Parlamentskorrespondenz Nr. 478 vom 03.06.2025

Budgethearing: Expert:innen sehen weiteren Reformbedarf

Wien (PK) – Mit einem mehrstündigen Expert:innenhearing startete der Budgetausschuss des Nationalrats heute in die nächste Phase der Budgetberatungen. Fünf Expert:innen gaben ihre Einschätzungen zum Budgetentwurf für 2025 und 2026 sowie zu den Finanzrahmen für die nächsten Jahre ab. Christoph Badelt von der Wirtschaftsuniversität zufolge ist das Budget ein guter Anfang. Aber die Dynamik, dass Ausgaben und Einnahmen auseinandergehen, sei noch nicht durchbrochen. Auch Georg Feigl von der Arbeiterkammer Wien schrieb dem Doppelbudget gute Akzente zu, aber: "da geht noch mehr". In diesem Sinne sprach sich der Experte für höhere vermögensbezogene Steuern aus. Die Konsolidierungsmaßnahmen sind aus Sicht von Monika Köppl-Turyna vom EcoAustria – Institut für Wirtschaftsforschung der Ökonomin ein Schritt in die richtige Richtung, aber es brauche strukturelle Reformen – bei Pensionen, Verwaltung, Bildung, Gesundheit und im Föderalismus. Als Haupttreiber für die Defizitentwicklung nannte Köppl-Turyna die öffentlichen Pensionen.

Martin Gundinger vom Austrian Economics Center machte sich für die Einplanung von Sicherheitspuffern im Budget stark. Der Experte unterstrich ebenfalls den Reformbedarf. Hohes Einsparungspotential sah er in einer Senkung von Förderungen sowie einer "ernsthaften" Entbürokratisierung. Auch Margit Schratzenstaller-Altzinger vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) hält Strukturreformen für notwendig. Mehr Maßnahmen seien bei den Pensionen erforderlich, sagte sie und auch auf die Erfüllung der Klimaziele sollte geachtet werden. Im Zuge der Budgetkonsolidierung sei zudem ein Auge auf Verteilungsaspekte zu legen.

Doppelbudget 2025 und 2026: Hohe Schulden und Budgetkonsolidierung

Konkret sind im Bundesfinanzgesetz 2025 für heuer Einnahmen in der Höhe von 105,1 Mrd. € und Ausgaben in der Höhe von 123,2 Mrd. € veranschlagt (67 d.B. und 68 d.B.). Das entspricht einem administrativen Defizit des Bundes von 3,68 % des BIP bzw. 3,5 % berechnet nach den Maastricht-Kriterien. Gesamtstaatlich wird ein Minus von 4,5 % erwartet. Auch 2026 soll der Saldo deutlich negativ bleiben: Einnahmen des Bundes in der Höhe von 107,6 Mrd. € stehen Ausgaben von 125,9 Mrd. € gegenüber. Das gesamtstaatliche Defizit soll zwar leicht zurückgehen, wird mit prognostizierten 4,2 % aber immer noch über der Maastricht-Grenze von 3 % liegen. Erst 2028 soll dieser Grenzwert wieder erreicht werden. Den Bundesfinanzrahmen 2025 bis 2028 sowie Bundesfinanzrahmen 2026 bis 2029 zufolge steigt die Schuldenquote zwischen 2025 bis 2028 kontinuierlich von 84,7 % auf 87 %. 2029 soll sie dann erstmals wieder leicht – auf 86,9 % – zurückgehen (66 d.B.).

Die Beratungen über die Bundesfinanzgesetze 2025 und 2026 und über den Bundesfinanzrahmen 2025 bis 2028 sowie 2026 bis 2029 wurden im Budgetausschuss einstimmig vertagt und werden morgen im Budgetausschuss fortgesetzt. Morgen Mittwoch beginnen demnach die Ausschussverhandlungen zu den einzelnen Budgetkapiteln. Mehrere Tage lang diskutieren die Abgeordneten den Budgetentwurf mit den zuständigen Regierungsmitgliedern. Die Abstimmungen im Ausschuss sind für den 11. Juni vorgesehen. Ab 16. Juni beschäftigt sich das Plenum des Nationalrats für drei Tage mit dem Haushaltsentwurf. Der Beschluss des Doppelbudgets 2025/2026 wird am 18. Juni erwartet.

Badelt: Konsolidierung muss mittel- bis langfristig deutlich erweitert werden

Unter schwierigen ökonomischen Bedingungen sei in kurzer Zeit ein Doppelbudget erstellt worden, hielt Badelt eingangs fest. Die grundsätzliche Dynamik der Staatseinnahmen und Staatsausgaben bleibe durch das Konsolidierungspaket unverändert. Aus Badelts Sicht wird es noch mehrere Milliarden - wahrscheinlich rund 6 Mrd. € - weitere Konsolidierungsmaßnahmen brauchen, um den vom Finanzministerium angestrebten Budgetpfad tatsächlich zu erreichen. Dazu bedürfte es grundlegende Reformen, die innerhalb der kurzen Zeit der Budgeterstellung nicht umgesetzt werden konnten, wie Badelt sagte. Der Fiskalrat schätze die Lage sogar optimistischer ein, als das Finanzministerium, unterstrich der Experte. Kritisch äußerte sich Badelt zur Abschaffung des Klimabonus. Diese treffe untere Einkommensgruppen mehr.

Den angestrebten Budgetpfad in den Jahren 2025 und 2026 hielt Badelt für realistisch. Um die mittelfristigen Budgetziele zu erreichen, bedürfe es weiterer Maßnahmen, zeigte sich Badelt überzeugt. Zudem machte er auf künftigen Einsparungsbedarf aufmerksam. Nach Unterschreiten der 3 % der BIP-Defizitgrenze würden präventive Anforderungen in Kraft treten. Badelt führte aus, die Schuldenquote müsse dann um 0,5 % des BIP jährlich zurückgeführt werden. Demnach sei ab 2030 weitere Konsolidierung nötig. Das Doppelbudget sei ein wichtiger erster Schritt, die Konsolidierung müsse aber mittel- bis langfristig deutlich erweitert werden.

Badelt ging auch auf Bundesschatzanleihen ein. Gemeinden und Länder sollen künftig in Bundesschatz investieren können, wie gestern präsentiert wurde. Die Idee dahinter: Liquide Mittel, die öffentliche Einheiten bei Banken liegen haben, können in Bundesschätzen veranlagt werden. Dadurch könnte der Bund seine Verschuldung reduzieren, so die Prognose. Grundsätzlich positiv sah Badelt, wenn gesamtstaatliches Schuldenmanagement betrieben werde. Fraglich sei, wieviel Geld verlagert wird. Badelt konnte keine Nachteile erkennen - mit Ausnahme des pädagogischen Aspekts. "Es könnte der falsche Eindruck entstehen, dass wir nicht mehr sparen müssen." In Summe hielt er es für "mehr Mathematik als Ökonomie".

Feigl: Gute Akzente – aber "da geht noch mehr"

Eine gute Budgetpolitik verbessere die Lebensbedingungen der Menschen und trage dazu bei, dass wirtschaftspolitische Ziele erreicht werden, eröffnete Feigl sein Statement. Dafür brauche es Geld. In der aktuell schwierigen Lage würden die Mittel fehlen. Das Defizit würde ohne Konsolidierung auf 6 % der Wirtschaftsleistung ansteigen. In dieser Situation fehle guter Budgetpolitik die Grundlage. "Es gibt momentan keine gute Lösung für die Budgetpolitik", führte der Experte aus. Nun gehe es darum, "die weniger schlechte Lösung" zu finden. Als Maßstab seien die Budgetpläne vom Jänner heranziehen, die die letztlich gescheiterten Koalitionsverhandler:innen an die EU-Kommission übermittelt haben. Positive Akzente erkannte er im Start der Budgetsanierung, im Bildungsbereich und bei den beschäftigungspolitischen Akzenten. Feigl hob hervor, dass der Budgetpfad nicht überhastet werde.

Problematisch sah Feigl, dass bei der Budgetsanierung zu sehr auf Kürzungen und zu wenig auf höhere Einnahmen gesetzt werde. Ähnlich wie der Budgetdienst des Parlaments sei auch die Arbeiterkammer zum Ergebnis gekommen, dass die beiden unteren Einkommenszehntel zwar etwas weniger zur Konsolidierung beitragen, aber in Relation zum verfügbaren Einkommen mehr verlieren, so Feigl.

Positiv anerkannte Feigl den Chancenbonus. Schulen, deren Kinder schlechtere Startchancen haben, würden tatsächlich mehr Mittel erhalten. Auch das zweite Kindergartenjahr sei ein Fortschritt, das Familien mit wenig Einkommen besonders zugutekomme, unterstrich der Experte. "Da geht noch mehr", betonte Feigl im Hinblick auf höhere vermögensbezogene Steuern. "Wir haben derzeit noch einen der besten Sozialstaaten der Welt, das soll auch so bleiben", unterstrich Feigl.

Gundinger: Es gäbe genügend Möglichkeiten zu sparen

Martin Gundinger kritisierte den Umgang politischer Entscheidungsträger mit ökonomischen Prognosen. Es sei äußerst bedauerlich, wenn einerseits "die Unzuverlässigkeit vieler Prognosen beklagt wird", andererseits aber "erneut den Einschätzungen ebenjener Ökonomen und Institutionen gefolgt wird, die sich wiederholt als unzuverlässig erwiesen haben". In diesem Sinn forderte Gundinger ein Umdenken. Viele hätten weder die jüngste Inflationskrise noch die Verschlechterung der wirtschaftlichen Gesamtlage antizipiert. Beim Budget machte sich Gundinger für die Einplanung von Sicherheitspuffern stark. Er kritisierte politische Postenbesetzungen und politische Bevormundung. Besonders besorgniserregend sei die steigende Staatsverschuldung, die gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2024 bereits 81,8 % erreichte und bis 2026 auf 86,2 % ansteigen soll.

Auch Gundinger unterstrich den Reformbedarf. Echte Strukturreformen, die über marginale Anpassungen hinausgehen, würden fehlen. Eine "drastische Verringerung der Staatsaufgaben und Staatsausgaben" hielt er für notwendig. Zudem bedürfe es Steuererleichterungen. Hohes Einsparungspotential sah er in einer Senkung von Förderungen sowie einer "ernsthaften" Entbürokratisierung. Deregulierung und die Umstellung auf ein Sozialsystem, bei dem Auszahlungen in gewissem Maß auch mit Einzahlungen im Zusammenhang stehen. Gundinger zufolge gäbe es genügend Möglichkeiten zu sparen, "wenn man es ernst meint". Angesichts des Verharrens im "Klein-Klein" prognostizierte der Ökonom, dass die Budgetprobleme am Ende der Legislaturperiode größer sein werden als sie jetzt sind.

Köppl-Turyna: Öffentliche Pensionen als Haupttreiber für Defizitentwicklung

Die Konsolidierungsmaßnahmen sind aus Sicht der Ökonomin ein Schritt in die richtige Richtung. Förderkürzungen seien sinnvoll, sollten jedoch auf klaren Zielen basieren und deren Fortführung bzw. Abschaffung kontinuierlich evaluiert werden. Positiv bewertete Köppl-Turyna, dass der Bildungsbereich "weitgehend verschont" bleibe. Beim Chancenbonus komme es auf die Umsetzung an.

Als Haupttreiber für die Defizitentwicklung nannte Köppl-Turyna die öffentlichen Pensionen, denn allein die Überweisungen an die Pensionsversicherung würden um beinahe 3 Mrd. € in den nächsten beiden Jahren steigen. Für Bundesbeamt:innen in Ruhe betrage der Zuwachs in den zwei Jahren 1,2 Mrd. €. Die Schuldenquote steige und sei weit entfernt vom Maastricht-Ziel, kritisierte die Expertin. Dementsprechend nehme auch die Zinslast des Bundes weiterhin stark zu. Die Gehaltsabschlüsse für die Bundesbediensteten würden zu einem Anstieg der Personalausgaben führen, machte Köppl-Turyna aufmerksam.

Einige Maßnahmen, wie höhere Dividendenausschüttungen staatsnaher Unternehmen oder die Bankenabgabe, hätten nur einen kurzfristigen Effekt für die nächsten zwei Jahre, sagte sie. Auch die Erhöhung des Zugangsalters zur Korridorpension bringe langfristig kaum Entlastung – spätere Pensionsantritte führten zu höheren Pensionsansprüchen, argumentierte Köppl-Turyna.

Zu wenig Beachtung werde in dem Budget auf die demografiebedingten Ausgaben und strukturelle Reformen gelegt, so ein weiterer Befund von Köppl-Turyna. Die geplante Verschärfung bei der Korridorpension könne die Ausgaben kurzfristig reduzieren. Langfristig seien die Auswirkungen jedoch begrenzt, da ein späterer Antritt aufgrund der geringeren Abschläge mit einer höheren Pension verbunden ist, würden die finanziellen Effekte großteils kompensiert. Eine nachhaltige Sicherung des Pensionssystems sei laut Köppl-Turyna nur durch ein höheres gesetzliches Antrittsalter umzusetzen. Reformbedarf sah Köppl-Turyna im Gesundheitswesen.

Schratzenstaller-Altzinger: Strukturreformen notwendig

Die Budgetkonsolidierung sei unumgänglich und könne trotz gedämpfter wirtschaftlicher Aussichten nicht verschoben werden, fasste Schratzenstaller-Altzinger zusammen. Die Mischung aus einnahmen- und ausgabenseitigen Maßnahmen hielt sie für erforderlich.

Schratzenstaller-Altzinger sah ebenfalls Strukturreformen für notwendig an, insbesondere nannte sie dabei das Gesundheitswesen und das Fördersystem. Im Sinne einer Föderalismusreform sprach sich Schratzenstaller-Altzinger dafür aus, die bereits begonnenen Gespräche zwischen Bund, Ländern und Gemeinden dafür zu nutzen, um Schritte in Richtung einer Reform der Finanzausgleichsarchitektur zu setzen.

Bei den Pensionen bräuchte es mehr Maßnahmen, sagte sie. Zudem sollte stärker auf ökologische Aspekte und die Erfüllung der Klimaziele geachtet werden. Dies könnte mittelfristig zu mehr Kosten führen, als kurzfristig eingespart werde, sagte sie mit Verweis auf die beschlossene NOVA-Befreiung von Nutzfahrzeugen und die Erhöhung des Pendlereuros. Zudem sprach sich die Expertin dafür aus, künftig Umweltsteuern an die Inflation anzupassen, um die "kalte Degression" auszuschalten.

Budgetkonsolidierungen sollten auf Verteilungsaspekte achten, um als fair empfunden zu werden, argumentierte sie. Eine Studie des Budgetdiensts des Parlaments zeige, dass eine Reihe von Maßnahmen, die direkt auf das Einkommen wirken, insgesamt zu relativ stärkerer Belastung unterer Einkommen führen. Eine Reihe von Konsolidierungsmaßnahmen dürften Frauen stärker belasten als Männer, nämlich jene, die die unteren Einkommen stärker treffen, so Schratzenstaller-Altzinger. (Fortsetzung Budgetausschuss) gla

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen.

Details zu den Budgets 2025 und 2026, den Änderungen gegenüber den Vorjahren sowie der Entwicklung des laufenden Budgetvollzugs bietet das interaktive Visualisierungstool des Budgetdiensts. Dort erhalten Sie einen raschen und transparenten Überblick über relevante Budgetdaten. Eine Lesehilfe zu den Budgetunterlagen 2025 und 2026 dient der Orientierung und dem besseren Verständnis der umfangreichen Unterlagen. Sie enthält auch den Zeitplan für die Verhandlungen der einzelnen Kapitel.

Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.

Fotos vom Expert:innenhearing des Budgetausschusses finden Sie im Webportal des Parlaments. Die Debatte ist auch als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.