beifall bei der ÖVP.)
Ja, und wir stehen dazu: Wir stehen seit jeher für die Weiterentwicklung in der Landwirtschaft. Ich weiß, geschätzte Kolleg:innen von der SPÖ, das können Sie nicht glauben. Wir stehen auch seit jeher für die Weiterentwicklung im Bereich Tierwohl. Wir sehen die Trends in der Gesellschaft, wir sehen aber auch die Notwendigkeiten für unsere Betriebe, unsere Bäuerinnen und Bauern vor Ort. Wir stehen aber auch für Begleitung.
Was haben wir bis jetzt gemacht, was machen wir nun und was wollen wir noch machen? – Ich möchte darauf hinweisen, dass schon seit mehreren Perioden und Jahren Agrarfördermittel für besonders tierfreundliche Stallungen zweckgebunden sind, erhöhte Fördersätze für besonders tierfreundliche Haltungssysteme aufgesetzt werden und im angesprochenen Impulsprogramm, speziell in der landwirtschaftlichen Investitionsförderung, zusätzlich gezielt ein Schwerpunkt auf tierfreundliche Stallungen gesetzt ist, besonders betreffend Um- und Neubau.
Wir werden mehr und weitere Anreize brauchen. Warum? – Weil es kaum mehr Neubauten gibt, zum Beispiel im Bereich der Schweinehaltung. Warum ist das so? – Weil die Betriebe nicht mehr das Vertrauen haben, wenn ein gesetzlicher Standard plötzlich aufgehoben ist und nicht mehr hält. Da müssen wir unsere Betriebe begleiten, das sind wir ihnen schuldig. (Beifall bei der ÖVP.)
Was dürfen wir allerdings nicht vergessen? – Wir müssen wirklich darauf achten, dass durch eine Erhöhung der Erzeugerkosten – und mehr Tierwohl bedeutet Mehrkosten für unsere Betriebe – zwangsläufig der Import von Produkten mit niedrigeren Standards, die wir bereits aus der EU haben, steigt und dass diese somit unsere bäuerlichen Produkte (Bundesrätin Schumann: Aber es gibt da eine Förderung, reden Sie von der Förderung, Frau Kollegin! – Zwischenruf des Bundesrates Schachner) aus dem Regal verdrängen. Das dürfen wir nicht außer Acht lassen und das kann auch nicht Ihr Ziel sein. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich möchte jetzt noch zur Veterinärrechtsnovelle etwas sagen: Kollegin Claudia Hauschildt-Buschberger hat da schon sehr viel gesagt, aber mir ist auch noch wichtig, einige Punkte hinzuzufügen. Zuerst möchte ich vorausschicken: Kollegin Doppler – sie ist jetzt nicht im Saal –, das bedeutet keine zusätzlichen Belastungen für unsere Betriebe, wie die FPÖ oder Sie hier behaupten. Wir schaffen mit der Zusammenführung mehrerer Gesetze Vereinfachung und – was ganz wichtig ist – Rechtssicherheit für die Landwirte und vor allem auch für die Tierärzte. Gerade unsere Tierärzte sind wirklich mit fachlicher Kompetenz und persönlichem Einsatz, genau wie die Bäuerinnen und Bauern, 24/7, wie wir
sagen, sieben Tage die Woche, auch in der Nacht, für Haus- und Nutztiere da und sorgen für gesunde Tiere und Tierbestände.
Ich möchte an dieser Stelle unseren Bäuerinnen und Bauern für ihre tägliche Arbeit ein großes Danke sagen – das wird Sie jetzt nicht wundern –, aber natürlich auch unseren Tierärzten und Tierärztinnen, die sie dabei begleiten. (Beifall bei der ÖVP.)
Mir ist es aber auch ein wichtiges Anliegen, den Konsumentinnen und Konsumenten Danke zu sagen – das ist eine wichtige Partnerschaft –, nämlich für ihr Vertrauen in die heimische Landwirtschaft, in die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern, aber auch für die Überzeugung, wenn sie sich beim Einkauf am Hof, beim Bauern ihres Vertrauens, beim Griff ins Regal und beim Genuss, egal wo sie sind, bewusst für die regionale und heimische Qualität entscheiden. (Beifall bei der ÖVP.)
Genau heute schaffen wir mit dieser Veterinärrechtsnovelle eine weitere Grundlage, damit dieses Vertrauen in die Lebensmittelsicherheit in Österreich weiter wachsen kann. Konkret heißt das: Wir bringen die EU-Verordnung, das Animal Health Law, aus dem Jahre 2016 in die nationale Umsetzung. Dadurch wird nicht, wie behauptet, die Effizienz geschmälert oder ein neues Bürokratiemonster geschaffen, sondern wir führen das Tiergesundheitsgesetz, das Bienenseuchengesetz und das Tierseuchengesetz zusammen – und das bedeutet unterm Strich eine Verwaltungsvereinfachung. (Beifall bei der ÖVP.)
Ein weiterer Punkt sind klare Regeln und klar geregelte Vorgehensweisen im Falle eines Tierseuchenausbruchs. Wie Sie vielleicht wissen, vielleicht auch schon gelesen haben, grassiert aktuell die Tierseuche Afrikanische Schweinepest in den östlichen Ländern der EU und im Baltikum, besonders auch in der Slowakei, in Ungarn und in Italien, also sehr nahe an der Grenze zu Österreich, die sehr einfach durch Wildtiere, Lebensmittelabfälle et cetera übertragbar ist. Die macht einfach nicht halt vor unseren Staatsgrenzen und ist besonders für unsere Nutztierbestände eine große Gefahr.
Wenn jetzt im Fall einer Tierseuche, zum Beispiel der Afrikanischen Schweinepest, kurz ASP, oder wie im letzten Jahr in Tirol, wie Sie vielleicht gehört haben, wo durch Rotwild übertragen die Rindertuberkulose – eigentlich eine fast ausgemerzte Krankheit – in einem Betrieb festgestellt worden ist, Tierbestände gekeult werden müssen, müssen die Behörden ganz schnell und gezielt Maßnahmen ergreifen, um die Ausbreitung der Seuche auf andere Betriebe und damit natürlich auch weiteres Tierleid zu verhindern. Es gilt vor allem, in den Betrieben familiäre und wirtschaftliche Katastrophen zu verhindern und sie davor zu schützen.
So wird jetzt die Zuständigkeit von Bund und Ländern klar geregelt. Die Länder bekommen mehr Gestaltungsspielraum und vor allem mehr Möglichkeiten, die Aufgaben so schnell und effizient wie möglich zu organisieren. Die Tiergesundheitsdienste der Länder werden dafür unter einer Dachorganisation – Tiergesundheit Österreich – zusammengeführt und rechtlich abgesichert, das ist wichtig, und es können auch Daten, die schon vorhanden sind, eingepflegt und ihren Zwecken zugeführt werden.
Wichtig für bäuerliche Betriebe ist, wenn bei Ausbruch einer Tierseuche Keulungen angeordnet werden müssen, dass – jetzt neu – Entschädigungen vorgesehen sind und mit der Einrichtung eines Fonds beziehungsweise einer Tierseuchenkasse auf Landesebene diese auch finanziell abgegolten werden können.
Wenn Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, hier Ihre Zustimmung nicht geben, sind Sie also auch dagegen, dass die Landwirtinnen und Landwirte Entschädigungszahlungen bekommen, wenn im Falle eines Tierseuchenausbruchs ihre Tiere in Gefahr sind und sie wirtschaftlich große Verluste hinnehmen müssen. Diese Haltung kann ich nicht ganz nachvollziehen, und ich denke, das ist auch nicht Ihr Ansinnen. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)
Abschließend muss man sagen, es ist hier etwas Gutes gelungen im Sinne von Vereinfachung, Rechtssicherheit, gesunden Tierbeständen und einer Weiterentwicklung der Lebensmittelsicherheit, die wir in Österreich nicht leichtfertig aufs Spiel setzen wollen, denn das Vertrauen in die heimische Lebensmittelproduktion ist zu Recht groß. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrätin Schumann: Nein! Nach den AMA-Skandalen nicht mehr!)
13.43
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor Ort und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich möchte noch kurz auf einen anderen Tagesordnungspunkt eingehen, weil mich Kollege Fischer spezifisch erwähnt hat.
Ja, Herr Minister, ich freue mich sehr darauf, dass es Apotheken ermöglicht wird, Abgabestellen einzurichten. In meiner Gemeinde – 11 Kilometer beziehungsweise 13 Kilometer von der nächsten Apotheke entfernt –, mit einer Teilversorgung durch einen Allgemeinmediziner, besteht nämlich das Problem, dass genau diese Menschen, die vor Ort im Ortskern wohnen, zu keinen Medikamenten kommen und erst recht wieder auf Fahrtendienste angewiesen sind. Ich hoffe stark, dass auch für solche Gemeinden eine Lösung kommt.
Als Bürgermeisterin habe ich mich schon seit meinen Anfängen – das ist jetzt seit 2009 – dafür eingesetzt, dass unser Arzt eine Hausapotheke bekommt, was aber immer wieder abgelehnt worden ist. Das würde für meine Gemeinde und für die Bürgerinnen und Bürger meiner Gemeinde eine große Erleichterung bringen. Das wäre wirklich ein Schritt nach vorne. (Beifall bei der SPÖ.)
Nun zu dem vorliegenden Gesetzentwurf – ich werde zu einem späteren Zeitpunkt auf die Rede von Kollegin Miesenberger Bezug nehmen –: Zunächst möchte ich sagen, dass zu dem vorliegenden Gesetz alles schon relativ klar und deutlich erklärt worden ist. Wie bereits gesagt geht es um die Umsetzung von EU-Recht, und es werden unserer Ansicht nach richtige Schritte gesetzt. Die Sozialdemokratie wird auch hier im Bundesrat ihre Zustimmung geben, denn es ist wichtig – und als Bürgermeisterin weiß ich das –, im Falle von Seuchenausbrüchen oder anderen Katastrophen und Krisen einen Notfallplan zu haben.
Definierte Zuständigkeiten, qualifizierte Entscheidungsstrukturen, konkrete, eingespielte Handlungsanweisungen und so weiter sind das A und O in einer Krisenbekämpfung. Das koordinierte Zusammenspiel von Bäuerinnen und Bauern, Veterinärmedizinern und Veterinärmedizinerinnen und Verwaltungen ist ein Schlüssel zur Bewältigung von Krisen, aber auch die enthaltenen Regelungen betreffend Entschädigungsleistungen für Betroffene sind uns wichtig. Das gibt Sicherheit für die betroffenen Bauern in schwierigen und existenzbedrohenden Lagen.
Eine begleitende Überwachung kann vorbeugend das Risiko der Verbreitung von Seuchen mindern, und es gibt noch Etliches mehr, was wir an diesem Gesetz befürworten. Die einzige Frage, die sich uns stellt, ist: Warum ist man es nicht schon früher angegangen?
Zur Position der FPÖ: Das Schreckgespenst der überbordenden Überwachung oder Bürokratisierung sehen wir so nicht. Die Systematisierung könnte in Kombination mit der Zusammenführung und Digitalisierung zu einer Bürokratieentlastung führen. Vielleicht dient das hier ja auch eher der Stimmungsmache bei den Wähler:innen, denn faktenbasiert scheint es nicht zu sein.
Tiergesundheit – jetzt komme ich zu meinem Punkt – braucht aber mehr. Ich kann mich noch gut an den Ausbruch von BSE erinnern. Eine schlechte landwirtschaftliche Praxis, nämlich die Verfütterung von mit Scrapie verseuchten tierischen Proteinen an Rinder, war der Ausgangspunkt. Es wurde sozusagen
Eiweißfutter, gewonnen aus belasteten tierischen Kadavern, an Pflanzenfresser verfüttert – ein Vergehen gegen die Natur, das sich rächte.
Und es rächte sich sehr stark. Eine Vielzahl von Rindern musste geschlachtet und sicher entsorgt werden. Das war ein enormer logistischer Aufwand, und es gab einen großen Angriff auf die Nahrungsmittelsicherheit, denn der Ausbruch der Krankheit zeigte sich bei den Rindern erst spät, für die menschliche Nahrungskette zu spät, denn die verseuchten Rinderprodukte landeten auf den Tellern der Konsument:innen und infizierten diese. Beim Menschen löste BSE die Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung aus, die oftmals tödlich endete. – So viel zur Fragilität unseres Ernährungssystems und der Lebensmittelsicherheit im Kontext der praktizierten, nicht artgerechten Nutztierhaltung.
Unsere Nutztiere brauchen eben artgerechte Fütterung und Haltung in den Stallungen. Daran führt kein Weg vorbei. Die Argumentation, ein Mehr an Tierwohl und damit indirekt ein Mehr an Tiergesundheit gehe zulasten der Ernährungssicherheit, verliert bei Tierseuchenszenarien oder beim Beispiel BSE wohl relativ schnell an Gültigkeit.
Immer wieder gelangen Bilder von katastrophalen Zuständen in den Ställen an die Öffentlichkeit. Von artgerechter Tierhaltung kann auch bei unserer, im EU-Schnitt kleinstrukturierten Landwirtschaft – ich betone – nicht immer gesprochen werden. Gesunde Lebensbedingungen für Tiere haben in vielen Betrieben eine geringe Bedeutung, einen geringeren Wert. Es geht vielmehr um Effizienz, um das Produzieren, aber auch um das Funktionieren der Bäuerinnen und Bauern im Sinne der vor- und nachgelagerten Agrarindustrie. Ja, es scheint, dass die vor- und nachgelagerte Agrarindustrie und nicht die Bauern die wahren Treiber der ÖVP-Landwirtschaftspolitik sind. Wir sind alle aufgerufen, achtsam zu sein. Da muss genau hingeschaut werden, sonst gefährden wir tatsächlich die Ernährungssicherheit für künftige Generationen.
Zum Schluss: Frau Kollegin Miesenberger, wir strecken die Hand aus. Wir wollen gemeinsam mit den Bauern, dass sich die Bedingungen für Bäuerinnen und
Bauern vor Ort, am landwirtschaftlichen Hof bessern, und dazu gibt es finanzielle Mittel, damit es dort auch Absicherung gibt. (Beifall bei der SPÖ.)
Keinesfalls stellen wir uns gegen die Bäuerinnen und Bauern, sondern wir strecken die Hand aus, damit es schneller geht. Ich möchte schon auch betonen: Es kann für die Bäuerinnen und Bauern nicht gut sein, unter diesen Zuständen und unter solchen Bedingungen, die manchmal an die Öffentlichkeit gespült werden, zu arbeiten. (Bundesrätin Schumann: Genau!) Das verroht, das belastet, das kann nicht gut für die Menschen sein, die in solchen Betrieben arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)
Deshalb bringe ich zum Schluss, um die Rahmenbedingungen für die Bäuerinnen und Bauern, für die Ernährungssicherheit zu verbessern, folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Tierwohl und Tierhaltungskennzeichnung als Chance für die österreichische Landwirtschaft“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert, durch Expertinnen und Experten eine Berechnung durchzuführen und zu errechnen, welche Summe für ein Umbauprogramm der österreichischen Vollspaltenböden-Ställe notwendig ist und eine Umschichtung des 3,1 Milliarden € schweren Agrarbudgets so vorzunehmen, dass ein Umbau der Ställe mit Vollspaltenboden-Haltung in Österreich in Stallsysteme mit hochwertigen Tierhaltungsstandards sowohl im Schweine- als auch im Rinderbereich inklusive Einstreuverpflichtung innerhalb von fünf Jahren möglich ist. Diese Schwerpunktsetzung ist bereits für das mit 360 Millionen € dotierte sogenannte ,Impulsprogramm‘, welches in den Jahren 2024 bis 2027 wirksam sein soll, vorzusehen. Damit soll auch eine
Herkunftskennzeichnung verbunden mit einer für Konsument*innen verständlichen und verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung einhergehen.“
*****
Soweit der Entschließungsantrag.
Kollege Tiefnig hat die Tierhaltungskennzeichnung genannt. Ich wiederhole es noch einmal – das ist jetzt nicht im Antrag enthalten –: Auch die Kennzeichnung des Ursprungs in der Gastronomie ist ein wesentlicher Anspruch, damit endlich gewährleistet wird, dass der Konsument und die Konsumentin wissen, was sie im Gasthaus essen. Damit wäre nämlich auch gesichert, dass man wirklich auf regional produzierte Nahrungsmittel zurückgreift und nicht auf die Billigimporte, die immer in den Raum gestellt werden. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich ersuche um breite Zustimmung für den Antrag und sage Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsidentin Margit Göll: Der von den Bundesräten Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Tierwohl und Tierhaltungskennzeichnung als Chance für die österreichische Landwirtschaft“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu
erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Tierwohl und Tierhaltungskennzeichnung als Chance für die österreichische Landwirtschaft“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz über die Führung der Bezeichnung „Sozialarbeiterin“ oder „Sozialarbeiter“ oder „Sozialarbeiter:in“ sowie der Bezeichnung „Sozialpädagogin“ oder „Sozialpädagoge“ oder „Sozialpädagog:in“ (Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz 2024 – SozBezG 2024) (3814/A und 2448 d.B. sowie 11430/BR d.B.)
Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz über die Führung der Bezeichnung „akademische Sozialarbeiterin“ oder „akademischer Sozialarbeiter“ sowie der Bezeichnung „akademische Sozialpädagogin“ oder „akademischer Sozialpädagoge“ (Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz 2024).
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:
Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Präsidentin Margit Göll: Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher und Besucher:innen! Willkommen hier bei uns im Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was uns mit dem heute vorliegenden Entwurf gelingt, ist einmal ein erster wichtiger Schritt in Richtung dringend notwendiger Regelung sozialer Arbeit. Wir schaffen damit erstmals geschützte Berufsbezeichnungen für Sozialarbeiter:innen, für Sozialpädagoginnen und -pädagogen.
Es geht darum, dass die Qualität sozialer Arbeit abgesichert ist, dass die Kompetenzen, die im Rahmen einer umfassenden Ausbildung erworben wurden, und auch die Ausübung der Tätigkeit tatsächlich geschützt sind. Da geht es darum, dass auch Adressat:innen, sprich Menschen, mit denen Sozialarbeiter:innen arbeiten, geschützt sind, dass sich diese Personen, die sich ohnehin oft in Krisensituationen befinden, sicher sein können, tatsächlich gut und kompetent betreut zu sein.
Österreichweit gibt es rund 43 000 Berufsangehörige. Diese Menschen, also Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagoginnen und -pädagogen, leisten wirklich wertvolle und oftmals schwer unterschätzte Arbeit. Sie sind oft eine wesentliche Schnittstelle zwischen anderen unterstützenden Einrichtungen und Berufsgruppen. Ich möchte ein Beispiel nennen: Wenn zum Beispiel ein Kind verwaist, kann ein:e Sozialarbeiter:in wirklich eine wertvolle Schnittstelle zwischen Jugendamt, der aufnehmenden Familie, möglicherweise einer Pflegefamilie, und
Therapeuten sein. Sie ist oft die erste Ansprechperson für das Kind, die Pflegeeltern oder andere betroffene involvierte Personen.
Es geht also auch um eine gewisse Anerkennung und Wertschätzung der Arbeit, die diese Menschen leisten, und darum, dass sich eben nicht jeder und jede ohne entsprechende Ausbildung Sozialarbeiter:in nennen darf. Das ist auch ein Schutz gegen Qualitätsdumping. Auch das ist eine wirklich wesentliche Verbesserung. Bisher war es nämlich gerade für Menschen aus vulnerablen Gruppen, die Hilfe und Unterstützung von Sozialarbeiter:innen brauchten, schwer, entsprechende Angebote wirklich zu beurteilen.
Was auch noch wichtig ist, ist, dass wir gleichzeitig auch die Möglichkeit der gegenseitigen Anerkennung der Ausbildungen schaffen. Dadurch wird festgelegt, welche Voraussetzungen Menschen, die in anderen Ländern entsprechende Ausbildungen absolvieren, erfüllen müssen, welche Ausbildungseinrichtungen anerkannt werden, welcher Mindestumfang an Stunden erbracht werden muss, und dadurch auch, welcher Bildungsweg, welcher Karriereweg bei uns hier eingeschlagen werden kann.
Ja, wir wissen, seit über 20 Jahren gibt es die berechtigte Forderung nach einem Berufsgesetz für soziale Arbeit. Es ist jetzt so, dass die Gesetzeslage für die Umsetzung komplex ist. Es sind auch die Länder zuständig, und es gibt dafür derzeit einfach keine Mehrheiten. Umso mehr freut es mich, dass uns jetzt dieser erste wichtige Schritt gelingt, und besonders freut mich, dass beim Entstehen dieses Gesetzes bis zum Schluss die Berufsverbände eingebunden waren und auch die AK wesentlich beteiligt war – ein großer Dank an dieser Stelle. Ich hoffe auf möglichst breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)
13.59
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs. Ich erteile ihr dieses.
14.00
Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherin, lieber Besucher! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! In der gegenständlichen Gesetzesvorlage geht es, wir haben es bereits von meiner Vorrednerin gehört, darum, dass akademisch ausgebildete Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter oder Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen in Zukunft den Titel akademische Sozialarbeiterin, akademischer Sozialarbeiter oder akademische Sozialpädagogin beziehungsweise -pädagoge führen dürfen.
Warum ist die Einführung dieser Titel so wichtig? –Wir ehren damit in erster Linie eine Gruppe von Menschen, die oft im Schatten stehen, aber das Fundament unserer Gesellschaft bilden, nämlich die Menschen, die in den sozialen Berufen tätig sind. Diese – man kann sie wirklich so nennen – Heldinnen und Helden unseres Alltags stehen Tag für Tag an vorderster Front, um anderen zu helfen, um Trost zu spenden und um Hoffnung zu geben.
Sie begegnen denen und arbeiten mit denjenigen, die kämpfen, die verloren sind und die oft von der Gesellschaft vergessen wurden, egal ob mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen in schwierigen Lebenssituationen oder Menschen mit Behinderungen. Sie sind stets da, um zu unterstützen, zu ermutigen und zu inspirieren, und tragen dadurch tagtäglich aktiv dazu bei, dass unsere Gesellschaft ein Stück besser funktioniert. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
Doch allzu oft bleiben ihre Anstrengungen unbeachtet und ihre Arbeit auch ungewürdigt, deshalb entscheiden sich immer weniger Menschen dafür, einen Beruf im Bereich der sozialen Arbeit zu ergreifen. Im Bundesland, in dem ich wohne – in Vorarlberg – und in dem auch unser Minister wohnt und von wo er herkommt, sind die Berufe der Sozialpädagoginnen, Sozialpädagogen und
Sozialarbeiter bereits Mangelberufe; ebenso in den Bundesländern Oberösterreich und Salzburg. Deshalb ist es an der Zeit, dass wir das anerkennen und diese Arbeit auch würdigen.
Es ist an der Zeit, dass wir verstehen, dass Sozialarbeit nicht nur ein Job, sondern eine Berufung ist, die von Mut, Mitgefühl und Hingabe geprägt ist. Deshalb freut es mich, dass wir mit der Zustimmung zur gegenständlichen Gesetzesvorlage – das heißt, mit der Einführung von Berufstiteln – diesen außergewöhnlichen Menschen die Anerkennung zollen, die sie verdienen, denn ein Titel ist mehr als nur ein Wort. Er ist ein Symbol für Kompetenz, Vertrauen und Respekt.
Man geht zum Beispiel zu einem Anwalt, da man weiß, dass sich nur jemand Anwalt nennen darf, der sein Wissen und seine Fähigkeiten durch ein Studium und eine positive Absolvierung einer Prüfung erworben hat. Genau so sollten auch ausgebildete Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen das Recht haben, sich mit einem offiziellen Berufstitel als solche zu bezeichnen.
Diese Titel sind nicht nur eine Bezeichnung, sondern ein Beweis für harte Arbeit, für Entschlossenheit und für Fachwissen. Die Titel sind ein Zeichen dafür, dass diejenigen, die so einen Titel tragen, eine wertvolle Ausbildung absolviert haben, um ihre Berufung mit Professionalität auszuüben. Ein Berufstitel schafft auch Vertrauen für Klientinnen und Klienten in die Person, die ihn trägt.
Wir hoffen, dass durch diesen verankerten Titelschutz und die damit einhergehende Aufwertung dieser Berufsgruppen auch in Zukunft wieder mehr Menschen eine akademische Ausbildung im Bereich der sozialen Arbeit machen werden, denn wir brauchen diese Menschen dringend, damit unsere Gesellschaft auch in Zukunft ein Ort ist, an dem jeder Mensch die Hilfe und Unterstützung erhält, die er braucht.
Ich danke an dieser Stelle allen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen für ihren unermüdlichen Dienst für
unsere Gesellschaft. Sie leisten eine wertvolle Arbeit für den sozialen Zusammenhalt und die soziale Teilhabe in unserer Gesellschaft.
Dieses heute zu beschließende Grundsatzgesetz ist wichtig, denn wenn wir nichts tun, dann ist zu befürchten, dass diese Bereiche weiterhin an Attraktivität für Fachkräfte verlieren und damit der Fachkräftemangel verschärft wird. Wir können auf die Expertise von akademisch ausgebildeten Menschen in den sozialen Berufen auch in Zukunft nicht verzichten. Im Gegenteil, ich bin der Meinung, dass dieser Bereich für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft in Zukunft wichtiger denn je sein wird.
Ich bitte Sie daher alle, der gegenständlichen Gesetzesvorlage zuzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
14.05
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr das Wort.
Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Wir haben es von den Vorrednerinnen bereits gehört, dass es hier jetzt um das Berufsbild der Sozialarbeiter:innen und der Sozialpädagog:innen geht. Rund 43 000 Beschäftigte sind es in ganz Österreich – eine große Gruppe und dennoch eine zu kleine Gruppe; wir bräuchten mehr.
Ich möchte noch einmal betonen, wie wichtig dieser erste Schritt ist. Auch wir anerkennen, wie wichtig das für diese Berufsgruppe ist, wenn wir das heute beschließen, da die Menschen, die diese Berufe ausüben, mit einer extrem hohen und immer steigenden Komplexität an Themen konfrontiert sind.
Die Lebenssituationen von Menschen sind unglaublich individuell und unglaublich komplex. Darauf jeweils individuell einzugehen, auf jeden einzelnen Klienten,
jede einzelne Klientin, da lösungsorientiert zu arbeiten, das ist schon ein hoher Komplexitätsgrad und stellt eine hohe Anforderung an diese Personen dar. Dafür braucht man eine Problemlösungskompetenz und ein umfassendes Wissen, wohin man überall vermitteln kann und wo man ansetzen kann. Das ist auch eine hohe Verantwortung. All das – diese hohe Komplexität, die hohe Verantwortung – zeigt, wie wichtig in diesem Bereich die Qualität der Arbeit und natürlich auch die Qualität der Ausbildung ist, um das tun zu können. Das heißt, dieses Berufsbild zu sichern bedeutet auch, dass wir die Ausbildungen schützen und letztendlich die Qualität der Arbeit, die bei den Klientinnen und Klienten ankommen soll.
Dass uns österreichweit Hunderte Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen fehlen, ist aber auch eine Tatsache. Wir bräuchten im Bildungssystem ganz dringend mehr Schulsozialarbeiter:innen, die die Pädagog:innen bei ihrer herausfordernden Arbeit unterstützen können, die die Problemlagen der Schüler:innen, aber auch der Eltern annehmen und begleiten können. (Beifall bei der SPÖ.) Wir bräuchten auch in der Kinder- und Jugendhilfe in der aufsuchenden Arbeit mehr Sozialarbeiter:innen. Also da noch einmal in die Ausbildung zu investieren, um dieses Berufsbild zu attraktivieren, wäre ein Gebot der Stunde.
Darum komme ich noch einmal auf diesen Punkt zurück: Aus unserer Sicht, aus Sicht der Sozialdemokratie, kann das heute nur ein allererster Schritt sein, um diese Berufsgruppe wertzuschätzen. Was diese Berufsgruppe – die Kollegin hat es gesagt – aber seit mittlerweile 20 Jahren fordert, ist ein eigenes und ein umfassendes Berufsgesetz. Im Regierungsprogramm war das angekündigt, das hat Hoffnung gemacht, dass das in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird. Jetzt wird die Zeit langsam knapp, es ist zu befürchten, dass sich das nicht mehr ausgeht, aber das wäre schon dringend notwendig.
Heute sind wir uns hier hoffentlich einig im Beschluss, aber dass es da die Mehrheiten nicht gibt, ist schon verwunderlich, denn alle wissen: Wir brauchen diese Berufsgruppe und sie hätte sich dieses umfassende Berufsgesetz verdient. Wir brauchen zusätzlich – das ist auch noch ausständig – ein
Berufsangehörigenregister, das sozusagen dieses Bündel vervollständigen würde. Wir können das nur noch einmal in aller Dringlichkeit einfordern. All das war auch in den Stellungnahmen der Berufsgruppen deutlich zu lesen.
Es gab zum Glück eine umfassende Gesetzesbegutachtung, was ja auch nicht ganz selbstverständlich ist – also danke dafür. 2023 gab es auch eine große Tagung, veranstaltet von der Arbeiterkammer, mit der Berufsgruppe, auch mit Ihnen, Herr Minister, als Gast und Mitdiskutant, und auch dort wurde diese Forderung nach einem Berufsgesetz laut. Ich finde, wir wären es dieser Berufsgruppe schuldig, das umzusetzen.
Auch von unserer Fraktion, von der Sozialdemokratie, ein großes Danke an alle, die in diesem Berufsfeld arbeiten. Es ist kein normaler Job, den die Kolleginnen und Kollegen in der Sozialarbeit und in der Sozialpädagogik machen. Es braucht dort das Herz, es braucht das Hirn, es braucht die Hände, um diesen Job gut zu machen. Diese Menschen machen im Leben von anderen Menschen einen Unterschied, das muss man wirklich anerkennen. Diese Wertschätzung will ich ausdrücken, ein großes Danke an alle, die da arbeiten. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
14.11
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte.
Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Ja, auch wir werden diesem Gesetzestext zustimmen. Es ist ein Berufsbezeichnungsgesetz – vielleicht ist das auch ein erster Schritt zur Anerkennung des Berufes und wird vielleicht auch eine Verbesserung für die Berufsgruppe sein.
Aus meiner Sicht schränkt das einfach die Möglichkeit für viele Personen ein, die diesen akademischen Weg nicht gehen können oder wollen, beziehungsweise auch für Quereinsteiger. Es ist daher sehr eingeschränkt. Was unserer Meinung nach wichtiger wäre, es ist auch angesprochen worden, wäre, dass wir gemeinsam – Bund, Länder und die Berufsgruppen – für die Gruppe ein Berufsgesetz schaffen, gerade weil dieser Bereich der Sozialarbeit immer wichtiger und vor allem notwendig wird. Großen Dank daher an alle, die sich in der Sozialarbeit engagieren und dort auch tätig sind.
Leider Gottes wird die Gewalt, die auch an den Schulen explodiert, immer mehr. Die Gewaltbereitschaft unter Kindern und Jugendlichen steigt, auch vor dem vermeintlich geschützten Bereich Schule macht dieser negative Trend nicht halt. Gewalt und Mobbingvorfälle an Schulen lassen eine Vielzahl von Fachkräften an ihre Grenzen kommen und stellen für alle Betroffenen eine große Belastung dar, Schulsozialarbeiter sind immer häufiger mit Gewalt konfrontiert. Ich glaube, wir sollten auch einmal über die Ursachen nachdenken, denn es kann auf Dauer nicht sein, dass wir schon in den Volksschulen Sozialarbeit für Kinder benötigen. (Beifall bei der FPÖ.)
Das ist ein dramatischer Befund für unsere Gesellschaft, der nicht für eine positive Entwicklung spricht, sondern da haben sich ganz, ganz viele dramatische Dinge entwickelt, die wir, glaube ich, grundsätzlich und rasch verändern müssen. Man kann vielleicht unterschiedlicher Meinung sein, was die Ursachen betrifft, aber ich glaube, es ist von den Zahlen her vollkommen klar, dass diese Probleme wirklich explodiert sind und nach wie vor stark zunehmen.
Also dieser akademische Titel ist nett für diese Berufsgruppe, aber ein Berufsgesetz wäre wesentlich effizienter. Die Aufgabenfelder werden ja auch immer größer, weil der Bedarf da ist, also braucht man auch mehr Personal und für die Arbeit mehr Wertschätzung. Eben aufgrund dieser unterschiedlichen Zuständigkeiten gibt es ja auch in jedem Bundesland andere Regeln für diese Gruppen; ob es die Entlohnungssysteme sind, unterschiedliche Gehälter, auch die diversen Zulagen sind nicht bundesweit geregelt.
Ja, wie gesagt ist dieser akademische Titel nett, aber die Problemstellung im Bereich soziale Arbeit ist damit lange nicht gelöst. Wir müssen dringend gesellschaftliche Schritte unternehmen, um vor allem die Gewalt in den Schulen beziehungsweise generell in der Gesellschaft zu reduzieren, damit nicht tagtäglich Horrormeldungen von Massenvergewaltigung, Messerstechereien und vielem mehr vernommen werden müssen. (Beifall bei der FPÖ.)
Was ist aus unserem wunderschönen Land geworden? Es reicht, es ist eine Situation eingetreten, in der man nicht mehr wegschauen kann. Man muss sich den Problemen stellen, es besteht dringend Handlungsbedarf. (Beifall bei der FPÖ.)
14.14
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich freue mich sehr, dass wir das heute auch im Bundesrat beschließen, weil das schon lange ein Anliegen der Berufsgruppe ist. Es ist erwähnt worden: Rund 43 000 Menschen gehören dieser Berufsgruppe an.
Wir haben das auch gemeinsam mit den Berufsverbänden ausgearbeitet, und ich darf sagen, seitdem diese Berufsgruppe tätig ist – das ist doch schon eine Zeit lang –, haben wir immer darum gekämpft, die Anerkennung entweder über einen Titelschutz oder ein Berufsgesetz zu bekommen. Ich finde, das ist der erste Schritt, der notwendig ist, und ich freue mich auch darüber.
Ich möchte auch erwähnen, dass die Bedeutung aller Menschen, die in diesem Bereich arbeiten – sei es in der Suchthilfe, in der Kinder- und Jugendwohlfahrt, in der Sozialpsychiatrie, in der Gemeinwesenarbeit, bei den freien Trägern oder wo immer sie tätig sind –, damit natürlich ins Zentrum gerückt und auch
anerkannt wird. Die Bedeutung ist schlicht und einfach steigend, und der Bedarf auch. Ja, ein offenes Wort: Natürlich brauchen wir auf Sicht mehr Ausbildungsplätze, diese Einschätzung teile ich, weil der Bedarf in diesen Berufsgruppen einfach insgesamt zunimmt.
Was da in Kooperation mit anderen Berufen gemeinsam geleistet werden kann, zeigt ein Beispiel: Es ist ja möglich, dass Primärversorgungszentren, in denen Ärztinnen und Ärzte tätig sind, auch andere Berufsgruppen anstellen, unter anderem Menschen, die eine sozialarbeiterische oder sozialpädagogische Ausbildung haben. Ich habe mir derartige Einrichtungen angeschaut, dort ist die Rückmeldung eine klare: Was dort an Problemlagen von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern abgearbeitet werden kann, spart den anderen Gruppen, Fachgruppen, insbesondere Ärztinnen und Ärzten Zeit, um sich auf das zu konzentrieren, was ihre ureigenste Aufgabe ist, nämlich die Behandlung erkrankter Personen.
Es ist notwendig und wichtig, Begleiterscheinungen, die oftmals nicht auf den ersten Blick erkennbar sind, einer Beratung, Betreuung, Behandlung zuzuführen – seien es Schulden, seien es soziale Situationen, die mit Wohnungsnot zu tun haben, oder ähnliche Dinge mehr.
Danke für die Zustimmung, das ist ein guter, ein großartiger Schritt für die Berufsgruppe. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Präsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall, somit ist die Debatte geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den gegenständlichen Tagesordnungspunkt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz geändert wird (3816/A und 2449 d.B. sowie 11421/BR d.B. und 11431/BR d.B.)
13. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird (2451 d.B. sowie 11432/BR d.B.)
Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 12 und 13, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Berichterstatterin zu den Punkten 12 und 13 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichte.
Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz geändert wird.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:
Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird.
Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme auch hier gleich zur Antragstellung:
Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2024 den Antrag,
1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und
2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.
Präsidentin Margit Göll: Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Claudia Arpa. – Bitte.
Bundesrätin Mag.a Claudia Arpa (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Bundesminister! Werte Zusehende! Ich beginne mit dem Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz geändert wird: Dieses Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist ja schon länger in der Debatte. Möglicherweise könnte man einfach einmal sagen, das wäre etwas, das man von Haus aus schon irgendwann wieder hätte aufheben können. Von Schwarz-Blau auf den Weg gebracht ist es noch immer ein Gesetz, das wir in Kärnten zum Beispiel oft als Armutsverschärfungsgesetz bezeichnen, weil wir der Meinung sind, dass das Problem damit einfach nicht gut gelöst ist.
In diesem Punkt geht es aber darum, dass der dreistufige Schulungszuschlag für die Teilnahme an einer Schulungsmaßnahme des AMS ausbezahlt wird, und zwar
soll er nun auch jenen Teilnehmer:innen zugutekommen, die keine Grundleistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz beziehen. Das sind die Menschen, die eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes erhalten.
Es sollte aus unserer Sicht selbstverständlich sein, dass auch dieser Personenkreis diesen Zuschlag erhält, wenn an einer Schulungsmaßnahme teilgenommen wird, denn lebenslanges Lernen ist ja der Schlüssel zur persönlichen und beruflichen Entwicklung und schafft natürlich auch eine gerechtere und inklusivere Gesellschaft.
Das Gesetz wird nun repariert. Ich muss jetzt allerdings noch einmal sagen: Es wäre nicht Schwarz-Grün, wenn es nicht Probleme gäbe. Die Kosten für diesen Zuschlag beziehungsweise auch für diese Abwicklung tragen künftig nämlich die Länder und dabei wiederum zur Hälfte die Städte und die Gemeinden, und das, ohne dass sie vorher miteinbezogen wurden. Das ist für Wien zum Beispiel ein Mehraufwand von rund 30 Millionen Euro.
Sinnvoll wäre es aus unserer Sicht gewesen, das Gesetz einer Begutachtung zu unterziehen, damit die Länder wissen, was auf sie zukommt. Außerdem sind auch bürokratische Problemlagen zu befürchten, da es mit dem AMS und den Ländern zwei Auszahlungsstellen gibt. In diesem Sinne können wir als SPÖ der Regelung nicht zustimmen, obwohl wir es gut finden, dass es Schulungen auch für Menschen gibt, die kein Arbeitslosengeld bekommen.
Das Zweite, worum es heute geht, ist das Heimopferrentengesetz. Das ist ja auch eine ganz spannende Sache. Als Mensch, der heute eine Heimopferrente bekommt, weiß man, dass all diese Bearbeitungsvorgänge manchmal relativ lange dauern. So ist es manchmal auch die Praxis, dass plötzlich ein großer Batzen an Geld auf das Konto kommt, und dann ist es so gewesen, dass dieses Geld plötzlich als Vermögen angerechnet wurde und man dieses Geld zurückzahlen hätte müssen.
Deswegen sehe ich es als gute Lösung, dass man da jetzt aufgesprungen ist und diese Heimopferrente nicht bei der Sozialhilfe anrechnet, dass das nicht als Vermögen angesehen wird und es auch zu keinen Kürzungen kommen kann. Es kann ja nicht sein, dass Menschen, die wirklich Leid erfahren haben, das Geld auch noch zurückzahlen müssen. Die brauchen das Geld ja manchmal auch, wenn sie umziehen, oder für Gesundheitsleistungen.
Ich finde es auch wichtig, zu betonen, dass die Heimopferrente nicht als Entschädigung zu sehen ist, sondern für das erlittene Leid gebührt. In diesem Sinne werden wir diesem Antrag bei diesem Tagesordnungspunkt zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
14.23
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Kittl. – Bitte.
Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen! Wissen ist Macht, Wissen ist Handlungsmacht. Hat man kein oder wenig Wissen, hat man auch wenig Handlungsspielraum.
Das gilt natürlich auch für den Arbeitsmarkt. Hat man keine gute Ausbildung, weil man zum Beispiel zu früh arbeiten musste oder auch wollte, und verliert man später seine Arbeit, ist es nicht so leicht, mit wenig Ausbildung einen guten Job zu finden. Dasselbe gilt natürlich auch umgekehrt: Gute Ausbildung führt zu einem breiten Angebot an Jobmöglichkeiten und einem guten Verdienst. Daher – und das muss man wirklich unterstreichen – sind die Bildungsangebote des AMS so wichtig. Je länger sie dauern, desto fundierter ist die neue Qualifizierung.
Dadurch dauert aber natürlich auch der Bezug der Arbeitslosenunterstützung länger, und das ist finanziell nicht das Gelbe vom Ei, vor allem gerade dann, wenn
man vorher wenig verdient hat. Damit auszukommen, geschweige denn ein gutes Leben zu führen ist schwierig.
Um also gute und längere Bildungsangebote wahrnehmen zu können, ohne am Hungertuch nagen zu müssen, braucht es eine finanzielle Unterstützung. Die schaffen wir heute mit einem Bildungszuschlag in der Sozialhilfe. Das entlastet die Menschen, und es entlastet sie nachhaltig, denn es hat immer mit Anerkennung und positivem Selbstwert zu tun und ist für die Lebenszufriedenheit extrem wichtig. Das beeinflusst natürlich auch die Gesundheit.
Daher zahlt es sich nicht nur für die arbeitslosen Menschen aus, indem sie sich für einen besseren, langfristigeren und sicheren Job bewerben können, sondern es zahlt sich auch für Bund und Länder aus, da die Menschen langfristig aus der Arbeitslosigkeit herauskommen. Damit erspart man sich auch viele Folgekosten.
Der neue Bildungszuschlag durchbricht damit den Teufelskreis von Hilfsjobs und Arbeitslosenunterstützung. Daher ist diese Regelung heute im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz eine sehr gut durchdachte soziale Bildungsmaßnahme. Ich würde sie sogar eine Hebebühne in die soziale Sicherheit nennen.
Dieser Bildungszuschlag in der Sozialhilfe ist darüber hinaus eine Maßnahme – und da schaue ich in Richtung der Kolleg:innen von der SPÖ, die hier sehr gerne schwätzen, auch jetzt gerade –, die schon lange von der Arbeiterkammer gefordert wird. Wie jetzt auch ausgeführt hat sie auch Auswirkungen auf die Finanzen der Länder, insofern als die Menschen dann länger in Arbeit sind. Dass die SPÖ heute da nicht mitstimmt, ist nicht verständlich.
Auch die NEOS stimmen aber heute mutmaßlich dagegen, obwohl es eigentlich genauso einer Forderung von ihnen entspricht, weil es mit Bildung und Fortkommen zu tun hat. Auch das ist eigentlich nicht nachvollziehbar.
Zum Heimopferrentengesetz: Menschen – meine Kollegin Claudia Arpa hat das schon vorhin ausgeführt –, die so und so schon eine traurige Kindheit hatten,
weil sie nicht bei ihren Eltern aufwachsen konnten, sondern in Anstalten und Heimen oder bei Pflegeeltern aufgewachsen sind und dann dort auch noch geschlagen oder misshandelt wurden – und diese Gewalterfahrungen haben oft lebenslange Auswirkungen und mindern auch die Erwerbstätigkeit –, gebührt zu Recht eine Heimopferrente. Sie dient quasi als Schmerzensgeld in der Pension oder vorzeitigen Pension oder auch bei der Mindestsicherung.
Daher wird sie nicht als Einkommen oder Vermögen gewertet und nicht auf die Ausgleichslage oder die Mindestsicherung angerechnet. Sie ist steuerfrei und unpfändbar – so dachte man bisher. Der Verwaltungsgerichtshof sah das aber anders. Wurde nämlich die Heimopferrente – auch das hat Frau Arpa schon gesagt; deswegen nur ganz kurz – oder wurden auch Entschädigungen kumuliert in größeren Beträgen ausbezahlt oder gar von der betroffenen Person angespart, wurde das auf die Sozialhilfe oder die Mindestsicherung angerechnet, und diese wurden gekürzt. Es kam sogar dazu, dass die Mietbeihilfe nicht gewährt wurde.
Das war natürlich nicht im Sinne des Gesetzgebers, und daher wird heute klargestellt, dass die Heimopferrente da nicht anzurechnen ist. Das wird heute dankenswerterweise fast einstimmig beschlossen. Auch da stimmen aber die NEOS nicht mit, und auch das ist nicht nachvollziehbar. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
14.28
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Philipp Kohl, und ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Philipp Kohl (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der Bildungsbonus wird denjenigen gewährt, die Sozialhilfe beziehen und an Schulungen des Arbeitsmarktservices teilnehmen. Dieser Bonus soll nicht nur persönliche Entwicklung fördern, sondern auch dazu beitragen, nachhaltige Qualifikationen zu erlangen und den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu
erleichtern. Es soll sichergestellt werden, dass Sozialhilfebezieherinnen und Sozialhilfebezieher Chancen haben, ihre Fähigkeiten zu verbessern und ihr Potenzial auszuschöpfen.
Konkret heißt das, dass für eine Aus- und Weiterbildungsmaßnahme von mindestens vier Monaten ein Betrag von circa 150 Euro pro Monat zur Verfügung gestellt wird. Für Maßnahmen, die länger als ein Jahr dauern, wird der Bildungsbonus auf circa 300 Euro pro Monat erhöht. Dieser Bonus wird zusätzlich zum Arbeitslosengeld gewährt und soll dazu dienen, die finanzielle Belastung während der Ausbildung zu mindern.
Meine Damen, meine Herren! Bildung ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen und erfüllten Leben. Mit der Ausweitung des Bildungsbonus auf Sozialhilfebezieherinnen und ‑bezieher machen wir einen guten Schritt und stellen sicher, dass niemand aufgrund seiner finanziellen Situation von Bildung ausgeschlossen wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Lösungen zu finden und zu schaffen, die für alle Menschen gleichermaßen gerecht und passend sind, ist nahezu unmöglich. Doch gerade in Zeiten, in denen wir mit komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen konfrontiert sind, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir uns bemühen, Lösungen zu finden, die zumindest so vielen Menschen wie möglich gerecht werden. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das Heimopferrentengesetz. Bei diesem Thema ist es jedoch möglich, eine gute und gerechte Lösung zu finden.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, Rentennachzahlungen als Einkommen oder Vermögen zu werten, hat bedauerlicherweise zu Einschränkungen bei Beantragung anderer Unterstützungsleistungen geführt. Diese Feststellung darf jedoch keinesfalls als Kritik an den Gerichten verstanden werden. Vielmehr betrachte ich es als unsere Aufgabe, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die eine gute und passende Lösung im Sinne der betroffenen Menschen ermöglicht.
Genau da setzt die Änderung des Heimopferrentengesetzes an. Es geht darum, Nachzahlungen von Heimopferrenten, angesparte Rentenbeträge und Entschädigungsleistungen für Heimopfer im Bereich der Sozialhilfe nicht als Vermögen oder Einkommen zu werten. Dadurch können diese Bezieherinnen und Bezieher, die auch auf andere Unterstützungen angewiesen sind, diese nun ohne Einschränkungen erhalten.
Meine Damen und meine Herren! Leistung muss sich lohnen, doch gleichzeitig dürfen wir nicht diejenigen vergessen, die unsere Hilfe und Unterstützung brauchen. Es ist unsere Verantwortung, sicherzustellen, dass jeder Mensch unabhängig von seiner finanziellen Situation Zugang zu den notwendigen Unterstützungsleistungen erhält.
Abschließend möchte ich noch einmal unterstreichen: Wir müssen eine Gesellschaft sein, die Leistung belohnt. Wir müssen aber auch denen helfen, die es benötigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
14.32
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Doppler. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei dieser Debatte behandeln wir zwei Gesetzesmaterien. Zum einen ist dies das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, welches geändert werden soll. Es wird dahin gehend geändert, dass in Zukunft auch Sozialhilfebeziehern oder Mindestsicherungsbeziehern die Möglichkeit gegeben wird, dass sie einen Bildungszuschuss, einen Bildungsbonus erhalten. Das ist richtig und gut.
Wir wissen, wie wichtig und wertvoll gute Bildung und Ausbildung sind, und darum werden wir bei diesem Punkt zustimmen. Je besser die Ausbildung ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man in Arbeitslosigkeit abrutscht.
Wenn man ein sicheres Einkommen hat, ist das sicherlich auch ein guter Ansatz zur Armutsbekämpfung.
Das zweite Gesetz, das wir hier behandeln, betrifft das Heimopferrentengesetz, zu dem es ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs gegeben hat. Ein Antrag, eine Initiative von uns Freiheitlichen wurde jetzt zum Anlass genommen, dass wir alle hier reagieren und da eine Korrektur anstreben. Sollte es zu Rentennachzahlungen kommen, kann es nicht sein, dass diese Rentennachzahlungen bei Menschen, die ohnehin schon eine ganz, ganz schlechte, schiache Kindheit gehabt haben, in öffentlichen Einrichtungen misshandelt, wahrscheinlich auch missbraucht wurden und für die es wirklich teilweise bis heute noch ganz schlimme Folgen hat, wie sie ihre Jugend, ihre Kindheit verbringen mussten, als Einkommen herangezogen werden.
Daher bin ich froh, dass wir dieses Gesetz jetzt korrigieren können, nämlich so stabil korrigieren können, dass wir das als Verfassungsbestimmung heute beschließen werden, damit klargestellt wird, dass es nicht sein kann, dass Heimopfer, denen Leid widerfahren ist, auch noch bestraft werden, obwohl sie nichts dafür können. (Beifall bei der FPÖ.)
Also wie gesagt: Wir werden beiden Gesetzesmaterien zustimmen, und es freut mich, dass wir da einheitlich auf dem Weg sind. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Himmer.)
14.35
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Hohes Haus! Ich darf auf beide Materien kurz eingehen. Ich bedanke mich wiederum, insbesondere mit Blick auf das Heimopferrenten-
gesetz, für die Einstimmigkeit und die traditionell in dieser Frage parteiübergreifende Übereinkunft. Das wieder einstimmig hinzubekommen halte ich für ein wirklich starkes Signal auch den Betroffenen gegenüber, die, wie mehrfach erwähnt worden ist, ohnehin mit einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten in ihrer Geschichte zu kämpfen haben. Danke dafür!
Der zweite Punkt betrifft das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz. Das ist recht einfach erklärt: Es geht um eine Arbeitsmarktintegrationsmaßnahme, die dazu beiträgt, das zu tun, wozu auch Empfängerinnen und Empfänger von Sozialhilfe angewiesen sind, nämlich dazu beizutragen, möglichst wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und in diesem Sinne auch die Schulungsmaßnahmen des AMS in Anspruch nehmen zu können. Ich bedanke mich auch diesbezüglich für die Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Präsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall, und somit ist die Debatte geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz geändert wird.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird.
Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.
Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.
Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.
Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.
Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.
14. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (3866/A und 2452 d.B. sowie 11422/BR d.B. und 11433/BR d.B.)
Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung:
Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2024 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Präsidentin Margit Göll: Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Manfred Mertel. Ich erteile ihm das Wort.
Bundesrat Dr. Manfred Mertel (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Minister! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich darf heute wieder zuhören. Sehr anregend fand ich vor allem, was ich bei der Aktuellen Stunde gehört habe, „Generation Zuversicht“, und dazu möchte ich auch im aktuellen Tagesordnungspunkt, bei dem es um die Fotoregistrierung für E-Cards
geht, welche zukünftig die Gemeindeämter bewältigen dürfen, den Bogen spannen.
In den Jahren vor 2020, also bevor dieses Gesetz in Kraft getreten ist, gab es vonseiten eines sehr jungen, aufstrebenden Staatssekretärs Überlegungen, dass Fotos auf den E-Cards deren Missbrauch verhindern und so zu einer Einsparung führen würden. Nun darf man in diesem Zusammenhang auch erwähnen, dass dieser damals junge, aufstrebende Staatssekretär später zum Kapitän einer schwarz-blauen Mannschaft geworden ist, die das ganz deutlich forciert hat, dass wir diese Amtsstelle haben, nämlich mit dem Ziel, diesen wirtschaftlichen Missbrauch zu verhindern, der von diesem damaligen Kapitän immer wieder angesprochen wurde.
Wenn man in den Protokollen nachliest: Auch die FPÖ hat damals gemeint, dass das ein sehr guter Vorschlag ist, und hat sich darauf eingelassen und gesagt, dass man auch eine Kontrolle einführen, vor allem eine Ausländerkontrolle damit verbinden sollte, wenn man das bei den Polizeidirektionen ausstellt.
Heute müssen wir festhalten – das habe ich jetzt in den Protokollen nachgelesen –, dass dafür 32 Millionen Euro ausgegeben worden sind, und da möchte ich den Bogen zu dem Thema spannen, der jungen Generation Zuversicht zu geben: Bei Betrachtung der Missbrauchsfälle stellt man fest – wie auch die grüne Abgeordnete Neßler ausgeführt hat –, dass nur vier Fälle bekannt sind, in Wien und Tirol, glaube ich, das Burgenland hat gar keinen gehabt. Letztendlich hat es das Fünfzehn- oder Zwanzigfache dessen gekostet, was es erspart hat.
Wenn wir die Zeit, seitdem diese Fotoregistrierung notwendig ist, als erste Halbzeit betrachten, so könnten wir jetzt zur Schlussfolgerung gelangen, dass das eigentlich ein klassisches Eigentor war, denn der Aufwand lohnt sich nicht – im Gegensatz zu dem, was herauskommen hätte sollen, nämlich den 200 Millionen Euro, von denen uns der damalige Kapitän versprochen hat, dass man sie
durch Verhinderung dieses vermeintlichen, von ihm angesprochenen Missbrauchs einsparen könnte. Offensichtlich hat es aber diesen Missbrauch nie gegeben, und auch die 200 Millionen Euro sind nicht vorhanden.
Ähnlich verhält es sich mit einem anderen Versprechen, wie ich neulich in einer Ausschusssitzung gehört habe: Bei der Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger wurde ja versprochen, dass dadurch für die Patienten eine Milliarde Euro eingespart würde. Jetzt stellt sich heraus, dass da nicht eine Milliarde plus, sondern eine Milliarde minus gemacht wurde. Da fehlen jetzt also zwei Milliarden, wie man durch eine einfache Schlussrechnung sehen würde.
Nun komme ich sozusagen zur zweiten Halbzeit. Die ÖVP hat den Spielpartner gewechselt, sodass man glauben könnte, jetzt kommt es zu einem berühmten Umschaltspiel mit den Grünen. Aber auch da müssen wir festhalten, wenn wir all die Berichte in den Debatten des Nationalrates verfolgen, dass es auch mit den Grünen keine Verbesserung der finanziellen Situation gibt, weil eben diese Fälle, die man immer angesprochen hat, in Wahrheit gar nicht vorhanden sind.
Es heißt also auch jetzt: Die Kosten steigen, die Kosten sind gegeben; und man kann trotz des positiven Elements, nämlich den vom grünen Mannschaftsteil geplanten Vorteilen für Saisonarbeiter:innen, Baustellenarbeiter:innen und die 24-Stunden-Pfleger:innen, hinterfragen, ob sich das angesichts des großen Aufwandes lohnt. (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn ich fortsetzen darf: Nun sollen durch die neue Regelung die Gemeinden eingebunden werden, das heißt also die Bürgermeister:innen. Da allerdings, wie wir in den Debatten immer wieder hören, die finanzielle Situation der Kommunen schwierig ist, müssen wir auch da wieder hinterfragen, ob es eigentlich Sinn macht, so eine gesetzliche Regelung durchzuführen.
Aus unserer Sicht macht es keinen Sinn. Im Endeffekt – wenn wir wieder das Stichwort „Generation Zuversicht“ heranziehen – ist es wiederum eine enorme Belastung für die Jugend. Da sollte die hier im Bundesrat anwesende Jugend
auch darüber nachdenken, dass wir ganz genau und mit entsprechender Kontrolle darauf achten sollen, wie mit unseren Geldern umgegangen wird.
Ich möchte das noch einmal betonen, damit Sie das auch wissen: Von unseren ganzen Steuereinnahmen kommen 83 Prozent aus der Umsatzsteuer und aus der Lohnsteuer. Das ist ein Beitrag, den die arbeitenden Menschen in unserer Gesellschaft und in unserem Staat leisten; und ich glaube, es ist unsere Aufgabe, da mit größerer Sorge vorzugehen.
Abschließend darf ich Ihnen vielleicht noch etwas sagen: Wenn vor über 20 Jahren im Parlament von 100 Millionen Schilling Schulden gesprochen wurde, dann hat man sich auf den Kopf gegriffen. Das waren umgerechnet etwa 7 Millionen Euro. Und wenn ich Ihnen heute zuhöre und in den Debatten des Nationalrates von Milliarden höre, dann denke ich, irgendetwas ist in diesen 20 Jahren anders verlaufen, als ich es mir erwartet habe.
In diesem Sinn möchte ich Ihnen zum Ausdruck bringen, dass die SPÖ-Fraktion dem keine Zustimmung erteilen wird. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)
14.47
Präsidentin Margit Göll: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger zu Wort gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich kann das natürlich nicht in ein Fußballmatch verpacken, da bin ich nicht so sicher, aber ich kann Ihnen eine persönliche Geschichte zur E-Card erzählen: Mein Mann lebt seit 2004 in Österreich und hatte eine E-Card, und zwar, wie wir alle damals, ohne Foto. Im Zuge der Umstellung wurde zumindest mir automatisch eine E-Card mit Foto zugesendet. Das war relativ problemlos, eine neue Karte, alles gut.
Bei meinem Mann war das Ganze ein bisschen anders. Eines Tages ist er vom Arzt zurückgekommen und meinte, dass seine E-Card gesperrt sei, niemand wusste, warum. Nach aufwendigen Recherchen wurde klar, dass verabsäumt wurde, ihm mitzuteilen, dass er hinkünftig ein Foto auf seiner E-Card braucht, um diese weiter nutzen zu können, und eigentlich sogar, um Gesundheitsdienste in Anspruch nehmen zu können, obwohl er über Versicherungsschutz verfügte.
Nach langen Erkundigungen fanden wir heraus, dass ein Foto bei der Landespolizeidirektion angefertigt werden muss. Da hatten wir ganz großes Glück im Unglück, denn in Vöcklabruck war das tatsächlich an einer Außenstelle zu bestimmten Tagen zu bestimmten Zeiten möglich, nämlich – soweit ich mich erinnere, es ist jetzt schon länger her – alle 14 Tage an einem fixen Wochentag.
Damals hat die Wartezeit auf den Termin drei Monate betragen, und in dieser Zeit – und das ist tatsächlich eine wahre Geschichte – musste er bei jedem notwendigen Arztbesuch, Gott sei Dank waren es nicht so viele, bei der ÖGK um eine temporäre Freischaltung der E-Card bitten. Irgendwann war es dann tatsächlich vollbracht, mein Mann war dann in Besitz einer E-Card mit Foto. Er hat mir vorgestern dann noch gesagt: In Wirklichkeit hat das Foto noch nie wer angeschaut.
Das war eine kleine Odyssee, die zumindest für meinen Mann ein Ende gefunden hat, aber, wir haben es gestern im Ausschuss gehört, für 77 000 Menschen in Österreich ist diese Odyssee noch nicht zu Ende. Wir haben auch gehört, dass – glaube ich – 50 Prozent dieser Menschen Deutsche und 50 Prozent Rumänen sind. Das deckt sich eben mit Saisonarbeiter:innen und Pflegekräften.
Da schaffen wir heute, und das ist wichtig, eine erhebliche Vereinfachung: Zukünftig wird es an Gemeindeämtern möglich sein – an jenen Gemeindeämtern, die über die notwendige Infrastruktur verfügen, die sich eine Passstelle eingerichtet haben –, ein Foto für die E-Card anfertigen zu lassen. Das passiert wohnortnah, wahrscheinlich superschnell und bürger:innenfreundlich.
Gerade im Zuge der Digitalisierung – und da nenne ich nur das Stichwort E-Rezept – ist es ganz wichtig, dass alle Menschen, die hier Versicherungsschutz genießen, schnell eine gültige E-Card erhalten. Das stellen wir mit der heutigen Änderung des Gesetzes sicher.
Ich bin aber auch nicht müde, zu erwähnen, ja ich muss es auch aus persönlichen Gründen erwähnen: Der finanzielle Aufwand, um da eben Fotos auf die E-Card zu bekommen, belief sich auf – Kollege Mertel hat die Zahl nicht genannt – 10,9 Millionen Euro bis 2023, und es kommen ja, wie wir wissen, noch weitere Kosten hinzu. Ganz persönlich muss ich sagen: Mit einfachen Mitteln, nämlich mit einer Aufforderung, zur bestehenden E-Card einen Lichtbildausweis zu zeigen, hätten wir uns dieses ganze Geld, viel Mühe und unnütze Wege sparen können. (Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
14.51
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauer im Saal und vor den Bildschirmen! Es geht um eine Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, nämlich um eine Neuerung betreffend die E-Card, dass nämlich auf neuen E-Cards ein Foto der Person abgebildet sein muss, wenn die Person über 14 Jahre alt ist.
Es war dringend notwendig, es war eine sehr gute Entscheidung. Kollege Manfred Mertel hat es kritisiert – da hinten ist er eh. Es war notwendig, dass wir es gemacht haben. Wir wissen, dass es missbräuchliche Verwendung gegeben hat, dass eine Person die Karte weitergegeben hat. Es hat sogar, wie schon angesprochen wurde, eine ORF-Reportage darüber gegeben.
Es ist kein hundertprozentiger Schutz. Da bleibe ich jetzt beim Fußball: Es ist wie eine Mauer bei einem Freistoß. Es ist nicht hundertprozentig, aber es ist eine Hemmschwelle, damit es jetzt in Zukunft nicht mehr so leicht geht, die Karte weiterzugeben. Daher ist das Foto notwendig. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Himmer.)
Wir werden nicht zustimmen, weil wir da keine Aufweichung des Gesetzes wollen.
Zur angesprochenen zeitlichen Frage muss ich sagen: Ich glaube, es hat jeder gewusst, dass das kommt. Die Möglichkeiten sind gegeben. Jetzt wird es auch eine Erleichterung geben, es wird neben den Landespolizeidirektionen jetzt auch auf den Gemeindeämtern eine Registrierstelle geben, damit das auch dort umgesetzt werden kann. Allerding ist das auch eine Herausforderung für viele Gemeinden – das verstehe ich –, weil die Gemeinden betreffend ihre Aufgaben beziehungsweise die Belastungen für die Gemeindebediensteten schon sehr an ihre Grenzen gekommen sind.
Es kann halt nicht sein, dass man immer wieder für bestimmte Gruppen, nämlich Zugewanderte, alles erleichtert, und die bei der Regierung immer wieder im Fokus stehen. Wir legen unseren Fokus auf unsere eigenen Staatsbürger. Wir wollen, dass es für diese eine Erleichterung gibt! Diese Möglichkeit haben Sie am 9. Juli und Ende September bei den Wahlen: FPÖ, Volkskanzler Herbert Kickl! (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.)
14.53
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier und zu Hause vor den Bildschirmen! Die Einführung der E-Card ist schon
relativ lange her, und sie ist wirklich eine Erfolgsgeschichte. Die Geburt war sehr schwierig, hat lange gedauert, es ist viel darüber diskutiert worden. Bei dieser Gesetzesnovelle geht es einfach um die Fotoregistrierung für die E-Cards.
Wenn – und das ist in den allermeisten Fällen so – den heimischen Pass- oder Führerscheinbehörden ein Foto vorliegt oder wenn die Person über einen elektronischen Identitätsnachweis verfügt, geht die Umstellung eigentlich automatisch. E-Cards mit Fotos werden ja seit 1.1.2020 ausgegeben. Ich habe meine E-Card vor drei oder fünf Monaten zugeschickt gekriegt. Ist mir eigentlich gar nicht so aufgefallen. Ich finde schon, dass das wichtig ist, denn da geht es ja um Sicherheit, darum, Missbrauch hintanzuhalten. Das, glaube ich, ist ein wesentlicher Punkt.
Alle Menschen, die einen österreichischen Reisepass, einen österreichischen Personalausweis oder einen Scheckkartenführerschein besitzen, brauchen überhaupt nichts zu tun, weil sie die neue E-Card automatisch kriegen. Mit dem heutigen Beschluss geht es um jene Menschen – circa 77 000 Menschen, darunter sowohl österreichische als auch nicht österreichische Staatsbürger:innen –, bei denen die automatisierte Umstellung nicht möglich ist. Genau für diese Personen sollte die Beibringung des Fotos ein bisschen erleichtert werden.
Ich habe nachgeschaut, es gibt in Österreich 2 093 Gemeinden, davon sind 15 Städte mit eigenem Statut. Wenn man es durchrechnet, dann sind das 35 Fälle pro Gemeinde. Auch wenn es in den Ballungszentren wesentlich mehr Fälle sind: Man kann davon ausgehen, dass man in den Landgemeinden viel weiter fährt.
Ich finde, man muss den Gemeinden wirklich dafür danken, dass sie bereit sind, das zu tun. Sie haben ja viele Aufgaben, sind ja Dienstleister, und die betroffenen Menschen sind ja irgendwo in der Arbeit, weiß Gott wo, hauptsächlich in der Pflege, in der Saisonarbeit, viele sogenannte 24-Stunden-Hilfen, und ich finde es richtig, dass diesen Menschen da geholfen wird. Die müssten ansonsten zu den
Dienststellen der Sozialversicherungsträger oder zu den Landespolizeidirektionen. Es ist daher, glaube ich, eine gute Sache, wenn man den Menschen diesen Weg erspart, indem die Gemeinden das übernehmen. (Beifall bei der ÖVP.)
Man kann die Gemeinden nicht dazu verpflichten, sie machen das freiwillig, und ich finde, das ist ein wesentlicher Punkt. Gelten soll die Bestimmung ab dem 1.4.2024, und Voraussetzung ist eben eine entsprechende Verordnung durch Innenminister Gerhard Karner.
Was auch besonders wichtig ist: Die Sozialversicherungen können sich für die Beibringung von Lichtbildern durch entsprechende Vertragsabschlüsse auch der als Passbehörden tätigen Behörden sowie der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bedienen.
Jetzt, geschätzte Damen und Herren, und das ist wirklich sehr positiv, wird die Bundesregierung diese Bestimmungen adaptieren, damit diese Fotoregistrierung für E-Cards für die betroffenen Menschen eine einfache Sache wird.
Verpflichtend wird das neue Service nicht sein, das habe ich schon gesagt, und ich bedanke mich wirklich bei allen Gemeinden, bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und speziell auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf den Gemeinden, die das machen. Ich glaube, das ist eine gute Sache.
In diesem Sinne bitte ich natürlich um breite Zustimmung. Ich verstehe eigentlich nicht ganz, warum man diesem Punkt nicht zustimmen kann. Die Argumente sind eigentlich schon sehr dürftig. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
Präsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.
Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2024 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-838-BR/2024 d.B. sowie 11434/BR d.B.)
Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2024. (Vizepräsident Reisinger übernimmt den Vorsitz.)
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:
Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2024 den Antrag, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Schartel. Ich erteile ihr das Wort.
15.00
Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Kollegen! Herr Minister! Wie schon von der Berichterstatterin angekündigt wurde, diskutieren wir hier über den Bericht des Bundesministers betreffend EU-Jahresvorschau 2024.
Es sind ein paar Dinge drinnen, die wirklich besonders erwähnenswert sind, zum Beispiel, dass man sich auf europäischer Ebene wirklich dafür einsetzt, dass es endlich eine Harmonisierung bezüglich des Behindertenausweises oder auch des Parkausweises für behinderte Menschen gibt. Auch behinderte Menschen können Gott sei Dank mobil sein, und dann ist es natürlich sehr ärgerlich, wenn zum Beispiel in Österreich ein Behindertenparkplatz genutzt werden darf, aber unter Umständen in Italien oder im benachbarten Slowenien nicht.
Im Bereich des Konsumentenschutzes setzt man sich dafür ein, dass es wieder ein Recht auf Reparatur gibt. Das heißt, dass man versucht, die produzierenden Firmen – vor allem von Gebrauchsgegenständen – wieder so weit zu bringen, dass sie nicht Artikel produzieren, die schon von vornherein eine Ablaufzeit haben. Jeder weiß, wenn es um Drucker oder um solche Dinge geht, dass diese gar nicht mehr dafür geeignet sind, dass man sie reparieren kann. – Das ist sicherlich auch etwas sehr Positives.
Was wir eher negativ sehen und auch sehr skeptisch betrachten, ist natürlich alles, was den Bereich des Sozialwesens betrifft, was vor allem den Bereich Gesundheit betrifft. Ich muss Ihnen wirklich sagen: Wenn man zum Beispiel jetzt hernimmt, dass die EU sich da wesentlich eingemischt hat und wesentlich daran beteiligt war, als es um die heute schon erwähnten Impfdosen ging, so sieht man eigentlich, wie falsch die EU in diesen Bereichen unterwegs ist.
Wenn Österreich dazu gezwungen wurde beziehungsweise sich vertraglich und rechtsverbindlich dazu entschlossen hat, 62,1 Millionen Impfdosen der Covid-Impfung zu beschaffen und anzunehmen und bis dato – Sie, Herr Bundesminister, haben es heute selber im Zuge eines Tagesordnungspunkts erwähnt –
nur ein Drittel davon, also 21 Millionen, verimpft worden sind, dann frage ich mich wirklich, wer eigentlich auf eine solch eigenartige Berechnung kommt. Und wenn man dann noch weiß, dass von 18,7 Millionen Impfdosen bereits 11,3 Millionen vernichtet werden mussten, weil sie abgelaufen sind, dann frage ich mich: Was ist mit den restlichen 40 Millionen passiert? – Meiner Meinung nach ist das eine Geldvernichtungsmaschine par excellence. (Beifall bei der FPÖ.)
Zusätzlich hat sich ja die EU selbst eigentlich – gerade, was das Gesundheitsweisen betrifft – eine sehr enge Arbeitsweise vorgegeben. Es steht nämlich im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, wenn es um die Kompetenz für die Organisation im Gesundheitswesen und um die medizinische Versorgung geht, liegt diese ausschließlich bei den Mitgliedstaaten. Es steht auch in der Verordnung – Art. 168 Abs. 5 –: Dem Europäischen Parlament und dem Rat sind Maßnahmen zur Harmonisierung der einschlägigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sogar ausdrücklich untersagt.
Wie gesagt: Das ist auch der Hauptgrund dafür, dass wir diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen. Es gibt zwei positive Dinge, aber die Mehrheit ist wie immer, wenn etwas von dieser Regierung kommt, negativ. (Beifall bei der FPÖ.)
15.04
Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr das Wort.
Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und zu Hause via Livestream! Ja, wir nähern uns tatsächlich den EU-Wahlen, und die zurückliegenden Jahre haben uns allen mehr als deutlich gemacht, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit und gemeinschaftliche Vorgehensweise in Krisenzeiten ist.
Leider – und das möchte ich an dieser Stelle schon ganz kurz erwähnen – ist in der Bevölkerung oftmals sehr wenig bekannt, was auf EU-Ebene passiert. Immer wieder höre ich gefährliche Halbwahrheiten, was die da in Brüssel beschlossen haben und was, ach, gar so schrecklich für Österreich ist. – Das Gegenteil ist der Fall.
Um uns die EU näherzubringen, gäbe es gute Mechanismen abseits der medialen Berichterstattung, die aber leider sehr selten genutzt werden. Ein Beispiel dafür sind die EU-Gemeinderät:innen, die – soweit in den Gemeinden vorhanden – in jeder Gemeinderatssitzung die Möglichkeit hätten, auch über Dinge, die im EU-Parlament beschlossen werden, zu berichten. In meiner Gemeinde zum Beispiel gibt es solch einen EU-Gemeinderat. Die Wahlen in Oberösterreich waren 2021, und er ist bis heute tatsächlich noch nie in Erscheinung getreten. Das halte ich grundsätzlich für sehr schade.
Umso mehr freut es mich, dass ich heute zumindest ein paar Inhalte der EU-Jahresvorschau aufgreifen darf. Ganz nebenbei kann ich jedem, jeder empfehlen – die (ein Exemplar der EU-Jahresvorschau in die Höhe haltend) schaut so aus, diese EU-Jahresvorschau –, sie einfach einmal durchzublättern. Sie ist super geschrieben und es sind wirklich interessante Dinge drinnen – einfach einmal anschauen, wer es noch nicht gemacht hat.
In dem unter diesem Tagesordnungspunkt zu behandelnden Bericht werden eben jene Initiativen vorgestellt, die für das Berichtsjahr 2024 im Bereich Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz relevant sind. Ich möchte einige Dinge aus dem Bericht aufgreifen. Kollegin Schartel hat ja immerhin auch zwei positive Punkte gefunden – ich finde mehr! –: den Behindertenausweis und das Recht auf Reparatur. Das Recht auf Reparatur ist eine sensationelle Sache, würde ich sagen, aber ich möchte beim Frühstück anfangen.
Es gibt nämlich jetzt eine Frühstücksrichtlinie und man kann das auch so bezeichnen: Schluss mit dem Etikettenschwindel. Zu dem im April 2023 vorgelegten Vorschlag zur Änderung der sogenannten EU–Frühstücksrichtlinien
konnte nämlich eine Einigung erzielt werden. Was ist das genau? – Es geht um Herkunftskennzeichnung bei Honig, und das ist ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz für Konsument:innen und zur Stärkung der heimischen Produzent:innen. Es ist nämlich schon wesentlich – zumindest mir ist das sehr wesentlich –, zu wissen, woher der Honig kommt. Bei Honigmischungen ist es nämlich jetzt so, dass eine Verpflichtung zur Angabe der Herkunftsländer besteht. Also da darf jetzt nicht mehr draufstehen: Mischung Honig aus EU-Ländern, sondern es müssen tatsächlich die Länder angeführt werden.
Ich möchte auch sagen, die Marillenmarmelade - wir haben ja zumindest bei uns die Marillenmarmelade und keine Aprikosenkonfitüre oder wie auch immer – feiert ihr Comeback, weil nämlich die Bezeichnung Marmelade jetzt nicht mehr nur auf Zitrusfrüchte beschränkt ist. (Bundesrätin Schumann: Jetzt hätten wir applaudiert!) – Was sagst du, Korinna? (Bundesrätin Schumann: Jetzt hätten wir applaudiert!) – Ja, bitte applaudiert für das Frühstück! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Ich möchte auch – weil ich aus der Bevölkerung Feedback bekommen habe, von einer Ärztin aus dem Nachbarort – die neue Gentechnik ansprechen. Der im Juli 2023 vorgeschlagene Rechtsrahmen für Pflanzen, die mithilfe neuer Gentechnik gewonnen werden, sieht eine weitgehende Deregulierung der bestehenden und bewährten Gentechnikregelungen vor.
Während die Positionen der Mitgliedstaaten zum Teil weit auseinandergehen, ist die österreichische Haltung ganz klar: Auch für die neuen Gentechnikverfahren müssen die drei Grundpfeiler, nämlich das Vorsorgeprinzip, die wissenschaftliche Risikobewertung und die Kennzeichnungspflicht gelten. Solange diese und zahlreiche weitere kritische Punkte und offene Fragen, wie zum Beispiel Fragen der Patentierbarkeit und Koexistenz, nicht geklärt sind, ist eine Zustimmung Österreichs nämlich jedenfalls ausgeschlossen – und es ist auch wichtig, das einmal zu erwähnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Abschließend vielleicht noch – ich will nicht alles vorwegnehmen, Sie werden den Bericht ja dann selbst studieren (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP) – zum Tierschutz: Das von der Europäischen Kommission am 7. Dezember 2023 vorgeschlagene Tierschutzpaket wird von Österreich begrüßt. Zum einen wurde ein Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen vorgelegt, der die größte Reform der EU-Regelung in diesem Bereich darstellt.
Zum anderen sollen mit der Verordnung über den Schutz und die Rückverfolgbarkeit von Hunden und Katzen erstmals EU-weit einheitliche Mindeststandards für Zucht und Haltung von Hunden und Katzen in Zuchtbetrieben, Zoohandlungen und Tierheimen festgelegt werden. Auch das halte ich für sehr wichtig.
Ich habe jetzt nur einige wenige Punkte herausgegriffen, denn ihr alle werdet das ja jetzt lesen. Ich denke, dass die im Programm beschriebenen Pläne und Ziele uns weiter in Richtung Stärkung und gemeinsames Vorgehen bringen und dass das gerade in diesen Zeiten sehr wichtig ist. – Danke für eure Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
15.10
Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher, Zuhörer und Zuhörerinnen! Der Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2024 zeigt unter anderem, dass die Europäische Kommission bereits im April 2023 ein Legislativpaket geschnürt hat, um die Versorgung der europäischen Bevölkerung mit Arzneimitteln zu verbessern und
ein attraktives Umfeld für Forschung, Entwicklung und Herstellung von Medikamenten in Europa zu schaffen.
Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Arzneimittelpaket enthält unter anderem Anreize für Unternehmen, ihre Arzneimittel in sämtlichen EU-Ländern anzubieten und gezielt Arzneimittel für ungedeckten medizinischen Bedarf zu entwickeln. Außerdem will die Kommission die Verfahren zur Zulassung von Generika und Biosimilars vereinfachen. Österreich, das Gesundheitsministerium, unterstützt diese zentralen Zielbestimmungen hinsichtlich deren Verfügbarkeit und deren Leistbarkeit. Lieferengpässe sollen beseitigt werden, Antibiotikaresistenzen sollen verstärkt bekämpft werden.
Ich fasse mich kurz, weil meine Vorrednerin ja schon einige Beispiele vorweggenommen hat, aber es ist mir schon wichtig, aus dem Sozialbereich die Einführung des europäischen Behindertenpasses und eines europäischen Parkausweises zu erwähnen. Österreich unterstützt das Vorhaben und konnte bei den Verhandlungen eine stärkere Verankerung des Datenschutzes erwirken.
Weiters geht es auch um die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderungen; diese sollte erhöht werden, und dazu hat die EU-Kommission bereits im September 2022 ein Beschäftigungspaket vorgelegt, basierend auf den aktuellen EU-Strategien für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Es wird weiters über mehr Sicherheit von Kinderspielzeug gesprochen. Die Herkunftskennzeichnung von Honig ist uns allen wichtig. Wir wollen überhaupt von allem, was auf den Tisch kommt, wissen, woher es kommt. Es geht auch um adaptierte Regeln für neue gentechnische Verfahren, diesbezüglich wird aktuell verhandelt.
Strengere Regeln für Tiertransporte und die Hunde- und Katzenzucht sind ebenfalls vorgesehen, was Österreich grundsätzlich sehr positiv sieht, denn wir
alle fordern seit Langem eine Verschärfung der Tiertransportvorgaben ebenso wie den verstärkten Schutz von Hunden und Katzen.
Im Konsumentenschutzbereich stehen Richtlinienvorschläge zum Recht auf Reparatur, die Belegpflicht von Umweltaussagen – ich denke dabei an diese Green Claims – zur Verhinderung von Greenwashing und die Modernisierung der Rechtsvorschriften über alternative Streitbeilegungsverfahren zur Diskussion. Allerdings sieht Österreich bei diesen vorgelegten Legislativvorschlägen noch viele offene Fragen.
Weiters prüft die EU-Kommission seit 2022, inwieweit das Verbraucherschutzrecht im Lichte der neuen digitalen Entwicklungen insgesamt noch tauglich ist. Heuer, im zweiten Quartal, soll das Ergebnis der Überprüfung vorliegen.
Derzeit hat Belgien den Vorsitz im Rat inne und Belgien räumt ebenfalls dem Thema Tiergesundheit mit Fokus auf Biosicherheit und Impfung hohe Priorität ein.
Insgesamt kann man also sagen: ein sehr positiver Bericht betreffend Jahresvorschau 2024, den man gerne und gut zur Kenntnis nehmen kann. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
15.14
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.
Als nächste Rednerin ist Elisabeth Grossmann zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.
Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, der EU-Vorhabensbericht im Bereich Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz enthält wichtige
Inhalte, spricht wichtige Herausforderungen an, wo auch dringender Handlungsbedarf besteht, ist insgesamt zu unterstützen, deshalb unterstützt unsere Fraktion ihn auch.
Es werden wichtige Herausforderungen angesprochen, wie zum Beispiel die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln – das hat auch meine Vorrednerin, Frau Kollegin Neurauter, dankenswerterweise angesprochen –, ein ganz, ganz wichtiges Thema, bei dem sich zeigt, wo auch in der Vergangenheit die Versäumnisse, sage ich jetzt einmal, gelegen sind. Auch in Österreich gibt und gab es da Versäumnisse und wir sind intensiv damit konfrontiert worden. Viele Menschen in Österreich leiden darunter, dass wichtige Arzneimittel eben nicht verfügbar sind.
Ich habe dazu auch eine parlamentarische Anfrage gestellt, wie es da aussieht, und es ist zutage getreten, dass in den Jahren 2020 bis 2023 sage und schreibe 4 656 Medikamente nicht verfügbar waren, da gab es Vertriebseinschränkungen. Es hat natürlich immense Bedeutung für Menschen, die unter chronischen Krankheiten leiden, wenn sie Medikamente, auf die sie eingestellt sind, einfach nicht bekommen. Ich habe hier schon den Fall einer Epilepsiepatientin aus meiner Region geschildert, die dann in immer kürzeren Intervallen Anfälle erlitten und Herzprobleme gehabt hat. Das sind wirklich massive Probleme. Es ist daher wichtig und gut, dass man das jetzt angeht – auch auf europäischer Ebene –, dass da eben alles darangesetzt wird, dass ein entsprechender Zugang gewährleistet wird: betreffend die Verfügbarkeit und auch die finanzielle Leistbarkeit von Arzneimitteln.
Ich hoffe natürlich – Herr Minister, Sie haben heute schon bei einem anderen Tagesordnungspunkt dazu Stellung genommen –, dass die Strategie, Ihre Absichten im Zusammenhang mit den Bewertungsboards und so weiter, aufgeht. Die Probleme sind aber nach wie vor sehr präsent, also da besteht wirklich ganz, ganz akuter Handlungsbedarf.
Ein wichtiges Thema, das im Vorhabensbericht auch angesprochen wird, sind die Antibiotikaresistenzen, die immer häufiger werden. Sie haben natürlich verschiedenste Ursachen, teilweise vielleicht auch eine zu leichtfertige Verschreibung von Antibiotika – es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen oder das zu bewerten –, aber auch – das wird immer häufiger rückgemeldet – die unbewusste Antibiotikaaufnahme über den Fleischkonsum, zurückzuführen auf Tierhaltungsbedingungen, wo Tiere sehr eng gehalten werden. Um die Ausbreitung von Krankheiten möglichst hintanzuhalten, werden gesunden Tieren präventiv Antibiotika verabreicht. Das kann es nicht sein.
Also es ist gut, dass da genauer hingeschaut wird, natürlich auch bei den Tierhaltungsbedingungen insgesamt, bei den Tiertransporten, die wir schon sehr oft thematisiert haben. Der Verordnungsvorschlag sieht da mehr Tierwohl vor. Was ganz, ganz wichtig wäre: kürzere Transportzeiten, mehr Platz beim Transport – Sie haben den Bericht gelesen, da sind viele Vorschläge drinnen. Dieser Vorschlag ist jetzt sozusagen in der Pipeline, und ich hoffe inständig und fordere wirklich alle österreichischen Vertreterinnen und Vertreter in den verschiedensten Gremien auf, für höchste Tierwohlstandards einzutreten, sich für die allerhöchsten Tierwohlstandards starkzumachen (Bundesrätin Miesenberger: Die haben wir eh schon! Wir haben es schon ...!), weil das ganz, ganz dringend ist.
Gerade auch für die Landwirtschaft, gerade für die österreichische Produktion, für die österreichischen Bäuerinnen und Bauern wäre es ganz, ganz wichtig, damit diese auch konkurrenzfähig sind (Beifall bei der SPÖ) und die Skepsis der Konsumentinnen und Konsumenten gegenüber dem Fleischkonsum auch abgebaut wird. Gerade jetzt sorgt eine Umfrage für Aufregung, laut der sozusagen künstlich produziertes Fleisch beziehungsweise veganes Fleisch von manchen Konsumentinnen und Konsumenten gegenüber Fleisch von echten Tieren fast bevorzugt wird. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.) Das sollte natürlich schon zum Nachdenken anregen. Es ist unsere ureigenste Aufgabe –
von uns allen –, für höchste Tierwohlstandards einzutreten und auch beim Fleischkonsum höchste Qualität zu gewährleisten.
Die angesprochene Frühstücksrichtlinie ist auch zu begrüßen – alleine damit wir wieder mit gutem Gewissen Marmelade sagen können, wie wir es gewohnt sind. (Bundesrat Tiefnig: Ich habe es vorher auch gesagt!) Das ist natürlich auch ganz, ganz wichtig.
Auch zu begrüßen ist, dass es einen EU-weiten Behindertenpass gibt. Was ich aber ergänzend noch ansprechen möchte, ist das Vorhaben einer europäischen Sozialversicherungskarte. Auch das sollten wir wirklich intensivst – gerade aus österreichischer Sicht – vorantreiben, erst recht, wenn es darum geht, Sozialdumping zu unterbinden. (Beifall bei der SPÖ.)
Die Entsenderichtlinie, die ja unter heftigsten Widerständen durchgesetzt wurde, ist ganz, ganz wichtig, aber sie gehört natürlich auch kontrolliert, weil auf unseren Baustellen nicht dieselben Bedingungen für alle Beschäftigten herrschen. Da muss das Prinzip lauten: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. (Beifall bei der SPÖ.) Es muss alles darangesetzt werden, dass Schwarzarbeit unterbunden wird, dass Lohndumping unterbunden wird und dass eben die bestehenden Bestimmungen auch wirksam kontrolliert werden können. Dafür könnte natürlich eine europäische Sozialversicherungskarte sehr dienlich sein.
Im Bereich Konsument:innenschutz sind auch sehr wichtige Elemente enthalten: das angesprochene Recht auf Reparatur, Verbot von Greenwashing – ganz, ganz wichtig. Darüber hinausgehend ist wenig Konkretes enthalten. Im Bereich Konsument:innenschutz besteht wirklich noch sehr viel Handlungsbedarf auf europäischer Ebene, denn es wird europaweit, ja weltweit eingekauft, wie wir wissen, dementsprechend muss auch der Rechtsrahmen nachjustiert werden. Im Bereich von Sammel- und Kollektivklagen hat Österreich Aufholbedarf. Wenn da also von europäischer Ebene ein stärkerer Impuls kommt, so ist das natürlich begrüßenswert.
Sehr wichtig wäre es auch, dass im Bereich der digitalen Entwicklungen die rechtliche Entwicklung mit der technologischen Entwicklung Schritt hält.
Insgesamt gesehen werden die richtigen Themen angesprochen. Es könnte in manchen Bereichen noch etwas konsequenter sein. Insgesamt braucht die Europäische Union dringendst eine sozialere Ausrichtung, damit sich die Gesellschaft nicht noch weiter in Arm und Reich spaltet, damit eben der soziale Frieden nicht in Gefahr ist, denn der soziale Frieden ist die Basis für Frieden insgesamt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
15.23
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.
Zu einer Stellungnahme hat sich Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Es gibt ja nicht oft die Gelegenheit, im Bundesrat über europäische Themen zu sprechen. Dieser Bericht gibt die Möglichkeit dazu. Ich bin auch sehr dankbar, dass das möglich ist.
Ich fange bei den Agenden an, die jetzt aktuell wichtig sind, auch auf der europäischen Ebene; einige sind angesprochen worden.
Menschen mit Behinderung werden künftig, das ist erwähnt worden, über einen im September 2023 vorgelegten Richtlinienvorschlag der Kommission einen europäischen Behindertenausweis, einen europäischen Parkausweis bekommen. Es gibt auch Vorschläge zur Stärkung der Gleichbehandlungsstellen, was ich für wichtig halte.
Es gibt im Zusammenhang mit dem Recht auf Reparatur im Bereich Konsumentenschutz den Vorstoß, insgesamt die Rechte von Verbraucherinnen und
Verbrauchern zu stärken – grenzüberschreitend. Die Europäische Union ist in diesem Punkt deshalb so wichtig, auch hinsichtlich des Vorschlagens von Regelungen, weil das aufgrund der Verflechtungen, die wir wirtschaftlich haben, und der Bestellungen, die auch grenzüberschreitend stattfinden, nicht nur alleine nationalstaatlich zu regeln ist.
Es gibt im Bereich der Arzneimittelgesetzgebung, das habe ich schon angedeutet, weitreichende Vorschläge der Kommission, aber wir sind jetzt durch die Europawahlen sozusagen an der Schnittstelle zwischen alter Kommission und altem Parlament und dann den neuen Gremien. Den Vorschlag einer weitreichenden Arzneimittelgesetzgebung halte ich für zentral und essenziell, das habe ich gesagt, weil damit drei Prioritäten ins Zentrum gestellt werden: die Versorgung mit Arzneimitteln zu verbessern, also die Verfügbarkeit sicherzustellen; die Zugänglichkeit zu sichern, und zwar für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen – das ist insbesondere für Österreich wichtig, weil wir halt in der Verhandlungsposition darauf angewiesen sind, gemeinsame Sache zu machen –; und auch die Leistbarkeit sicherzustellen. Dafür braucht es diesen Revisionsentwurf betreffend Arzneimittelgesetzgebung. Aktuell besteht der Streitpunkt insbesondere darin: Wie lange bestehen die Patentrechte? Wie lange ist der Patentschutz bei Medikamenten? Wann läuft er ab? Da gibt es zugegebenermaßen natürlich noch Differenzen zwischen der Industrie und den Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten sind sich einig, dass es in dieser Frage eine klare Regelung braucht.
Die Frühstücksrichtlinie ist erwähnt worden. Da geht es nicht nur um die Marmelade, sondern vor allem um die Herkunftskennzeichnung bei Honig, um Transparenz hineinzubekommen.
Der Tierschutz ist auch erwähnt worden. Der Vorschlag von Dezember 2023 wird von uns begrüßt, weil damit auch eine klare Verbesserung betreffend den Schutz von Tieren beim Transport erreicht worden ist.
Damit komme ich zu den Sozialsystemen: Es gibt in diesem Bereich eine klare Haltung, dass künftig – und das ist wichtig – die Fiskalregeln derart ausgelegt und ausgestaltet werden, dass auch soziale Investitionen oder Investitionen in Soziales und Gesundheit berücksichtigt werden können. Das war Thema am Montag und am Dienstag, als ich mit dem Finanzminister in Brüssel war, wo erstmals seit zwölf Jahren ein gemeinsames Meeting der Finanzminister, Finanzministerinnen und Sozialminister, Sozialministerinnen stattgefunden hat.
Diese beiden Welten waren bislang nicht zu 100 Prozent kompatibel, weil natürlich vonseiten der Finanzminister:innen immer die Fiskalregeln und die Stabilität der Haushalte in den Vordergrund gestellt worden sind. Die Sozialis – so nenne ich sie – und die Gesundheitsminister:innen haben sich immer rechtfertigen müssen – auch auf der europäischen Bühne –, was denn das alles für Kosten verursacht. Mittlerweile wird die Debatte – auch aufgrund einer Initiative, die maßgeblich von Belgien, Spanien und auch von mir mitbetrieben worden ist – so geführt, dass soziale Investitionen auch wachstumsfördernd sind. Soziale Investitionen sind nicht nur als Kosten zu betrachten, sie sind Investitionen in Menschen. Da gibt es einen Return on Investment. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Diese Debatte kann auch nicht mehr rückgängig gemacht werden, weil vollkommen klar ist: Es geht nicht an, dass immer nur dann, wenn Brücken, Straßen und Bauwerke errichtet werden, von guten Investitionen gesprochen wird, und immer dann, wenn es um Soziales, Gesundheit und Pflege geht, von bösen Kosten gesprochen wird. Die Debatte kehrt sich jetzt allmählich um und es ist ein Erfolg. Es ist der Ratspräsidentschaft der Belgier und den unterstützenden Staaten zu verdanken, dass erstens diese Debatte stattgefunden hat und zweitens die Fiskalregeln jetzt so ausgestaltet sind, dass das auch eingerechnet werden kann und das künftig auch eine wichtige Rolle spielt.
Ich sage es ganz deutlich: Die Europäische Union ist ja per se immer zuerst als Wirtschaftsunion gedacht und konzipiert worden. Unsere Haltung, meine Haltung war damals schon, schon bei der Beitrittsdebatte: Sozialunion vor
Währungsunion. Die Sozialunion muss jetzt ein Stück weit nachgeholt und nachgebildet werden, weil mittlerweile auch klar ist: Nur ein sozialer Staat und eine soziale Union sind imstande, die Demokratie zu erhalten. Das muss endlich auch sickern und in die Köpfe hinein. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Da wir vor den Wahlen zum Europäischen Parlament stehen, noch eine abschließende Bemerkung dazu: Ja, ich weiß, diese Europäische Union ist nicht perfekt. Ja, es gibt viele Dinge zu kritisieren. Aber: Könnten wir oder könnte Österreich ohne sie existieren? (Ruf bei der FPÖ: Ja!) Hätten wir eine wirtschaftliche Zukunft? – Nein, die hätten wir nicht. Das muss man den Menschen im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament auch so sagen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Ich möchte es einfach anhand von ein paar Beispielen klarmachen, weil ich finde, diese Debatte muss in den kommenden Wochen und Monaten geführt werden: Österreich profitiert seit dem Beitritt zur Europäischen Union handfest wirtschaftlich von diesem Beitritt. Allein der Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten hat das Exportvolumen der österreichischen Wirtschaft von 4 Milliarden Euro in Jahr 1995 auf 26 Milliarden Euro im Jahr 2023 gehoben. Das sind real Arbeitsplätze, die damit geschaffen worden sind. Das heißt, es ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit, dieser Union anzugehören. Es ist auch eine soziale Notwendigkeit und es ist eine Notwendigkeit, damit wir im internationalen, im globalen Wettbewerb überhaupt bestehen können.
Ich war jetzt relativ viel unterwegs, unter anderem auch auf der großen internationalen Ebene, wo es darum geht: Wie stellen sich denn geopolitisch aktuell die Situationen dar? Ich kann Ihnen sagen: Europa ist insgesamt ein alternder Kontinent. Der Anteil an Menschen, den die Europäische Union am gesamten Volumen der Weltbevölkerung hat, sinkt. Wenn wir als Österreich, als Volkswirtschaft, auch als Gemeinschaft in der Lage sein möchten, zu bestehen, dann wird das nur gemeinsam möglich sein. Das, finde ich, muss man den Leuten sagen. Alles andere ist eine Augenauswischerei. Wenn man gar daran
denkt oder damit spekuliert, wie die Briten aus dieser Union auszutreten, dann muss man nach UK schauen und sagen, was das für einen Impact hatte. Das ist eine Zerstörung einer Volkswirtschaft, das ist eine Zerstörung des sozialen Gefüges, und es ist ein Schaden für das gesamte Staatsgefüge. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Deshalb werde ich an dieser Stelle relativ emotional, weil ich einfach nicht hinnehmen mag, dass damit politisch Schindluder getrieben wird. Ich sage bei allen Diskussionen, bei denen ich bin – bei allen, unabhängig davon, wie die Zusammensetzung alterstechnisch ist –: Geht hin zu diesen Wahlen zum Europäischen Parlament und wählt in Gottes Namen, wen ihr wollt, aber wählt demokratische Parteien, die für die Europäische Union antreten, und lasst die anderen außen vor! (Bundesrat Spanring: Das ist sehr demokratisch!) Alles andere generiert einen massiven Schaden für die Republik Österreich. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Meine Damen und Herren! Ich würde mir von diesen demokratischen Parteien, die proeuropäisch aufgestellt sind, wünschen, diese Debatte in dieser Intensität zu führen. Es ist wichtig, es ist notwendig, weil wir sonst alles verlieren, was wir haben: nämlich die demokratische Grundlage dieses gemeinsamen Europas und auch dieses Österreichs. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.
Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung. – Nehmen Sie bitte Ihre Plätze ein.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Heimarbeitsgesetz 1960 und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden (3871/A und 2453 d.B. sowie 11435/BR d.B.)
17. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (2454 d.B. sowie 11436/BR d.B.)
Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 16 und 17, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Berichterstatter zu den Punkten 16 und 17 ist Herr Bundesrat Günther Ruprecht. – Ich ersuche den Kollegen um die Berichte.
Berichterstatter Günther Ruprecht: Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Heimarbeitsgesetz 1960 und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden, zur Kenntnis bringen.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:
Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Weiters darf ich Ihnen den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird, zur Kenntnis bringen.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:
Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke für die Berichte.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sascha Obrecht. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Werter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich voranstellen, dass wir es hier manchmal unterhaltsam haben, wir alle aber natürlich nicht zum Spaß hier sind. Wir alle tragen Verantwortung in unseren Tätigkeiten, nicht nur gegenüber unseren politischen Parteien, sondern auch gegenüber der österreichischen Bevölkerung. Insbesondere haben wir damit auch eine staatspolitische Verantwortung, nämlich Schaden von Österreich abzuwenden.
Wir haben hier einen Gesetzesbeschluss des Nationalrates vorliegen, der zum Ziel hat, eine Richtlinie umzusetzen. Österreich hat die Verpflichtung gemäß Artikel 288 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Richtlinien in innerstaatliches Recht umzusetzen, und das möglichst genau und korrekt. Wenn Österreich das nicht macht, drohen uns Strafzahlungen, ein Vertragsverletzungsverfahren bei der Europäischen Kommission. Es droht den Österreicherinnen und Österreichern Rechtsunsicherheit, wenn Sie sich nicht auskennen. Das Problem bei dem hier vorliegenden Gesetzesbeschluss des Nationalrates ist, dass er die Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen nicht korrekt umsetzt. Das ist nicht nur säumig, das wäre seit 1. August 2022 in österreichisches Recht umzusetzen, sondern der Gesetzentwurf ist schlichtweg mangelhaft.
Ich werde eine Reihe von mangelhaften Punkten aufführen. Ich habe bereits im Ausschuss für Arbeit und Soziales gemeinsam mit Kolleg:innen einen Minderheitsbericht eingebracht, um aufzuzeigen, welche mangelhaften Punkte in diesem Gesetzesbeschluss drinnen sind und warum es dringend notwendig ist, dass wir hier als Bundesrat unsere eigene Verantwortung wahrnehmen. Wir können Beschlüsse an den Nationalrat zurückschicken, wenn wir der Meinung sind, sie sind nicht in Ordnung. Dieser ist nicht in Ordnung. Er ist definitiv nicht in Ordnung! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich bringe daher einen Antrag ein:
Antrag
der Bundesrät:innen Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Heimarbeitsgesetz 1960 und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden
Die unterfertigten Bundesrät: innen stellen im Sinn der zitierten Gesetzesbestimmungen den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Heimarbeitsgesetz 1960 und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden (3871/A und 2453 d.B.)
einen Einspruch zu erheben.
*****
Normalerweise würde ich das jetzt lebhaft machen, ich will aber für das Protokoll festhalten, welche Punkte das im Einzelnen sind, deswegen werde ich sie vorlesen. Ich hoffe, Sie machen es sich gemütlich, Sie haben etwas zu trinken, denn es ist eine lange Liste. Es ist nicht nur ein kleiner Mangel, sondern es sind viele Mängel, deswegen wird es ein bisschen dauern.
Der gegenständliche Antrag wird demnach wie folgt begründet:
„Mit dem IA“ – Initiativantrag – „3871/A wird das Ziel verfolgt, die Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union [...] in nationales Recht umzusetzen. Österreich ist mit der Umsetzung bereits seit 1. August 2022 säumig.
Neben der Säumigkeit treten auch inhaltliche Unzulänglichkeiten hinzu, die eine mangelhafte Umsetzung der Richtlinie bewirken. Diese Mangelhaftigkeit setzt die Republik Österreich der Gefahr eines Vertragsverletzungsverfahrens aus, weshalb ein begründeter Einspruch des Bundesrates dem Nationalrat die Möglichkeit eröffnen soll, den bereits getroffenen Gesetzesbeschluss entsprechend zu sanieren. Auf diesem Wege soll erreicht werden, dass eine vollständig richtlinienkonforme Umsetzung schnellstmöglich erzielt wird.
Die Umsetzungsmängel betreffen gleich mehrere unionsrechtliche Vorgaben“, und sie lauten wie folgt:
Der erste Punkt ist, dass vollumfänglich Artikel 12 der Richtlinie mit diesem Gesetzesbeschluss nicht umgesetzt wird. Österreich ist gemäß Artikel 12 der Richtlinie „verpflichtet eine Regelung vorzusehen, die Arbeitnehmer:innen nach ihrer Probezeit“ – spätestens nach sechs Monaten – „die Möglichkeit gibt, um eine Arbeitsform mit vorhersehbaren und“ sicheren „Arbeitsbedingungen zu ersuchen. Sowohl die Frist für die schriftliche Beantwortung dieses Ersuchens“ durch den Arbeitgeber „als auch die Häufigkeit des Ersuchens“ der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann durch Österreich geregelt werden. „Arbeitnehmer:innen dürften basierend auf diesem Ersuchen nicht benachteiligt werden [...] und ein Zuwiderhandeln“ von Arbeitgeber:innen – also dass sie es eben nicht beantworten – „müsste wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen“ zur Folge haben. Das ergibt sich aus Artikel 19 der Richtlinie.
Gar nichts davon findet sich in dem Gesetzesbeschluss. Keine einzige dieser Maßnahmen steht drinnen. Wir erfüllen es einfach nicht. Das ist ein vollumfänglicher Umsetzungsmangel, den uns die Europäische Kommission, die wir über die Umsetzung notifizieren müssen, auch um die Ohren hauen wird. Es ist schlichtweg unionsrechtswidrig, wenn wir das so beschließen.
Weiters fehlen wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen bei gleich mehreren Vorgaben der Richtlinie. Diese wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen wünsche nicht nur ich mir, es ist vorgeschrieben, dass wir sie vorsehen müssen.
Worum geht es konkret? – Bei „Nichtaushändigung eines Dienstzettels“ – das steht ja auch drinnen und in Österreich haben wir das schon recht lange – ist jetzt zusätzlich vorgesehen, dass wir bei Zuwiderhandeln eben auch diese Sanktionen einführen müssen. Prinzipiell steht in diesem Gesetzesbeschluss auch die Einführung einer Verwaltungsstrafe drinnen, das Problem dabei ist, „dass sie nicht wirksam, angemessen und abschreckend ist.“ Warum? –
Insbesondere deswegen, da sie bei einem Verstoß, von dem fünf oder mehr Arbeitnehmer:innen betroffen sind, nicht mehr kumuliert wird. Das bedeutet: Der Strafrahmen von 500 Euro bis 2 000 Euro gilt gleichermaßen für Arbeitgeber:innen, die sechsmal vergessen, einen Dienstzettel auszustellen, wie für Arbeitgeber:innen, die es 8 000 Mal vergessen. (Bundesrätin Schumann: Wahnsinn!) Ich kann nur sagen: Ein Unternehmen, das 8 000 Mitarbeiter:innen hat und das kategorisch nicht macht, wird sich von 2 000 Euro nicht abschrecken lassen. Das hat keine abschreckende Wirkung, es ist mangelhaft umgesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)
Es betrifft die „Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit [...]: Auch für die Nichteinhaltung der Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit müssten Strafen vorgesehen werden“ – im Sinne des Artikels 19 der Richtlinie. „Hierbei geht es um Sachverhalte, in denen Arbeitgeber:innen einseitig, kurzfristig die Lage der Arbeitszeit von Arbeitnehmer:innen ändern.“ Dazu muss man sagen: Diese Möglichkeit haben Arbeitgeber:innen prinzipiell, aber nur im engen Rahmen des § 19c Arbeitszeitgesetz (Ruf bei der ÖVP: Die kennen wir aber nicht alle! Was steht da drinnen?), und da war es bislang so, dass wir es nur im Arbeitszeitgesetz im privatrechtlichen Teil geregelt haben. Es ist sehr stark zu bezweifeln, dass wir eine privatrechtliche Regelung im Arbeitszeitgesetz finden, die das Erfordernis einer wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktion erfüllt. Denn was ist die abschreckende Sanktion? Da hätte man sich überlegen müssen, auch § 19c Arbeitszeitgesetz mit einer Verwaltungsstrafsanktion zu bewehren oder diese Sanktion zumindest anzudrohen. – Mangelhafte Umsetzung von Artikel 10 der Richtlinie.
Weiter geht es mit Artikel 13 der Richtlinie: „Aus-, Fort- und Weiterbildung [...]: Pflichtfortbildungen [...] müssen“ künftig „kostenlos“ von Arbeitgeber:innen „angeboten werden“, zusätzlich müssen sie „als Arbeitszeit angerechnet werden und möglichst während der Arbeitszeit stattfinden. Auch hier steht der Verstoß nicht unter Strafandrohung“ im Sinne des Artikels 19 der Richtlinie.
Das heißt, Pflichtfortbildungen sind Fortbildungen, die vorgegeben werden, durch das innerstaatliche Recht oder das europäische Recht muss das alles gewährt werden. Wenn sich ein Arbeitgeber nicht daran hält, ist in diesem Gesetzesbeschluss nichts vorgesehen, was ihm droht. – Das ist mangelhaft.
„Verhinderung von zulässigen Mehrfachbeschäftigungen“, Artikel 9 Richtlinie: Da geht es um Mehrfachbeschäftigungen, sie „sollen nur unter engen Bedingungen von Arbeitgeber:innen verboten werden“; Grundregel sollte sein, dass sie zulässig sind. Die Bedingungen, mit denen man sie einschränken kann, können von Mitgliedstaaten festgelegt werden. „Sollten Arbeitgeber:innen unzulässigerweise Mehrfachbeschäftigungen ihrer Arbeitnehmer:innen vereiteln oder verbieten“, was droht ihnen dann nicht? – Wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen. – Artikel 19 der Richtlinie erneut nicht umgesetzt.
Wir kommen zu Artikel 18 der Richtlinie: „Recht auf Ausstellung einer schriftlichen Begründung einer Kündigung [...]: Sollten Arbeitnehmer:innen der Auffassung sein, dass eine Kündigung im Zusammenhang mit den durch die RL“ – Richtlinie – „vorgegebene Rechten erfolgt, haben sie Anspruch auf schriftliche Begründung.“ Laut Gesetzesbeschluss müssen Arbeitgeber:innen dem zwar prinzipiell nachkommen, aber wenn sie es nicht machen, was droht ihnen nicht? – Eine angemessene, abschreckende und wirksame Sanktion. Wieder: mangelhafte Umsetzung von Artikel 19 der Richtlinie. (Bundesrat Himmer: Wie definiert man „angemessene“?)
Wir machen weiter: „Fehlende Beweislastumkehr bei Kündigungen“, Art. 18 Abs. 3 dieser Richtlinie: „Sollten Arbeitgeber:innen ihre Arbeitnehmer:innen aufgrund der Geltendmachung von Rechten nach dieser RL“ – Richtlinie – „kündigen, so müssen die Mitgliedsstaaten dafür Vorsorge treffen, dass es zu einer Beweislastumkehr kommt: Die Arbeitgeber:innen haben in diesen Fällen nachzuweisen, dass die Kündigung andere Gründe hatte. Der Vorschlag zur Umsetzung der Richtlinie“, den wir vom Nationalrat bekommen haben, „sieht hingegen lediglich einen Motivkündigungsschutz der Arbeitnehmer: innen vor.“
Das ist eine mangelhafte Umsetzung, denn das bedeutet, dass immer noch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nachweisen müssen, dass es so war, und die Beweislast nicht die Arbeitgeber:innen trifft.
Das ist übrigens auch nicht das erste Mal, dass wir das mangelhaft umsetzen, wir haben es bereits bei der Umsetzung der Whistleblowerrichtlinie verhaut. Auch da hätten wir das machen müssen. Auch das ist etwas, von dem ich Ihnen garantiere, wenn wir das an die Europäische Kommission notifizieren, wird es als mangelhaft bewertet, weil es klarer gar nicht sein könnte.
Wir gehen weiter zu Artikel 17 der Richtlinie: „Teilweise fehlende Umsetzung des Benachteiligungsverbots [...]: „Arbeitnehmer:innen müssen bei Geltendmachung von Rechten nach dieser RL“ – Richtlinie – „vor Benachteiligungen der Arbeitgeber:innen in umfassender Weise geschützt werden. Dieser Schutz ist im Beschluss des NR“ – des Nationalrates – „nicht für Sachverhalte vorgesehen, in denen Arbeitnehmer:innen wegen der Nichtaushändigung der Dienstzettel ihre Arbeitgeber: innen anzeigen.“
Warum ist das jetzt so absurd? – Im Initiativantrag steht die Begründung drinnen: Wer soll denn die Anzeige machen, wenn ein Dienstzettel nicht ausgestellt wird? Es steht drinnen: Arbeitnehmer:innen sollen ihre Arbeitgeber:innen dann bei der Bezirksverwaltungsbehörde anzeigen. (Bundesrätin Schumann: Ja, das werden sie machen, genau!) Gleichermaßen führt man für diese Sachverhalte keinen Schutz vor Benachteiligung ein. Man hat das an ganz vielen Stellen ordnungsgemäß umgesetzt, an dieser Stelle hat man es vergessen. Zeigen Sie mir den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin, die ihre Arbeitgeber anzeigen werden, weil sie keinen Dienstzettel bekommen haben, wenn sie gleichzeitig wissen, dass sie keinen Schutz bekommen! Das ist ein Fehler, das ist eine mangelhafte Umsetzung. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir haben weiters: „Mangelhafte Umsetzung des Rechts auf Mehrfachbeschäftigung“, Artikel 9 der Richtlinie. Die Richtlinie sieht vor, „dass Arbeitgeber:innen ihren Arbeitnehmer:innen nicht verbieten dürfen, ein Arbeitsverhältnis mit
anderen Arbeitgeber:innen aufzunehmen. Es besteht jedoch die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten Bedingungen festzulegen, bei deren Vorliegen Arbeitgeber:innen Unvereinbarkeitsbestimmungen anwenden dürfen“. Das macht auch Sinn in Fällen, in denen es zum Beispiel darum geht, die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeitnehmer:innen zu schützen, oder wenn Unternehmer:innen ihre Geschäftsgeheimnisse schützen wollen. All das sind legitime Interessen, die man auch vorsehen kann. Was wir gemacht haben, ist: Wir schreiben einfach hinein, dass das Konkurrenzverbot in § 7 Angestelltengesetz pauschal und undifferenziert immer gilt und das Recht auf Mehrbeschäftigung aushebelt. – Das reicht fix nicht. Artikel 9 der Richtlinie ist mangelhaft umgesetzt.
Schlussendlich haben wir noch eine mangelhafte Umsetzung des Übergangsrechts, das ist Artikel 22 der Richtlinie. Worum geht es da? – „Die in der RL“ – Richtlinie – „vorgesehenen Rechte und Pflichten hätten bis 1. August 2022 für alle Arbeitsverhältnisse umgesetzt werden müssen.“ – So weit, so klar. – „Bei zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen hat die Unterrichtung über wesentliche Aspekte des Arbeitsverhältnis über Aufforderung der Arbeitnehmer:innen zu erfolgen bzw ist entsprechend den Vorgaben der RL zu ergänzen.“ Im Beschluss des Nationalrates ist das nicht der Fall. Im Beschluss des Nationalrates ist nämlich vorgesehen, dass die Änderungen nur für neu abgeschlossene Arbeitsverträge Anwendung finden müssen. Das finden Sie in § 19 Abs. 2 Z 57 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz.
Das wird begründet, es wird im Gesetzesbeschluss sogar erwähnt. Da steht geschrieben, dass es ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand für Arbeitgeber:innen wäre, wenn sie das jetzt machen müssten. Der unverhältnismäßige Verwaltungsaufwand: Es geht um zwei zusätzliche Informationen, die wir einfügen müssen, und Arbeitnehmer:innen müssten sogar darum ersuchen, dass sie mitgeteilt bekommen, was diese sind, und dann können die Arbeitgeber:innen darauf Bezug nehmen und müssten das beantworten.
Wir sagen, das können wir Arbeitgeber:innen nicht zumuten, das ist unzumutbar, das ist ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand, deswegen können wir das nicht hineinschreiben. Die Richtlinie sagt aber, wir müssen das hineinschreiben.
Ein Blick nach Deutschland: Deutschland hatte das auch umzusetzen, macht das auch sicher. Wie hat Deutschland es umgesetzt? – In § 5 des deutschen Nachweisgesetzes ist genau geregelt, dass Arbeitnehmer:innen eben ansuchen können und dann bekommen sie diese Informationen. Warum denn auch nicht, warum sollte das nicht möglich sein?
Insgesamt ist das eine mangelhafte Erfüllung von Artikel 22 der Richtlinie.
Aufgrund dieser Fülle von Umsetzungsmängeln der unionsrechtlichen Vorgaben ist es dringend geboten, dass wir das nicht so beschließen, dass wir es an den Nationalrat zurückschicken, damit er noch einmal drübergeht. Vielleicht wird nicht jeder einzelne Punkt im Einzelnen so geteilt – alles recht, kann man ausdiskutieren, aber das hat man nicht gemacht. Man hat das mit einem Initiativantrag eingebracht, man hat das nicht in Begutachtung geschickt. Man hat das wieder einmal durchgewunken – mit zwei Jahren Verspätung, dann aber schnell und mangelhaft gemacht. (Rufe bei der SPÖ: Wie so oft!)
Ich kann Ihnen garantieren – selbst dann, wenn nicht alles davon Ihre Meinung trifft, wenn Sie irgendwo einen anderen rechtlichen Standpunkt haben –: Da sind sehr viele Mängel drinnen, die von der Europäischen Kommission definitiv aufgegriffen werden. Wir machen das hier sehenden Auges.
Ich bitte Sie wirklich darum, wir haben eine staatspolitische Verantwortung: Stimmen Sie dem Antrag auf Einspruch zu, lassen wir das nicht durchgehen, der Nationalrat muss das besser machen! (Beifall bei der SPÖ.)
15.49
Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.
Der von den Bundesrät:innen Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung gegen den
vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Heimarbeitsgesetz 1960 und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden, mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, wobei dieser Antrag vom Antragsteller im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung in seinen Kernpunkten erläutert wurde, ist genügend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.
Wir fahren in der Debatte fort.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Liebe Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim! Kollege Obrecht, du hast mit deiner juristischen Analyse nun aufgezeigt, was deiner Meinung nach mit diesem Gesetzentwurf alles nicht funktioniert und wo die Probleme sind. (Die Bundesrätinnen Grossmann und Hahn: Das ist keine individuelle Meinung!) Ich werde jetzt ein paar konkrete Beispiele für das, was schon funktioniert, bringen. (Beifall bei der ÖVP.)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich einen Mitarbeiter vor – Peter –, der nach seinem Arbeitsvertrag fragt, nach seinem Dienstzettel fragt, aber keine klare Antwort erhält. Kurze Zeit später wird er gekündigt.
Oder denken Sie sich eine Dienstnehmerin – Susi –, die neben ihrem Hauptjob noch eine Nebenbeschäftigung ausübt, um über die Runden zu kommen. Plötzlich wird sie ohne eine plausible Erklärung gekündigt.
Oder stellen Sie sich noch einen weiteren Mitarbeiter vor – den Elektriker Georg –, der die Schaltberechtigungsprüfung absolvieren möchte, um im
Starkstrombereich arbeiten zu können, doch sein Arbeitgeber weigert sich, die Kosten für diese Weiterbildung zu übernehmen.
Mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen, die wir aller Voraussicht nach beschließen werden, sind Peter, Susi und Georg nun geschützt, denn dieses Gesetz bringt mehr Transparenz. Arbeitgeber müssen in Zukunft zusätzliche Informationen wie die Tätigkeitsbeschreibung, die Dauer der Probezeit oder das Kündigungsverfahren am Dienstzettel festhalten. Es bedeutet auch mehr Sicherheit, denn der Dienstzettel muss unverzüglich nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt werden, ansonsten drohen Strafen bis zu 2 000 Euro. (Bundesrat Obrecht: Das ist geltende Rechtslage, das ändert sich durch das nicht!)
Es bedeutet auch mehr Flexibilität, denn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht auf Mehrfachbeschäftigung, sofern sie mit dem Hauptjob vereinbar ist. Es bedeutet mehr Weiterbildung, denn wenn aufgrund von gesetzlichen Vorschriften, des Kollektivvertrages oder des Arbeitsvertrages bestimmte Weiterbildungen notwendig sind, um eine Tätigkeit auszuüben, muss der Arbeitgeber zukünftig diese Kosten tragen. (Bundesrat Obrecht: Was passiert, wenn er es nicht tut?)
Schlussendlich bedeutet es auch einen größeren Schutz der Arbeitnehmer, denn Arbeitnehmer haben zukünftig das Recht, bei Fällen wie jenem, den ich eingangs erwähnt habe, innerhalb von fünf Tagen nach Erhalt der Kündigung vom Arbeitgeber eine schriftliche Erklärung dafür zu erhalten. (Bundesrat Obrecht: Auch hier: Was passiert, wenn er es nicht macht? – Es passiert nichts, das ist das Problem dabei!)
Die EU-Richtlinie, die wir nun umsetzen (Bundesrätin Hahn: Oder nicht umsetzen!), stärkt die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie bekämpft prekäre Beschäftigungsverhältnisse und sie sorgt für mehr Fairness und Transparenz am Arbeitsmarkt. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Hahn: Was ist mit allem, was nicht jetzt umgesetzt wird?)
Das sind eigentlich alles Themen, die auch der SPÖ wichtig sind. Was macht aber die SPÖ heute? – Wir haben es gehört: Sie stimmt, wie auch schon bei der Abschaffung der kalten Progression, nicht mit. (Bundesrätin Hahn: Da sind Mängel über Mängel drinnen!) Im Nationalrat hat Kollegin Heinisch-Hosek die Ablehnung unter anderem auch damit begründet, dass das nur Mikroverbesserungen seien. Kollege Obrecht hat noch juristische Bedenken geäußert (Rufe bei der SPÖ: Ja, berechtigte!) und gesagt, das sei mangelhaft umgesetzt.
Okay, Kollegen, es mögen vielleicht nur Mikroverbesserungen sein – nennen wir es von mir aus so (Bundesrätin Grossmann: Mangelhafte Umsetzung!) –, aber auch Mikroverbesserungen sind Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Beifall bei der ÖVP.)
Diese Verbesserungen gehen in die richtige Richtung, ganz im Gegensatz nämlich zu Ihrer Forderung nach der 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und in allen Sparten. (Bundesrätin Schumann: Die Forderung haben wir nie gehabt! Dichtung und Wahrheit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Diese Forderung führt nämlich zu gar nichts, sie dient nur der Stimmenfängerei, denn die unangenehme Wahrheit ist: Wir müssen mehr arbeiten, wir müssen effizienter arbeiten (Bundesrätin Schumann: Arbeiten bis 67 heißt es bei der ÖVP!) und wir müssen wahrscheinlich auch länger arbeiten, um den Wohlstand langfristig erhalten zu können. (Beifall bei der ÖVP.)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, daheimsitzen und Freizeit genießen waren nicht die Faktoren, die in der Vergangenheit zu unserem Erfolg und unserem Wohlstand beigetragen haben. (Bundesrätin Schumann: Behaupten Sie das jetzt von den Frauen in Teilzeit? Um Gottes willen!) Es waren vielmehr die Leistungsbereitschaft, der Fleiß, das Engagement, die Weiterbildungsbereitschaft und die Innovationsstärke der österreichischen Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer, und auf diese wird es auch weiterhin ankommen! (Bundesrätin Hahn: Leisten die Österreicher:innen Ihnen zu wenig?) – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
15.54
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.
Ich darf die bereits bei uns weilende Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler begrüßen: Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Schartel. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Kollegen! Wir verhandeln jetzt die letzten beiden Tagesordnungspunkte, und ich möchte gleich kundtun, dass unsere Fraktion (in Richtung SPÖ) eurem Antrag auf Einspruch zu Tagesordnungspunkt 16 selbstverständlich zustimmen wird. (Beifall bei der SPÖ sowie Bravoruf der Bundesrätin Schumann.)
Unter Tagesordnungspunkt 17 wird eine wichtige Anpassung im Familienlastenausgleichsgesetz vorgenommen. Nachdem arbeitsrechtlich geregelt wurde, dass Familienhospizkarenz auch dann von Elternteilen in Anspruch genommen werden kann, wenn sie nicht mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt leben, werden jetzt die Regelungen des Familienhospizkarenz-Härteausgleichsfonds dementsprechend angepasst, sodass man auch aus diesem Tatbestand Leistungen aus dem Härteausgleichsfonds beantragen kann.
Ich möchte in meinem Redebeitrag zu diesen Tagesordnungspunkten auch auf den Entschließungsantrag eingehen, der von meiner Kollegin Gruber-Pruner eingebracht werden wird, in dem es darum geht, dass endlich die Ungerechtigkeit der Wochengeldfalle abgeschafft wird. Es freut mich daher sehr, dass jetzt eine Staatssekretärin den zuständigen Minister vertritt, weil ich davon ausgehe, dass sie als Frau dem Minister vielleicht wesentlich besser erklären kann, worum es da eigentlich geht.
Es geht ja, wie in dem Antrag erwähnt, nicht nur darum, dass man eigentlich als werdende Mutter kein Einkommen mehr hat, wenn die zweite Schwangerschaft sozusagen zum falschen Zeitpunkt eintritt, sprich, wenn man sich in Karenz befindet, aber keinen Kinderbetreuungsgeldbezug mehr hat, arbeitsrechtlich aber trotzdem im Beschäftigungsverbot ist, sondern man hat aus diesem Tatbestand außerdem auch keinen Versicherungsschutz. Das heißt, man muss sich in dieser Zeit über den Ehepartner oder den Partner oder den Vater des Kindes mitversichern.
Was andererseits auch daraus folgt: Man hat zwar arbeitsrechtlich ein Beschäftigungsverbot, das heißt, man dürfte sich nicht einmal geringfügig beschäftigen lassen, aber aufgrund dessen, dass es den Wochengeldbezug nicht gibt, sind auch die Arbeitgeber nicht verpflichtet, während des sogenannten Beschäftigungsverbotes die Beiträge zur Mitarbeitervorsorgekasse zu bezahlen. Sie sind auch nicht verpflichtet, für diese acht oder 16 Wochen sämtliche Anwartschaften weiterhin anzurechnen. Es ist im Großen und Ganzen wirklich ein sehr, sehr großer Verlust für Frauen.
Den weiblichen Bundesratsmitgliedern der Regierungsparteien, sprich Grüne und ÖVP, möchte ich ausrichten: Wenn Sie alle Aktionen, die Sie vorige Woche anlässlich des Internationalen Frauentages veranlasst haben, ernst meinen und wirklich echte Frauensolidarität leben möchten, dann können Sie diesem Antrag nur zustimmen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)
15.58
Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.
Da die Frau Bundesministerin noch nicht hier ist, würde ich vorschlagen, dass wir die nächste Rednerin, Frau Bundesrätin Maria Huber, noch zum Mikrofon bitten. Ich erteile ihr das Wort.
15.58
Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher hier im Saal: Herzlich willkommen im Bundesratssitzungssaal! Liebe via Livestream Zusehende zu Hause! Bei Tagesordnungspunkt 16 geht es um die Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen, das haben wir schon gehört.
Es gibt sicher auch zwischen den Mitgliedstaaten große Unterschiede, wenn es um die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geht. In Österreich haben wir, glaube ich, durchaus bereits ein sehr hohes Niveau, auch im europäischen Vergleich. Selbstverständlich ist das auch eine Errungenschaft der gut funktionierenden Sozialpartnerschaft, die wir in unserem Land haben. Das möchte ich an dieser Stelle ganz klar festhalten.
Eines muss ich als Unternehmerin nach der emotionalen Rede von Herrn Obrecht schon auch dazusagen: Wo findet denn die Beschäftigung in Österreich vielfach statt? – Ganz, ganz viele Menschen in unserem Land arbeiten beim örtlichen Kleinbetrieb, beim örtlichen Mittelständler. Das sind vielfach, so wie auch in unserem Fall, familiengeführte, kleine, regionale Betriebe.
99,8 Prozent der Unternehmen in Österreich sind kleine und mittlere Betriebe, so wie der, in dem ich als Unternehmerin tätig bin. Der Gegensatz zwischen auf der einen Seite dem ausbeuterischen Arbeitgeber und auf der anderen Seite dem ausgebeuteten Arbeitnehmer, der hier schon sehr gerne in der Debatte aufgegriffen wird, war in diesem Bereich noch nie sehr stark. Deswegen ist es für mich immer sehr schwer, wenn als Allererstes gleich von Strafen und Sanktionen die Rede ist. (Zwischenrufe der Bundesrätin Schumann.) – Ja, selbstverständlich.
Das ist doch auch eine Absicherung für beide Seiten. Das ist ja genau der Punkt. Es ist doch ein partnerschaftliches Verhältnis. (Bundesrätin Schumann: Nein, ist es nicht, es ist ein Abhängigenverhältnis!) Ich weiß nicht, warum das so viele hier nicht einsehen wollen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Doch, das ist die Realität. Es tut mir leid, aber es ist in vielen Unternehmen die Realität in unserem Land. Geht raus in die Regionen, schaut es euch an! (Bundesrätin Schumann: Ja, dort sind wir eh! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist wirklich so. Ich arbeite seit 20 Jahren in dem Bereich, in dem ich jetzt bin. Ich glaube, ich weiß schon, wovon ich spreche. (Bundesrätin Schumann: Ich arbeite seit 32 Jahren in der Gewerkschaft!) Mein Schwiegervater hat das Unternehmen 1991 aufgebaut. Ich kann euch sagen, es ist nicht einfach. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Wir nutzen heute die Möglichkeiten, die uns die EU-Richtlinie bietet, um die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken – und das sehe ich tatsächlich so. Was beschließen wir heute konkret? – Ein Recht auf Mehrfachbeschäftigung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird festgeschrieben. Ein Recht auf Ausstellung eines Dienstzettels wird durchsetzungsfähig, weil es eben auch in bestimmten Fällen, wenn es wirklich zu Wiederholungen kommt, dann auch tatsächlich Strafen und Sanktionen gibt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Die Kosten für Schulungen, für Aus- und Weiterbildungen werden künftig verpflichtend vom Arbeitgeber getragen. Ich kann Ihnen sagen, in vielen Fällen ist das sowieso Usus. (Bundesrat Schennach: Was Usus ist ...!) Was selbstverständlich auch sehr wichtig ist: Die vorliegende Novelle sieht ein Benachteiligungsverbot für Arbeitnehmer:innen vor, wenn sie Rechte in Anspruch nehmen, die wir heute hier beschließen.
Es gibt sicher noch den einen oder anderen Punkt, der vielleicht noch nicht so eindeutig und klar festgehalten ist, hier wird es künftig sicher noch Anpassungen in einzelnen Fällen geben, je nachdem, wie diesbezügliche Gerichtsentscheidungen fallen, im Großen und Ganzen ist es aber aus meiner Sicht eine gute Sache, mit der wir wirklich eindeutig Verbesserungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich schaffen.
Mir ist es aber auch ein Anliegen, zu Tagesordnungspunkt 17 kurz Stellung zu nehmen. Es geht hier um die Kinder.
16.03
Vizepräsident Dominik Reisinger: Frau Bundesrätin Huber, da Ihre Rede wahrscheinlich noch länger dauern wird, schlage ich vor, dass wir für die Dringliche unterbrechen.
Ich darf Frau Bundesministerin Alma Zadić begrüßen. Herzlich willkommen bei uns im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.
der Bundesrät:innen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen der grünen Ministerin auf allen Ebenen“ (4163/J-BR/2024)
Vizepräsident Dominik Reisinger: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an die Frau Bundesminister für Justiz.
Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.
Ich erteile Herrn Bundesrat Andreas Arthur Spanring als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte, Herr Kollege.
Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Frau Minister, wir haben uns bei der Dringlichen Anfrage ganz bewusst für das Justizministerium entschieden – oder wie manche sagen würden: für die never-ending
Baustelle. Es wäre natürlich vermessen, zu behaupten, das ist jetzt allein Ihre Schuld, denn wir wissen ja alle, dass auch vor Ihnen, nämlich ab 2009, mehrere ÖVP-Minister ihr Unwesen im Ministerium getrieben haben. Sie sind aber nun bereits seit mehr als vier Jahren im Amt und die Baustellen innerhalb der Justiz sind in dieser Zeit leider mehr geworden statt weniger. Ganz besonders schlimm ist das im Bereich der Justizwache.
In den letzten Monaten ist dermaßen viel passiert, dass es an der Zeit ist, ganz offen und unverblümt die Missstände in diesem Ministerium anzusprechen. Bei meiner Recherche zur Dringlichen habe ich wirklich so viele Themen gefunden, dass ich jetzt bei meiner Rede vom Hundertsten ins Tausendste kommen würde. Ich beschränke mich deshalb auf einige wenige Punkte, die ich auch nur streifen werde; dafür werde ich einen Punkt, nämlich die von mir zuvor erwähnte Justizwache als Großbaustelle in Ihrem Ressort, genauer beleuchten.
Ich beginne mit der Kinder- und Jugendkriminalität und als Dauerbrenner leider auch den Tätern aus dem Migrantenmilieu. Immer öfter machen in letzter Zeit Strafunmündige Schlagzeilen – sprich, wenn jemand jünger ist als 14 Jahre. Strafunmündige können nämlich strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Ich rede aber da nicht von den Kleindelikten, dass irgendjemand etwas mitgehen lässt oder so ähnlich, sondern ich rede wirklich von schweren Straftaten. Ich rede von Vergewaltigung, Raub, schwerer Körperverletzung und Mord. Genau aus diesem Grund fordert die FPÖ seit geraumer Zeit die Absenkung des Alters für die Strafmündigkeit.
Die ÖVP und die Grünen haben leider alle unsere Anträge bisher abgelehnt. Jetzt auf einmal kommt auch die ÖVP in der Person von Kanzler Nehammer daher und sagt: Freiheitliche Idee, das verkaufe ich als meine eigene Idee! Das kennen wir ja bereits: Kurz vor Wahlen sind die freiheitlichen Ideen immer gut, und da werfen dann die Türkis-Schwarzen die Kopiermaschine an, ganz nach dem Motto: Schön mit den FPÖ-Ideen hausieren gehen!; und wenn es dann ernst wird – das haben wir erst gestern wieder im EU-Ausschuss erlebt –, erfindet man irgendeine fadenscheinige Ausrede, damit man dann trotzdem
gegen das stimmen kann, was man selber vorher gefordert hat. Meine Damen und Herren, besonders von der ÖVP, das ist unehrlich, unglaubwürdig und halt typisch ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)
Da lobe ich mir ja vielmehr die Ehrlichkeit der Grünen, weil die so wie die ÖVP auch gegen die Absenkung des Alters für die Strafmündigkeit sind, aber sie sind im Gegensatz zur ÖVP zumindest so mutig und sprechen das offen aus. Leider sind die Grünen dann auch wieder nicht konsequent. Frau Minister, während Sie bei den Signa-Insolvenzen sofort eine Anlassgesetzgebung gefordert haben, sagt Ihre Justizsprecherin im Nationalrat über die eskalierende Jugend- und Migrantengewalt: Wir Grüne „halten nichts davon, im berechtigten Schock über diese Tat Anlassgesetzgebung zu machen.“
Das ist schon interessant. Das heißt, die Grünen wollen härtere Strafen bei Vermögensdelikten, aber unintegrierbare Ausländer dürfen keinesfalls bestraft oder abgeschoben werden, wenn sie schwere Straftaten begehen. Wie gesagt, wir reden nicht von einem Hendldieb, wir reden da von Kinderbanden aus kulturfremden, teilweise auch frauenverachtenden Ländern, die Kinder vergewaltigen, die Gleichaltrige niederstechen, in denen einzelne Täter dabei sind, die schon über 200 Straftaten begangen haben – das muss man sich einmal zu Gemüte führen –, die Pensionisten mit Gewalt begegnen, die Kinder im Park, in der Schule oder in Freizeiteinrichtungen fast zu Tode prügeln.
Diese Kinder und Jugendlichen haben keinen Respekt vor unserer Kultur und lehnen unsere Art des Zusammenlebens ganz offensichtlich ab – aber die dürfen wir laut Grünen keiner Strafe zuführen. Das alleine, meine Damen und Herren, ist für mich schon einmal Grund zu sagen: Hoffentlich gibt es in Österreich nie wieder eine Regierungsbeteiligung der Grünen. (Beifall bei der FPÖ.)
Jetzt zu Ihrer Großbaustelle, der Justizwache! Wenn ich von der Justizwache spreche, dann muss ich eines vorwegschicken: Ich war selbst zehn Jahre lang als Justizwachebeamter tätig, und ich weiß, wie hart, fordernd, schwer und vor allem unfair und ungerecht dieser Beruf oftmals sein kann. Ich weiß auch, wie
sehr einem dieser Schicht- und Wechseldienst samt unzähliger Überstunden zusetzt. Ganz besonders weiß ich das, seitdem ich weg bin und diese Arbeit nicht mehr machen muss. Das war wirklich so ein Moment, einige Monate später, als ich gemerkt habe: Okay, das darf man nicht unterschätzen! Man kriegt es nicht mit, weil man in dem Trott drin ist, aber wenn man dann einmal eine Zeit lang weg ist, dann weiß man eigentlich, wie hart das ist und wie sehr einen das letztendlich auch mitnimmt. Darum kann ich allen Justizwachebediensteten, die in den Gefängnissen tagtäglich ihre Gesundheit für unsere Sicherheit riskieren, nur meinen allergrößten Respekt ausdrücken – ein großes Danke dafür. (Beifall bei der FPÖ.)
Warum ist dieser Job so fordernd? – Meiner Meinung nach gibt es zwei Hauptursachen dafür. Einerseits ist es deshalb so, weil man in dem Beruf so gut wie nie oder ganz selten Erfolgserlebnisse hat. In Wahrheit ist man immer wieder mit menschlichen Tragödien konfrontiert; und man hat es logischerweise, no na net, oft mit wirklich schlechten Menschen zu tun – und nein, das trifft nicht auf alle Insassen zu, das möchte ich auch sagen, aber leider auf immer mehr, weil sich die Zusammensetzung der Insassen in den letzten Jahrzehnten ganz einfach stark geändert hat. Was aber gleich geblieben ist, ist die Art des Vollzugs. Das heißt, es wird heute immer noch so getan, als wären da drinnen nur irgendwelche Strizzis und Menschen, die halt einmal zufällig vom rechten Weg abgekommen sind, eingesperrt – aber das trifft ja heutzutage nur mehr auf die wenigsten zu. Auch das sollten die Herrschaften im Ministerium und in der Generaldirektion endlich einmal zur Kenntnis nehmen.
Andererseits – und das ist jetzt die zweite Ursache, die diesen Beruf wirklich so schwierig und fordernd macht – hat man als Justizwachebeamter keinen Rückhalt von Ihrem Ministerium beziehungsweise der Generaldirektion. Das Gegenteil ist der Fall; das haben Sie leider erst vor wenigen Wochen eindrucksvoll unter Beweis gestellt und dazu werde ich später auch noch ein Beispiel bringen. Ein generelles Problem der Justizwache – ich glaube, das ist hinlänglich bekannt – ist der massive Personalmangel, und dieser zieht viele
weitere Probleme nach sich. Die ständige Unterbesetzung führt unter anderem dazu, dass die Kollegen aufgerieben werden – Stichwort Burn-out.
Frau Minister, das ist auch eine der Fragen, die drinstehen: Welche Maßnahmen werden von Ihrem Ministerium ergriffen, damit sich das ändert? – Ja, ich muss sagen, ich erkenne nicht sehr viele Maßnahmen. Ich muss auch sagen, das ist vielleicht deshalb so, weil Ihr Ministerium, Ihre Generaldirektion, die Ihnen unterstellt ist, genau weiß, dass das seit Jahren so ist, und es wird nichts getan. Jeder weiß das und nichts wird dagegen unternommen.
Auch da, muss ich sagen, ist sogar manchmal eher das Gegenteil der Fall: Anstatt sich zu bedanken, dass man den einen oder anderen mutigen Beamten hat, der einmal aufsteht und die Probleme aufzeigt, geht man her und macht diesen Kollegen klein, man macht ihn mundtot oder man stellt ihn aufs Abstellgleis. Mein großer Vorteil ist: Ich stehe heute hier heraußen und mich kann man nicht oder nur sehr schwer mundtot machen. Das ist mein Vorteil, und ich werde heute auch all das aussprechen, was viele meiner ehemaligen Kollegen oftmals schon gerne ausgesprochen hätten. (Beifall bei der FPÖ.)
Frau Minister Zadić, mein Hauptvorwurf an Sie ist, dass Sie es in der Zeit, in der Sie Ministerin waren, nicht geschafft haben, auch nur irgendetwas zum Besseren zu verändern, nämlich im Speziellen in der Generaldirektion. In dieser Generaldirektion – und das muss man auch wissen: die Abkürzung ist GD, also es kann sein, dass ich ein paar Mal GD sage – wurden in der Vergangenheit, bevor Sie das Ministerium übernommen haben, die Führungsposten ausschließlich mit schwarzen Freunden besetzt. Freunde sage ich nur, damit ich das Wort Günstlinge nicht sagen muss.
So wie beim ehemaligen BVT – Sie erinnern sich, das war ja eines der Hauptprobleme und ein Kritikpunkt im Innenressort –, kann man sagen, wurde mit dieser Generaldirektion eine – Zitat – schwarze Schlangengrube im Justizministerium geschaffen. So wie beim BVT gab es nur eine einzige Voraussetzung, damit man dort in eine Führungsposition kommt, nämlich das schwarze
Parteibuch. Der Ausdruck schwarze Schlangengrube kommt übrigens nicht von mir, sondern von einer lieben Kollegin, die es in der Zwischenzeit auch geschafft hat, wieder von dort wegzukommen. Sie hat nach zwei Jahren gesagt, entweder wird sie jetzt endlich von dort in eine Anstalt wegversetzt oder sie geht ins Burn-out, weil sie das da drin ganz einfach nicht mehr aushält. Auch das muss man einmal ganz klar so aussprechen.
Frau Minister, sollten Sie mir nicht glauben, dass es so ist, wie ich das sage, dann fragen Sie irgendeinen Justizwachebeamten in irgendeiner Justizanstalt in Österreich, was er von der Generaldirektion hält, und die Meinung wird einhellig gleich schlecht sein. Ausnahmen bestätigen die Regel; es wird schon ein paar schwarze Personalvertreter geben, die sagen, es sei eh alles super, in der Hoffnung, dass sie da selbst vielleicht einmal auf einen Posten kommen – aber das war es dann schon.
Frau Minister, Sie hätten die Chance gehabt, diese GD zu reformieren, weil dort eben so viel schiefläuft und viele Bedienstete – nämlich jene Bedienstete, die in der Generaldirektion tatsächlich eine gute Arbeit verrichten – einfach nur wegwollen. Die wollen dort einfach nur weg, die halten das dort nicht mehr aus. Sie haben es verabsäumt, diese GD zu reformieren. Was Sie schon gemacht haben: Sie haben den Posten des stellvertretenden Generaldirektors vor Kurzem mit einer guten grünen Freundin aus Ihrem Kabinett nachbesetzt. Ich glaube, ich verrate da jetzt kein Geheimnis: Das macht es in Wahrheit auch nicht viel besser.
In dieser Generaldirektion, meine Damen und Herren, werden Entscheidungen getroffen, die komplett an den Lebensrealitäten der Justizanstalten im täglichen Betrieb vorbeigehen. Logisch, weil da drinnen Leute in Führungspositionen beschäftigt sind, die selbst entweder noch nie oder das letzte Mal halt vor zehn Jahren einen Insassen live gesehen haben! Die erklären einem dann, wie man da drinnen seine Arbeit zu verrichten hat. – Das kann nicht funktionieren! Wie gesagt ist die einzige Legitimation dafür eben das ÖVP-Parteibuch.
Frau Minister, auch ein großer Vorwurf: In der Generaldirektion sitzen Personen auf Posten, die weder die entsprechende Ausbildung noch die berufliche Qualifikation dafür haben. Das ist auch schon vor Ihrer Zeit so gewesen, aber Sie haben es nicht geändert. Das ÖVP-Parteibuch ist wie gesagt die entsprechende Legitimation dafür. Genau diese ÖVP-Spielwiese – jetzt eben mit einer grünen Stellvertreterin – macht in Wahrheit den Beamten in den Justizanstalten das Leben so schwer. Es war mir wichtig, dass ich das heute in dieser Deutlichkeit einmal ansprechen kann. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich könnte Ihnen von jeder – nicht jeder, aber fast jeder – Justizanstalt in Österreich aktuelle Probleme schildern. Ich rede jetzt nicht von Kleinigkeiten, sondern ich rede von echten Problemen. Nehmen wir zum Beispiel die Justizanstalt Wien-Josefstadt, die ist einige hundert Meter von hier entfernt. (Der Redner weist mit einer Handbewegung nach links. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Schon in diese Richtung, oder? (Bundesrat Schennach: Ja, ja ...!) – Ja, ja, danke! (Bundesrat Schennach: Aber in erster Linie überfüllt!) – Genau, der Kollege sagt es richtig, konzipiert ist diese Anstalt für 900 Insassen, belegt ist sie mit 1 200 Insassen. Na, was glauben Sie, was das bedeutet? – Probleme sind vorprogrammiert.
Gleichzeitig ist sie personell natürlich unterbesetzt; und in Kürze wird ein kompletter Trakt gesperrt, weil dieser umgebaut werden soll. Nur weiß man derzeit noch gar nicht, wo man die Insassen aus diesem kompletten Trakt unterbringen soll, weil nämlich die meisten anderen Justizanstalten in Österreich ebenfalls überbelegt sind. Trotz dieser Riesenbaustelle (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), die dort stattfinden wird, soll der Betrieb in der JA Wien-Josefstadt in den nächsten Jahren aufrechterhalten werden; sie wird zu einer riesigen Dauerbaustelle.
Die Torwache – wenn Sie unten reingehen und sich das einmal anschauen – ist zurzeit gelinde ausgedrückt eine Zumutung. Die Bedingungen, unter denen die Beamten dort derzeit ihren Dienst verrichten müssen, sind wirklich eine Zumutung. Das ist bitte die Anlaufstelle nach außen: Die müssen kontrollieren,
wer dort rein- und rausgeht, ob die Leute Berechtigungen haben, die müssen künftig dann auch die Bauarbeiter und so kontrollieren. – Diese Mitarbeiter tun mir einfach nur leid.
Ein weiteres Beispiel: Gleichzeitig wird in dieser Justizanstalt circa ein Drittel der kompletten Betriebe gesperrt. Warum? – Das nennt man einziehen, die Leute werden eingezogen. Die Betriebe werden gesperrt, die Beamten werden eingezogen, weil man sie braucht, damit sie Ausführungen und Vorführungen machen. Ansonsten wäre der Betrieb gar nicht mehr aufrechtzuerhalten. Ich erkläre aber später, was überhaupt das Problem an diesen Einziehungen ist. Wie gesagt, das Ganze ist wirklich ein Problem, unter anderem natürlich der massive Personalmangel.
Dann gibt es – das habe ich übrigens vor einem Jahr angesprochen, Frau Minister – das Forensisch-therapeutische Zentrum in Asten. Damals haben Sie mir nicht geglaubt, als ich hier gesagt habe – im Zusammenhang mit dem Jugendgerichtsgesetz habe ich darüber gesprochen –, dass dort eine komplette Abteilung gesperrt ist. Ich weiß das deshalb, weil ich kurz davor dort war. Ich stelle mich also nicht hierher und behaupte irgendetwas, weil ich es im Radio gehört habe, sondern ich war dort, habe mit den Kollegen gesprochen und war in diesem Bau drinnen. Das ist ein Sternbau, in drei Richtungen, und der ist leer. Der schaut wirklich wie ein Geisterhaus aus. Inzwischen weiß ich auch den Namen: Das ist der Wohnbereich sieben – dort sind mindestens 45 Haftplätze –, und der ist nach wie vor gesperrt. Der Grund ist fehlendes Fachpersonal. Inzwischen ist ein Jahr vergangen, es hat sich nichts geändert – und, und, und.
Wie gesagt: Ich kann aus fast jeder Justizanstalt in Österreich solche Baustellen nennen, aber heute will ich mich besonders auf eine Justizanstalt konzentrieren und diese Justizanstalt vor den Vorhang bringen, nämlich die Justizanstalt Wien-Simmering.
Seit Jahren wird ja darüber diskutiert, den Jugendvollzug – in Gerasdorf in Niederösterreich – anderweitig unterzubringen. Ewig lange wurde darüber
diskutiert, und jetzt, ganz kurz vor Ende dieser Gesetzgebungsperiode und dem Ausscheiden dieser Regierung durch die drohende Niederlage bei der kommenden Wahl, wird das schnell alles umgestaltet. Es scheint so, als ob Sie sich jetzt noch quasi ein Denkmal errichten wollen, Frau Minister, aber ich sage Ihnen gleich: Das wird ein sehr fragwürdiges Denkmal sein.
Die Wahl betreffend Jugendvollzug fiel jetzt auf die Justizanstalt Wien-Simmering, und mit 1. Juli sollen dort die ersten Jugendlichen einziehen. Damit soll dann auch gleichzeitig ein Teil der Justizanstalt Wien-Simmering zu einer eigenen Anstalt in der Anstalt werden, angeblich mit dem Namen JA Münnichplatz.
Jetzt wird es richtig spannend: In dreieinhalb Monaten sollen die ersten Jugendlichen dort hinkommen, damit Sie das dann als Ministerin noch feierlich eröffnen können, und es gibt bis jetzt kein Konzept, wie das Ganze vonstattengehen soll. Bis dato wurde nicht einmal irgendein Grundkonzept vorgestellt und vorgelegt, ganz nach dem Motto: Hinter Ihnen die Sintflut; irgendwie wird es dann schon funktionieren – oder auch nicht.
Ich habe es gesagt, ich habe das nicht vom Hörensagen; ich war vor 14 Tagen einen ganzen Tag in der Justizanstalt Wien-Simmering, habe dort mit vielen Kollegen gesprochen. Ich habe auch mit der Anstaltsleitung gesprochen, ich habe mit den Fachdiensten, Sozialarbeitern und Psychologen gesprochen. Kein einziger Mitarbeiter, niemand hat dort auch nur den Hauch einer Ahnung, was in dreieinhalb Monaten sein soll. Alle hängen in der Luft.
Bei jener Arbeitsgruppe, die noch immer kein Konzept vorlegen konnte – ich wiederhole: Generaldirektion, ÖVP-Spielwiese –, also dort, wo entschieden wurde, dass die Jugendlichen nach Simmering kommen, wurde kein einziger Bediensteter der Justizanstalt Wien-Simmering – nämlich einer, der sich vor Ort auskennt – mit eingebunden. Jetzt frage ich Sie, Frau Minister: Hat man Angst
gehabt, dass Leute aus der Praxis vielleicht gute Argumente gegen diese Entscheidung hätten finden können, dass man sagt: Okay, es ist doch nicht gescheit, dass es Simmering wird, sondern eine andere Anstalt!?
Wissen Sie, meine Damen und Herren, es gibt bei manchen Justizanstalten sogenannte Außenstellen. Eine Außenstelle ist meist irgendeine kleinere, spezielle Justizanstalt mit irgendeinem Schwerpunkt. Das ist deshalb eine Außenstelle, weil man sagt, die Anstalt ist so klein, dass sie nicht unbedingt eine eigene Anstaltsleitung braucht, sondern das wird einfach als Außenstelle mitgeführt. Damit spart man sich eben eine eigene Anstaltsleitung, damit spart man Kosten. Das ist eigentlich ganz nach dem Grundsatz der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit, wie wir ihn gelernt haben.
In Simmering soll jetzt aber genau das Gegenteil passieren: In Simmering gibt es dann künftig eine Justizanstalt in der Justizanstalt. So etwas ist einzigartig, das hat es noch nie gegeben und ist auch – mit Verlaub – etwas Schwachsinniges, wenn Sie mich fragen. Dazu gibt es aber ja auch Fragen in unserer Anfrage.
Die Justizanstalt Wien-Simmering ist heutzutage eine gut funktionierende Anstalt; das muss man sagen. Es gibt dort einen Altbautrakt, in dem Betriebe untergebracht sind, es gibt dort einen gelockerten Vollzug, es gibt dort Freigänger, und es gibt einen Neubautrakt. Im Neubautrakt sind Abteilungen des Strafgefangenenhauses untergebracht. Mit dieser geplanten Änderung, die jetzt kommt, zerreißt man ohne Plan eine gut funktionierende Justizanstalt.
Es geht aber noch weiter: Es sind erneut Umbauarbeiten notwendig, nämlich genau dort, wo vor wenigen Jahren um Millionen Euro Steuergeld bereits einmal umgebaut wurde, nämlich im gelockerten Vollzug. Was heißt das jetzt in der Praxis? – Es gehen Haftplätze verloren, die man aber dringend brauchen würde, weil ja auch die Justizanstalt Wien-Simmering mit mehr als 100 Prozent der Auslastung belegt ist.
Am 1. Juli sollen dann ein paar Jugendliche hinkommen. Man hat gehört, geplant sei, es sollen angeblich einmal zehn sein, damit man dieses Prestigeprojekt eröffnen kann. Diese Insassen können aber die vorhandenen Haftplätze dort – es sind immerhin drei Abteilungen – nicht auslasten, denn eines ist ganz wichtig im Strafvollzug, und dazu stehen wir auch: Jugendliche im Strafvollzug sollen und dürfen nicht mit Erwachsenen zusammenkommen, und das aus ganz gutem Grund. Man lässt dort aber deshalb halt viele Haftplätze leer.
Man bringt dann also ein paar wenige Jugendliche um (Ah-Rufe bei ÖVP und SPÖ – Heiterkeit des Bundesrates Schennach) – ah, nach Simmering; um, ja, das haben wir schon einmal gehabt. Man bringt dann ein paar Jugendliche in Simmering unter und baut aber danach dieses Gebäude um. Der Umbau hat nicht begonnen, sondern der Umbau soll dann bis 2026 abgeschlossen werden, nur damit sich diese Regierung noch einmal ein Fahnderl auf die Brust heften und sagen kann: Wir haben den Jugendvollzug nach Simmering gebracht!
Meine Damen und Herren, ganz ehrlich, das ist sicherheitstechnisch ein absoluter Wahnsinn, meiner Meinung nach ein Super-GAU, und ich glaube, ich brauche auch nicht zu erwähnen: Ich habe das Gefühl, es ist Ihnen ziemlich egal.
Das ist auch so typisch für die grüne Politik. Da schaue ich jetzt Kollegen Schreuder an. Ich werfe euch das immer wieder vor. Das ist so ein typisches Übers-Knie-Brechen. Das ist auch typisch bei vielen Dingen in der Politik betreffend erneuerbare Energie. Man denkt nicht nach, sondern man will etwas machen, und jetzt muss es passieren, koste es, was es wolle. Und das ist eine komplett falsche Politik. (Beifall bei der FPÖ.)
Normalerweise, meine Damen und Herren, schafft man zuerst einmal die Rahmenbedingungen. Man schaut, dass man das Personal hat, man schaut, dass der Umbau abgeschlossen ist, man schaut, dass man die Betreuungsdienste hat, man schaut, dass alarmtechnisch alles geregelt ist, und dann bringt man die Insassen dort unter. Was Sie machen, ist: Sie zäumen das Pferd von hinten auf, und das ist ganz einfach auch falsch und gefährlich. Wenn aber irgendetwas
passiert – das kann ich auch sagen –, dann liegt das in Ihrer Verantwortung. Sie müssen dann auch die Verantwortung dafür übernehmen. (Beifall bei der FPÖ.)
Damit man weiß, was das für eine Anstalt alles bedeutet: Für so eine Anstalt in einer Anstalt braucht man trotzdem einen eigenen Anstaltsleiter. Da sind dann in einer Anstalt zwei Anstaltsleiter, weil es zwar dasselbe Gebäude ist, wie es davor war, es aber jetzt halt offiziell zwei Anstalten sind. Das Lustige ist aber, der Posten wurde noch gar nicht ausgeschrieben, ebenso das Justizwachekommando, das man dann dort vielleicht brauchen wird – Posten, die neu geschaffen werden müssten. Auch da würde mich interessieren, woher denn die Planstellen dafür kommen; nicht dass man jetzt hergeht und diese Planstellen irgendwo anders, wo sie gebraucht werden, dann vielleicht wieder wegnimmt. (Vizepräsident Ebner übernimmt den Vorsitz.)
Wie bereits angesprochen ist das größte Problem im Strafvollzug der extreme Personalmangel, und dieser Personalmangel zieht viele, viele weitere Probleme nach sich. Das ist wie eine Abwärtsspirale. Eines muss man aber schon auch ganz klar sagen: So wie die Generaldirektion in Ihrem Ministerium mit dem Personal teilweise umgeht, brauchen Sie sich auch nicht zu wundern, dass Sie kein oder wenig neues Personal finden. Schlimmer noch, es passiert derzeit etwas, was früher komplett undenkbar war: Junge Kollegen, die ein, zwei, drei Jahre dabei sind, kündigen wieder. Das hat es früher nie gegeben, dass jemand den Job als Justizwachebeamter gekündigt hat, und das passiert jetzt.
Als ich in die Justizanstalt Wien-Simmering gefahren bin, bin ich hinter einem Bus nachgefahren, das war ein Justizwachebus. Ich finde das eine gute Idee, das ist super: Hinten drauf ist ein Bild mit drei Justizwachebeamten, also ein Kollege und zwei Kolleginnen (ein entsprechendes Foto in die Höhe haltend), und da steht: Justizwache. Ein interessanter Job für dich. Bewirb auch du dich, bewirb dich jetzt! (Bundesrat Schennach: Bitte auch hier herzeigen!) Das ist eine tolle Form der Werbung, und dass man im Internet wirbt – alles gut. Wenn man die Kollegen aber so behandelt, braucht man doch nicht zu glauben, dass man irgendein neues
Personal findet. Das Gegenteil ist der Fall, es passiert das, was ich gesagt habe: Kollegen, die schon dabei sind, hören auf.
Wie gesagt, das gesamte Personal in Simmering weiß bis heute nicht, was es ab dem 1. Juli zu erwarten hat. Überhaupt: Die SPÖ sollte da gut aufpassen, denn da geht es eigentlich um Personalvertreterthemen, wobei es in der Justiz nicht viele rote Personalvertreter gibt. Das ist auch gut. (Bundesrätin Schumann: Doch, doch! Gibt es!) –Ja, aber ich sage ja: nicht viele. (Bundesrätin Schumann: Ich kenne welche! So ist es nicht, Herr Kollege!) – Den einen kenne ich auch, Frau Kollegin, aber das war es dann. (Bundesrat Schreuder: Jetzt wissen wir wenigstens, worum es geht! Es ist eine Wahlrede!)
Es hat den Auftrag gegeben, dass jene Beamten, die Interesse hätten, vielleicht in der neuen Anstalt arbeiten zu wollen, eine Interessenbekundung abgeben sollen. Was ist dann passiert? – Den Kollegen, die eine Interessenbekundung abgegeben haben, ohne dass sie wissen, was auf sie zukommt, wurde gesagt: Ab 1. Juli seid ihr fix in der neuen Anstalt! Jetzt muss ich schon sagen: Frau Minister, es ist Ihnen aber schon klar, was der Unterschied zwischen einer Interessenbekundung und einem Versetzungsansuchen oder einer Bewerbung ist? Frau Minister, auch Justizwachebeamte sind Menschen und keine Schachfiguren, die man einfach über ein Brett irgendwo hin- und herschiebt. (Beifall bei der FPÖ.)
In dreieinhalb Monaten soll das ganze Projekt eröffnet werden, und es weiß heute noch niemand, wie dann der Dienst dort ausschaut: Ist es ein 8-Stunden-Rad, ist es ein 10-Stunden-Rad, ist es ein 12-Stunden-Rad? Wie schaut es mit den Nachtdiensten aus? Es gibt auch Justizwachebedienstete, die Betreuungspflichten haben. Die sind jetzt also quasi zum Handkuss gekommen, weil sie Interesse bekundet haben. Auch damit schafft man es, dass man zukünftig keine Freiwilligen mehr innerhalb der Justizwache findet, die sich auch nur für irgendetwas interessieren.
Jetzt muss ich sagen, Frau Minister, das ist wirklich nur die Spitze des Eisberges. Ich hatte geplant, dass ich von 8 bis 12 Uhr dort bin – ich wäre danach noch in
die Josefstadt gefahren –, das Problem war nur: Die Kollegen dort haben mich nicht weggelassen und ich war bis Dienstschluss um 16 Uhr dort.
Unter anderem hat man mir gesagt – ich weiß, das mag jetzt vielleicht für die, die hier sitzen, nicht schlimm klingen, aber es ist auch nicht lustig –, alle Beamten in der Justizanstalt haben das Problem, dass sie für 2024 keinen Urlaub planen können – die haben aber auch Familien –, weil sie eben nicht wissen, was ab 1. Juli ist. Auch das scheint Ihnen aber völlig egal zu sein.
Es wird auch immer wieder davon gesprochen – ich weiß, das ist gerade bei den Jugendlichen wichtig –, wie wichtig die Fach- und Betreuungsdienste sind. Hat man sich darüber schon Gedanken gemacht? – Nein! Fehlanzeige! In dreieinhalb Monaten sollen die jugendlichen Insassen dort sein, aber niemand weiß, wie es weitergeht.
Dann gibt es eine sogenannte Facharbeiterintensivausbildung. Für alle, die das nicht kennen: Insassen, die eine gewisse Zeit in Strafhaft verbringen, haben die Möglichkeit, quasi auf dem zweiten Bildungsweg in einer kürzeren Zeit einen Beruf zu erlernen und dann auch wirklich einen Abschluss in dem Beruf zu kriegen. In Simmering ist es so, dass es dort unter anderem eine Tischlerei gibt, es gibt eine Maurerei, es gibt eine Bäckerei, es gibt eine Schlosserei dort, und man kann die Berufe erlernen. Jetzt ist nur das Problem, dass geplant ist, all diese Betriebe in die neue Anstalt zu integrieren. Was bedeutet das? Wir haben das Problem, dass Erwachsene offiziell im Vollzug nicht mit den Jugendlichen zusammenkommen dürfen, aber die Jugendlichen ja auch einen Beruf erlernen sollen.
Nun weiß ich, es gibt schon einzelne Ausnahmen, aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Probleme sind vorprogrammiert. Das erste Problem wird sein, dass für die Jugendlichen – das mag für uns alle lächerlich klingen, aber im Gefängnis ist es wichtig – ein absolutes Rauchverbot gilt. Wenn es für die Jungen ein absolutes Rauchverbot gibt, heißt das für alle anderen Insassen, dass sie in dem Bereich auch nicht mehr rauchen dürfen. Wie gesagt, es ist für uns eine
Kleinigkeit, im Vollzug heißt das, der Insasse sagt: Ich pfeife drauf, ich gehe dort nicht mehr hin!, weil das das Einzige ist, was er halt für sich hat. Das heißt, auch die Facharbeiterintensivausbildung steht in Simmering in Wahrheit auf dem Spiel.
Viele Bedienstete in Simmering fragen sich jetzt ganz zu Recht: Wenn Haftplätze bei uns reduziert werden und eine zweite Anstalt dazukommt, was heißt denn das für meinen Dienstposten? Wird der vielleicht schlechter bewertet? Heißt das dann, dass ich weniger Geld verdiene? Auch das kann passieren, aber auch das ist Ihnen alles egal, wie es scheint.
Es ist jetzt bereits so, dass es in Simmering seit Jahren keinen einzigen Tag gibt, an dem nicht auch Personal eingezogen wird – so wie in der Josefstadt –, sprich Arbeitsbetriebe geschlossen werden müssen und diese Kollegen dann eben für Ausführungen am Wachzimmer, für Vorführungen in der Vorführzone oder auch auf den Abteilungen einspringen müssen – ganz einfach, weil das Personal fehlt.
Jetzt sage ich Ihnen, was so eine Einziehung bedeutet, was ich vorhin schon kurz angesprochen habe: Wenn man einen Kollegen aus einem Betrieb einzieht, wird der Betrieb geschlossen. Was bedeutet das? – Die Insassen, die dort arbeiten, müssen auf die Abteilung gehen. Ein Insasse, der auf der Abteilung ist, ist 23 Stunden am Tag in seinem Haftraum und 1 Stunde hat er Freigang im Hof. Wenn der 23 Stunden am Tag in seinem Haftraum ist – das können Sie sich vorstellen –, fällt ihm viel Blödsinn ein. Das führt dann wieder zu Mehraufwand und unter anderem auch zu gefährlichen Situationen. Darum ist es so wichtig, dass man Insassen sinnvoll beschäftigt, und Arbeit ist eine sinnvolle Beschäftigung. Es gibt einen alten Spruch im Gefängnis, der heißt: Beschäftige den Insassen, sonst beschäftigt der Insasse dich. – Genau so ist es.
Zu guter Letzt – auch daran erkennt man, wie wenig wertschätzend Sie in Ihrem Ministerium mit den Mitarbeitern im Ressort umgehen –: Es wurde über die
Jahre hinweg das wirklich tolle Justizwache- und Schlossmuseum Kaiserebersdorf in der Justizanstalt Wien-Simmering aufgebaut. Dieses Museum ist in Österreich einzigartig. Die Ausstellungsstücke wurden mühevoll zusammengetragen und teils auch restauriert. Da steckt viel Arbeit drinnen, viel Herzblut einiger Bediensteter, viele Stunden, die die Bediensteten in der Freizeit geopfert haben. Dieses Museum wurde im Jahr 2015 von einem gewissen Minister Brandstetter feierlich eröffnet und seither weiter ausgebaut. Es umfasst einige Hundert Dokumente und Exponate, die bis in das Jahr 1850 zurückreichen. Dieses einzigartige Museum dient dazu, die Geschichte der österreichischen Justizwache von Beginn an darzustellen.
Was ist jetzt passiert? – Man weiß nicht, was in Simmering passieren soll, aber was man weiß, ist, dass man dieses Museum jetzt räumen muss. Die Kollegen haben dann gefragt: Na ja, wo sollen wir dann mit dem ganzen Zeug hin oder wo kriegen wir einen neuen Platz, damit wir das vielleicht wieder aufbauen können? Die Antwort eines Hochrangigen aus der GD war (mit den Schultern zuckend): Hm, wurscht! – Echt jetzt? So geht man mit Mitarbeitern um?
Ich sage es noch einmal: Wenn man gute Mitarbeiter halten will, sollte man sich ernsthaft überlegen, wie man mit ihnen umgeht. Dann braucht man vielleicht auch solche Aktionen gar nicht (das zuvor gezeigte Foto neuerlich in die Höhe haltend), denn wenn man ein guter Dienstgeber ist, dann kommen die Mitarbeiter von selbst. Das ist aber eben leider nicht so. Frau Minister, das ist eben wie gesagt kein Zugang, keine Wertschätzung für Menschen, die täglich ihre Gesundheit, ihre körperliche Unversehrtheit für unsere Sicherheit riskieren. Wie es aber scheint, ist das der Generaldirektion herzlich wurscht. (Beifall bei der FPÖ.)
Durch den massiven Personalmangel passiert natürlich wieder etwas anderes: Es fallen viele Überstunden an, denn wenn Personal fehlt, dann muss jemand einspringen. Durch diese Überstunden, das ist das einzig Positive daran, ist am Monatsende, wenn man aufs Konto schaut, ein bisschen mehr Geld drauf. Das ist ja grundsätzlich etwas Positives, aber welche grandiose Idee wurde jetzt von
der Generaldirektion oder Ihrem Ministerium geboren? – Wem das eingefallen ist, weiß ich gar nicht: Die Überstunden werden nicht mehr monatlich ausbezahlt, sondern die Überstunden werden jetzt quartalsweise ausbezahlt.
Warum macht man das? – Weil man jetzt eine Möglichkeit gefunden hat, dass man da ein bisschen einspart, denn jetzt kann man in den drei Monaten ein bisschen jonglieren. Wenn jetzt wirklich einmal die Möglichkeit besteht, dass ein Beamter in Zeitausgleich geht, dann schickt man ihn mit den gut dotierten Stunden in Zeitausgleich. Es gibt aber auch weniger gut dotierte Stunden – das sind nämlich die Stunden, die jemanden zustehen würden, der Nachtdienst gehabt hat –, und die bringt man dann zur Auszahlung. Das heißt, in Wahrheit – mit Verlaub – bescheißt man den Beamten. Das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei der FPÖ.)
Die Geschichte geht weiter. Die AUF/FEG, das ist die blaue Personalvertretung, hat in der Sitzung im Zentralausschuss genau diesen Umstand angesprochen, auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam gemacht und das auch thematisiert. Darauf kam prompt eine Antwort, ich zitiere (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder): Die Leute haben sich einfach daran zu halten, wie es ist, und es ist unverständlich, warum man darüber überhaupt diskutieren muss!
Herr Kollege Schreuder, weil Sie reinschreien: Wer, glauben Sie, hat diese Aussage getätigt? Wissen Sie es, Frau Minister? – Die von Ihnen aus Ihrem grünen Kabinett entsandte neue Stellvertreterin. So (das zuvor gezeigte Foto neuerlich in die Höhe haltend) geht man mit dem Personal um und so wollen Sie Personal finden. Gratuliere, kann ich da nur sagen!
Also zusammengefasst: Die Justizwachebediensteten müssen aufgrund Ihrer verfehlten Politik Überstunden leisten, für die sie dann aber schlechter bezahlt werden. Das ist dann einfach zu akzeptieren, so sagt es die neue grüne Chefin.
Warum macht das Ministerium das überhaupt? – Man will damit im System einsparen, weil die Kosten davonlaufen. Im selben Atemzug erklärt man aber,
dass mindestens 25 Prozent der Verpflegung für die Insassen Biolebensmittel sein müssen. Ich bin viel unterwegs, aber ich kenne jetzt nicht so viele in meinem Bekannten- und Verwandtenkreis, die sagen, sie können sich 25 Prozent ihrer wöchentlichen Nahrungsmittel als Bionahrungsmittel leisten. In der Justizanstalt ist das aber notwendig. Ich habe auch recherchiert: Bis 2030 soll der Anteil auf 55 Prozent Biolebensmittel steigen. (Bundesrat Schreuder: Super!) – Das glaube ich, dass du dafür bist, zahlt ja auch nur der dumme Steuerzahler. (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Der Steuerzahler ist nicht dumm!)
Merken Sie etwas, Frau Minister? Merken Sie etwas, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien? Spüren Sie sich überhaupt noch? Ganz ehrlich, spüren Sie sich noch, wenn Sie so etwas hören? (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)
Wenn Sie sparen wollen, wenn Sie wirklich sparen wollen, dann habe ich zwei sehr gute, zwei konstruktive Vorschläge für Sie, wie Sie tatsächlich Geld einsparen können.
Erstens: Schauen Sie, dass die Insassen in den Gefängnissen endlich sozialversichert werden! Das fordern wir schon seit vielen, vielen Jahren. (Beifall bei der FPÖ.) Es gibt nach wie vor keine Sozialversicherung, die Insassen sind quasi Privatpatienten. Das heißt, wenn der Insasse in ein Krankenhaus muss, wird dort wie bei einem Privatpatienten abgerechnet. Das Krankenhaus oder der Privatarzt freut sich, reibt sich die Hände und sagt: Bitte einmal Steuergeld!, und die Justiz zahlt das Ganze. Wenn Sie das machen würden, dann würden Sie pro Jahr ungschaut 30 Millionen Euro einsparen, aber anscheinend ist der Wille dazu nicht gegeben.
Zweiter Vorschlag: Mehr als 53 Prozent der Insassen in den österreichischen Gefängnissen sind keine Österreicher, sprich, sie haben keine österreichische Staatsbürgerschaft. Wir reden also von circa 4 600 Häftlingen, der Großteil davon – nämlich 3 000 – sind noch dazu von außerhalb der Europäischen Union. (Bundesrat Schennach: Oje!) Wenn wir es schaffen würden, dass wir zum Beispiel
nur 1 Prozent in ihre Heimat verbringen, dass sie ihre Haft dort verbüßen, dann würden wir damit – mit 1 Prozent; da reden wir von 46, 47 Personen – 2,7 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Ich rede ja gar nicht von 500 Personen, denn dann wären wir irgendwo im Bereich von 30 Millionen Euro pro Jahr.
Das Problem ist nur, Ihr Wille ist nicht da, Sie wollen das ja gar nicht. Eines kann ich Ihnen sagen: Es wird Zeit, dass vielleicht wirklich einmal –und darauf freue ich mich – ein Blauer das Ministerium übernimmt (Bundesrat Schennach: Genau!), denn dann kann man all diese Baustellen angehen. (Beifall bei der FPÖ.)
Jetzt zur Gefährlichkeit dieses Berufs: In den Jahren 2021 und 2022 kam es zu insgesamt 29 Fluchtversuchen. Keine einzige Flucht ist gelungen, das ist den Justizwachebeamten zu verdanken. Was dabei aber vergessen wird: Bei diesen 29 Fluchtversuchen gab es immerhin 21 teils schwer verletzte Kollegen. Im Jahr 2023 hat sich das Ganze schon ein bisschen geändert. Da ist den Insassen dann leider die eine oder andere Flucht auch gelungen. Daraufhin hat die Frau Minister eines völlig richtig gemacht: Sie hat gleich darauf reagiert – natürlich medienwirksam –, sie hat einen Fesselerlass erlassen. Ab dann gab es automatisch nur mehr Ausführungen, die gefesselt vonstattengingen. Genau so gehört es in Wahrheit auch gemacht. Drei Monate später wurde dieser Fesselerlass dann aber still und heimlich wieder zurückgenommen, denn in den drei Monaten ist nichts mehr passiert.
Was ist dann passiert? – Kurz nachdem der Erlass zurückgenommen wurde, gab es wieder eine Flucht, wieder mit einem verletzten Beamten, und noch dazu war die flüchtige Person ein Terrorverdächtiger. Warum ist das möglich? – Weil man sagt: Das ist so schlimm, man darf einen Insassen nicht fesseln! – Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Lieber hundertmal umsonst fesseln, als dass es einmal einen verletzten Beamten gibt. Das ist so. (Beifall bei der FPÖ.)
Erstens einmal muss ich sagen: Wir reden da noch immer von Häftlingen. Das sind Leute, die wegen einer Straftat gerichtlich verurteilt sind, und das Fesseln, wenn es richtig gemacht wird, tut nicht weh, das ist überhaupt kein Problem.
Man macht es einfach nicht, weil man sagt, man kann es nicht. Da sind wir wieder bei dem, was ich vorhin gesagt habe: Wir haben keine Strizzis mehr eingesperrt, sondern wir haben leider viele Gefährliche.
Das zweite Problem – auch das, Frau Minister, muss ich Ihnen ankreiden –: Wie kann es möglich sein, dass im Jahr 2024 nach wie vor viele oder die meisten Ausführungen von einem Justizwachebeamten alleine gemacht werden? Wie kann das sein, noch dazu ungefesselt? Genau dann sind diese Probleme vorprogrammiert. Ich muss schon sagen, von Sicherheit haben Sie einfach keine Ahnung.
Die Geschichte mit diesem Beamten geht aber noch weiter, und jetzt wird es richtig grauslich: Bei dieser Flucht hat der Insasse, der Terrorverdächtige, den Kollegen so schwer verletzt, nämlich im Gesicht und am Auge, dass der Kollege in dem Spital, in dem sie bei der Ausführung waren, nicht einmal behandelt werden konnte, sondern in ein anderes Spital gebracht werden musste, damit er dort am Auge behandelt werden konnte.
Und was macht die Generaldirektion? – Die Generaldirektion lässt diesen Kollegen, nachdem er behandelt worden ist, abholen und bringt ihn sofort in die Generaldirektion zur Einvernahme. Kurz darauf geht die Generaldirektion und die Frau Ministerin beziehungsweise jemand vom Bundesministerium hinaus und sagt: Sie wissen, das war nicht die Schuld des Ministeriums, sondern das war die Schuld des einzelnen Beamten! – Also das ist ja letztklassig hoch drei, das gibt es ja gar nicht! Das ist einfach nur letztklassig. (Beifall bei der FPÖ.)
Noch einmal (das zuvor gezeigte Foto neuerlich in die Höhe haltend): Wie wollen Sie Bedienstete finden, meine Damen und Herren, wenn Sie so mit den Mitarbeitern umgehen? Auch dazu habe ich drei Fragen in der Anfrage drinnen, nämlich die Fragen 20, 21 und 22. Ich werde ganz genau zuhören, was Sie da antworten.
Frau Minister Zadić, ich weiß, ich rede jetzt wahrscheinlich schon einige Zeit (Bundesrat Schreuder: Ja, a bissel!), aber ich könnte noch ewig so weitermachen. Ich könnte wahrscheinlich den Rederekord von Kogler brechen (Zwischenrufe bei der SPÖ), den er damals aufgestellt hat, weil es einfach so viele Baustellen gibt.
Frau Minister! Es gibt viele Missstände, die ziemlich leicht abzustellen wären. Ich erinnere Sie jetzt an das vorige Jahr. Wir Freiheitlichen haben Sie bereits einmal vor einem schweren Fehler bewahrt. Erinnern Sie sich an das Jugendgerichtsgesetz 1988 und daran, dass Sie im Zuge einer Novelle gefährliche Straftäter unabsichtlich fast auf freien Fuß gesetzt hätten? Wir waren damals die einzige Partei, die bei diesem Gesetz nicht mitgestimmt hat. Wir haben immer wieder hartnäckig darauf hingewiesen, dass dieses Gesetz brandgefährlich ist und auch dazu führen wird, dass brandgefährliche Straftäter nach 15 Jahren ganz einfach entlassen werden – und das wäre voriges Jahr im September dann so weit gewesen.
Sie haben dann wirklich nach Monaten – nachdem wir monatelang darauf hingewiesen haben – dieses Gesetz gerade noch im letzten Moment geändert, und wir haben dieser Änderung natürlich auch zugestimmt. Jetzt, hier und heute haben Sie wieder die Chance, Frau Minister, aber ohne dass wir monatelang darauf warten. Es ist wieder Handlungsbedarf, Sie haben es in der Hand.
Wenn Sie eine gut funktionierende Justizanstalt, nämlich Simmering, behalten wollen, dann stoppen Sie das Projekt der JA Münnichplatz in Simmering. Wenn Sie sie sprengen wollen, dann tun Sie weiter. In Wahrheit: Gehen Sie damit zurück an den Start! Lassen Sie dieses Projekt, selbst wenn es dann in Simmering angesiedelt werden soll, wirklich vorher fertig ausarbeiten, am besten von Personen, die sich im Strafvollzug auskennen! Auch da ein kleiner Tipp von mir: Wenn Sie solche Personen suchen, dann müssen Sie in den Anstalten suchen, denn in der Generaldirektion werden Sie diese Leute nicht finden. (Beifall bei der FPÖ.)
16.51
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.
Zur Beantwortung hat sich die Frau Bundesministerin für Justiz, Frau Dr.in Alma Zadić, zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Vielen Dank für die Dringliche Anfrage an mich, die ich natürlich auch sehr ausführlich beantworten werde, denn es sind ja viele Themen vorgekommen.
Vielleicht, weil es mir schon wichtig ist, zuerst einmal ein kurzes Eingangsstatement: Die Grundvoraussetzung dafür, dass die Justiz und unser Rechtsstaat unabhängig, effektiv und unbeeinflusst arbeiten können – das betrifft auch den Straf- und Maßnahmenvollzug –, sind natürlich die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen. Sie haben es auch eingangs erwähnt: Ja, man kann nicht in viereinhalb Jahren das Kaputtsparen der Justiz wiedergutmachen, denn es wurde in den letzten zehn Jahren kaputtgespart, Sie haben es ja auch erwähnt.
Ich kann berichten, dass uns in dieser Amtsperiode – (es ertönt ein Alarmsignal) da ist ein Alarm losgegangen – in der Justiz einiges gelungen ist, und zwar haben wir 135 neue Planstellen für die Justiz allein im Jahr 2024 dazugewonnen, in der gesamten Legislaturperiode waren es 650 neue Planstellen.
Wenn man sich das Gesamtbudget anschaut: Wir haben in der gesamten Legislaturperiode das Budget von 1,6 Milliarden auf 2,4 Milliarden Euro erhöhen können. Das ist eine Steigerung von 50 Prozent, und das ist nicht wenig. Das ist wichtig, denn das muss uns unser Rechtsstaat wert sein, dass wir da auch investieren. Das war mir als Justizministerin in den Verhandlungen mit dem Finanzministerium besonders wichtig: Wir müssen den Rechtsstaat personell und finanziell ausstatten. (Beifall bei den Grünen.)
Jetzt komme ich zu einem Bereich, der mir besonders wichtig ist, und das ist der Exekutivbereich, das ist der Bereich im Straf- und Maßnahmenvollzug. Es gab da
Anfang 2019 unter Schwarz-Blau 3 263 systemisierte Planstellen. Heute haben wir ein Plus von 180 Planstellen im Bereich der Exekutive. Wenn man sich den Besetzungsgrad – auch im Vergleich – anschaut: Es ist uns gelungen, dass wir jetzt 96 Prozent dieser Planstellen besetzt haben, im Vergleich dazu waren es 2018 91 Prozent.
Das heißt, wir haben es durch viele, viele, viele Maßnahmen, die wir in diesem Bereich gesetzt haben, wirklich geschafft, diesen Beruf zu attraktivieren und Menschen für den Beruf zu begeistern. Ja, es ist ein herausfordernder Beruf, Sie haben es auch geschildert. Sie waren ja auch selbst in der Justizwache als Exekutivbediensteter tätig, und ich bin auch dankbar für den Austausch, den wir in diesem Zusammenhang immer wieder haben.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen: Unsere Justizwachebeamtinnen und Justizwachebeamten sind hoch spezialisierte Fachkräfte, die jeden Tag Herausragendes leisten. Genau deswegen ist es uns wichtig, dass wir unsere Recruitingmaßnahmen stark intensivieren, damit wir noch mehr Menschen für diesen Beruf begeistern können, damit wir noch mehr Menschen dafür begeistern können, dass sie tagtäglich für unsere Sicherheit arbeiten. Da möchte ich an dieser Stelle noch einmal einen großen Dank aussprechen. (Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Ich möchte aber auch kurz erwähnen, was uns alles für die Justizwache in diesem Zeitraum, in den letzten viereinhalb Jahren, gelungen ist. Ich habe da schon auch mit dem Zentralausschuss, mit der Personalvertretung regelmäßig Gespräche geführt, da uns ja doch einiges gemeinsam gelungen ist. Herr Bundesrat Spanring, Sie wissen das: Jahrzehntelang wurde für die Schwerarbeiterregelung für die Justizwache gekämpft – jahrzehntelang! (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Eine grüne Justizministerin, der man es nicht zugetraut hätte, hat es geschafft, das durchzusetzen. Wir haben das durchgeboxt und wir haben es für die Justizwache geschafft. (Beifall bei den Grünen.)
Natürlich bedeutet eine Schwerarbeiterregelung, dass viele Justizwachebeamte in einem entsprechenden Alter dann auch in die Pension, in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Das bedeutet auch – davor hat mich die Generaldirektion ja auch gewarnt; sie hat ja auch gesagt, es wird schwer sein –, dass wir dann auch neues Personal gewinnen müssen, denn wenn mehr Leute in den Ruhestand gehen – völlig zu Recht –, brauchen wir neue Leute. Genau aus diesem Grund haben wir auch umfassende Recruitingmaßnahmen gestartet – danke, dass Sie auch das Plakat zeigen.
Wir haben wirklich auf allen Ebenen versucht, Menschen zu erklären, was die Justizwache macht. Viele wissen es nicht. Zu Beginn meiner Amtszeit, als ich Werbung für die Justizwache gemacht habe, kamen Fragen wie: Ja, was macht denn die Justizwache? Betreut sie das Justizministerium? Es braucht also viel Aufklärungsarbeit, auch in der breiten Öffentlichkeit, damit viele Menschen wissen, welche herausragende und hervorragende Leistung die Justizwachebediensteten in unserem System leisten.
Damit diese Recruitingkampagne der Justiz für die Justizwachebeamten gelingt, haben wir zwei Recruiting Officer, die jetzt quer durchs Land fahren und mehr Personen für diesen Beruf begeistern. Ja, der Beruf ist herausfordernd, aber es ist auch wichtig, dass wir ein klares Zeichen setzen, daher auch meine Anerkennung, mein größter Respekt und meine größte Dankbarkeit für die unglaubliche Arbeit, die die Justizwachebediensteten tagtäglich leisten.
Mit einer Sache, mit einem Punkt zu Beginn Ihrer Ausführungen möchte ich in meinem Einleitungsstatement aufräumen. Ich möchte korrigieren: Die Stellvertreterin des Generaldirektors ist keine Grüne. Die Stellvertreterin des Generaldirektors war in einer Leitungsposition in der Generaldirektion tätig, bevor ich ins Amt gekommen bin. (Bundesrat Spanring: Aus Ihrem Kabinett!) Als ich ins Amt gekommen bin, habe ich mir erlaubt – und ich möchte nicht, dass das den Personen zum Nachteil gereicht, die ich dann aus der Justiz rekrutiert habe, weil es mir persönlich wichtig ist, nicht aus der Partei zu rekrutieren,
sondern aus der Justiz selbst –, Personen aus der Justiz ins Kabinett zu holen, damit sie mir erklären, was wir verbessern können.
Daher habe ich mir auch eine leitende Person aus der Generaldirektion ins Kabinett geholt, die mich bei diesen Tätigkeiten unterstützt, und gemeinsam mit ihr haben wir viele Sachen erreicht. Ich habe Staatsanwältinnen, Staatsanwälte, Richter, Richterinnen, die bei mir im Kabinett arbeiten, weil mir nicht die Parteifarbe wichtig ist, sondern auf Expertise zurückzugreifen. (Beifall bei den Grünen.)
Nun zu den Fragen, die Sie mir in der Dringlichen Anfrage gestellt haben:
Zu den Fragen 1, 2, 3 und 5:
Da geht es um die Diskussion betreffend die Erhöhung oder auch Senkung des Strafmündigkeitsalters. Diese Diskussion – Erhöhung beziehungsweise Senkung des Strafmündigkeitsalters – ist ja nicht neu, sondern die gibt es seit rund 20 Jahren. Der Herr Bundeskanzler – das haben Sie auch gesagt – war ja nicht der Erste, der diese Forderung aufgestellt hat.
Ein konkreter Vorschlag, wie so eine Änderung ausschauen soll, ist in meinem Ministerium noch nicht da. Ich habe mir aber trotzdem erlaubt, mir einen Überblick über die weltweite Gesetzeslage zur Frage der Strafmündigkeit zu besorgen. Dabei fällt auf, dass die meisten westlichen Demokratien eine ähnliche Altersgrenze wie wir in Österreich haben.
Ich darf Ihnen kurz mit ein paar Beispielen veranschaulichen, in welche Gesellschaft wir uns begeben würden, sollten wir das Strafmündigkeitsalter herabsetzen. Bedeutend niedriger ist die Strafmündigkeit etwa in Brunei, im Jemen, in Kuwait, Myanmar und Nigeria. Dort ist die Strafmündigkeit bereits ab dem siebten Lebensjahr gegeben. Im Iran ist es besonders interessant: Da wird die Grenze je nach Geschlecht früher oder später gezogen. Mädchen sind ab dem neunten Jahr strafmündig, Buben erst ab 15. (Bundesrätin Schumann: Na geh! – Bundesrat Schreuder: Das ist unglaublich!) – Ja, unglaublich.
Sehr oft wird die Schweiz als Vorbild bezüglich eines niedrigen Strafmündigkeitsalters angeführt. Ich finde aber, wenn man sich die Strafmündigkeitsgrenze anschaut, muss man genauer ins Gesetz schauen. Der Vergleich von Österreich mit der Schweiz hinkt erheblich, denn eine Geld- oder Freiheitsstrafe darf in der Schweiz erst ab dem 15. Lebensjahr verhängt werden, auch wenn die formelle Strafmündigkeitsgrenze bei zehn Jahren ist.
Was passiert aber in der Schweiz, wenn ein Zehn-, Elf- oder Zwölfjähriger eine Straftat begeht? – Dann gibt es pädagogische Reaktionen in multiprofessionellen Teams. Da werden die Kinder nicht eingesperrt, sondern es gibt pädagogische Maßnahmen. (Bundesrat Spanring: Wir wollen auch keine Zehnjährigen einsperren! ...! – Bundesrätin Schumann: Oh!) – Dann sind wir uns ja eh einig, dann sind wir uns einig.
Das ist aber in Österreich auch möglich: Pädagogische Maßnahmen können ja schon heute gesetzt werden.
Zu den Fragen 4, 41 und 44:
Wenn man sich erinnert: 2020 wurde die Kinder- und Jugendhilfe verländert. Ich möchte, auch weil wir gerade im Bundesrat sind, einen Appell an die Länder starten. Die Kinder- und Jugendhilfe ist Länderzuständigkeit. Die Kinder- und Jugendhilfe muss die notwendigen Maßnahmen setzen, wenn Kinder oder Jugendliche kriminelle Handlungen setzen. Die Kinder- und Jugendhilfe hat diese Möglichkeit. Sie kann geeignete Maßnahmen ergreifen, damit mit pädagogischen Mitteln reagiert werden kann.
Da würde ich Sie inständig bitten, denn Oberösterreich und Wien machen das ja schon. Die haben Arbeitsgruppen eingerichtet, um zu klären, wie sie mit straffälligen Kindern umgehen wollen, können und sollen. Warum macht man das nicht in anderen Bundesländern auch?
Es ist höchste Zeit, dass die Kinder- und Jugendhilfe erstens ressourcenmäßig ordentlich ausgestattet wird, sodass sie handeln kann, und sich zweitens
überlegt, welche pädagogischen Maßnahmen man setzen kann, denn wenn die Kinder in der Obsorge der Kinder- und Jugendhilfe sind, dann hat diese auch eine Verantwortung für die Kinder, nämlich genau die gleiche Verantwortung, die obsorgeberechtigte Eltern für die Kinder haben.
Daher braucht es mehr finanzielle Mittel und tatsächlich Arbeitsgruppen und Präventionsprogramme in diesem Zusammenhang.
Zu den Fragen 6 bis 13 und 15:
Da geht es um die Justizanstalt Simmering und die Justizanstalt Münnichplatz. Da wären wir bei einem ähnlichen Thema, dem Jugendvollzug. (Bundesrat Himmer: ... Simmering! Simmering!) – Simmering. Habe ich etwas anderes gesagt? – (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein, nein!) – Okay.
Am bisherigen System des Jugendvollzugs gab es jahrelang Kritik seitens der Volksanwaltschaft, der Bewährungshilfe, aber natürlich auch aus der Praxis. Der Hauptkritikpunkt war: Die Justizanstalt Gerasdorf, die derzeit für Jugendliche zuständig ist, ist nicht mehr zeitgemäß. Es braucht für eine bessere Resozialisierung der Jugendlichen ein urbanes Umfeld, denn nur ein urbanes Umfeld und ein möglichst naher Anschluss an Familien und Institutionen kann dazu führen, dass Jugendliche besser resozialisiert werden können, und das führt auch zu einer Verhinderung weiterer Straftaten. Auch die Untersuchungshaft für Jugendliche in der JA Josefstadt ist verbesserungsfähig.
Jugendvollzug ist mir auch ein großes Anliegen. Das ist auch der Grund, warum ich 2022 bereits eine Arbeitsgruppe mit vielen Expert:innen des Jugendvollzugs, insbesondere aus dem Straf- und Maßnahmenvollzug, eingesetzt habe. Es waren Personen aus der Wissenschaft da, es war auch die Volksanwaltschaft da, und es war auch der Zentralausschuss der Exekutive in dieser Arbeitsgruppe, also die Personalvertretung. Das war eine Arbeitsgruppe, die ergebnisoffen geführt wurde, und entsprechend den von der Arbeitsgruppe 2023 übereinstim-
mend abgegebenen Empfehlungen habe ich die Veranlassung eines Changeprozesses in Auftrag gegeben. Vollzug der Jugendlichen soll künftig in Wien in einer eigenen, neu einzurichtenden Justizanstalt erfolgen.
Das war einhellige Meinung aller Mitglieder der Arbeitsgruppe: Es braucht eine neu einzurichtende Justizanstalt in Wien (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), denn der Erhalt des sozialen Empfangsraums begünstigt ein gelingendes Entlassungsmanagement. Die Einbettung in regelmäßige Besuchskontakte und in ein urbanes Gefilde stützt ebenso die Förderung der Reintegration in die Gesellschaft und verhindert damit weitere Straftaten.
Die neu einzurichtende Anstalt wird örtlich an die Justizanstalt Wien-Simmering angebunden, aber es soll eine selbstständige Anstalt – auch mit eigenem Namen: Justizanstalt Münnichplatz – sein.
Ich möchte mit einem Vorurteil aufräumen: Ab dem Moment, in dem die Arbeitsgruppe die Entscheidung getroffen hat, das könnte man bei Simmering einrichten, wurde auch der Anstaltsleiter eingebunden. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Bei Berücksichtigung der bestehenden baulichen Möglichkeiten für einen Neubau wäre das Budget nicht zu lukrieren gewesen. Das heißt, eine komplett neue Justizanstalt hätten wir nicht bauen können. Wir haben schlicht und ergreifend die notwendigen Mittel dafür nicht. Daher hat man nach Alternativen gesucht, und da ist eben die Entscheidung auf Simmering gefallen. Es wurde auch ein Konzept zur personellen Ausstattung erarbeitet. Bei der Planung der Grundausbildungslehrgänge beziehungsweise Ausbildungsplätze wurde dies mitberücksichtigt.
Festzuhalten ist, dass derzeit noch keine jugendlichen Insassen in die Justizanstalt Wien-Simmering verlegt werden, und die Justizanstalt Wien-Simmering und die zu errichtende Sonderanstalt für Jugendliche Münnichplatz zwei eigenständige Justizanstalten darstellen. Durch die räumliche Nähe können natürlich Synergieeffekte genutzt werden. Die Justizanstalt Wien-Simmering ist
durch periodische Besprechungen mit der Anstaltsleitung und der Führungsebene zu der Thematik laufend in den umfassenden Changeprozess miteinbezogen.
Für die zukünftigen Bediensteten der Jugendvollzugsanstalt wird eine Kurzschulung zum Jugendvollzug veranlasst sowie der dreitägige Lehrgang Jugendvollzug über die Strafvollzugsakademie angeboten, der von diesen dann verpflichtend zu absolvieren sein wird. Parallel zu den bereits gesetzten Vorbereitungen finden regelmäßig Besprechungen zur finalen operativen Ausgestaltung im Rahmen von Arbeitsgruppen statt.
Im Zusammenhang mit Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen bestehen Kooperationen mit dem AMS, dem BFI, der Volkshochschule Wien und dem Jugendcoaching. Zudem wird es einen eigenen Pflichtschulstandort sowie Unterricht im Rahmen der Lehrbetriebe durch Berufsschullehrer geben.
Zu den Fragen 16 bis 19:
Personal in der JA Simmering und der JA Münnichplatz: Bereits im Mai 2023 wurde ein Konzept zur personellen Ausstattung der neuen Justizanstalt erarbeitet. Der neuen Anstalt werden voraussichtlich 62 Arbeitsplätze für den Exekutivdienst und acht Arbeitsplätze für die allgemeine Verwaltung zugeordnet. Zusätzlich sind noch zehn Kapazitäten für Betreuungsleistungen über die Justizbetreuungsagentur vorgesehen. 17 Planstellen wurden als zusätzliche Planstellen in den Antrag zum Personalplan aufgenommen.
Mit dem Personalplan 2024 wurden für die Schaffung einer neuen Sonderanstalt für den Jugendvollzug zehn Planstellen zugewiesen. 21 nicht besetzte Planstellen wurden in Planstellen der höheren Verwendungs- und Funktionsgruppe des Exekutivdienstes umgewandelt. Sieben weitere Planstellen können aus dem Bereich der Justizanstalten zur Verfügung gestellt werden.
Neben der Anstaltsleitung sind folgende Organisationseinheiten in der neuen Justizanstalt vorgesehen – darauf bezog sich auch eine der Fragen –: Leitungsstelle, Vollzugsstelle, Wirtschaftsstelle, Betriebsgruppen, Lehrwerkstätten, Abteilungen, Justizwachkommando, Wachzimmer, allgemeiner Justizwachdienst, Sozialarbeit, pädagogischer Dienst und psychologischer Dienst. Unterstützungsleistungen des Rechtsbüros der Justizanstalt Wien-Simmering für die Sonderanstalt sind auch geplant. Alle vorgesehenen Planstellen sind im Personalplan für 2024 bereits enthalten. Also es wird nichts herumgeschoben, sondern es ist bereits da, und die zehn Kapazitäten für Betreuungsleistungen über die Justizbetreuungsagentur sind in dem Planungsrahmen auch bereits ausgewiesen.
Eine Sache möchte ich noch sagen, weil der 1. Juli immer wieder als Termin genannt wurde: Ja, das ist unser Termin. Wenn wir aber bis dahin nicht alles vorbereitet haben oder nicht alles der Qualität entspricht, welche wir uns für die Justizanstalt wünschen, dann ist dieser Termin für mich nicht in Stein gemeißelt. Wenn es sich zieht, dann zieht es sich. Für mich ist es viel wichtiger, dass die Justizanstalt funktioniert, dass sie gut ausgestaltet ist, dass wir alles bereit haben, damit wir mit der Sonderanstalt für Jugendliche gut beginnen können. Ja, man muss immer ein Enddatum setzen – und das ist nun einmal der 1.7. –, aber das ist wie gesagt nicht in Stein gemeißelt.
Versetzungen – weil Sie die auch angesprochen haben – zur Sonderanstalt für Jugendliche am Münnichplatz sollen jedenfalls auf freiwilliger Basis erfolgen. Es hat eine Interessent:innensuche gegeben, und die ergab großes Interesse an der Beschäftigung in der neuen Anstalt. Die Ausschreibungen folgen demnächst. Das heißt, jene, die Interesse bekundet haben, werden nicht zwangsversetzt, wie Sie das angedeutet haben.
Ich komme zu einem anderen Thema, zu den Fragen 14 und 23 bis 26, zum Thema Haft in der Heimat:
Wir schöpfen da die Möglichkeiten aus, Insass:innen zur Haftverbüßung in ihre Heimatländer zu überstellen. Insass:innen werden über die Möglichkeit der
Strafvollstreckung im Heimatland jedenfalls informiert, und die Justizanstalten sind auch verpflichtet, die dafür infrage kommenden Insass:innen zu monitoren.
Die Anzahl der Überstellungen nach § 42 EU-JZG ist auch erheblich gestiegen. Jedoch liegt es natürlich vor allem bei den Heimatländern, ob sie den Vollzug übernehmen. Wir versuchen da, insbesondere mit Serbien Maßnahmen zu setzen. Wir haben ja auch einen eigenen Justizattaché für die Länder des Westbalkans beauftragt, dafür zu sorgen, dass Serbien die Justizanstalten so herrichtet, dass wir die Personen hinschicken können, und dass Serbien letzten Endes die Personen übernimmt. Es erfordert natürlich die Zustimmung des übernehmenden Landes, dass die Personen hingeschickt werden können. Durch eine enge Zusammenarbeit mit dem BFA soll es schnellere Übermittlungen, ob es aufenthaltsbeendende Maßnahmen gibt, geben, und dadurch können wir auch schneller evaluieren, welche Insassen infrage kommen.
Was ist weiters geplant? – Regelmäßig setze ich mich auf internationaler Ebene beim EU-Rat und beim Europarat für eine Verbesserung der Haftbedingungen in den Herkunftsländern ein – das kann ja nur ein Vorteil für uns sein –, damit wir die Insassinnen und Insassen in ihre Heimat überstellen können.
Weiters kann ich berichten, dass es uns gelungen ist, ein Übereinkommen zur Übernahme der Strafvollstreckung mit Marokko zu paraphieren. Das wird noch dieses Jahr unterzeichnet. Daneben stehen wir in Vorverhandlungen mit dem Kosovo sowohl zur Übernahme der Strafvollstreckung als auch zur Auslieferung zur Strafverfolgung. Wenn Sie die Statistiken über die Lage bei uns genau lesen, sehen Sie, dass es auch diese Länder sind, aus denen wir gerade sehr viele Insassinnen und Insassen haben.
Zu Syrien und Afghanistan: Da haben wir vom Außenamt die Information bekommen, dass eine Überstellung oder Auslieferung aufgrund der Lage vor Ort nicht zulässig ist. Wir können niemanden in ein Kriegsgebiet schicken, das ist auch international unbestritten.
Zu den Fragen 20 und 29 bis 32, zum Thema der Fluchten:
Eingangs möchte ich erwähnen, dass die Zahl der Fluchtversuche seit 2018 in etwa gleich geblieben ist. Ausnehmen möchte ich natürlich die pandemiebedingten Ausreißer. Wenn wir uns Entweichungen bei Eskorten – das ist der fachlich korrekte Terminus – ansehen, so sehen wir, dass die Zahl von sechs Fällen im Jahr 2018 auf vier Fälle im Jahr 2023 gesunken ist.
Herr Bundesrat Spanring, Sie haben völlig richtig gesagt, es ist dem unglaublichen Einsatz unserer Justizwachebeamtinnen und -beamten zu verdanken, dass wir nicht mehr Entweichungen haben. Ich finde, dafür gebührt den Justizwachebediensteten ein Applaus. (Allgemeiner Beifall.)
Die Strafvollzugsverwaltung hat zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um die Sicherheit insgesamt zu erhöhen. Alle Justizanstalten wurden darauf hingewiesen, dass medizinische Eskorten bis auf Weiteres nur unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen durchzuführen sind.
Letzten November, nach der Häufung der Entweichungen, erfolgten auch Schwerpunktaktionen. Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass bundesweit in 21 Justizanstalten zahlreiche Hafträume durchsucht wurden. Dabei wurden unter anderem Gegenstände, die zur Vorbereitung von Fluchten genutzt werden könnten, gesucht und, ja, auch zum Teil gefunden. Zudem werden sicherheitsrelevante Vorfälle, wie beispielsweise Entweichungen, laufend evaluiert, um aus diesen Erkenntnisse und Erfahrungen zu bekommen und unsere Sicherheitsmaßnahmen entsprechend zu adaptieren. Deswegen haben wir auch den Erlass damals im November erarbeitet und herausgegeben, weil es wichtig war, Nachahmungstaten zu verhindern.
Ende 2023 fand die Sicherheitskonferenz mit führenden Vertreter:innen der Justizanstalten statt, bei der diese relevanten Vorschriften und Maßnahmen erörtert wurden. Ein paar Monate später wurde nach einer Evaluierung gesehen, es braucht diese strenge Maßnahme nicht, dass zwingend jeder Insasse am
Rücken zu fesseln ist, sondern es reicht, wenn die Justizanstalt das anhand der Sicherheitsmaßnahmen selbst entscheidet. Wer kennt denn die Insassen, die gerade ausgeführt werden, am besten? – Nicht der Generaldirektor, sondern natürlich die Justizanstalt selbst, die den Insassen oder die Insassin betreut. Daher kann jeweils geprüft werden, wie im Einzelfall gefesselt wird.
Ich möchte aber mit einer Sache aufräumen, die ein bisschen in dem hier Vorgetragenen zum Durchscheinen gekommen ist: Nach wie vor ist es möglich, auf jegliche Art und Weise zu fesseln. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Das steht im Vollzugshandbuch: Man kann in jeder Art und Weise fesseln, in der man fesseln will. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Genau so ist es.
Wenn der Justizwachebeamte entscheidet, dass das einer ist, der gefährlich ist, weil beispielsweise Terrorverdacht vorliegt, dann kann man fesseln, wie man es in diesem Zusammenhang für richtig erachtet. (Bundesrätin Schumann: Ach so? Das habe ich nicht gewusst! Aha!) Hat ein Insasse bereits einen Entweichungsversuch unternommen, so gelten für ihn selbstverständlich erhöhte Sicherheitsmaßnahmen.
Zu den Fragen 21 und 22, das betrifft die letzte Flucht:
Als vorgesetzte Dienstbehörde hat die Generaldirektion alle Vorfälle in ihrem Bereich umgehend zu prüfen und auch ihren Bediensteten gegenüber Sorgepflichten zu erfüllen.
Im konkreten Fall wurde diesen beiden Verpflichtungen Genüge getan: Es wurden zum einen sofort Mitarbeiter:innen der Generaldirektion zum Vorfallsort, wo die Entweichung erfolgte, entsandt, auch um bei Nacheile zu unterstützen, und zum anderen wurde sofort begonnen, die Ursache zu evaluieren; und nachdem festgestellt wurde, dass der betroffene Bedienstete medizinisch versorgt werden musste, wurden die Erhebungsmaßnahmen aufgeschoben.
Zur Frage 27, Überbelag:
Wir treiben die baulichen Maßnahmen weiter intensiv voran. Der Neubau der Justizanstalt Klagenfurt und die Erweiterung von Göllersdorf sind bereits budgetiert. Und das sind keine kleinen Summen, das ist wahnsinnig viel Geld, das wir vom Finanzministerium in meiner Amtszeit dafür bekommen, damit wir diesen Neubau auch wirklich finalisieren können, damit wir auch Göllersdorf erweitern können.
Zudem werden durch die Eröffnung der neuen JA Münnichplatz und die Verlegung der Jugendlichen aus der Justizanstalt Gerasdorf ebendort auch neue Haftplätze für den Normalvollzug frei, denn die räumlichen Kapazitäten der JA Gerasdorf konnten bislang bei Weitem nicht genutzt werden – dank der auch niedrigen Inhaftierungszahl bei Jugendlichen.
Die seit Jahrzehnten ausstehende Sanierung der Justizanstalt Josefstadt wird nun endlich realisiert. Ich weiß, es ist eine Zumutung, wenn eine Justizanstalt saniert wird, aber es ist wirklich notwendig, dass wir die Justizanstalt Josefstadt sanieren. Ich habe, seitdem ich im Amt bin, regelmäßig Vertreter:innen des Zentralausschusses bei mir, die bitten, dass sie endlich saniert wird, und wir haben es jetzt geschafft, die Gelder vom Finanzministerium freizubekommen, damit wir dort eben eine Sanierung erreichen. Das wird, glaube ich, auch für viele Bedienstete eine große Verbesserung sein.
Außerdem wurden die Justizanstalten beauftragt, Konzepte zur effizienteren Nutzung der räumlichen Möglichkeiten zu erarbeiten, und im Zuge des Projekts EÜH Backdoor wurden gemeinsam mit dem Verein Neustart die Bemühungen intensiviert, bei sich bereits in Strafhaft befindlichen Personen den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe mittels elektronisch überwachtem Hausarrest fortzusetzen.
Weiters darf im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Belagsreduktion auf die beschriebenen Instrumente der Übernahme der Strafvollstreckung durch das
Heimatland verwiesen werden, da wir uns seitens der Generaldirektion wirklich intensiv darum bemühen, dass die Haft in der Heimat auch Realität wird.
Zu den Fragen 28, 33 und 36 bis 39:
Betreffend den Personalmangel: Ich habe bereits erwähnt, dass wir im Exekutivbereich im Vergleich zu 2019 Planstellen dazugewonnen haben, insgesamt ein Plus von 180 Stellen, und dass wir auch endlich rund 96 Prozent Besetzungsgrad haben.
Aufgrund der allgemeinen Arbeitsmarktsituation sucht auch der Straf- und Maßnahmenvollzug derzeit Personal, um diese zusätzlichen und freien Planstellen auch entsprechend besetzen zu können. Zu diesem Zweck wurde eine umfassende Personaloffensive gestartet und wurden die bereits gesetzten Maßnahmen zur Attraktivierung der Berufsbilder im Straf- und Maßnahmenvollzug fortgesetzt und intensiviert.
Dabei steht im Vordergrund, dass die österreichische Justiz ein attraktiver Dienstgeber ist und die Justizwache eine abwechslungsreiche, vielseitige und profunde Ausbildung mit modernster Ausrüstung bietet, was im Übrigen auch international anerkannt ist. Es wird laufend daran gearbeitet, die Justizwache als attraktives Berufsbild für Bewerber:innen zu positionieren.
Hinsichtlich Überstunden und Mehrdienstleistungen gibt es das laufende Projekt zur Dienstplanoptimierung, in welchem es unter anderem Ziel der Expert:innengruppe ist, durch eine Optimierung der Dienstplangestaltung insbesondere Justizwachebeamt:innen weiter zu entlasten – und ich glaube, Entlastung ist da wirklich das entscheidende Wort. In dieser Expert:innengruppe sind Anstaltsleiter:innen, Justizwachekommandant:innen und Dienststellenleiter:innen dabei, die sich gemeinsam überlegen, wie wir die Justizwachebeamt:innen weiter entlasten können.
Dabei ist der Erhalt der psychischen Gesundheit tatsächlich ein großes Ziel. Es ist eine unglaublich wichtige Überlegung, wie wir die erforderlichen Mehrdienstleistungen mit Freizeitausgleich abbauen können, damit eine ausgewogene Work-Life-Balance möglich ist, denn, wie Sie richtig gesagt haben, Herr Bundesrat Spanring, auch Justizwachebeamt:innen haben zu Hause Betreuung zu leisten. Im Jänner 2024 wurde beinahe ein Viertel weniger Mehrdienstleistungsstunden angeordnet als im Vormonat, das ist ein Minus von 22 Prozent, und auch bei längerfristiger Betrachtung können wir Erfolge feststellen: Gegenüber dem Durchschnitt der letzten zwölf Monate ist der Wert um fast 10 Prozent gesunken.
Zur Gesundheit: Zur Aufrechterhaltung der Gesundheit ist auch auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Supervision zu verweisen. Regelmäßige Supervision ist ein wichtiger Bestandteil zur Aufrechterhaltung und zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit. Es ist ein anerkanntes Instrument der Psychohygiene, welches insbesondere bei übermäßiger Belastung und nach besonders belastenden Einsätzen von Relevanz ist. Sie dient der Prävention von Burnout, Mobbing und auch Gewalt.
Zur Aufrechterhaltung der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter:innen und damit auch von Personen, die bei der Ausübung ihres täglichen Dienstes allen Anforderungen eines menschenrechtskonformen Verhaltens gerecht werden müssen, ist eine laufende Psychohygiene in Form von Supervision zweifellos erforderlich. Daher ist die psychologische Betreuung für alle Strafvollzugsbediensteten von besonderer Bedeutung. Die Generaldirektion unterstützt die Supervision für sämtliche Bedienstete des Straf- und Maßnahmenvollzugs, wobei im Besonderen darauf hingewiesen wird, dass die Inanspruchnahme als Dienst gilt, dass das nicht in der Freizeit erfolgt, sondern dass das in der Dienstzeit erfolgt, dass auch das ein Dienst ist.
Die Stabsstelle Psychologischer Dienst evaluiert die psychischen Belastungen der Bediensteten. Dieses Projekt ist insbesondere auch als Prävention von
Langzeitkrankenständen und zur Stärkung der Gesundheit der Justizwachebeamt:innen zu sehen. Darüber hinaus gibt es in den einzelnen Dienststellen auch diverse gesundheitsfördernde Maßnahmen wie zum Beispiel sportliche Angebote und Gesundheitstage.
Zu den Fragen 34 und 35:
Kostenreduktion, medizinische Versorgung von Häftlingen: Die Chefärztin in der Generaldirektion beobachtet die Kostenentwicklung in diesem Bereich sehr genau. So müssen bestimmte Behandlungen chefärztlich bewilligt werden. Im Bereich der Spitalsbetten obliegt das Spitalsbettenmanagement der Chefärztin, Verlegungen in ein Krankenhaus bedürfen vorweg ihrer Bewilligung. Ausnahmen bestehen nur bei medizinisch indizierten Akutfällen. Ferner kontrolliert die Chefärztin auch den Verbleib auf einem Spitalsbett und klärt mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten im Falle eines Wegfalls des Behandlungssettings die sofortige und unmittelbare Rücküberstellung in die Justizanstalt ab.
Die Medikamente für die Behandlung der Insassinnen und Insassen werden kostengünstig über die BBG, die Bundesbeschaffung GmbH, besorgt und dürfen nur nach ärztlicher Verschreibung ausgegeben werden. Dabei wird analog dem Boxensystem bei den Krankenversicherungen vorgegangen und gewisse Medikamente benötigen eine chefärztliche Bewilligung.
Zur Frage 40:
Einerseits wird durch die Einführung der Telemedizin und die Ausweitung der Verfügbarkeit dieser Behandlungsmöglichkeiten versucht, die Ausführungen aufgrund der Nichtverfügbarkeit eines Arztes in der Justizanstalt zu vermeiden. Gleichzeitig werden Überlegungen angestellt, gewisse Behandlungen in den Justizanstalten selbst durchzuführen, zum Beispiel Dialysen.
Zur Frage 45:
Es kam zu keinen Entlassungen gemäß der anfragegegenständlichen Rechtslage.
Ich hoffe, ich habe jetzt alle Fragen beantwortet. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Bernard: Nummer 22!)
17.29
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesministerin.
Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.
Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Frau Bundesminister, zu Ihrem Schlusssatz, wonach Sie annehmen, dass Sie alle Fragen beantwortet haben: Also eine Beantwortung hat mir persönlich gefehlt, nämlich die Beantwortung der Frage 22, aber das kommt ja vielleicht noch.
Ich habe Ihnen ganz aufmerksam zugehört, Frau Bundesminister. Sie haben gesagt, Sie haben einen Besetzungsgrad von 96 Prozent. – Ja, das glaube ich Ihnen, dass Sie einen Besetzungsgrad von 96 Prozent haben. Das Problem dabei ist, Sie sprechen vom Besetzungsgrad und nicht von tatsächlich anwesenden Vollbeschäftigungsäquivalenten.
So zählt beispielsweise auch Kollege Spanring zu diesen 96 Prozent (Bundesrat Buchmann: Und hackelt bei der Partei!), ist aber schlicht und ergreifend keine einzige Minute anwesend. Das wäre das Interessante: Wie viele davon sind in Teilzeit? Wie viele davon sind vielleicht schon jahrelang nicht mehr auf Ihrem Arbeitsplatz? Wenn man diese wegrechnet, dann sind wir, glaube ich, ganz weit entfernt von diesen 96 Prozent. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Himmer: Statistik!)
Sie haben gleich bei der Frage 1 geantwortet, dass seit rund 20 Jahren und länger über eine Herabsetzung der Strafmündigkeit diskutiert wird. Sie haben dann Beispiele genannt wie den Jemen oder den Iran. Ich möchte noch einige andere Beispiele nennen: In den Niederlanden und in Ungarn liegt die Altersgrenze bei zwölf Jahren, auch in Irland liegt die Altersgrenze bei zwölf Jahren, in der Schweiz – Sie haben es erwähnt – liegt sie bei zehn Jahren – Freiheitstrafen wollen wir auch nicht, Frau Bundesminister–, in England, Wales und Nordirland sind wir auch beim zehnten Lebensjahr, in Schottland liegt sie bereits bei acht Jahren, in Griechenland bei 15 Jahren, davor gibt es Therapie- und Erziehungsmöglichkeiten, und ja, in Australien liegt sie auch bei zehn Jahren und in Kanada bei zwölf Jahren. – So viel zur Richtigstellung der Beantwortung der Frage 1. (Beifall bei der FPÖ.)
Etwas hellhörig war ich dann bei der Frage 23, in der es um die Haftverbüßung in den Heimatländern gegangen ist. Es ist lobenswert, dass Sie sich für bessere Haftbedingungen außerhalb Österreichs beziehungsweise in den Herkunftsländern einsetzen, aber, Frau Bundesminister, ich habe einige Beispiele mitgebracht, wie diese Menschen, die hierher zu uns kommen, mit unseren Österreichern umgehen, und ich muss sagen: Es ist mir herzlich egal, wie die Haftbedingungen in deren Heimatländern sind. Mit diesen Menschen ist schlicht und ergreifend abzufahren! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)
Ich kann Ihnen einige Beispiele nennen, damit klar ist, warum ich das so direkt sagen muss:
Am 13.3. steht in der Zeitung: „Mäderl (11) von 14-Jährigem gefesselt und vergewaltigt“: In Kärnten wird eine Elfjährige von einem 14-Jährigen gefesselt, vergewaltigt! Der 14-Jährige ist ein ukrainischer Staatsbürger und ist bis heute, wie ich es gerade vorhin mitbekommen habe, in Untersuchungshaft gesessen. Jetzt ist der 14-jährige mutmaßliche Vergewaltiger unter den Auflagen, eine Therapie machen zu müssen und ein Kontaktverbot zum Opfer zu haben, wieder frei. – Na hoffentlich hat er ein Kontaktverbot zum Opfer! Das ist aber genau so ein Fall, Frau Bundesminister. Diese Menschen haben ihr Gastrecht bei uns
verwirkt! Diese Menschen haben nichts mehr bei uns verloren! (Beifall bei der FPÖ.)
Nächstes Beispiel, 9.3. – in Salzburg –: „Jugendliche vergewaltigen Mädchen (15, 16) bei Party“. Es sind neun Beschuldigte, sie filmten ihre Tat, und diese neun Beschuldigten haben Migrationshintergrund.
7.3.2024, eine Schlagzeile, die es in sich hat: „‚Musste sie zwingen‘ – Täter lachte über Opfer (12)“: Unzählige Male von 17 Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren missbraucht. Der Freund des Opfers belastet einen 16-jährigen Bulgaren, ein 16-jähriger Syrer soll das Mädchen mehrmals zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben.
Frau Bundesminister, all diese schrecklichen Taten wären nicht geschehen, wenn Sie und diese gesamte schwarz-grün-rot-rosarote Einheitspartei nicht die Augen vor diesen Problemen verschließen und diesen Kulturen, die nicht zu uns passen, seit dem Jahr 2015 Tür und Tor aufmachen würden. Wir brauchen uns ja nur die Zahlen anzuschauen, was sich an unseren Grenzübergängen abspielt.
Und ja, all diese Verbrecher, auch die, die ich jetzt vorgelesen habe, werden heute noch hofiert und willkommen geheißen, und Sie verschließen die Augen vor all diesen Taten!
Um heute auch einen kleinen Denkanstoß mitzugeben, darf ich an dieser Stelle natürlich auch einen Entschließungsantrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erschwernisgrund: Missbrauch des Gastrechts“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, insbesondre die Bundesministerin für Justiz, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die Erschwernisgründe in § 33 (1) StGB um die Ziffer 9 mit folgenden Inhalt erweitert:
„9. im Zeitpunkt der Tatbegehung ein Fremder war, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht hat, auch wenn das Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen, eingestellt oder gegenstandlos geworden ist, oder dessen Aufenthalt im Bundesgebiet geduldet worden ist (§ 46a FPG).“
*****
Frau Bundesminister, es hilft nichts, wenn wir die Augen vor diesen Wahnsinnstaten verschließen. Ich erinnere nur an den steirischen Landeshauptmann Christopher Drexler. Auch er hat sich im Jahr 2015 noch mit all den linken Gutmenschen in der Herrengasse eingehängt, eine Lichterkette für die Menschlichkeit gebildet, und sein Vorvorgänger hat uns Freiheitliche als „Rattenfänger“ bezeichnet. Frau Bundesminister, wir sind aber die Einzigen, die von Beginn an vor all diesen Wahnsinnigkeiten gewarnt haben! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)
Jeder der 2015 nicht die Augen verschlossen hat, sondern alles aufmerksam beobachtet hat, ist nicht überrascht von diesen Entwicklungen: dass wir eine Verdoppelung der Straftaten auch von Minderjährigen haben und dass mehr als 50 Prozent der Insassen in unseren Gefängnissen ausländischer Herkunft sind. Es ist traurig, dass es so gekommen ist, aber wir Freiheitliche haben von Beginn an davor gewarnt!
Drei Frauen wurden am 23. Februar in Wien in einem Sexstudio ermordet. Der Täter: ein Asylwerber aus Afghanistan. Sein letzter Wohnsitz war in Kärnten, Sie wissen das. Dann hat er sich abgemeldet, weil er angeblich wieder nach Hause fahren wollte. In Wahrheit ist er schlicht und ergreifend in diesem Land verschwunden. Das darf es nicht geben! Das kann es nicht sein, dass Menschen in diesem Land einfach verschwinden!
Frau Bundesminister, ich bin selbst 2015 am Grenzübergang gestanden, und ich kann Ihnen sagen, wie das in Nickelsdorf abgelaufen ist: 50 Leute sind in Nickelsdorf in einen Bus Richtung Nova-Rock-Halle eingestiegen, das sind 20 Minuten Fahrzeit, und maximal 30 sind bei der Nova-Rock-Halle angekommen. Das heißt, wir wissen auch zum heutigen Zeitpunkt nicht, wie viele Menschen seit 2015 in diesem Land untergetaucht und verschwunden sind. (Beifall bei der FPÖ.)
Eine ganz besondere Abscheulichkeit: Im Oktober 2023 ist es in einem Seniorenheim zu einem Überfall auf eine 92-jährige Pensionistin gekommen. Die 92-jährige Pensionistin wurde von einem 23-jährigen Algerier überfallen, vergewaltigt, beraubt und in ihrem Zimmer eingesperrt. Und das Groteske bei dem Ganzen ist, dass genau dieser Algerier wenige Tage zuvor einen Asylantrag in Österreich gestellt hat.
Mit einer konsequenten Zuwanderungspolitik hätten wir in all diesen Fällen all diesen Menschen viel, viel Leid ersparen können. Genau da ist die Regierung gefordert: Es geht um eine konsequente Zuwanderungspolitik und nicht darum, Delinquenten aus aller Herren Länder hereinzubitten und hereinzuholen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit all den Raketenwissenschaftlern, Atomphysikern, Rechtsstaatsverweigerern ist abzufahren, die haben ihr Gastrecht verwirkt. Diese Menschen brauchen wir hier in unserem Land nicht. (Beifall bei der FPÖ.)
Nein, es braucht auch keine Haftstrafen in Österreich in unseren Fünfsterngefängnissen, mit Kuschelzellen und was es da alles gibt. Diese Menschen dürfen nie wieder einen Fuß auf österreichischen Boden setzen! (Beifall bei der FPÖ.)
Kollege Spanring hat es erwähnt: 4 600 ausländische Staatsbürger sitzen in unseren Gefängnissen. Rechnen Sie sich das einmal aus! Wenn Sie im Bereich der Justiz wirklich sparen wollen, können Sie da 300 Millionen Euro auf einen Schlag einsparen. Diese Menschen brauchen wir hier nicht.
Weil ich es vorhin erwähnt habe: Frau Bundesminister, für 13‑Jährige oder für viele, die strafunmündig sind, gilt das Gleiche; sie können ihre Familien auch gleich mitnehmen. Ab in den Flieger, ab nach Hause! Diese Menschen brauchen wir hier nicht. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich glaube, es gäbe noch viel zu sagen. Wie Kollege Spanring gesagt hat: Man könnte den ganzen Tag darüber reden. Was aber macht die Bundesregierung? Was macht insbesondere unser grüner Vizekanzler Werner Kogler? – Der spaziert, obwohl es in diesem Land andere Probleme gibt, bei einer Demo gegen rechts in Graz an vorderster Front mit. Gute Nacht, Österreich!, kann ich nur sagen. Es braucht rasche Neuwahlen. Es braucht einen Volkskanzler Herbert Kickl. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
17.42
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke. Herr Bundesrat Leinfellner, Sie haben in Ihrem Redebeitrag gesagt: „Mit diesen Menschen ist [...] abzufahren“. Das war ein Zitat. Ich sehe in diesem Fall von einem Ordnungsruf ab, halte aber schon fest, dass diese Formulierung meinem Verständnis nach nicht der Würde des Hauses und vor allem auch nicht der Menschenwürde entspricht. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrätin Schartel: ... ich meine, wo seid denn ihr? – Bundesrat Schreuder: Im Hohen Haus!)
Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Erschwernisgrund: Missbrauch des Gastrechts“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr dieses.
Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie uns immer noch zuhören und zusehen!
Wir haben jetzt schon einiges darüber gehört, wo die Probleme in unserem Land liegen. Ich kann da natürlich bei vielen, vielen Dingen die Meinung der Kollegen von der FPÖ nicht teilen.
Natürlich berührt uns Kinderkriminalität, natürlich berührt uns jeder einzelne Fall, diese Dinge, die da vorgegangen sind. Wenn Kinder, Jugendliche missbraucht werden, wenn Frauen ermordet werden: Das ist fürchterlich, das ist abzulehnen. (Bundesrätin Schartel: Warum tut ihr dann nichts dagegen?) Es ist das Letzte, was wir in diesem Land brauchen, aber wir haben da einen anderen Zugang. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Gerade als Mutter von zwei Töchtern fühle ich bei jedem Fall mit und denke mir, dass da ja auch Eltern sind, die die Kinder beschützen wollen. Vielleicht ist es auch ein Problem, dass manche Eltern nicht mehr die Verantwortung für die Kinder und Jugendlichen übernehmen (Bundesrat Kofler: Ja, die Eltern sind jetzt schuld!), und vielleicht gehört auch diese mehr eingefordert.
Unser Bundeskanzler Karl Nehammer hat gehandelt, hat speziell nach dem scheußlichen Fall des Missbrauchs der Zwölfjährigen mit 17 Tatverdächtigen Maßnahmen gefordert. (Bundesrätin Schumann: Und hat die FPÖ gestärkt!) Er hat Verfassungsministerin Edtstadler und Innenminister Karner ersucht, ein Paket zu erarbeiten, und es soll im April einen Vorschlag geben. Da wird natürlich auch – diesbezüglich sind wir nicht ganz der Meinung der Frau Justizministerin – das Thema der Strafmündigkeit diskutiert werden müssen. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich habe es schon gesagt, auch die Rolle der Eltern ist zu hinterfragen (Bundesrat Kofler: Welche Eltern? Vom vergewaltigten Kind?), und für uns besteht auch eine Schieflage betreffend Delikte gegen Leib und Leben im Vergleich zu Vermögensdelikten. Es wird da aber ein Maßnahmenpaket geben. Unser Bundeskanzler, die Bundesregierung hat gehandelt und weitere Maßnahmen auf den Weg gebracht.
Ich möchte aber noch speziell Dinge ansprechen, die mir besonders am Herzen liegen, denn wir müssen das engmaschige Gewaltschutzsystem in Österreich
noch weiter verbessern. Es ist schon sehr, sehr viel passiert, aber wir sehen immer wieder an Fällen, dass es leider noch nicht genug ist. Die zentralen Maßnahmen der letzten Jahre waren die Ausfinanzierung der Gewaltschutzzentren, die Installation von Gewaltambulanzen, Frauen- und Mädchenberatungsstellen in jedem politischen Bezirk in Österreich, die Schaffung neuer Schutz- und Übergangswohnungen gemeinsam mit den Bundesländern, die Verzehnfachung der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen, und unsere Bundesministerin Raab hat das Frauenbudget seit 2019 um 231 Prozent gesteigert. (Bundesrätin Schumann: Ja, das hat geholfen! – Zwischenruf der Bundesrätin Arpa.) – Ich weiß, das wollt ihr nicht hören, liebe Korinna, aber unsere Ministerin hat gehandelt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. –Bundesrätin Schumann: Ja, es muss halt auch ankommen! Es muss was verändern!)
Das ist genau das Thema: Wir müssen bei Gewalt hinschauen und Maßnahmen setzen. (Bundesrätin Schumann: „Wir müssen“ – ja, machts!) Wir dürfen nicht jammern, wir müssen Aktionen setzen. Gewaltschutz hat oberste Priorität (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), und ein Großteil des Budgets – 2024 waren es 33,6 Millionen Euro – fließt wieder in den Gewaltschutz für Mädchen- und Frauenberatungsstellen, um Frauen und Mädchen wirklich zu schützen. Darüber hinaus hat es auch in allen anderen Ressorts Steigerungen in frauenspezifischen Bereichen gegeben, etwa beim Opferschutz im Justizministerium.
Es wurden auch jetzt im März konkret Maßnahmen gesetzt, Arbeitsgespräche geführt. (Bundesrätin Schumann: Na, dann! Wenn ich nicht mehr weiterweiß, mach’ ich einen Arbeitskreis!) Es gibt eine Analysestelle zu Tötungsdelikten an Frauen, um Hintergründe und Motive noch genauer zu analysieren. Es gibt eine Verbesserung der Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen den Einrichtungen durch eine Gesamtstrategie und mehr Geld für Fachstellen für Sexdienstleisterinnen, insgesamt plus 51 Prozent. Das wurde gerade jetzt auf den Weg gebracht und damit wurde auf die unglaublichen, verabscheuungswürdigen Fälle, die wir jetzt zu beklagen hatten, reagiert.
Bereits 2021 haben Bundesministerin Raab und – damals noch – Innenminister Nehammer 25 Millionen Euro für das größte Gewaltschutzpaket auf den Weg gebracht (Bundesrätin Schumann: Trotzdem haben wir so viele Femizide! Das ist ein Problem, würde ich sagen!), um eben die Vernetzung, die Kooperation zwischen Exekutive, Gericht, Kinder- und Jugendhilfe sowie Gewaltschutzzentren noch zu verbessern. Weitere Maßnahmen waren 2023 eine 15a-Vereinbarung zum Ausbau der Angebote in Schutzunterkünften in den nächsten drei Jahren – wir haben das hier ja besprochen: insgesamt 12 Millionen Euro –, bis Ende 2025 bundesweit mindestens 180 zusätzliche Stellen, die Einführung von Gewaltambulanzen. Die Gesamtkosten für Gewaltschutz betragen 2024/25 voraussichtlich 4 Millionen Euro; damit wir etwas machen können und damit sich die Opfer natürlich auch kostenfrei untersuchen lassen können, sodass die Spuren sichergestellt und die Verletzungen gerichtsfest dokumentiert werden können. Das, was da auf den Weg gebracht wurde, ist wirklich etwas!
Weiters gab es eine Studie zur Analyse der Frauenmorde der letzten zehn Jahre und die Erforschung der Risikofaktoren und Motive. Ich frage auch viel in meinem Bekanntenkreis herum: Was können wir tun, damit es keine Frauenmorde mehr gibt? Das betrifft uns ja alle. Wir machen viel. Wir schauen hin. Wir machen Fallkonferenzen. Es ist aber leider so, dass die Risikofaktoren die Ex-Partner oder Männer mit Migrationshintergrund – (in Richtung FPÖ) da muss ich euch leider recht geben –, mit psychischen Erkrankungen und Suchterkrankungen sind. Wir können da jetzt noch so viele Maßnahmen setzen, aber die persönlichen Faktoren werden wir leider nie außer Acht lassen können.
Es ist vielleicht ein Appell an uns alle, dass wir bei der Erziehung der Kinder, der Jugend schon darauf schauen, dass es keine stereotypen Rollenverhältnisse gibt (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), dass wir unsere Burschen und Mädchen zu selbstständigen jungen Menschen erziehen, die selbstbewusst durchs Leben gehen. Wir selber können auch etwas dazu beitragen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Ich meine, wir haben wirklich viel getan: die Gewaltschutzzentren; der stille Notruf wurde flächendeckend eingeführt; seit September 2021 sind die Beratungsstellen für Gewaltprävention in Betrieb und es wurden 2021/22 knapp 5 000 Gefährder zu einer Betreuung verpflichtet. Das ist ein wichtiger Schritt.
Zum Abschluss möchte ich nochmals den Appell, den ich schon am 5.10., als es um Gewaltschutzmaßnahmen ging, hier ausgesprochen habe, an Sie richten: Schauen wir nicht weg! Greifen wir ein! Zeigen wir Zivilcourage! Es gibt Maßnahmen, die Regierung tut etwas und wir alle können das noch verstärken. Das ist wichtig und notwendig. Wir selber müssen uns auch der Verantwortung stellen und nicht nur den Staat, die Gemeinden, die Behörden et cetera in die Verantwortung bringen.
Ich darf dann nochmals auf einen Appell hinweisen, den ich damals auch ausgesprochen habe. Erinnern Sie sich an die Kampagne, die wir in Salzburg haben: Ist Luisa hier? Mädchen, die in Restaurants, in Bars et cetera sind und sich gefährdet fühlen, können mit diesem Codewort Schutz und Hilfe bekommen. Es gibt dort geschultes Personal, das dann sofort die Kette in Gang setzt und schaut, dass es ein Taxi oder andere Hilfsmaßnahmen gibt. So können sich die Jugendlichen – es können ja durchaus auch Männer sein – aus der Gefahrenzone wegbewegen.
Da, glaube ich, kann man immer nur sagen: Schauen wir hin, gehen wir die Problematik gemeinsam an (Bundesrätin Schumann: 15 000 Wegweisungen ...!), denn nur so können wir unsere Gesellschaft weiterentwickeln! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
17.52
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr dieses.
17.52
Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Es ist unerträglich, unbegreiflich, was viele Frauen und auch Mädchen in unserem Land an Gewalt erleiden müssen. Es lässt mich in jedem einzelnen Fall fassungslos und tief bestürzt zurück. Niemand von uns kann sich vorstellen, was solche Taten mit dem Leben jeder einzelnen betroffenen Frau, jedes einzelnen betroffenen Mädchens machen, und auch mit den Müttern dieser Mädchen, die erkennen müssen, dass sie ihr eigenes Kind nicht vor solchen Verbrechen schützen konnten. Keine Gewaltanwendung, kein Übergriff, keine Vergewaltigung, kein einziger Mord kann auch nur irgendwie gerechtfertigt werden und wir verurteilen jede einzelne Tat. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)
Angesichts des Problems, das wir in Summe, das wir als Gesellschaft in Österreich im Bereich Gewalt an Frauen und Mädchen haben, kann man nicht zur Tagesordnung übergehen. Wir haben ein großes Problem. Meine Vorrednerin hat gesagt, es wird so viel getan. Tatsache ist aber, dass die Gewalt zunimmt, und das bedeutet auch, dass die gesetzten Maßnahmen offenbar nicht genug oder nicht die richtigen sind. Das muss man sich auch irgendwann eingestehen.
Ich frage mich jedes Mal, wenn wir mit so einem Verbrechen konfrontiert werden – und ich glaube, das müssen wir alle tun –: Wie hätte diese Tat, dieses Verbrechen an dieser Frau, an diesem Mädchen verhindert werden können? Was hätte getan werden müssen, angeboten werden müssen, damit sich dieses Mädchen Hilfe holen hätte können? Wo waren die bestehenden Angebote doch noch zu hochschwellig? Wo war die Lücke im System? Woran hätte man eventuell auch erkennen können, erahnen können, dass die Täter diese Handlungen setzen werden? Hätte vorher eingegriffen werden können? All das sind die entscheidenden Fragen, die wir uns bei jedem einzelnen Fall stellen müssen.
Aus unserer Sicht sind es genau diese drei Dinge: Wie hätte man das Opfer besser schützen können? Was müsste passieren, um solche Taten zukünftig zu verhindern? Was müssen wir tun, damit so etwas nicht mehr passiert?
Wenn man sich die unterschiedlichen Verbrechen ansieht, sieht man, dass sie zu unterschiedlich sind, als dass eine einzige Lösung alles lösen würde. Wir müssen an mehreren Stellen ansetzen, um die Opfer zu schützen und zu vermeiden, dass so etwas wieder passiert. Da muss es ein ganzes Bündel an wirkungsvollen Maßnahmen geben, die für mehr Schutz für die Opfer sorgen. Natürlich muss es auch Konsequenzen für die Täter geben, natürlich muss denen verständlich, begreiflich, bewusst gemacht werden, dass das nie, nie und nie akzeptabel ist und nie ohne Konsequenzen bleiben wird.
Aber ehrlich: Viel haben diese Regierung und vor allem auch die türkis-blaue Regierung davor nicht getan, um solche Verbrechen tatsächlich zu verhindern. Im Gegenteil! Was wurde eigentlich in den letzten Jahren gemacht? – Ich möchte daran erinnern: Unter der türkis-blauen Bundesregierung wurde ein funktionierendes Modell zum Umgang mit jugendlichen Straftätern abgeschafft. Erinnern Sie sich alle an den Jugendgerichtshof: ein Erfolgsmodell, für das wir internationale Achtung bekommen haben. Viele Staaten haben uns das nachgemacht. Da wurde wirkungsvoll mit den jungen Tätern gearbeitet, damit ihre Tat Konsequenzen hat und damit sich solche Verbrechen nicht wiederholen. Unter den letzten Regierungen wurde es aber auch massiv verabsäumt, die soziale Arbeit auszubauen, obwohl es so offensichtlich ist, wie viele Stellen in diesem Bereich aktuell nicht besetzt werden können.
Unter den letzten Regierungen wurde außerdem die Kinder- und Jugendhilfe ausgehungert. Bei jeder schrecklichen Tat wird der Ruf nach mehr Ressourcen für die Kinder- und Jugendhilfe laut, leider immer zu spät. Es ist ganz klar, dass angesichts der personellen Ausstattung in diesem Bereich keine lückenlose, wirkungsvolle Betreuung von problematischen Familien und ihren Kindern stattfinden kann. Hat man dagegen etwas getan? – Nein.
Unter den letzten Regierungen wurde außerdem der Hilferuf aus der Psychiatrie ignoriert. Wir alle erinnern uns an die offenen Briefe aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie an die Regierung.
Nicht zuletzt wurde auch die Polizei personell ausgedünnt.
Wie erklärt man der Bevölkerung angesichts all dieser Vorfälle diese Situation? Und was machen jetzt die FPÖ und teilweise auch die schwarze Fraktion, die ÖVP, die dafür mitverantwortlich war? – Sie machen es sich zu leicht, wenn sie die Senkung des Strafalters als die Lösung verkaufen. (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Doppler und Pröller.)
Eine Maßnahme allein kann dieses komplexe Problem nicht lösen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie tun so, als wäre das eindimensional und als könnte man das mit einer eindimensionalen Maßnahme lösen. Dabei wissen Sie ganz genau – oder ich hoffe zumindest inständig, dass Sie es eigentlich wissen –, dass die Welt nicht so eindimensional ist und man mit dieser Antwort – Herabsetzung der Strafmündigkeit – nicht alles erledigt. (Bundesrat Himmer: Aber wenn man es nicht macht, ist auch nichts erledigt! Da sind wir uns schon einig, oder?)
Ich möchte es gerne einmal mit Ihnen durchdenken: Was passiert, wenn diese Kinder tatsächlich eingesperrt werden? Wie lange würde man sie denn einsperren? Würde man sie zu den kriminellen Erwachsenen stecken? (Bundesrat Spanring: Das ist ja verboten!) Was wäre, wenn sie wieder herauskommen? Glauben Sie wirklich, dass diese Kinder bessere Menschen werden?
Angenommen, wir ziehen die ganz jungen Straftäter aus dem Verkehr (Bundesrat Spanring: Nicht aufgepasst, setzen, fünf!) – aus den Augen, aus dem Sinn –: Wie genau soll das zukünftige Taten verhindern? Das ist keine wirkliche Lösung, das ist Augenauswischerei. (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Was passiert denn mit jungen Straffälligen in Gefängnissen? – Oft werden sie dort erst recht radikalisiert. Und was ist, wenn sie dort wieder rauskommen, ohne umfassendes
Resozialisierungsprogramm, ohne Therapie, ohne Behandlung, die der Jugendgerichtshof damals vorgesehen hätte? – Es wird nicht besser sein als vor dem Strafvollzug.
Wir haben mit vielen, vielen Expert:innen gemeinsam umfassende Lösungen und Ansatzpunkte erarbeitet, die wir anbieten können, und wir fordern einen auf höchster Ebene einberufenen Round Table zum Thema Kriminalität von Kindern, um all diese Expertise zu sammeln. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich sage es noch einmal: Der Fokus muss dabei wie immer sein: Wie können wir die Opfer schützen und wie können wir Straftaten von jungen Menschen verhindern? Wir sagen als SPÖ schon ganz klar: Stellen wir uns dem Problem! Stellen wir uns den Tätern! Dafür braucht es eine ganz enge Kooperation. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Dafür braucht es Fallkonferenzen unter Einbeziehung von Polizei, Psychiatrie, Sozialarbeit, Bildungsinstitutionen (Bundesrat Spanring: Das passiert ja eh alles!) und natürlich den betroffenen Familien und Jugendlichen selbst. (Bundesrätin Doppler: Genau, das erzählst jetzt mal den Eltern ...!)
Die müssen in einer sehr, sehr intensiven Auseinandersetzung mit jedem einzelnen jungen Täter zusammenfinden und Maßnahmen festlegen: Maßnahmen, die verdeutlichen, dass jemand ein Verbrechen begangen (Bundesrat Spanring: ... Praxis ...!) und unglaubliches Leid verursacht hat, dass jemand in seinem Leben tatsächlich etwas ändern muss, um eine Zukunft zu haben, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu stehen. Dafür muss der Bund Ressourcen bei der Polizei, bei der Kinder- und Jugendhilfe und bei der sozialen Arbeit aufstocken – das muss uns auch klar sein. (Präsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)
Wir haben einen umfassenden Antrag vorbereitet, der den bestmöglichen Schutz der Opfer und die sinnvollsten Konsequenzen für die Täter benennt. Ich stelle daher folgenden Antrag:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „jugendliche Straftäter: Gewalt verhindern und Opfer wirksam schützen – Täterkarrieren stoppen!“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat umgehend Vorlagen zuzuleiten, mit denen sie schwarz-blaue Fehler repariert, die Gesellschaft wirksam schützt und mit zukunftsweisenden Maßnahmen für weniger Jugendkriminalität sorgt, statt Verbrecherkarrieren zu fördern. Dazu zählen auf jeden Fall die folgenden Maßnahmen:“
*****
Im ersten Teil geht es darum, Opfer endlich wirksam zu schützen. Es geht um den Ausbau und die Verstärkung der individuellen Opferbetreuung, und zwar juristisch, psychosozial und gesundheitlich.
Es geht zweitens um den Ausbau und die Verstärkung des individuellen Schutzes von Opfern, beispielsweise durch Annäherungs- und Kontaktverbote für Täter.
Es geht drittens um Gewaltambulanzen in jedem Bundesland. In diesen Ambulanzen soll durch Expert:innen für Gewaltdelikte möglichst früh geholfen, richtig versorgt und beraten werden können. Diese Ambulanzen haben die Aufgabe, Beweise zu sichern und damit die Aufklärungs- und Verurteilungsquote zu erhöhen sowie den Opfern durch ordentliche Beweissicherung mehrfache Aussagen zu ersparen.
Viertens: bundesgesetzliche Einführung und Finanzierung von kleinstrukturierten sozialpädagogischen beziehungsweise psychiatrischen Wohngemeinschaften für Zwölf- bis 14-Jährige mit Ausgangsbeschränkungen als Ultima
Ratio, in denen eine 24-Stunden-Betreuung zur Verfügung steht, und zwar außerhalb des strafrechtlichen Systems.
Im zweiten Teil geht es für uns um vernünftige Konzepte für die Zukunft. Eine Maßnahme: sofortige Verbesserung von Qualität und finanzieller Ausstattung der Kinder- und Jugendhilfe, um Interventionen in prekäre Familienverhältnisse zu ermöglichen und Eltern von gewaltbereiten Jugendlichen stärker in die Pflicht zu nehmen.
Weiters geht es um den Ausbau von Resozialisierungsprogrammen für junge Straftäter, den Ausbau und die Finanzierung der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Entwicklung von Diversionsprogrammen unter Wahrung der Menschenrechtsnormen, um mit jugendlichen Straftätern umzugehen, ohne ein Strafverfahren einzuleiten.
Weiters geht es um die Wiedereinrichtung des Jugendgerichtshofes beziehungsweise von Jugendkompetenzzentren auf Ebene der Landesgerichte.
Es geht weiters um die Einrichtung eines permanenten Krisenstabes unter Einbeziehung von Expert:innen der Kinder- und Jugendhilfe, von Polizei und Justiz, Opferschutzeinrichtungen und der sozialen Jugendarbeit; um die Etablierung eines engmaschigen Betreuungsnetzes und Fallkonferenzen unter Einbeziehung von Polizei, Kinder- und Jugendhilfe, Opferschutzeinrichtungen und allfälliger weiterer relevanter Player.
Es geht uns um die Pflichtausbildung und Sensibilisierung in Sachen Kinder- und Jugendschutz für alle betroffenen Berufsgruppen sowie mit entsprechenden Ressourcen ausgestattete Kinderschutzteams in allen pädagogischen Einrichtungen.
Es geht um den Ausbau digitaler Grundbildung beziehungsweise der Medienkompetenz und Maßnahmen gegen Gewalt und sexualisierte Gewalt im Internet.
Es geht weiters um Maßnahmen für mehr Fachpersonal, beispielsweise bei den Sozialarbeiter:innen, in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, bei Psycholog:innen, in der Sozialpädagogik und so weiter.
Es geht um eine österreichweite massive Aufstockung und faire Verteilung der Studienplätze in den Fächern Soziale Arbeit und Sozialpädagogik – wir hatten das Thema heute schon –, einen Schwerpunktausbau im Fachbereich Schulsozialarbeit und die Öffnung des Arbeitsfeldes für Quereinsteiger:innen.
Es geht um die Zurverfügungstellung und bundesweite Finanzierung des Auf- und Ausbaus multiprofessioneller Teams inklusive Schulpsycholog:innen für jeden Schulstandort, analog dem Schulärzt:innensystem, um Schüler:innen regelmäßig betreuen zu können und präventiv tätig zu werden.
Es geht weiters um den Ausbau der Burschenarbeit in Bildungseinrichtungen und in der aufsuchenden Sozialarbeit, um die Einrichtung und finanzielle Ausstattung von Fair-Play-Teams in allen Bezirken unter Berücksichtigung besonderer Formate für Burschen mit Migrationshintergrund.
Es geht auch um ein flächendeckendes Angebot der gewaltpräventiven Zusammenarbeit von Polizei und Sozialarbeit mit allen Bildungseinrichtungen sowie um regelmäßige Schwerpunktaktionen mit Fokus Jugendbanden.
Es gibt viel zu tun, es gibt viele Ansätze. Wir müssen es nur wollen und tatsächlich tun. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
18.07
Präsidentin Margit Göll: Der von den Bundesräten Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „jugendliche Straftäter: Gewalt verhindern und Opfer wirksam schützen – Täterkarrieren stoppen!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Kittl. – Bitte.
18.07
Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen! Zuallererst zum irreführenden Titel der Dringlichen: Ich glaube, wir wissen alle ganz genau, dass Justizministerin Alma Zadić in den letzten vier Jahren extrem viel erreicht hat. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Spanring: Da klatscht jetzt nicht einmal die ÖVP!)
Das betrifft nämlich auch Dinge, die schon lange bekannt sind und liegen geblieben sind. Verzeihen Sie mir, werte Kollegin Gruber-Pruner von der SPÖ, dass ich jetzt nicht genau auf Ihren Entschließungsantrag eingehe, aber diese Dinge sind nicht erst seit den schrecklichen Taten bekannt (Bundesrätin Schumann: Na geh, heast! Ihr habts den Jugendgerichtshof nimmer eingeführt! Na geh, auf die SPÖ hinhauen jetzt, das ist ja wohl das - -, als Allererstes ...! Bravo ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner), und ich frage mich schon, warum Sie das nicht in Ihrer Regierungsverantwortung umgesetzt haben.
In diesen vier Jahren wurden genau diese Dinge, die liegen geblieben sind, umgesetzt. Es gibt mehr Geld für die Justiz und für die Sicherung der Unabhängigkeit der Justiz und – wir haben es heute schon gehört und ich finde das auch total wichtig, es zu hören – viele neue Maßnahmen, auch im Bereich des Gewaltschutzes. Zum Beispiel wird es die von Ihnen geforderten Gewaltambulanzen ab April geben, um eine bessere Beweissicherung von Gewalteinwirkungen zu haben, um die Verfahren zu verbessern, zu mehr Verurteilungen und damit auch zu mehr Prävention zu kommen. Auch die psychosoziale Begleitung steht Opfern von Gewalt schon ab der Anzeige zu.
Bei der Dringlichen Anfrage wurde diese Baustellenmetapher verwendet, und ich finde sie eigentlich ganz gut, denn die Regierung baut, kann man sagen, permanent an einem guten, sicheren und lebenswerten Österreich. Um auch wieder bei dem Titel zu bleiben: „auf allen Ebenen“ wurden gerade bei der
letzten Sitzung wichtige Maßnahmen umgesetzt – etwa auch die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, ein großer, großer Erfolg.
Natürlich kann aber innerhalb einer Gesetzgebungsperiode nicht alles schon fertig gebaut sein, genauso wie sich Bedürfnisse auf Neuregelung oder Adaptierung aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen auftun. Es wäre meines Erachtens naiv und auch illusorisch, wenn Sie glauben, es muss schon alles passiert sein und am besten gestern. Nein, in der Verwaltung und auch in der Gesetzgebung muss permanent gearbeitet, adaptiert, neu konstruiert und gebaut werden, und das macht eine gute Regierung und eine gute Ministerin aus. Genau im Justizministerium passiert überlegte und nachhaltige Arbeit für dieses Land – auf vielen verschiedenen Ebenen und auch in den in der Dringlichen angesprochenen Bereichen.
Wieder einmal strotzt diese Dringliche Anfrage der FPÖ allerdings vor populistischer Sprache, demagogischer Argumentation, falscher Instrumentalisierung von Straftaten und fehlender Verantwortungsübernahme. Neiddebatten werden geschürt; über angebliche Luxusmenüs und zu teure Krankenbehandlung von Insassen wird gelästert. Das ist die ewiggestrige Konstruktion des guten Wir und der schlechten anderen, als wären es nicht genauso österreichische Jugendliche und Männer, die sexualisierte Gewalt gegen Frauen ausüben und, ja, auch töten. Diese Gewalt gegen Frauen und leider auch schon Mädchen ist ein globales Phänomen, und sie findet überall auf der Welt statt (Bundesrat Spanring: ... gleichen Maßen, in den gleichen Maßen, echt jetzt?!): in den eigenen vier Wänden, im Internet, auf Social Media oder auf furchtbare Weise im Krieg. Es gibt nicht nur die guten Österreicher und die bösen Ausländer. (Bundesrat Spanring: Das sagt keiner, das sagt keiner! Um die müssen wir uns selber kümmern!) Es ist und bleibt ein globales, ein strukturelles und ein patriarchales System. (Bundesrat Spanring: Das Problem ist: Die anderen, die halst ihr uns auf!)
Zu Ihren Abschiebephantasien, werte SPÖ (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ): Wir halten uns an Asylgesetze und auch an die Menschenrechte, die – wenn auch
immer im eingeschränkten Maß – auch für Straftäter:innen gelten. – FPÖ! Habe ich SPÖ gesagt? (Bundesrat Himmer: Es gibt so viele mit ö! – Heiterkeit der Bundesräte Spanring und Leinfellner.) Das tut mir sehr leid! FPÖ. (Bundesrätin Schumann: ... das ist ein Freud’scher ...!) – Nein, das ist kein Freud’scher. Wir halten uns an die Menschenrechte für Straftäter:innen, wenn auch eingeschränkt; und wir schieben nicht in Länder ab, in denen die Todesstrafe verhängt wird (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler) oder unmenschliche Haftbedingungen herrschen. (Bundesrat Spanring: Genau, aber bei uns ..., das ist in Ordnung?! – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Doppler. – Bundesrat Leinfellner: Was ist mit den Menschenrechten von den Opfern?)
Zuzustimmen ist allerdings insofern: Eine bessere internationale und europaweite Zusammenarbeit bei der Strafvollstreckung ist natürlich anzustreben, und – wir haben es von der Frau Justizministerin gehört – daran wird intensiv gearbeitet.
Zur strafrechtlichen Sanktionierung von unmündigen Minderjährigen: Wenn Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr – das sind eben unmündige Minderjährige – schwere Straftaten begehen, gilt es natürlich als Erstes, den Opfern bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen. Was aber mit den jungen Täter:innen passiert, ist die zweite wichtige Frage; und sie wegzusperren ist der einfache, aber nicht der sinnvolle Weg, um zur Resozialisierung zu kommen – Kollegin Gruber-Pruner hat das auch schon gesagt. Bei den jungen Tätern und Täterinnen – meistens leider Tätern – muss vielmehr bei den Ursachen angesetzt werden und es muss mit den Kindern gearbeitet werden. Das setzt dort an, wo es nachhaltig ist: in der Familie, der Erziehung, der Betrachtung der Situation des Kindes, der Auseinandersetzung mit den jungen Tätern und Täterinnen und ihrem Umfeld.
In Österreich ist dafür die kompetente und zuständige Stelle die Kinder- und Jugendhilfe. Ihre Sozialarbeiter:innen (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), die, wie heute schon meine Kolleginnen Jagl und Gruber-Pruner sagten, eine wertvolle und wichtige Rolle für diese Kinder spielen, begleiten diese Kinder,
machen pädagogische Trainings mit ihnen; und im extremsten Fall können die Kinder auch in jugendpsychiatrischen Einrichtungen untergebracht werden.
Der wichtige Punkt aber ist – und auch das hat die Frau Ministerin schon betont –: Die Kinder- und Jugendhilfe ist Ländersache. Wir wissen: Drei Bundesländer werden von der FPÖ mitregiert, und auch dort ist die Kinder- und Jugendhilfe allzu oft unterbesetzt und unterfinanziert. Hätte sie genügend Ressourcen, finanzielle Mittel und Personal, würde in der Prävention von Gewalt und fortgesetztem kriminellen Verhalten von Kindern am meisten weitergehen; aber sie sind eben nicht genügend ausgestattet, auch nicht in den von Ihnen, liebe Kollegen von der FPÖ, regierten Ländern. (Bundesrat Schennach: Ah, jetzt ...!) Übernehmen Sie selbst Verantwortung, anstatt sie immer auf andere abzuwälzen! (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Leinfellner: Aber strafrechtlich sind wir schon kompetenter!)
Schauen Sie sich auch die Modelle an, bevor Sie auf sie verweisen! Ja, das Schweizer Modell ist gut, aber es ist genau deswegen gut, weil es eine Vielzahl an therapeutischen, sozialpädagogischen Maßnahmen kennt. Das ist aber eben Sozialarbeit, und das gehört nicht, wie ihr Antrag verlangt, ins Strafrecht, vor allem bei Kindern.
Nun komme ich noch zur angesprochenen Justizanstalt Simmering, die auch einen Jugendvollzug beherbergen soll. Die Frau Ministerin hat schon detailliert dazu ausgeführt, dass dieser Einzug in einem seit zwei Jahren laufenden Prozess organsiert wird. (Bundesrat Spanring: Drum weiß niemand was, das stimmt nicht!) Dabei sind natürlich alle wichtigen Stakeholder:innen (Bundesrat Spanring: Das stimmt nicht!) eingebunden, auch der Leiter der Justizanstalt Simmering, dessen Expertise natürlich auch wichtig ist. (Bundesrat Spanring: Ja, genau, ich hab mit ihm geredet vor zwei Wochen!) Ja, Veränderungen – vor allem so große Veränderungen – sind schwierig, und es sind herausfordernde Probleme zu lösen. Genau deswegen ist es aber wichtig, sich da konstruktiv einzubringen und berechtigte Interessen der Bediensteten in der Justizwache ernst zu nehmen. (Ruf bei der FPÖ: Unfassbar!)
Es ist klar, dass es allen, und vor allem der Justizministerin, wichtig ist, dass ein guter Übergang stattfindet und der Jugendvollzug von Tag eins an für alle – die Bediensteten, die Insassen und die Jugendlichen – gut läuft, genauso wie es wichtig ist, um- und weitsichtig in ihrem Ressort für die österreichische Justiz zu arbeiten.
Zu guter Letzt: Wenn Sie, Kollegen und Kolleginnen von der FPÖ, hier zu Recht durch diese Dringliche Anfrage die Kontrolle der Verwaltung verlangen, verlangen Sie das bitte auch von Ihren Leuten! Bringen Sie sie dazu, in den U-Ausschuss zu kommen! Es ist demokratiepolitisch höchst bedenklich, dass dort kaum jemand von Ihnen erscheint, um sich Fragen der Abgeordneten zu stellen, und wenn, dann keine inhaltlichen Antworten gibt. Das ist meines Erachtens demokratiepolitisches Versagen auf allen Ebenen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Leinfellner: Sag einmal, träumst du?!)
18.17
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte.
Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur auf einzelne Aspekte eingehen, die in der Dringlichen Anfrage behandelt wurden, also nicht auf die Personalvertretungsangelegenheiten der Justizwache, sondern auf die Sachen, die bundespolitisch und in der Gesetzgebung relevant sind – und zwar strafbare Handlungen von Jugendlichen und das Thema der Strafmündigkeit.
Sogar der Bundeskanzler ist auf die Diskussion über eine Senkung des Strafalters eingestiegen. Das ist natürlich ein Ablenkungsmanöver und ich möchte insbesondere die ÖVP darauf aufmerksam machen, dass es im Nationalrat vor wenigen Jahren eine Entschließung gegeben hat, die von den Regierungsparteien eingebracht wurde und dementsprechend auch angenommen worden ist. Diese
hat sich dafür ausgesprochen, dass Österreich gegen niedrige Strafalter, insbesondere in außereuropäischen Ländern, eintreten soll. Das heißt, es ist auch die Position von ÖVP und Grünen, dass das Strafalter nicht zu niedrig sein soll.
Zu diesem Ablenkungsmanöver mit dem Verweis auf das Schweizer Modell mit niedrigem Strafalter: Wie schon meine Vorrednerin gesagt hat, heißt Strafalter nicht Haftstrafen. Es heißt in dem Fall auch nicht Geldstrafen. Das heißt zwar, dass es Sanktionen gibt, aber das sind zum Großteil sozialarbeiterische Sanktionen (Bundesrat Spanring: Ist in Ordnung!) und diese Sanktionen kann es natürlich auch hier in Österreich für Personen unter 14 Jahren geben, die nicht strafmündig sind. Was das aber auf jeden Fall alles erfordert, sind Ressourcen, sind finanzielle Mittel, sind personelle Mittel. Dazu muss man sich natürlich committen, wobei es eine sehr große Umwegrentabilität gibt und man zukünftige Straftaten und auch Opfer verhindert.
Kollegin Gruber-Pruner hat einen Entschließungsantrag eingebracht, bei dem fast alles komplett unterstützenswert ist. Ich werde ihm auch zustimmen. (Bundesrätin Schumann: Danke!) Worauf sie auch besonders hingewiesen hat, ist das Thema der Kinder- und Jugendhilfe, die unterstützt werden muss. Gerade bei der Kinder- und Jugendhilfe ist aber 2019 ein großer Sündenfall passiert, nämlich die Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe, wobei ich natürlich sagen muss: Wer hat das ermöglicht? – Die SPÖ hat das mit ermöglicht. (Bundesrat Schennach: Ja, ja, wir wissen das selber!) Die Grünen waren damals nicht im Nationalrat, waren aber im Bundesrat dagegen, wir waren auch dagegen. (Bundesrätin Schumann: Bei der Dringlichen der FPÖ geht es meistens gegen die SPÖ! Das war die erste Aussage!) Das war ein großer Fehler, der müsste eigentlich rückgängig gemacht werden.
Man sieht heute, die Dachverbände der Kinder- und Jugendhilfe prangern an, was jetzt alles durch das Auseinanderlaufen passiert ist. Es gibt in den Leistungen hundertprozentige Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Sie haben Bundesländer wie Wien oder Oberösterreich angesprochen, in denen
es funktioniert, andere Bundesländer, in denen das nicht so funktioniert, wie man sich es wünschen würde.
Wenn es jetzt um Konsequenzen für Strafunmündige geht, die strafbare Handlungen verüben, die nicht im Bereich des Strafrechts sind, wären diese ja möglich, zum Beispiel eine Verpflichtung zu Antigewalttrainings, eine Verpflichtung zu sozialer Arbeit und insbesondere die Einbindung der Eltern. Die Kinder- und Jugendhilfe kennt in der Regel die Fälle und kann dann auch die passenden Maßnahmen verordnen. Was kann aber passieren, wenn die Eltern nicht mitarbeiten?
Wir haben ja ein ähnliches Thema. Da geht es zwar nicht um Straftaten, aber um Probleme in der Schule. Für den Fall, dass die Eltern nicht dabei mithelfen, dass sich am Verhalten der Kinder etwas ändert – zum Beispiel bei Gewalt in der Schule oder bei wiederholtem Schulschwänzen –, hat insbesondere unser Wiener Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat den Vorschlag gemacht, dass die Eltern gemeinsam mit dem Kind zu Elterngesprächen geladen werden und dass dann, wenn die Eltern diesen Ladungen zu den verpflichteten Gesprächen nicht Folge leisten, was in der Vergangenheit leider schon oft passiert ist, die Möglichkeit besteht, über die Eltern Verwaltungsstrafen zu verhängen, damit man auch die Eltern mehr in die Pflicht nimmt, bei der Erziehungsarbeit mitzuhelfen, was es ja im Wesentlichen ist, wenn es um Kinder und Jugendliche geht.
Es wäre eine Verschärfung gegenüber der bisherigen Lage, aber es ist eine Verschärfung, die sich nicht im Strafrecht abspielt, weil für Jugendliche das Strafrecht nicht das richtige Mittel ist. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
18.23
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klemens Kofler. – Bitte.
18.23
Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kollegen im Bundesrat! Liebe Freunde hier und zu Hause! Grüß Gott! Zu Beginn möchte ich gleich folgenden Antrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Klemens Kofler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umfassender und wirksamer Schutz gegen Kinderkriminalität“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz und die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine Senkung der Strafmündigkeit und Deliktsfähigkeit auf 12 Jahre beinhaltet. Dabei soll die Bundesregierung sich an den gesetzlichen Regelungen und Maßnahmen zum Schutz der Kinder in den Niederlanden, in Ungarn, Irland, England, Wales, Nordirland, Griechenland und insbesondere in der Schweiz orientieren.“
*****
Österreich war immer ein sicheres Land, und man kann nur in einem sicheren Land zufrieden und glücklich leben. Die Ereignisse der letzten Monate, Vergewaltigungen und Morde, zwingen uns aber, zu reagieren. Das ist auch keine Anlassgesetzgebung. Ich würde umgekehrt sagen: Wer jetzt nicht reagiert, ist fahrlässig. Das wird von uns verlangt. (Beifall bei der FPÖ.)
Besonders tragisch ist auch die ewige Täter-Opfer-Umkehr. Da werden so komische Fragen in den Raum gestellt: Warum war das Mädchen um diese Uhrzeit überhaupt noch auf der Straße? Wie lange war denn der Rock von dem Mädel? Sie war ja auch nicht gekennzeichnet, sie trug ja kein Kopftuch – das
ist jetzt die neue Sache, die daherkommt. – Nein, schuld ist immer der Täter und nur der Täter! (Beifall bei der FPÖ.)
Frau Kollegin Gitschthaler, ich hoffe, dass ich dich falsch verstanden habe, aber du wirst doch wohl nicht allen Ernstes den Eltern die Schuld geben, wenn ein Kind vergewaltigt wird oder tot am Boden liegt. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein, das habe ich nicht gesagt!) Das solltest du vielleicht noch besser formulieren. (Beifall bei der FPÖ.)
Man muss auch einmal das Tabuthema Zuwanderung ansprechen. Natürlich wissen wir alle, die hier sitzen, dass das etwas mit der Zuwanderung zu tun hat. Wenn wir wirklich Lösungen finden wollen, dann werden wir eben auch die Ursachen finden müssen. Wenn Jugendliche aus Ländern zu uns kommen, in denen jahrzehntelang schon brutaler Krieg herrscht, ist es ja klar, dass sie zu Gewalt natürlich einen ganz anderen Bezug haben. Wenn Jugendliche aus einer Gesellschaft kommen, in der Frauen immer schon verachtet worden sind, dann werden sie eben die Frauen und Mädchen bei uns auch verachten. Das ist eben so, und da muss man dagegen wirken.
Präventive Maßnahmen werden nur schwer greifen und schwer ansetzbar sein, weil die Jugendlichen ja zum größten Teil gar nicht bei uns aufgewachsen sind. Wie will man auf Jugendliche einwirken, die gar nicht bei uns aufgewachsen sind, und wie will man auf Jugendliche einwirken, die ja in ihrer eigenen Gesellschaft sind? Die sind ja zum Teil gar nicht Teil unserer Gesellschaft, weil sie es ja zum Teil gar nicht wollen. Wir können die Täter nur schwer erreichen.
Betroffen von der Gewaltorgie der letzten Zeit sind aber auch Zuwanderer. Es sind ja Zuwanderer genauso geschädigt worden, Zuwanderer, die nach Österreich gekommen sind, um genau diese Gewalt nicht mehr erleben zu müssen. (Beifall bei der FPÖ.)
Es gibt ja auch sehr viele erfolgreiche Zuwanderer (in Richtung Bundesministerin Zadić), wenn ich Ihnen das so sagen darf.
Wir in Österreich wollen aber ein freies Österreich haben und wir werden kontrollieren, wer zu uns kommt, und wir werden auch sagen, wer das Land wieder verlassen muss. Wer nämlich unsere Gastfreundschaft missbraucht, wird das Land verlassen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)
Maßnahmen wie die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters sind nur ein Teil. Das heißt natürlich nicht, dass sie dann in Stein sitzen, aber man muss eben das Strafmündigkeitsalter herabsetzen, um überhaupt irgendetwas tun zu können.
Die Kontrolle der Zuwanderung ist unbedingt notwendig. Es würde auch noch die Möglichkeit der Trackinggeräte geben. Das ist in Spanien recht positiv getestet worden, dort sind tatsächlich Vergewaltigungen und Morde verhindert worden. Das muss man sich anschauen.
Wir müssen bestimmen, wer zu uns kommt, und wir werden auch bestimmen, wer wieder gehen muss. Österreich war immer ein freies Land, wir sind ein hochentwickeltes Land, wir haben ein tolles Schulsystem, wir können sicher in dem Land leben und glücklich sein. Das ist ein sehr hohes Gut, und dieses hohe Gut müssen wir mit allem verteidigen, was wir haben. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
18.28
Präsidentin Margit Göll: Der von den Bundesräten Klemens Kofler, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Umfassender und wirksamer Schutz gegen Kinderkriminalität“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Harald Himmer. – Bitte.
Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zuschauer vor den Bildschirmen und wo sie sonst noch sind! Es ist naheliegend, dass wir über die Justiz in Österreich diskutieren. Das ist ja auch ein sehr, sehr wichtiger
Bereich. Auch wenn in der Debatte immer wieder vorgekommen ist, dass es da und dort an Budgetmitteln mangelt, ist es ja doch so, dass wir beträchtliche Budgetmittel in unser Justizsystem investieren. Viele Milliarden pro Jahr werden in das Justizsystem investiert.
Ein Stichwort, das heute auch immer wieder oder zumindest da und dort gekommen ist, halte ich für ganz wesentlich, nämlich dass das Ziel die Prävention sein muss. Das Bestrafen ist ein wichtiger Punkt, aber die Bestrafung soll ja eigentlich immer dazu führen, dass – in welchen Bereichen auch immer – präventiv etwas passiert, ob das jetzt beispielsweise Gewaltdelikte oder Drogendelikte sind. Ich finde, auch wenn es um die Wirtschaftskriminalität geht, geht es in erster Linie doch immer darum, dass ich frage: Wie kommen wir bei diesen Themen von den Problemen weg? Wie können wir die Dinge verbessern?
Ich möchte nur auf einiges, was in der Debatte vorkam, ganz kurz Bezug nehmen. Kollegen Spanring würde ich ja gerne da und dort recht geben (Bundesrat Schennach: Was denn?) – ich mache das ja auch –, aber es ist schon bemerkenswert, dass keine Ausführung ohne eine große Verschwörungstheorie über ÖVP-Netzwerke, Schlangengruben und Sonstiges möglich ist. (Bundesrätin Schumann: Was jetzt? Wo ist der ...?) Ich habe eigentlich aus deinem Munde in der nahezu einstündigen Rede nicht wirklich konkrete Beispiele gehört, was diese bösen Schwarzen aufgeführt haben. Ich habe nur gehört, dass, wenn einer von der ÖVP ist, per se ja schon alles gesagt ist. Dann muss man eigentlich nicht mehr weiterreden, denn wenn der Beamte von der ÖVP ist, ist für Kollegen Spanring damit alles gesagt und jede weitere Analyse sinnlos. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Doppler: Genau! – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.) – Du kannst eh gerne in deiner Welt bleiben, ich will dich von dort gar nicht wegholen.
Kollege Leinfellner, es ist auch so, dass ich es mittlerweile gar nicht ungern höre, wenn du das mit dem Volkskanzler Kickl sagst, weil ich dann weiß, dass du mit deiner Rede fertig bist. Immer dann, wenn Kollege Leinfellner Volkskanzler Kickl sagt, denke ich mir: Hurra, jetzt ist er fertig! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)
Wo ich aber finde, dass Kollege Leinfellner inhaltlich recht hat, wo ich meine, dass man es sich nicht so leicht machen soll, ist, wenn es um das Thema Strafmündigkeit geht, zu sagen, wie es von der Frau Minister gekommen ist: Okay, da gibt es Libyen, Kuwait, den Jemen et cetera. Es gibt eben auch andere Beispiele von nicht so fernen Ländern und von Ländern, die demokratischen Entwicklungen nicht so fern stehen wie die angeführten Beispiele. Das finde ich ehrlich gesagt auch ein Stück weit schade, dass dann mit solchen Nebelgranaten diese Diskussionen auch immer beendet werden sollen. Es ist ja auch bei der Presseaussendung jetzt wieder dieses Beispiel mit dem Jemen, Kuwait und so weiter gekommen, aber wir wollen nicht der Jemen oder Kuwait werden.
Der nächste Punkt ist die Thematik mit der Anlassgesetzgebung. Dazu will ich schon sagen: Jede Partei hat dieses Wort schon strapaziert, dass irgendetwas Anlassgesetzgebung ist, wenn es von jemand anderem eingebracht wird. Im Endeffekt ist es aber natürlich immer so, dass es unterschiedliche Entwicklungen gibt, auf die es eine Antwort geben muss. Insofern haben natürlich auch die meisten Gesetze irgendeinen Anlass.
Ich tue mir ein bisschen schwer, wenn hier von Kindern und Jugendschutz gesprochen wird, wenn es sich bei den dazugehörenden Verbrechen, von denen wir sprechen, um Mord oder um Vergewaltigung handelt. Ich frage mich persönlich schon: Ein klassisches Kind begeht keine Vergewaltigung, und ein Mensch, der schon in der Lage ist, einen Mord zu begehen, ist ein Stück weit der Kindheit entwachsen. (Bundesrätin Hahn: Was ist ein klassisches Kind? – Bundesrat Schreuder: Das wollte ich auch gerade fragen!) Das glaube ich schon.
Damit sind wir dann wieder bei der Thematik, die ich eingangs angesprochen habe, bei der wir uns, glaube ich, eigentlich am meisten treffen, nämlich dass es am Ende des Tages um die Prävention geht. Wenn es um die Prävention geht, darum, Morde zu verhindern, wenn es um die Prävention geht, Delikte wie Vergewaltigungen zu verhindern, dann darf es auch keine Denkverbote geben, was die Frage von Strafmündigkeit und anderen Faktoren betrifft. (Beifall bei der
ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Das ist jetzt ein Schwadronieren! Das war eine inhaltsleere Rede!)
18.35
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte.
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Ich habe die letzten Sätze des Kollegen Himmer noch im Ohr, er hat in Richtung der Frau Bundesministerin von Nebelgranaten gesprochen. Lieber Freund, heute sind einige Nebelgranaten hier herumgeflogen. (Zwischenruf des Bundesrates Himmer.) – Warte einmal!
Ich kann zumindest Frau Eder-Gitschthaler heute ein Dokument geben (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Schön!), denn wir sitzen beide im Europarat, und im Europarat habe ich diese Resolution verfasst, die die gesamte kinderfreundliche Jugendgerichtsbarkeit betrifft. Ich kann also auch zu den unterschiedlichen Altersstufen der Strafmündigkeit in Europa sehr viel sagen.
Ich glaube, jemand von der FPÖ hat gesagt: Ja, aber die Schweiz! Die Schweiz hat zwar formal ein niedriges Alter, nimmt aber kein einziges Kind unter 15 in Haft – das ist schon einmal eine ganz andere Voraussetzung –, und über 15 versucht die Schweiz ebenfalls, jegliche Form der Haft zu verhindern.
Zweitens: Das durchschnittliche Alter ist in Europa zwischen 14 und 15. Als Berichterstatter zu diesem Thema musste ich natürlich auch in jene zwei Länder fahren, die auffällig sind, negativ auffällig sind: Das ist Irland und das ist das Vereinigte Königreich. Hier hat auch jemand vorhin gesagt: Ui, Schottland – acht Jahre! – Schottland verändert das gerade auf zwölf, will aber ebenfalls unter 15 Jahren nicht – so wie im Rest von Großbritannien – in Haft nehmen. Das heißt, wir sind in einer ganz, ganz intensiven Diskussion in Europa. Wir sind in einer ganz klaren Diskussion, dass Strafmündigkeit etwas Besonderes ist.
Da muss ich schon sagen, lieber Harry Himmer, deine Partei in Tateinheit mit dem Dringlichen-Anfrage-Steller hat etwas zerstört, was die erste provisorische Versammlung der Ersten Republik eingerichtet hat, nämlich den Jugendgerichtshof. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Genau!)
Diesen Jugendgerichtshof, der dann 1929 in der Rüdengasse eingerichtet wurde, findest du in Tokio, findest du auf der ganzen Welt als das Beispiel, das eine Chance im Bereich der Jugendgerichtsbarkeit bietet – selbst jetzt noch.
Vielleicht können sich manche von Ihnen erinnern, dass Georgien einen Premierminister Saakaschwili hatte. Herr Saakaschwili hat Tausende eingesperrt. (Bundesrat Schreuder: Jetzt sitzt er selber!) – Jetzt sitzt er selber, aber zu Recht. Dann hat der Georgian Dream gewonnen, und die haben nachgedacht: Was tun wir denn mit all den Jugendlichen? Dann ist passiert, Frau Bundesministerin, dass Georgien sich an das österreichische Justizministerium gewandt und gesagt hat: Helft uns, ein Jugendgericht und ein Jugendgesetz zu entwickeln! Heute hat Georgien das, hat die Gefängnisse geleert.
Ich bin sieben Jahre für Aserbaidschan zuständig gewesen und habe zum Präsidenten – oder Diktator, wie auch immer – gesagt: Eure Jugendlichen müssen raus aus den Gefängnissen! Das ist die dümmste Methode überhaupt!
Dann habe ich gesagt: Wenn ihr nicht wollt, dass euch Westeuropa da auf dem Weg leitet, dann geht nach Georgien. – Das haben sie dann gemacht und haben die Humanisierung vorangetrieben. Insofern hat Georgien, so wie das Justizministerium Georgien geholfen hat, dann dem nächsten Land geholfen. Ich denke, es gibt manchmal auch sehr, sehr positive Dinge.
Wenn ich jetzt überlege: Von 1929 bis 2003 war die gesamte Jugendgerichtsbarkeit in der Rüdengasse. Ich selber war 35 Jahre lang ehrenamtlich Bewährungshelfer, also für das Justizministerium respektive für Neustart tätig. Der Jugendgerichtshof war schon etwas Besonderes: erstens die Unterbringung, zweitens die Ausbildung, drittens das Personal. Alle waren pädagogisch und
psychologisch geschult. Das ist etwas, was derzeit bitter fehlt. (Beifall bei der SPÖ.)
Es gibt eine kleine Unterbrechung dieser Zeit von 1929 bis 2003: Es gab noch jemanden, der den Jugendgerichtshof ausgeschaltet hat, das waren 1939 die Nazis. (Bundesrat Himmer: Das ist jetzt aber ein blöder Vergleich! Wer anderer macht solche Vergleiche?) – Na selbstverständlich sollte man, muss man das der Vollständigkeit halber erwähnen.
Trotz allem, was wir heute betreffend diese Kriminalität gehört haben – ich möchte noch einmal auf all die Sätze verweisen, die Kollegin Gruber-Pruner über die Schrecken dieser Verbrechen und die Situation der Opfer gesagt hat, und das kann ich nur aus vollem Herzen unterstreichen –, müssen wir uns überlegen, wie wir mit Kindern und Jugendlichen, die Straftaten begehen, umgehen. Das heißt, es muss Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen geben. – Das ist das eine.
Es ist schwierig, ein Gleichgewicht zu finden: Was ist im besten Interesse des Kindes und was ist der Schutz der Gesellschaft? Da wird es niemals gehen, dass wir das Schutzalter von 14 unterschreiten. Im Gegenteil, liebe Frau Kollegin Eder-Gitschthaler, hier in diesem Dokument (ein Schriftstück in die Höhe haltend) – das übrigens auch deine Fraktion angenommen hat; das ist einstimmig angenommen worden (Zwischenruf des Bundesrates Spanring) – steht, dass wir in Europa das Schutzalter im Mindestbereich erhöhen sollen, sukzessive erhöhen und nicht senken.
Das ist die Tatsache, dazu haben sich eigentlich die verschiedenen Fraktionen und die verschiedenen Mitgliedstaaten committet. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Man kann über alles diskutieren!) – Nein, über das, was Nehammer sagt, kann man nicht diskutieren. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Sagst du!) Nehammer sagt eindeutig: Senkung des Mindestalters. – Da gibt es eine rote Linie, das kann man nicht diskutieren. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir können über Opferschutz diskutieren; wir können über begleitende Sozialarbeit an den Schulen diskutieren; wir können über die Kinder- und Jugendhilfe und deren Maßnahmen und Möglichkeiten diskutieren – ja, Kollege Arlamovsky, auch wir haben in der Geschichte einen Fehler gemacht; die Verländerung war nicht das Gelbe vom Ei –; wir können aber auch über die Maßnahmen der Kinder- und Jugendpsychiatrie diskutieren; wir können über Diversion diskutieren; wir können über das Vermeiden von Mobbing an den Schulen diskutieren; wir können über aufsuchende Familienhilfe diskutieren.
Ich kann Ihnen nur sagen, in 35 Jahren habe ich als Bewährungshelfer in so viele Familien hineingeschaut, das waren nicht immer nur Ausländer, liebe Kollegen von der FPÖ, das waren auch ganz normale Familien. Ich weiß nicht, irgendjemand – ich glaube, Herr Himmer – hat gesagt, man muss die Eltern bestrafen. Ich habe einen Burschen gehabt, einen Neonazi, der nicht in die Schule gegangen ist, Bomben gebastelt hat, die Mutter war Hausmeisterin und hat Monat für Monat eine finanzielle Strafe bekommen. Das nützt genau gar nichts.
Man muss andere Wege gehen. Frau Kittl, weil du mich so intensiv anschaust (Bundesrätin Kittl nickt): Die Stadt Wien macht da ganz Hervorragendes. Sie bringt genau solche gestrauchelten Jugendlichen – Klammer auf: solange sie nicht Neonazis sind, Klammer zu – im Wienerwald unter und hilft ihnen, eine Schulausbildung zu absolvieren, damit sie nachher die Chance auf eine Lehrlingsausbildung haben. Das sind alles Maßnahmen, über die wir gerne diskutieren können, liebe Frau Kollegin Eder-Gitschthaler. Dass wir aber Kinder – und alle unter 14 sind Kinder – verurteilen, dass wir über eine Herabsetzung des Alters diskutieren, das widerspricht allem. (Beifall bei der SPÖ.)
Jetzt will ich gar nicht so sehr auf vieles, was vorhin gesagt wurde, eingehen, aber doch auf Herrn Kollegen Leinfellner mit seinem Wegbringen, Wegschieben. Ich weiß nicht: Könnt ihr euch noch daran erinnern, dass das Innenministerium und das Justizministerium in FPÖ-Hand waren? (Zwischenruf des Bundesrates
Leinfellner.) Warum ist nicht das alles, was ihr hier rabaukenartig fordert, passiert? (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) – Weil es nicht geht. Weil es nicht geht.
Ich kann mich noch erinnern: Der Tagträumer Böhmdorfer, Justizminister, hat uns auch hier im Bundesrat immer erzählt, er lässt in Rumänien Gefängnisse bauen. (Bundesrätin Schumann: Genau!) – Danke, es wurde soeben bestätigt. Es gibt kein einziges Bett in Rumänien, aber die österreichische Öffentlichkeit wurde jahrelang mit diesem Idiotieprojekt gehänselt. Jetzt hoffe ich, lieber Vorsitz, dass ich nicht zu schwierige Worte gesagt habe. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Moment, Moment! Wir haben ja offensichtlich Wahlkampf im Bereich der Justizwache. Dazu vielleicht ein, zwei Sätze – ich kenne mich ja in den Gefängnissen a) in Europa und b) auch in Österreich relativ gut aus. (Bundesrat Spanring: Schon mal probegesessen? – Heiterkeit des Bundesrates Schreuder.) – Mein Lieber, du lachst da so komisch. In Aserbaidschan habe ich in sieben Jahren über 3 000 Leute aus den Gefängnissen geholt. Das ist alles andere als komisch. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich habe auch die großartige Aufgabe gehabt, die Schließung von Gefängnissen, wie das Gefängnis Nummer 13 in Chişinău in Moldawien, zu verkünden, weil die Bank des Europarates den Neubau des Gefängnisses macht. Ich war vor Kurzem im Frauengefängnis in Tirana. Dort sind alle Frauen wegen einer ausweglosen Situation in Haft: aufgrund der Ermordung ihrer Ehemänner. Ja, wenn die Frau in der Familie statusmäßig nach dem Hund kommt, dann passiert etwas, was sehr bedauerlich ist.
Ich kenne mich aber auch in Österreich gut aus und deshalb habe ich Kollegen Spanring während seiner Rede auch das eine Wort zugerufen. Die Josefstadt ist überfüllt. Mit dem Ende der Rüdengasse, also des Jugendgerichtshofs, hat man versprochen – zumindest haben es die FPÖ und auch die ÖVP versprochen,
beide Zerstörer einer wichtigen Einrichtung –, dass die Jugendlichen in Gefängnisse kommen, wo sie mit Erwachsenen nicht mehr in Kontakt kommen.
Was ihr macht, ist: Ihr bildet die jungen Leute in Richtung lupenreine kriminelle Karrieren aus. Das ist die Tatsache! Kollege Spanring, gehe doch einmal durch die Josefstadt – du kannst das; ich kann das übrigens auch –, und schau dir einmal an, wer in den Gängen liegt! Das sind nicht die Alten, das sind leider auch viele Junge. Die kommen dort in Kontakt mit den ausgefuchsten Verbrechern, und so etwas hat der Jugendgerichtshof, den ihr miteinander zerstört habt, verhindert. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Ist inhaltlich falsch!)
Das Projekt der Frau Justizministerin, Gerasdorf nach Simmering zu verlegen, dass die blaue Tür von Simmering künftig der Zugang zu einem Jugendgefängnis wird, halte ich für gut, für richtig.
Wir dürfen eines nicht vergessen: Wir haben einen Strafvollzug und wir haben einen Maßnahmenvollzug. Der Maßnahmenvollzug ist, wie wir ja wissen, eines der Sorgenkinder der Frau Ministerin.
Zum Strafvollzug lassen Sie mich noch ein letztes Wort sagen. Ich habe ja zwei Identitäten, räumliche oder geografische, ich habe es draußen gerade vorhin diskutiert. Ich weiß, die Justizministerin kann es nicht ändern, aber das Gefälle zwischen dem Westen und dem Osten betreffend die Neigung, Menschen einzusperren, ist dramatisch. Während man in Vorarlberg, in Innsbruck und sogar in Salzburg versucht, Alternativen für die Haft zu finden, ist hier im Osten der Weisheit letzter Schluss: einsperren, einsperren, einsperren. – Das kann es nicht sein!
Kollege Himmer, du schaust so. Es ist so! (Bundesrat Himmer: Bei den Mördern hätte ich es gern!) Selbst die Frau Justizministerin kann dir das ganz unabhängig bestätigen, dass wir betreffend Justizanstalten, Einsperren, Untersuchungshaft ein unglaubliches Gefälle vom Westen in den Osten haben.
Ich danke allen und ich hoffe sehr, dass letztlich tatsächlich die Vernunft und die Sorge über dem Populismus stehen, dass wir bei jenen Taten, die Opfer nach sich ziehen, den Opferschutz ausbauen, dass wir die Kinder aber weiterhin entsprechend kindgerecht oder jugendgerecht betreuen, behandeln und heilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
18.52
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann. – Bitte.
Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Für das Versagen der gesamten Bundesregierung, aber insbesondere der grünen Justizministerin gibt es leider beinahe schon täglich Belege in den Medien: Gewalttaten, Raubüberfälle, Vergewaltigungen und sogar Morde. All das steht auf der Tagesordnung.
Dabei ist es auffallend, dass der Anteil von Ausländern bei den Straftätern laut Daten der Statistik Austria stetig steigt. Aktuell sind rund 20 Prozent der Personen, die in Österreich leben, keine Österreicher. In Gefängnissen ist die Verteilung eine andere. Nichtösterreicher sind in den Gefängnissen sogar schon deutlich in der Mehrheit. Was die neueste Statistik verschweigt, das ist der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund. Gerade im Hinblick auf das Thema Kinder- und Jugendkriminalität wäre das ein ganz interessanter Wert. Vermutlich passt dieser Wert aber nicht in die politische Agenda von Schwarz und Grün. (Beifall bei der FPÖ.)
Das Schlechteste aus beiden Welten: die Grünen, die die Realität verweigern und so tun, als hätten wir überhaupt kein Problem, und die ÖVP, die meint, dass sie das Problem schon dreimal gelöst hat, so wie sie heute noch glaubt, dass sie die Balkanroute geschlossen hat (Beifall bei der FPÖ), über die aber viele der heutigen Gewalttäter unter ihrer Verantwortung in unser Land gekommen sind.
Viele der grausamen Beispiele von Gewaltverbrechen der letzten Tage und Wochen haben daher einen gemeinsamen Nenner: Die Täter sind junge, männliche Ausländer. In Kärnten hat sich nun der nächste grausame Einzelfall ereignet, eine Elfjährige soll von einem 14-jährigen Ukrainer gefesselt und vergewaltigt worden sein, ein Dreizehnjähriger soll die brutale Tat gefilmt haben. Jemand, der in Österreich Schutz sucht und dann hier derart brutale Gewalttaten begeht, der hat bei uns einfach nichts verloren. (Beifall bei der FPÖ.)
Statt sofort in ihr Herkunftsland zurückgeführt zu werden, können sich Straftäter immer noch darauf verlassen, trotz einer solchen unvorstellbaren Gewalttat schon bald wieder auf freiem Fuß zu sein. Wenn die Gewalttäter immer jünger werden, muss auch die Strafmündigkeit gesenkt werden. Frauen und Mädchen müssen sich endlich wieder sicher fühlen können.
Nehmen wir das grausame Beispiel der Gruppenvergewaltigung eines zwölfjährigen Mädchens! Über 17 Personen im Alter von 13 bis 18 Jahren sollen das Kind über Monate hinweg missbraucht haben. Die mutmaßlichen Täter sind teils selbst noch Kinder, also zumindest, wenn man dem populären Geburtsdatum 1.1. glaubt, wobei das Jahr ja oftmals nicht ganz mit der Statur zusammenpasst.
Die „Kronen-Zeitung“ hat in ihrer Ausgabe vom 1. März 2024 eine treffende Formulierung für die Vorgangsweise der Täter mit großteils türkischem, aber auch bulgarischem Migrationshintergrund gefunden. Zitat: „Dann offenbart sich ein verstörend islamisches Steinzeit-Frauenbild voller Verachtung.“
Das Resultat: Alle 17 Verdächtigen wurden auf freiem Fuß angezeigt und aufgrund ihres jungen Alters haben einige nicht einmal die geringste Strafe zu befürchten, obwohl sie bereits das Leben eines jungen Mädchens zerstört haben. Das ist der Ausdruck des grünen Versagens, Frau Justizministerin.
Ein 14-jähriges Mädchen stirbt in Wien, nachdem es unter Drogen gesetzt und vergewaltigt wurde, gefunden wird es in der Wohnung eines fast doppelt so alten Afghanen. Wenige Tage später gibt es die nächste Nachricht zu einer
Schocktat in Bischofshofen, wo laut Medienberichten zwei Mädchen ebenfalls von bis zu neun jungen Migranten im Alter von 15 bis 18 Jahren vergewaltigt wurden. Auch diese jungen Täter können sich auf die Kuscheljustiz verlassen und auch sie wurden auf freiem Fuß angezeigt.
In diesem Zusammenhang will ich noch einen ganz anderen Aspekt ansprechen, denn die Gewalt, die im schlimmsten Fall in einer Vergewaltigung oder einem Mord endet, beginnt ja vielfach in den eigenen vier Wänden. Der bekannte Kriminalist Dr. Ernst Geiger kommentierte in einem kürzlich erschienenen Interview eine Studie, wonach es ein Drittel der Männer in Deutschland okay findet, wenn gegenüber der eigenen Partnerin gelegentlich die Hand ausrutscht, wie folgt: „Es ist eher ein Spiegelbild der Zuwanderung und der daraus folgenden gesellschaftlichen Entwicklung, die sich ziemlich von unserem Weltbild entkoppelt hat. Man merkt es ja selbst, wenn man im öffentlichen Raum unterwegs ist.“
Dieser importierten Gewalt gegen Frauen und Mädchen muss endlich entschlossen entgegengetreten werden. (Beifall bei der FPÖ.) Nicht zuletzt deshalb fordern wir Freiheitliche schon seit geraumer Zeit die Absenkung des Alters für die Strafmündigkeit sowie der Deliktsfähigkeit. Es braucht auch eine deutliche und schon längst fällige Entlastung unserer Justizwachebeamten in den Haftanstalten, um den beinahe täglichen Vergewaltigungen und Morden Herr zu werden, wenn die Täter dann verurteilt werden.
Es braucht auch sinnvolle Anordnungen für unsere Justizwachebeamten und nicht Lockerungen in die völlig falsche Richtung. 29 Fluchtversuche von Insassen, 21 verletzte Justizwachebeamte: Wie lange wollen Sie unsere Justizwachen noch in einem unverdient schlechten Licht dastehen lassen, Frau Minister? Übernehmen Sie endlich Verantwortung! (Beifall bei der FPÖ.)
In diesem Sinne stellen wir folgenden Entschließungsantrag:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Mag. Isabella Theuermann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verantwortung der Justizministerin für die erschreckend hohe Zahl der Fluchtversuche von Häftlingen und durch die Flüchtenden verletzte Justizwachebeamte“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgendes beinhaltet:
- eine Entlastung der Justizwachebeamten,
- eine sofortige Rücknahme der im Jänner 2024 gelockerten Sicherheitsanordnung, bei der die Fesselung der Hände hinter dem Rücken aufgehoben wurde,
- eine Neuordnung der Krankenhausbehandlung von Häftlingen.“
*****
Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
19.00
Präsidentin Margit Göll: Der von den Bundesräten Mag. Isabella Theuermann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Verantwortung der Justizministerin für die erschreckend hohe Zahl der Fluchtversuche von Häftlingen und durch die Flüchtenden verletzte Justizwachebeamte“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.
19.01
Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! War es früher hauptsächlich die häusliche Gewalt, unter der Frauen litten, so gibt es seit Jahren eine neue Form der Gewalt, nämlich die der importierten Gewalt. Diese zusätzliche massive Gefahr für unsere Frauen, unsere Kinder ist den Systemparteien Schwarz, Rot und Grün geschuldet.
Jetzt werden die sogenannten Willkommensklatscher gleich wieder aufschreien, wenn ich die Personen und deren Namen zitiere, die beschuldigt werden, wie Herr Jörg Völkerling am 9.3.2024 in der „Bild“-Zeitung in seinem Bericht über das zwölfjährige Mädchen schrieb, welches eine Gruppenvergewaltigung in Wien ertragen musste. Für die erwähnten Abdul, Leutrim, Mustafa, Ahmad, Shaban, Jakub, Sahin, Emir, Ege, Omar, Harun und Paridon gilt natürlich die Unschuldsvermutung, bis das Gegenteil erwiesen ist. Das sind nur ein paar wenige Namen der Täter – für diejenigen, welche gegen die Behauptung sind, es gebe importiere Gewalt.
Bei Betrachtung der Asylstatistiken für unser Land frage ich mich, wie Sie, Frau Minister, diese hochexplosive Gefahr für unsere Frauen, unsere Kinder noch mit Ihrer Politik in den Griff bekommen wollen. Sie und Ihre Vorgänger haben mitverschuldet, von 2015 bis 2022 offiziell mehr als 200 000 Männern und über 90 000 unbegleiteten Minderjährigen, großteils natürlich auch männlich, Asyl zu gewähren, Männern, welche unsere Sprache nicht verstehen, welche vollkommen von einem anderen Gesellschafts- und Frauenbild geprägt sind, welche eine weitaus niedrigere Hemmschwelle, wie wir schon gehört haben, auch bei Gewalt zeigen und deren Glaube über dem Recht steht.
Im Jahr 2023 ließen Sie trotz aller bisher gemeldeten Gewalttaten von asylberechtigten jungen Männern weitere 45 000 Männer, davon 5 000 unbegleitete minderjährige Burschen, in unser Land herein. Der Hauptanteil all
dieser Männer, von denen die meisten Vorfälle in den letzten Jahren bekannt sind, kommt aus den Ländern Afghanistan, Syrien, Marokko, Pakistan, dem Irak und Somalia.
Es vergeht kaum eine Woche, bald kaum ein Tag ohne ein Gewaltverbrechen, dessen Täter ausländischer Herkunft sind. Die Gewaltverbrechen speziell im Ballungsraum Wien, wo die höchste Dichte an Migranten nachzuweisen ist, werden immer mehr und zeigen auf, wie verroht der Zugang zu Frauen und Mädchen ist. Fünf Femizide an einem einzigen Tag – drei der Frauen fielen einem Asylwerber aus Afghanistan zum Opfer – und die Gruppenvergewaltigung der Zwölfjährigen durch 17 minderjährige junge Männer sind der traurige Höhepunkt einer völlig verfehlten Asylpolitik der EU-hörigen Systemparteien. (Beifall bei der FPÖ.)
Die Zeiten haben sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Vermieden unsere Frauen früher, sich abends allein im öffentlichen Raum aufzuhalten beziehungsweise nach Hause zu gehen, so stellt nun selbst der hellste Tag keine Sicherheit mehr dar. Mieden die Frauen früher einsame Plätze und Gassen, so sind sie nun im öffentlichen Raum vor diesen gewalttätigen Männern auch nicht mehr sicher.
Die Bilder der Tausenden Männer, die 2015 und 2016 in Massen mit Unterstützung der Willkommensklatscher von SPÖ, Grünen, aber auch der ÖVP illegal in unser Land eingedrungen sind, lösten bei der österreichischen Bevölkerung, aber auch bei uns Freiheitlichen Besorgnis aus. Alle unsere Prognosen dadurch entstehender Probleme haben sich bestätigt. Hat man früher aber nur beiläufig in den Berichterstattungen von Vorfällen gehört – es wurde von vereinzelten Übergriffen berichtet; meist wurden diese auch bewusst von den Systemmedien unter den Teppich gekehrt –, so wurden es im Laufe der letzten Jahre immer mehr und immer brutalere Gewalttaten, und die Medien können diese derzeit auch nicht mehr vertuschen.
Zur nochmaligen Wiederholung: Es war die damalige Bundesregierung unter Rot-Schwarz, welche unter dem Deckmantel der Solidarität den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung zu verantworten hatte. Schon damals warnten wir Freiheitliche vor all diesen Gefahren. (Beifall bei der FPÖ.)
So viele junge Männer aus einem völlig anderen Kulturkreis, der bekannt dafür ist, Frauen gegenüber wertmindernd zu sein, bei uns aufzunehmen, kann nicht gut gehen. Das ist fahrlässig. (Beifall bei der FPÖ.)
Nicht nur die österreichische Bundesregierung beschwichtigt aber die Ängste und Sorgen, sondern auch in unserem Nachbarland, in Deutschland, zog man nach acht Jahren, im Jänner 2024, ebenfalls die gleiche traurige Bilanz: 7 000 sexuelle Übergriffe von Flüchtlingen seit 2015: 7 000 Frauen wurden offiziell Opfer einer völlig ungebremsten und unkontrollierten Migration.
Bei uns in Österreich zeichnet sich für unsere Frauen und unsere Kinder dasselbe Schicksal ab, denn auch diese Tausenden jungen Männer, welche Sie von ÖVP, SPÖ und Grünen in unser Land eingeladen haben, haben Bedürfnisse. Ich meine jetzt nicht die Bedürfnisse, zu essen, sich zu kleiden und so weiter. Nein, diese jungen Männer haben besonders auch sexuelle Bedürfnisse.
Haben Sie sich schon einmal gefragt oder gehen Sie der Frage nach, Sie Willkommensklatscher, was passiert, wenn dieses Bedürfnis der Tausenden Männer nicht befriedigt wird? – Ich kann es Ihnen verraten: Es passiert genau das, was wir derzeit erleben. Sie missachten die Freiheitsrechte und Grundrechte unserer Frauen, Kinder, Töchter und Enkelkinder. Sie nehmen sich einfach unsere Frauen und unsere Kinder. (Bundesrätin Schumann: Also das ist jetzt schon über alle Maßen!)
Wenn Sie jetzt wahrscheinlich wieder mit Ihrer Menschenrechtsmasche der armen Geflüchteten kommen: Wo sind die Menschenrechte unserer Frauen und unserer Kinder? (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Wo ist jetzt die ÖVP, die aufsteht? Das frage ich mich! Wo ist sie jetzt?)
Nun ein paar Beispiele: Im April 2016 wurde eine türkische Austauschstudentin in einer öffentlichen Toilette am Praterstern von drei afghanischen jungen Männern überfallen. Sie schlugen ihren Kopf mehrfach gegen die WC-Muschel, würgten sie und vergewaltigten sie brutal. Sie überlebte das Martyrium, wird jedoch ihr Leben lang an den seelischen Folgen leiden. Das Studium musste sie abbrechen.
Dass diese verrohten Männer auch vor unseren Kindern nicht Halt machen, zeigt der Fall eines 20-jährigen Irakers, der ebenso 2016 über die Balkanroute, die angeblich geschlossen wurde, nach Österreich gekommen ist und im Theresienbad in Wien einen zehnjährigen Buben am WC vergewaltigte. Wortwörtlich sagte dieser bei seiner Einvernahme, er habe einen sexuellen Notstand gehabt und sei seinen Gelüsten nachgegangen. Er habe es nicht mehr ausgehalten, keinen Sex zu haben, weil er eine ausgeprägte überschüssige sexuelle Energie gehabt habe.
Die sexuelle Energie dieser Männer kennt aber keine Grenzen. Ein 23-Jähriger verging sich, wie wir heute schon gehört haben, an einer 93-jährigen Dame im Pensionistenheim. Auch dieser ebenfalls schon vorbestrafte Täter lief weiterhin frei in Linz herum.
Ginge es nach uns Freiheitlichen, wäre der Asylstatus bei kriminellen Handlungen sofort verwirkt (Beifall bei der FPÖ), die Täter wären sofort in Untersuchungshaft und zur Abschiebung freigegeben.
Auch ist es ein Hohn, dass die meisten Straftäter einen Staranwalt für ihre Verteidigung zur Seite bekommen, der, wie man hört, von so mancher NGO bezahlt wird. (Bundesrätin Schumann: Das ist die Verschwörungstheorie!)
Seit Jahrzehnten sind Sie in den schwarzen Ministerien dafür zuständig. Die Justiz ist derzeit ja in grüner Hand, und somit stehen die Täter mehr unter Schutz als ihre Opfer.
Auch wurde von Minister Karner verlautbart, dass Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan nicht möglich waren. Genau diese Tätergruppe ist aber die größte.
Jetzt sage ich: In meiner Heimatgemeinde, in Poysdorf, haben wir auch Syrer und so weiter. Die fahren heim auf Urlaub. Also kann es ja dort nicht so schlecht sein. (Bundesrätin Schumann: Die ÖVP ist mit sowas in drei Ländern in Koalition!)
Oder: Aus Walterskirchen, einem Sprengel der Gemeinde, fährt eine ukrainische Mutter, die hierher geflüchtet ist, einmal im Monat nach Hause, damit sie sich ihre Brüste und ihren Hintern aufspritzen lässt. Also so schlecht kann es in der Ukraine nicht sein. (Bundesrätin Schumann: Unglaublich ist das! Unpackbar! – Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Na, das ist ja ...! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.) – Das ist nachgewiesen. (Beifall bei der FPÖ.) Ja, so schaut’s aus.
Zur Erinnerung: Eine 54-jährige Wienerin, die sogenannte Frau Maria – es ist eh in allen Medien gewesen –, ist in den frühen Morgenstunden völlig aus dem Nichts heraus aus ihrem Leben gerissen worden. Opfer und Täter kannten einander nicht. Ein in Österreich illegal lebender Kenianer hat sie damals mit einer zehn Kilo schweren und einen Meter langen Eisenstange erschlagen. Sie hatte aber den Rat, den die damalige Frauenministerin Raab gehabt hat, befolgt: Sie ist auf die andere Straßenseite gegangen. Da hat es ja so gescheite Ideen wie eine Handlänge Abstand und so weiter gegeben, aber das hat ihr auch nicht geholfen.
Die Sonderkommission, die unter dem damaligen ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter eingesetzt wurde, äußerte auch die Kritik, diese Tat hätte vermieden werden können. Der Kenianer war amtsbekannt, schließlich lief er auch schon mehrere Male mit einer Axt auf der Straße herum. Er hatte auch vorher schon zwei Frauen mit einer Eisenstange geschlagen, aber diese haben es glücklicherweise überlebt.
Anstatt aber solche gewaltbereiten Männer sofort zu verhaften und in der Folge abzuschieben, lässt man sie heute wie damals immer noch frei herumlaufen. Es
muss halt immer erst etwas noch Schlimmeres passieren, damit diese hinter Gitter kommen.
Acht Jahre sind seit diesem Verbrechen vergangen, und dies war ja der Beginn der sogenannten wiederkehrenden Einzelfälle.
Zum Beispiel vor drei Wochen: Der Täter war ein afghanischer Asylwerber. Bei diesem Fall bezeugt der vorhergehende Besuch einer Moschee und seine Aussage, im Koran stehe, er solle den Dschihad betreiben, dass diese Tat ein religiös motiviertes Motiv hatte. Zudem habe er Stimmen gehört. Der Anwalt bezeichnete seinen Klienten als eine „zerbrochene Seele“, als jemanden, der bedauernswert krank sei. Weiters: Das Messer sei durch Magie und Zauberei geführt worden. „Er lebt in einer Fabelwelt.“ Selbst im Krankenhaus ist dieser gewalttätige Mann voller Aggression anscheinend nicht zu bändigen gewesen. Er hat dort auch noch die Ärztin attackiert.
Der traurige neue Trend bei den jungen minderjährigen Asylberechtigten sind die Gruppenvergewaltigungen. Der Fall Leonie war 2021 einer der ersten. Die Willkommensklatscher haben aber ihre Meinung nach dem Begräbnis, nach Abschluss des Falles nicht geändert und wieder keine Handlungen gesetzt, um in der Zeit nach 2021 und in Zukunft Rahmenbedingungen und Maßnahmen zu setzen, um unsere Frauen und Kinder zu schützen.
Da immer mehr junge Jugendliche, Minderjährige mit Asylhintergrund sich in unserem Land strafbar machen, begehrt die FPÖ die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters auf zwölf Jahre, wie wir es heute beantragt haben.
Ich sage auch immer wieder, Herr Schennach, wenn es um die „rote Linie“ geht: Für uns Freiheitliche ist die rote Linie nicht, dass man das Schutzalter auf zwölf Jahre hinuntersetzt, sondern die Gewalt an unseren Frauen und unseren Kindern ist für uns eine rote Linie. (Beifall bei der FPÖ.)
Frau Minister – vielleicht haben wir das falsch verstanden; wir haben uns das jetzt extra herausgesucht –, Sie haben von einer Erhöhung des Budgets um
„50 Prozent“ gesprochen. – Also wir haben nachgeschaut. Im Budget hat es eine Steigerung um 11,5 Prozent und keine um 50 Prozent gegeben. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Zadić.) – Nein, es steht da (Redeunterlagen in die Höhe haltend): 11,5 Prozent. Das haben wir extra aus einem Dokument des Budgetdienstes herausgelesen. Es ist aber eh wurscht. (Bundesministerin Zadić: Die ganze Legislaturperiode!) – Ja, gut, okay, wenn Sie meinen, ja. (Bundesrat Schreuder: Ja, gut, okay! Passt! – Bundesrätin Schumann: Ja, würde ich auch sagen! – Bundesrat Schreuder: Ich glaube, es reicht! Ja, genau: Es reicht eh!)
Ich fordere Sie, weil die Zeit jetzt eh schon fortgeschritten ist, als stolzer Familienvater, als stolzer Großvater in Ihrer Verantwortung – Sie sind ja Mutter, und es ist ja schön, wenn man eine Familie hat (Bundesrätin Schumann: Jetzt wird es noch persönlich!) – auf: Nutzen Sie die letzten Monate Ihrer Ministertätigkeit zum Wohle unserer Bevölkerung! Ändern Sie die bisherige Vorgangsweise! Schauen Sie, dass Sie zum Schutz unserer Kinder und unserer Frauen noch etwas zum Positiven verändern können, oder machen Sie Platz für Neuwahlen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
Präsidentin Margit Göll: Ich darf noch einmal Frau Staatssekretärin Mag. Susanne Kraus-Winkler hier bei uns begrüßen. (Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Erschwernisgrund: Missbrauch des Gastrechts“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „jugendliche Straftäter: Gewalt verhindern und Opfer wirksam schützen – Täterkarrieren stoppen!“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Klemens Kofler, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Umfassender und wirksamer Schutz gegen Kinderkriminalität“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Isabella Theuermann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Verantwortung der Justizministerin für die erschreckend hohe Zahl der Fluchtversuche von Häftlingen und durch die Flüchtenden verletzte Justizwachebeamte“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.
Präsidentin Margit Göll: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf.
Wir setzen die Verhandlungen über den Tagesordnungspunkt betreffend Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch und andere fort.
Zu Wort kommt Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Bitte. (Bundesrat Schreuder: Was bisher geschah! Ich kann mich nicht mehr erinnern! – Heiterkeit bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Huber – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Nein, ich fange nicht noch einmal an!)
Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark) (fortsetzend): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen und liebe Zusehende! Glücklicherweise bin ich ja jetzt eigentlich schon beim Tagesordnungspunkt 17, zu dem ich auch noch ganz kurz Stellung nehmen möchte. Es geht um das Thema Kinderreha, ein sehr, sehr wichtiges Thema. Durch die Kinderrehabilitation können Kinder mit Entwicklungsverzögerungen, Behinderungen, chronischen Krankheiten oder nach Unfällen unterstützt werden, um ihre funktionelle Unabhängigkeit zu verbessern und dadurch auch ihre Lebensqualität zu steigern.
Eine entscheidende Rolle im Genesungsprozess der Kinder spielt sicher die Anwesenheit der Eltern oder naher Bezugspersonen während der Dauer der Reha. Ihre Liebe, ihre Unterstützung und Präsenz sind in dieser Zeit von unschätzbarem Wert. Die Eltern erlernen ja auch in der Reha wichtige Fähigkeiten und Handgriffe, um ihre Kinder später im Alltag daheim gut unterstützen zu können.
Da ist im letzten Jahr ein sehr, sehr wichtiger Meilenstein gelungen, eine jahrelange Forderung konnte endlich umgesetzt werden. Seit 1. November 2023 besteht die Möglichkeit, Kinder bis zu vier Wochen unter Bezug von Pflegegeld bei der Reha zu begleiten, und – was dabei sehr wesentlich ist – das mit einem echten Rechtsanspruch und verbunden mit einem Kündigungs- und Entlassungsverbot.
Das ist eine massive Entlastung für alle Betroffenen, das ist eine massive Verbesserung, wie man sieht, wenn man bedenkt, dass eine stationäre Kinderreha im Schnitt drei bis vier Wochen dauert. Das heißt, die Eltern mussten in der Vergangenheit einen Großteil ihres Jahresurlaubs verbrauchen, um ihr Kind in der Reha begleiten und unterstützen zu können.
Heute beschließen wir noch einen wichtigen Lückenschluss bei dieser Pflegefreistellung und Pflegekarenz für die Kinderreha: Mit dieser vorliegenden Novelle sind jetzt auch Einrichtungen erfasst, die keinen Vertrag mit der Sozialversicherung haben.
Warum ist das so wichtig? – Es gibt in Österreich eine kleine Anzahl sehr, sehr spezialisierter Rehaeinrichtungen für Kinder, die keinen Vertrag mit der Sozialversicherung haben, und das darf einfach kein Ausschlussgrund sein.
Jedes Kind in Österreich sollte die bestmögliche Förderung und Unterstützung erhalten, jedes Kind verdient die Chance, sein volles Potenzial entfalten zu können. Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass wir auch diesen Beschluss heute, wie ich hoffe, einstimmig hier im Bundesrat fassen werden. Vielen Dank dafür. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Noch ein Satz sei mir zum Entschließungsantrag der SPÖ, den Kollegin Gruber-Pruner einbringen wird, erlaubt: Das ist auch uns ein Anliegen. Beim Bezug von Wochengeld gibt es da ein Problem, und ich kann dir auch sagen: Es wird schon sehr, sehr intensiv daran gearbeitet, dass es da künftig eine Lösung geben wird. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
19.20
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. – Bitte.
Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Ein letztes Mal für heute: Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Kolleginnen und
Kollegen! Werte Zuseher:innen! Es ist schon alles gesagt, darum kann ich es relativ kurz machen: Im Bereich der Familienhospiz gehen wir natürlich sehr, sehr gerne mit. Maria Huber hat das weitestgehend ausgeführt. Es ist ganz klar, da dürfen keine Hürden aufgebaut werden. Familien mit dieser Belastung müssen bestmöglich begleitet und unterstützt werden. Da sind wir dabei.
Ich freue mich darüber, dass das andere Anliegen, das ich mitgebracht habe, nämlich die Abschaffung dieser Wochengeldfalle, offenbar schon im Werden ist. Darum können wir das heute guten Gewissens beschließen und sozusagen auf den Weg bringen.
In aller Kürze, damit man weiß, worüber wir hier abstimmen, noch einmal: Worum geht es in diesem Entschließungsantrag? – Es geht um Familien, die bereits ein Baby haben und ihr zweites Kind bekommen, noch während die Mutter mit dem ersten Kind in Karenz ist. Im Moment ist es so, dass die Frauen in dieser Zeit keinen Anspruch auf das Wochengeld haben, wenn sie kein Kinderbetreuungsgeld beziehen, und darüber hinaus noch die Gutschrift auf dem Pensionskonto verlieren.
Beides ist europarechtswidrig, wie auch der Oberste Gerichtshof 2022 bestätigt hat. Darum ist es gut und richtig, wenn das schnell repariert wird. Darum bringe ich folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wochengeldfalle“
Der Bundesrat möge beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die europarechtswidrige Wochengeldfalle umgehend allumfassend zu reparieren und sicherzustellen, dass Frauen auch in der oben angeführten Konstellation keine Verluste erleiden.“
*****
Ich würde mich über breite Zustimmung freuen, damit das bald erledigt ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
19.22
Präsidentin Margit Göll: Der von den Bundesräten Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Wochengeldfalle“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Sascha Obrecht. – Bitte.
Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Einmal melde ich mich noch; ich verspreche, ich mache es nicht lang. Es gab ja auch sachliche Kritik. Ich weiß, jetzt, nach über 3 Stunden, ist es etwas schwierig, den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten, aber auf ein paar Sachen muss man noch Bezug nehmen, einfach weil sie so nicht stehen gelassen werden können.
Frau Kollegin Huber! Sie haben kritisiert, dass dauernd von Strafen geredet wird, und Sie als Unternehmerin können das nicht nachvollziehen. – Mag sein. Es gibt unterschiedliche Perspektiven auf unterschiedliche Themen, das verstehe ich. Der Punkt ist nur: Nicht ich rede von diesen Strafen, sondern die Richtlinie redet von diesen Strafen; und der österreichische Gesetzgeber hat nicht nur die Möglichkeit, diese Strafen umzusetzen, sondern er hat die Verpflichtung, diese Strafen umzusetzen.
Artikel 19 der Richtlinie lautet nämlich – und ich mach es ganz kurz –: „Die Mitgliedstaaten legen Regeln für Sanktionen fest, die bei Verstößen gegen
nationale Rechtsvorschriften, welche gemäß dieser Richtlinie erlassen wurden, oder gegen bereits geltende einschlägige Vorschriften zu Rechten, die unter diese Richtlinie fallen, anwendbar sind. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, angemessen und abschreckend sein.“
Das ist die Vorgabe, die müssen wir umsetzen.
Insofern darf ich auch noch kurz auf Kollegin Eder replizieren. – Sie haben gesagt, dieser Gesetzesbeschluss vom Nationalrat, so wie er daliegt, schafft mehr Flexibilität, schafft ein Recht auf Mehrfachbeschäftigung. – Das stimmt, aber die Frage ist: Was ist, wenn es der Arbeitgeber vereitelt? – Wir müssen wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen vorsehen. Die gibt es nicht, die sind nicht drinnen.
Sie haben gesagt, dieser Gesetzesbeschluss schafft mehr Weiterbildung, Arbeitgeber müssen die Kosten tragen. – Was ist, wenn der Arbeitgeber die Kosten für die Weiterbildung nicht trägt? – Nichts. Die Sanktionen sind wieder nicht vorgesehen.
Es gibt einen Gesetzesvorschlag für Sanktionen bei bestimmten Sachverhalten. Diese Sanktionen sind wirksam und sind drinnen. Das finde ich auch gut. Es gibt auch viele Punkte drinnen, die ordnungsgemäß umgesetzt wurden; nur das fehlt.
Insofern würde ich auch noch gerne Ihre beiden Beispiele aufgreifen. Sie haben von der Susi geredet, die neben ihrem Hauptjob noch einen Nebenjob hat, um über die Runden zu kommen, und ohne plausible Erklärung gekündigt wird. – Was ist, wenn der Arbeitgeber jetzt keine Erklärung liefert? Sie haben recht, er muss sie liefern, das steht drinnen, aber was ist, wenn er es nicht macht? – Nichts ist dann! (Bundesrätin Schumann: Genau!)
Der Arbeitnehmer kann dann klagen, aber es gibt keine wirksame, abschreckende, angemessene Sanktion. Der Arbeitgeber könnte ihr auch den Nebenjob verbieten, er könnte sagen: Du darfst nicht nebenbei arbeiten! (Ruf bei der ÖVP: Nein!) – Auch das darf er nicht, das steht da auch drin, aber es gibt wiederum
keine Sanktion, wenn er das tut. Deswegen ist das mangelhaft umgesetzt. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder.)
Der Elektriker Georg, den Sie auch als Beispiel gebracht haben, will seine Schaltberechtigungsprüfung absolvieren, um im Starkstrombereich arbeiten zu können, doch sein Arbeitgeber weigert sich, ihm das zu ermöglichen. – Sie haben recht, Georg hat ein Recht darauf, das zu machen, aber was ist, wenn der Arbeitgeber es ihm verbietet? – Wieder nichts. Deswegen ist das eine mangelhafte Umsetzung. (Bundesrätin Eder: Er kann’s nicht ändern!)
Insofern sind Susi und Georg leider nicht geschützt. Auch wenn man es noch so oft wiederholt, ist es eben nicht richtig.
Zusätzlich noch, weil Sie gemeint haben, dieser Gesetzesbeschluss schafft auch mehr Sicherheit, weil der Dienstzettel nunmehr unverzüglich nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgestellt werden muss: Ja, das ist ein kleiner Zaubertrick von mir. In § 2 Abs. 1 Avrag steht nämlich Folgendes:
„Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer unverzüglich nach Beginn des Arbeitsverhältnisses eine schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag [...] auszuhändigen.“ – Unverzüglich, das steht ja schon drin. Das ist nicht der Gesetzesbeschluss. (Bundesrätin Eder: Ja, aber ...!) Das macht er auch nicht. Insofern muss ich auch das zurückweisen. (Bundesrat Himmer – in Richtung Bundesrätin Eder –: Du, ich kann dich beruhigen!)
Ein letzter Punkt noch: Sie haben gemeint, die SPÖ stimmt nicht zu. (Bundesrat Himmer – in Richtung Bundesrätin Eder –: Es gibt immer unterschiedliche Interpretationen! Es ist immer alles relativ!) – Nein, ganz im Gegenteil: Wir wollen die Möglichkeit ergreifen, dass wir es dem Nationalrat zurückschicken, damit er das saniert, damit wir Österreich nicht der Gefahr eines Vertragsverletzungsverfahrens aussetzen. Da bitten wir um Zustimmung.
Der Einspruch wäre begründet und notwendig. Er wäre auch deshalb notwendig, um Österreich vor einem Schaden zu bewahren. Das wäre unsere Aufgabe und Verantwortung hier. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.
Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Heimarbeitsgesetz 1960 und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden.
Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates samt der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.
Ich ersuche nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Wochengeldfalle“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.
Die Tagesordnung ist erschöpft.
Präsidentin Margit Göll: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt neun Anfragen eingebracht wurden.
Eingelangt sind der Entschließungsantrag 408/A(E)-BR/2024 der Bundesräte Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Sozialbetrug und Scheinfirmen-Unwesen in Österreich – Schluss mit dem Tricksen, Tarnen und Täuschen von BMAW und BMSGPK“, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zugewiesen wird,
der Entschließungsantrag 409/A(E)-BR/2024 der Bundesräte Klemens Kofler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „2. österreichischer Männergesundheitsbericht“, der dem Gesundheitsausschuss zugewiesen wird, sowie
der Entschließungsantrag 410/A(E)-BR/2024 der Bundesräte Mag. Isabella Theuermann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einrichtung eines Primärversorgungszentrums in Wolfsberg (K)“, der dem Gesundheitsausschuss zugewiesen wird.
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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Freitag, 5. April 2023, 9 Uhr, in Aussicht genommen.
Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.
Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, 3. April 2024, 14 Uhr, vorgesehen.
Ich bitte nun die Mitglieder der Präsidiale, noch hier zu bleiben, wir haben jetzt noch eine Stehpräsidiale.
Die Sitzung ist geschlossen.
Schluss der Sitzung: 19.32 Uhr
Impressum: Parlamentsdirektion 1017 Wien
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